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Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 27.04.2002
Aktenzeichen: 6 WF 14/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 1579 | |
BGB § 1579 Nr. 2 | |
BGB § 1579 Nr. 4 | |
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2 | |
ZPO § 127 Abs. 4 |
Saarländisches Oberlandesgericht Beschluss
In der Familiensache
wegen nachehelichen Unterhalts
hier: Beschwerde gegen die Verweigerung von Prozesskostenhilfe
hat der 6. Zivilsenat - Familiensenat I -des Saarländischen Oberlandesgerichts durch den Richter am Oberlandesgericht Neuerburg als Einzelrichter
am 27. April 2002
beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - in St. Wendel vom 4. Januar 2002 - 6 F 171/01 UE - aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht - Familiengericht - in St. Wendel zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Durch den angefochtenen Beschluss, auf den ergänzend Bezug genommen wird, hat das Familiengericht der Antragstellerin, die seit der Trennung den am 1. August 1994 geborenen gemeinsamen Sohn der Parteien versorgt und betreut, die nachgesuchte Prozesskostenhilfe für ihre beabsichtigte Klage auf nachehelichen Unterhalt mangels Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung mit der Begründung verweigert, ein etwaiger Unterhaltsanspruch sei nach § 1579 Nr. 2 BGB zu versagen, weil die Antragstellerin bei Einreichung ihres Klageentwurfs Renteneinkünfte vorsätzlich verschwiegen und sich dadurch eines schweren vorsätzlichen Vergehens zum Nachteil des Antragsgegners schuldig gemacht habe.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer "Beschwerde", mit der sie ihr Prozesskostenhilfegesuch weiter verfolgt. Der Antragsgegner bittet um Zurückweisung der Beschwerde.
II.
Das als - gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige - sofortige Beschwerde zu behandelnde Rechtsmittel der Antragstellerin ist begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Familiengericht zur erneuten Behandlung und Entscheidung.
Die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage (§ 114 ZPO) kann jedenfalls mit der in dem angefochtenen Beschluss gegebenen Begründung nicht verneint werden.
Nach § 1579 BGB ist ein Unterhaltsanspruch zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, wenn einer der in Nr. 1 bis 7 genannten Härtegründe vorliegt und die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes grob unbillig wäre. Dies erfordert eine umfassende Interessenabwägung, bei der - neben der Feststellung und Gewichtung aller hierfür erforderlichen Tatsachen (BGH, FamRZ 1982, 582) - vor allem der verfassungsrechtlich verankerte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Vorrang des Kindeswohls zu beachten ist (BGH, FamRZ 1990, 492, 494; Wendl/Gerhardt, Unterhaltsrecht, 5. Aufl., § 4, Rz. 615).
Die vom Familiengericht in dem angefochtenen Beschluss gegebene Begründung trägt die vollständige Versagung des Unterhaltsanspruches nach § 1579 Nr. 2 oder Nr. 4 BGB nicht. Die gebotene Gesamtabwägung erfordert die Feststellung, welche Auswirkungen die - vollendete oder versuchte - Täuschung auf den Unterhaltsanspruch des Berechtigten im konkreten Fall hatte; welcher Unterhaltsanspruch der Antragstellerin mit Rücksicht auf ihren Rentenbezug unter Einschluss des im - seit 2. Mai 2001 rechtskräftigen - Scheidungsurteil vom 28. März 2001 - 12 F 226/00 - durchgeführten Versorgungsausgleichs zusteht, hat das Familiengericht in dem angefochtenen Beschluss aber nicht geprüft. Im Übrigen ist eine Verweisung des betreuenden Elternteils auf die Inanspruchnahme von Sozialhilfe im Rahmen von § 1579 BGB wegen deren Subsidarität mit den Kindesbelangen regelmäßig nicht vereinbar (BGH, FamRZ 1989, 1279, 1280; FamRZ 1992, 1403, 1405; Johannsen/Henrich/Büttner, Eherecht, 3. Aufl., § 1579 BGB, Rz. 46, 57).
Nach alldem kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben. Da das Familiengericht den Unterhaltsanspruch der Antragstellerin - wie auch deren Kostenarmut - bisher nicht geprüft hat, ist eine eigene Sachentscheidung des Senats derzeit nicht angezeigt (§ 572 Abs. 3 ZPO).
Im Rahmen der erneuten Behandlung und Entscheidung wird das Familiengericht auch Gelegenheit haben zu prüfen, inwieweit die Annahme eines zumindest versuchten Prozessbetruges im Hinblick darauf gerechtfertigt ist, dass der Rentenbezug der Antragstellerin bereits aus der im Versorgungsausgleichsverfahren erteilten Auskunft ersichtlich war.
Der Kostenausspruch beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordern (§ 574 ZPO).
Ende der Entscheidung
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