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Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 22.11.2001
Aktenzeichen: 6 UF 60/01
Rechtsgebiete: HausratsVO, BGB, ZPO


Vorschriften:

HausratsVO § 17
HausratsVO § 16 Abs. 3
BGB § 133
BGB § 157
BGB § 363
BGB § 362 Abs. 1
ZPO § 713
ZPO § 795
ZPO § 767
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 794 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Saarländisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

6 UF 60/01

Verkündet am 22.11.2001

In der Familiensache

wegen Vollstreckungsgegenklage

hat der 6. Zivilsenat - Senat für Familiensachen I - des Saarländischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. Oktober 2001

durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Jochum, die Richterin am Oberlandesgericht Cronberger und den Richter am Landgericht Neuerburg

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung gegen das am 15. März 2001 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - in Saarbrücken - 54 F 334/00 WH - wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

I.

Die durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - in Saarbrücken vom 19. April 2000 - 54 F 195/99 - rechtskräftig geschiedenen Parteien streiten darüber, ob ein am gleichen Tage im Rahmen des Hausratsteilungsverfahrens 54 F 62/00 zwischen ihnen geschlossener Prozessvergleich erfüllt ist. In dessen Ziffer 1) heißt es u.a.:

"Zum Zwecke der endgültigen Hausratsteilung verpflichtet sich die Beklagte, dem Kläger folgende Gegenstände herauszugeben:

einen Orientteppich Nain mit Seide, Größe etwa 2 m x 1,5 m."

Bei Abschluss des Vergleichs lag eine vom Beklagten gefertigte schriftliche "Zusammenstellung der (...) zurückgelassenen Möbel und Hausratsgegenstände bei meinem Auszug 1988" (richtig: 1998) vor. Darin sind an Teppichen "2 Orientteppiche, Nain mit Seide ca. 1,50 x 1,00 m" mit Wertangabe ca. 17.000 DM aufgeführt.

Am 29. April 2000 wurde dem Beklagten ein zusammengerollter Teppich der im Vergleich genannten Größe übergeben. Gleichzeitig übergab der Beklagte der Klägerin eine vorbereitete Quittung, worin er bestätigt, "einen Orientteppich erhalten zu haben". Nach einem vom Beklagten eingeholten Bewertungsgutachten handelt es sich dabei tatsächlich um einen echten Orientteppich der Provenienz "Ghom" aus Korkwolle mit einem Zeitwert von ca. 4.500 DM.

Nachdem der Beklagte die Herausgabevollstreckung aus dem Vergleich eingeleitet hatte, hat die Klägerin im September 2000 die vorliegende Vollstreckungsgegenklage erhoben und sich auf Erfüllung berufen. Sie hat geltend gemacht, der an den Beklagten herausgegebene sei der in dem Vergleich von beiden Parteien übereinstimmend gemeinte größere Teppich. Die Bezeichnung "Nain mit Seide" sei eine unschädliche Falschbezeichnung, weil die Parteien übereinstimmend davon ausgegangen seien, dass es sich um einen solchen handele und sie ihn seinerzeit auch als solchen gekauft hätten. Einen weiteren "Nain mit Seide" gebe es in ihrem Haushalt aber nicht.

Der Beklagte hat erstinstanzlich auf Klageabweisung angetragen und die Erfüllung der Herausgabeverpflichtung bestritten. Hilfsweise hat er die Klägerin auf Schadensersatz in Höhe des behaupteten Wertes des herauszugebenden Teppichs von 9.000 DM in Anspruch genommen.

Die Klägerin hat um Zurückweisung des Hilfsantrages gebeten.

Das Familiengericht hat durch das angefochtene Urteil, auf das ergänzend Bezug genommen wird, der Vollstreckungsgegenklage nach Anhörung der Parteien wegen Erfüllung der Herausgabeverpflichtung stattgegeben und den Hilfsantrag des Beklagten abgewiesen.

Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Beklagte in erster Linie sein erstin-stanzliches Klageabweisungsbegehren, hilfsweise den Zahlungsanspruch in Höhe von 9.000 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach dem DÜG seit 20. Oktober 2000, Zug-um-Zug gegen Herausgabe des "Korkteppichs Ghom, 2 m x 1,5 m" weiter.

Die Klägerin bittet um Zurückweisung der Berufung und verteidigt das angefochtene Urteil.

Die Beiakten 54 F 62/00 des Amtsgerichts - Familiengericht - in Saarbrücken waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das mit dem Hauptantrag verfolgte Klageabweisungsbegehren bleibt ohne Erfolg. Denn die Vollstreckungsgegenklage der Klägerin ist zulässig und begründet.

Die Vollstreckungsgegenklage nach §§ 794 Abs. 1 Nr. 1, 795, 767 ZPO ist wegen der Verweisung auf die Vorschriften der ZPO für die Zwangsvollstreckung in § 16 Abs. 3 HausratsVO auch gegenüber - wie hier - im Hausratsverteilungsverfahren geschaffenen Vollstreckungstiteln statthaft (OLG Hamm, FamRZ 1988, 745; Erman-Dieckmann, BGB, 10. Aufl., § 16 HausratsVO, Rz. 5; HausrVO-Fehmel, § 16, Rz. 12). Für ein - unter Umständen vorrangiges (Palandt/Diederichsen, BGB, 60. Aufl., § 16 HausratsVO, Rz. 1) - Abänderungsverfahren nach § 17 HausratsVO ist hier kein Raum, weil ausschließlich um die Erfüllung des Prozessvergleiches gestritten wird.

Das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin - es besteht für die Vollstreckungsgegenklage schon dann, wenn die Vollstreckung ernstlich droht, und entfällt erst mit endgültiger Befriedigung des Gläubigers (Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl., § 767, Rz. 8) - ergibt sich hier daraus, dass der Beklagte die Zwangsvollstreckung aus dem Titel eingeleitet hat.

Die Vollstreckungsgegenklage ist begründet, weil der Herausgabeanspruch des Beklagten durch Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen ist. Denn die Klägerin ist durch Übergabe des Teppichs der Provenienz "Ghom" der durch den Prozessvergleich begründeten Herausgabeverpflichtung nachgekommen.

Zu Recht und unangegriffen geht das Familiengericht in dem angefochtenen Urteil davon aus, dass mit dem Prozessvergleich kein auf eine vertretbare Sache gerichteter Lieferungsanspruch des Beklagten begründet, sondern die Herausgabe eines bestimmten, konkretisierten Individualgegenstandes vereinbart worden ist (§§ 133, 157 BGB).

Für die vertragsgemäße Erfüllung dieses Herausgabeanspruches ist unerheblich, dass nach dem Vergleichswortlaut die Herausgabe eines "Nain mit Seide" geschuldet war, während es sich bei dem an den Beklagten übergebenen Teppich unstreitig um einen solchen der Provenienz "Ghom" aus Korkwolle handelt. Streitentscheidend ist nämlich, dass es sich bei dem übergebenen Teppich um den nämlichen handelt, dessen Herausgabe nach dem Vergleich geschuldet war, worauf die Klägerin sich zu Recht beruft und geltend macht, die Benennung im Vergleich sei eine - unschädliche - Falschbezeichnung, weil man bei Vergleichsabschluss übereinstimmend denselben, später an den Beklagten übergebenen Teppich gemeint habe.

Das Familiengericht hat mit nachvollziehbarer und überzeugender Begründung angenommen, dass es sich bei der Bezeichnung als "Nain mit Seide" im Vergleich um eine - nach den Auslegungsgrundsätzen der §§ 133, 157 BGB hier unschädliche - bloße Falschbezeichnung handelt ("falsa demonstratio non nocet"), weil bei der Auslegung jeder Willenserklärung der wirkliche Wille der Parteien, wenn alle Beteiligten ihn in demselben Sinne verstanden haben, dem Wortlaut und jeder anderen Interpretation vorgeht (BGH, NJW 1984, 721; NJW-RR 1993, 373) und die Parteien im Vergleich tatsächlich übereinstimmend den nämlichen Teppich der Provenienz "Ghom" gemeint haben.

Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine dem Beklagten günstigere Sicht. Soweit er in zweiter Instanz nämlich erstmals dezidiert behauptet, dass die Parteien während ihrer Ehe weitere - namentlich den ihm übergebenen - Orientteppiche von Wert angeschafft und noch bei seinem Auszug besessen hätten, steht dies in offenbarem Widerspruch zu der von ihm selbst gefertigten Auflistung, die bei Vergleichsabschluss vor dem Familiengericht vorgelegen hat und Grundlage der Vergleichsverhandlungen war. Denn darin sind überhaupt nur zwei Teppiche - Orientteppiche, die aus seiner damaligen Sicht einen erheblichen Wert dargestellt hätten, wie er mit der Berufung selbst vorträgt - aufgeführt. Dann ist aber nicht nachvollziehbar, warum der ihm übergebene "Ghom", der nach dem von ihm selbst vorgelegten Wertgutachten mit einem aktuellen Zeitwert von 4.500 DM ebenfalls einen nicht unerheblichen Wert repräsentiert - nach dem von der Klägerin zuletzt vorgelegten Gutachten sogar einen deutlich höheren als der in ihrem Besitz verbliebene "Nain" (2.500 DM) - nicht ebenfalls in die Liste aufgenommen worden ist, wenn er zusätzlich zu zwei "Nain" vorhanden gewesen sein soll. Dass dies unterblieben ist, weil er diesen Teppich seinerzeit aus seiner subjektiven Sicht als minderwertig angesehen hat, ist nicht substantiiert dargetan. Dies stützt nachhaltig die Behauptung der Klägerin, dass es einen weiteren Orientteppich von Wert im Privatvermögen der Parteien nicht gegeben hat. Dass der Beklagte im Übrigen auch unrichtige oder zumindest ungenaue Vorstellungen des begehrten Teppichs hat und diese Fehlvorstellung nach Überzeugung des Senats nicht ausschließbar nachträglich in die Vergleichsvereinbarung hinein proji-ziert, ergibt sich auch aus weiteren Indizien. Zum einen hat er nämlich die Größe beider angeblich vorhandener "Nain" in der vorerwähnten Auflistung übereinstimmend mit "ca. 1,50 x 1 ,00 m" angegeben, wohingegen ein zweiter "Nain" dieser Größe aber unstreitig niemals im Besitz der Parteien war. Dem korrespondiert seine eher vage Erklärung bei der erstinstanzli-chen Anhörung vor dem Familiengericht, er habe bei Vergleichsabschluss "die Vorstellung" gehabt, "einen anderen Teppich zu erhalten in der Farbe wie Teppich Nr. 2, Grundfarbe blaugrün, aber größer". Hinzu kommt, dass der Beklagte die - aus seiner Sicht eigentlich offensichtliche - Identitätsabweichung, die ein umgehendes Tätigwerden mit dem Ziel, den "falschen" in den "richtigen" Teppich umzutauschen erwarten ließe, nicht sofort nach ihrem Bemerken gegenüber der Klägerin reklamiert, wofür zumindest nichts dargetan oder sonst ersichtlich ist, sondern zunächst ein Wertgutachten in Auftrag gegeben hat, dessen Sinnhaf-tigkeit in der damaligen Lage des Beklagten sich dem Senat nicht ohne Weiteres erschließt. Die Anhörung der Parteien durch den Senat hat nichts ergeben, was eine dem Beklagten günstigere Sicht rechtfertigt.

Letztlich kann der Beklagte mit seiner Berufung insoweit aber schon deswegen nicht durchdringen, weil er mit seinem Vorbringen beweisfällig bleibt. Zwar ist es nach allgemeinen Beweislastregeln grundsätzlich Sache des die Erfüllung behauptenden Schuldners, im Streitfall zu beweisen, dass die Leistung tatsächlich erbracht wurde und obligationsgemäß war (MünchKomm/Wenzel, BGB, 4. Aufl., § 363, Rz. 1; Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 363, Rz. 1). Hiervon abweichend ist die Beweislast im vorliegenden Fall aber nach § 363 BGB umgekehrt, weil der Beklagte den ihm übergebenen Teppich jedenfalls zunächst als Erfüllung des im Vergleich vereinbarten Herausgabeanspruches angenommen hat.

Nach § 363 BGB tritt eine Umkehr der Beweislast ein, wenn der Gläubiger eine ihm als Erfüllung angebotene Leistung als solche angenommen hat, diese aber nicht als Erfüllung gelten lassen will, weil sie eine andere als die geschuldete Leistung oder unvollständig gewesen sei. Eine Annahme als Erfüllung liegt vor, wenn das Verhalten des Gläubigers bei und nach Entgegennahme der Leistung erkennen lässt, dass er sie als eine im Wesentlichen ordnungsgemäße Erfüllung gelten lassen will (BGH, NJW 1958, 1724). So liegt der Fall hier. Denn der Beklagte hat durch die von ihm unterzeichnete Quittung die Übergabe "eines Orientteppichs" bestätigt, was aus der maßgeblichen Empfängersicht über deren bloßen Wortlaut hinaus nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte nur so verstanden werden kann, dass hiermit nicht die Übergabe "irgendeines", sondern des vertraglich geschuldeten Teppichs gemeint ist und bestätigt werden soll (§§ 133, 157 BGB). Er kann in diesem Zusammenhang auch nicht damit gehört werden, dass er den Irrtum bei Abholung nicht bemerkt habe, weil die Klägerin ihm den Teppich zusammengerollt mit dem Rücken nach außen übergeben habe. Denn es obliegt dem die Quittung erteilenden Gläubiger, entweder vorab die nötigen Feststellungen zu treffen oder einen entsprechenden Vorbehalt zu erklären, wenn er die Rechtsfolge des § 363 BGB vermeiden will. Für seine streitentscheidende Behauptung, dass mit dem im Vergleich angesprochenen "Nain mit Seide" ein anderer Teppich als der ihm übergebene gemeint war und die Klägerin deswegen den falschen herausgegeben habe, trägt nach alldem der Beklagte die Beweislast. Er hat für sein Vorbringen aber keinen Beweis angeboten. Dies geht zu seinen Lasten.

Der zulässige Hilfsantrag des Beklagten auf Schadensersatz ist unbegründet.

Schadensersatzansprüche des Beklagten, für die eine Rechtsgrundlage im Übrigen nicht erkennbar ist, scheiden hier schon deswegen aus, weil die Klägerin den im Vergleich vereinbarten Herausgabeanspruch vertragsgemäß erfüllt hat. Für die Beweislastverteilung gilt insoweit nichts von den obigen Ausführungen abweichendes.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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