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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 16.02.2004
Aktenzeichen: 6 WF 60/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 127 Abs. 2
BGB § 1603 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Saarländisches Oberlandesgericht Beschluss

6 WF 60/03

In der Familiensache

wegen Kindesunterhalts

hat der 6. Zivilsenat - Senat für Familiensachen I - des Saarländischen Oberlandesgerichts

auf die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den die Prozesskostenhilfe verweigernden Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - in Saarlouis vom 22. Juli 2003 - 22 F 318/03 - durch den Richter am Oberlandesgericht Neuerburg als Einzelrichter

am 16. Februar 2004

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die am Januar 1989 geborene Beklagte zu 1) und der am März 1993 geborene Beklagte zu 2) sind aus der durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - in Saarlouis vom 9. Januar 2003 - 22 F 276/01 - rechtskräftig geschiedenen Ehe ihrer gesetzlichen Vertreterin und des Klägers hervorgegangen. Beide Beklagten leben im Haushalt ihrer Mutter, die sie versorgt und betreut.

Der 1961 geborene, heute 42 Jahre alte Kläger hat eine abgeschlossene Berufsausbildung als Bauzeichner, jedoch nie in diesem Beruf gearbeitet. Sein Studium als Bauingenieur hat er zu Gunsten einer selbständigen Tätigkeit abgebrochen. Er war Gesellschafter und Geschäftsführer der Firma "W. P.-E.-R. von Fensterfabrikationsbetrieben GmbH", die im Dezember 2002 Insolvenzantrag gestellt hat. Seither ist kein Geschäftsführergehalt mehr ausgezahlt worden. Mit Beschluss des Amtsgerichts in Saarbrücken vom 6. Januar 2003 - 59 IN 338/02 - ist ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden. Im März 2003 hat der Kläger mit einem Partner eine neue Firma mit im Wesentlichen gleichem Geschäftsgegenstand gegründet, die auf Grund der bisherigen Geschäftsergebnisse nicht in der Lage war, ein Geschäftsführergehalt auszuzahlen. Seit Mai 2003 ist der Kläger zudem als Handelsvertreter für die Firma GmbH tätig und hat Provisionen in Höhe von 597,22 EUR im Mai bzw. 650,23 EUR im Juni 2003 verdient.

Auf Grund einer im einstweiligen Anordnungsverfahren ergangenen Entscheidung des Amtsgerichts - Familiengericht - in Saarlouis vom 20. Juni 2001 - 22 F 276/01 EA I - hat der Kläger u.a. ab Juli 2001 monatlichen Unterhalt für die Beklagte zu 1) in Höhe von 510 DM und für den Beklagte zu 2) in Höhe von 431 DM zu zahlen.

Mit seiner im Juli 2003 eingegangenen Klage, für die er um Bewilligung von Prozesskostenhilfe bittet, erstrebt der Kläger die Feststellung, dass er mit Wirkung ab 20. Februar 2003 keinen Kindesunterhalt mehr zu zahlen hat.

Die Beklagten haben erstinstanzlich um Zurückweisung des Prozesskostenhilfegesuchs gebeten. Mit einer im Oktober 2003 eingereichten, noch nicht zugestellten Klage nehmen sie den Kläger vor dem Amtsgericht - Familiengericht - in Saarlouis - 22 F 432/03 UK - auf Unterhaltszahlungen ab September 2003 in Anspruch.

Durch den angefochtenen Beschluss, auf den ergänzend Bezug genommen wird, hat das Familiengericht dem Kläger die nachgesuchte Prozesskostenhilfe verweigert.

Mit seiner hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde, der das Familiengericht nicht abgeholfen hat, verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Gesuch weiter.

Die Beklagten bitten um Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.

Die gemäß § 127 Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Zu Recht hat das Familiengericht dem Kläger die nachgesuchte Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht (§ 114 ZPO) verweigert. Denn die - zulässige - negative Feststellungsklage wird jedenfalls beim derzeitigen Sach- und Streitstand voraussichtlich keinen Erfolg haben.

Der Kläger hat nicht dargetan, dass er in rechtserheblicher Weise außer Stande ist, den titulierten Kindesunterhalt zu zahlen. Ob und inwieweit ein Unterhaltspflichtiger leistungsfähig ist, wird nämlich nicht allein durch sein tatsächliches Einkommen und Vermögen bestimmt, sondern auch durch seine Erwerbsfähigkeit (BGH, FamRZ 1985, 158, 159). Er ist verpflichtet, seine Arbeitskraft entsprechend seiner Vorbildung, seinen Fähigkeiten und den Arbeitsmarktverhältnissen so gut wie möglich einzusetzen und muss sich Einkünfte anrechnen lassen, die er bei gutem Willen durch eine zumutbare Erwerbstätigkeit erzielen könnte (BGH, a.a.O.; FamRZ 1982, 792, 794; Senatsurteil vom 6. März 2003 - 6 UF 98/02). Die Zurechnung fiktiver Einkünfte kommt immer dann in Betracht, wenn dem Unterhaltspflichtigen ein verantwortungsloses, mindestens leichtfertiges unterhaltsbezogenes Fehlverhalten vorzuwerfen ist (BGH, FamRZ 1999, 833, 844; FamRZ 1985, 158, 159; Senat, a.a.O.). So liegt der Fall hier, wie das Familiengericht zu Recht angenommen hat und auch nicht durch erhebliches Beschwerdevorbringen in Frage gestellt wird.

Der gegenüber den minderjährigen unverheirateten Beklagten nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB gesteigert unterhaltspflichtige Kläger hat seine Arbeitskraft bestmöglich einzusetzen und muss alle Erwerbsmöglichkeiten ausschöpfen (Senat, a.a.O.; Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2001 - 6 UF 1/01 (PKH); OLG Zweibrücken, FamRZ 1999, 881; OLG Hamm, FamRZ 1998, 892). Das bedeutet, dass die berufliche Dispositionsmöglichkeit und freie Entfaltung der Persönlichkeit weitgehend hinter der Elternverantwortung zurücktritt und der Unterhaltspflichtige unter Umständen auch einen Orts- oder Berufswechsel - unter Einschluss seinem beruflichen Werdegang nicht entsprechender Beschäftigungen - in Kauf nehmen muss, um seinen unterhaltsrechtlichen Obliegenheiten nachzukommen (BGH, FamRZ 1980, 113, 114; Eschenbruch/Mittendorf, Der Unterhaltsprozess, 3.Aufl., Rz. 6241, m.w. N.). Dass er dieser gesteigerten Erwerbsobliegenheit nachgekommen ist, hat der Kläger auch in der Beschwerdeinstanz nicht hinreichend dargetan. Dass das Familiengericht dem Kläger die Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung an Stelle seiner - nicht auskömmlichen - selbständigen Tätigkeit angesonnen hat, ist unterhaltsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. etwa BGH, FamRZ 1998, 357), zumal er mit dem daraus erzielten Einkommen nicht einmal den Regelbedarf der Beklagten sicher stellen kann und auch eine konkrete Aussicht auf eine Verbesserung dieser Erwerbssituation auf absehbare Zeit mit der Beschwerde nicht aufgezeigt wird. Anderweitige Erwerbsbemühungen hat der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen bisher nicht entfaltet. Dies rechtfertigt die Zurechnung eines fiktiven Erwerbseinkommens in Höhe von jedenfalls nicht weniger als monatlich 1.324 EUR netto, das der Kläger unter Zugrundelegung der maßgeblichen Steuer- und Abgabentatsachen - Lohnsteuerklasse 1 bei 1,0 Kinderfreibeträgen, Kirchensteuerpflicht, Krankenversicherungsbeitrag 14 %, sonstige Sozialversicherungsbeiträge in gesetzlicher Höhe - bereits bei einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit von monatlich 170 Stunden und einem Stundenlohn von 12,50 EUR brutto erzielen könnte. Das unter Berücksichtigung seines notwendigen Selbstbehalts in Höhe von monatlich 840 EUR danach für Unterhaltszwecke verbleibende Einkommen reicht aus, um den titulierten Unterhalt der Beklagten in Höhe von monatlich insgesamt (<510 DM => 260,76 EUR + <431 DM => 220,37 EUR =) 481,13 EUR zu leisten. Ein derartiges Einkommen könnte der erst 42 Jahre alte und gesundheitlich nicht erkennbar eingeschränkte Kläger auch in der gegebenen Arbeitsmarktsituation namentlich unter Berücksichtigung seiner in Führungspositionen in der Bauwirtschaft gewonnenen beruflichen Erfahrungen - weswegen er entgegen seiner Annahme nicht von vornherein auf Hilfsarbeitertätigkeiten angewiesen ist - nach Überzeugung des Senats bei Entfaltung der unterhaltsrechtlich gebotenen Bemühungen auch tatsächlich erzielen (§ 287 ZPO).

Nach alldem ist dem Kläger die nachgesuchte Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht seiner Rechtsverfolgung zu verweigern (§ 114 ZPO). Ob der Kläger sich gegenüber dem an sich gebotenen Einsatz der ihm nach Klageeinreichung zugeflossenen liquiden Barmittel zur Bestreitung der Prozesskosten (§ 115 Abs. 2 ZPO) mit Erfolg auf die - nicht näher substantiierte - vorrangige Tilgung aufgelaufener Schulden bei seinem Vater und seinem Bruder berufen kann, bedarf bei dieser Sachlage keiner Entscheidung.

Der Kostenausspruch beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordern (§ 574 Abs. 3 Satz 1 i.V. mit Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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