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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 28.11.2006
Aktenzeichen: 6 WF 88/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, SGB II


Vorschriften:

ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
BGB § 1570
BGB § 1615 l
SGB II § 33
Die Selbstbehaltssätze gegenüber Ehegatten sind auch bei Betreuung eines gemeinsamen minderjährigen Kindes durch den Unterhaltsberechtigten grundsätzlich höher anzusetzen als gegenüber minderjährigen Kindern; dabei ist im Regelfall von dem Betrag auszugehen, der in der Mitte zwischen dem notwendigen und dem angemessenen Selbstbehalt liegt.
Saarländisches Oberlandesgericht Beschluss

6 WF 88/06

In der Familiensache

wegen nachehelichen Unterhalts

hat der 6. Zivilsenat - Senat für Familiensachen I - des Saarländischen Oberlandesgerichts auf die als sofortige Beschwerde zu behandelnde Beschwerde der Klägerin gegen den die Prozesskostenhilfe teilweise verweigernden Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - in Neunkirchen vom 12. September 2006 - 17 F 312/06 UE - durch den Richter am Oberlandesgericht Neuerburg als Einzelrichter

am 28. November 2006

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - in Neunkirchen vom 12. September 2006 - 17 F 312/06 UE - teilweise dahin abgeändert, dass der Klägerin ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt, , bewilligt wird, soweit sie den Beklagten über 306 EUR hinaus auf Zahlung weiteren nachehelichen Unterhalts in Höhe von monatlich 66 EUR, beginnend mit dem auf den Eintritt der Rechtshängigkeit der Klage folgenden Monat an die ARGE und beginnend mit dem auf den Schluss der mündlichen Verhandlung folgenden Monat an sich selbst - frühestens jedoch ab dem Tag des Eintritts der Rechtskraft des am 4. August 2006 verkündeten Scheidungsurteils des Amtsgerichts - Familiengericht - in Neunkirchen - 17 F 67/06 S - in Anspruch nimmt.

Die weiter gehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Die Gebühr nach GKG Anlage 1 (zu § 3 Abs. 2) KV Nr. 1811 wird auf die Hälfte ermäßigt.

Gründe:

I.

Aus der Ehe der Parteien ist ein Kind - die am . November 2002 geborene Tochter M. - hervorgegangen. M. lebt bei der Klägerin, die sie versorgt und betreut. Durch das am 4. August 2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - in Neunkirchen - 17 F 67/06 S - ist die Ehe geschieden worden.

Die am . März 1977 geborene, derzeit 29 Jahre alte Klägerin ist nicht erwerbstätig. Seit Juli 2006 bezieht sie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von der ARGE ("Arbeitslosengeld II"). Der Beklagte ist vollschichtig erwerbstätig und erzielt - nach dem im Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren zu Grunde gelegten Vorbringen der Klägerin - ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 1.500 EUR.

Die Klägerin hat beim Familiengericht um Prozesskostenhilfe für ihre am 10. August 2006 eingereichte Klage auf Zahlung monatlichen nachehelichen Unterhalt in Höhe von - nach ihrer Rechnung - (Nettoeinkommen M: 1.500 EUR ./. Kindesunterhalt: 199 EUR ./. Selbstbehalt M: 890 EUR =) 411 EUR ab Rechtskraft der Scheidung nachgesucht.

Der Beklagte hat gebeten, den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückzuweisen.

Durch den angefochtenen Beschluss, auf den ergänzend Bezug genommen wird, hat das Familiengericht der Klägerin ratenfreie Prozesskostenhilfe für die Klage auf Zahlung nachehelichen Unterhalts in Höhe von monatlich 306 EUR bewilligt. Im Übrigen hat es die nachgesuchte Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung verweigert.

Mit ihrer "Beschwerde" wendet sich die Klägerin gegen die Teilverweigerung der Prozesskostenhilfe. Sie verfolgt ihr erstinstanzliches Gesuch mit der Maßgabe weiter, dass nunmehr "bis zum Monatsletzten nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung Zahlung an die zuständige Arbeitsgemeinschaft, beginnend mit dem Monatersten nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung Zahlung seitens der Klägerin an sich selbst" begehrt wird.

Das Familiengericht hat dem Rechtsmittel mit Beschluss vom 5. Oktober 2006 nicht abgeholfen.

II.

Das als gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde zu behandelnde Rechtsmittel ist teilweise begründet.

Der Klage auf nachehelichen Betreuungsunterhalt gemäß § 1570 BGB kann - frühestens für die Zeit ab dem Tag des Eintritts der Rechtskraft des Scheidungsausspruchs - die hinreichende Erfolgsaussicht in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang nicht abgesprochen werden (§ 114 ZPO).

Nach dem zutreffenden Ausgangspunkt des Familiengerichts sind unter Beachtung der neuen höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH, FamRZ 2006, 683), der sich der Senat zwischenzeitlich angeschlossen hat (Senatsurteil vom 16. November 2006 - 6 UF 29/06), die Selbstbehaltssätze gegenüber Ehegatten grundsätzlich höher anzusetzen, als gegenüber minderjährigen Kindern. Wegen der Verknüpfung mit dem Unterhaltsanspruch der Mutter bzw. dem Vater eines nichtehelichen Kindes gemäß § 1615 l BGB, die sich typischer Weise in der nämlichen Situation befinden, gilt dies - entgegen der Annahme der Beschwerde - auch bei Betreuung eines gemeinsamen minderjährigen Kindes durch den Unterhaltsberechtigten (Soyka, FuR 2006, 268, 269). Insoweit erachtet es der Senat für angemessen, im Regelfall von dem Betrag auszugehen, der in der Mitte zwischen dem notwendigen und dem angemessenen Selbstbehalt liegt (Senat, a.a.O.; Büttner, FamRZ 2006, 765). Unter Heranziehung der Unterhaltsrechtlichen Leitlinien des Saarländischen Oberlandesgerichts (Stand 1. Juli 2005) ergibt sich im entscheidungserheblichen Zeitraum somit ein Selbstbehalt des erwerbstätigen Beklagten gegenüber der Klägerin in Höhe von (1.100 EUR + 890 EUR = 1.990 EUR : 2 =) 995 EUR.

Unter Anwendung dieses Maßstabes ist das nach den nicht beanstandeten Feststellungen des Familiengerichts zur Erfüllung der gleichrangigen Unterhaltsverpflichtungen des Beklagten gegenüber der Klägerin und dem unterhaltsberechtigten minderjährigen Kind zur Verfügung stehende Einkommen in Höhe von (1.500 EUR ./. 995 EUR =) 505 EUR unter Berücksichtigung der vom BGH entwickelten Grundsätze zur Mangelfallberechnung (BGH, FamRZ 2003, 363) zwischen der Klägerin und dem unterhaltsberechtigten Kind aufzuteilen; die Differenz zwischen dem angemessenen (995 EUR) und dem notwendigen Selbstbehalt (890 EUR) steht für den Kindesunterhalt zur Verfügung (Senat, a.a.O.; Eschenbruch, Der Unterhaltsprozess, 4. Aufl., Rz. 3127; Soyka, a.a.O.). Danach entfällt in der Mangelverteilung auf die Klägerin ein monatlicher Unterhaltsbetrag in Höhe von (505 * 770 : <770 + 276 =>1.046 = 371,75 EUR, gerundet) 372 EUR. Die Prämisse, dass die Klägerin im vorliegenden Mangelfall dem Beklagten unter Vorwegabzug des Kindesunterhalts - zu Lasten ihres eigenen Unterhaltsanspruches - auch den höheren Selbstbehalt zur Gänze freiwillig belassen will, kann bei dieser Sachlage keinen Bestand haben und findet auch im Beschwerdevorbringen keine entscheidende Stütze.

Dem zu berücksichtigenden weiteren Umstand, dass § 33 SGB II in der Fassung des am 1. August 2006 in Kraft getretenen "Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende" vom 20. Juli 2006 (BGBl. I S. 1076 ff) nunmehr einen gesetzlichen Forderungsübergang vorsieht, wenn und soweit ein Unterhaltsberechtigter - wie hier die Klägerin - Arbeitslosengeld II bezieht, hat die Klägerin in Ermangelung einer Rückübertragung durch Modifikation ihres Klageantrages in der Beschwerdeinstanz für die Zeit zwischen dem auf den Eintritt der Rechtshängigkeit und dem auf den Schluss der mündlichen Verhandlung folgenden Monat in nicht zu beanstandender Weise Rechnung getragen (§ 265 Abs. 2 ZPO). Für die Zeit davor ist der modifizierte Antrag jedoch nicht Erfolg versprechend, weil die Voraussetzungen einer gewillkürten Prozessstandschaft nicht dargetan sind.

Nach alldem war der angefochtene Beschluss - lediglich - wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich abzuändern. Das weiter gehende Rechtsmittel ist unbegründet.

Der Kostenausspruch beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO sowie GKG Anlage 1 (zu § 3 Abs. 2) KV Nr. 1811.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordern (§ 574 Abs. 3 Satz 1 i.V. mit Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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