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Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 16.10.2003
Aktenzeichen: 7 W 217/03
Rechtsgebiete: ZPO, AVBEltV, EnWG, HGB, BGB


Vorschriften:

ZPO § 91
ZPO § 91 a
ZPO § 91 a Abs. 2
ZPO § 98
ZPO § 567
ZPO § 567 Abs. 3
ZPO § 569
AVBEltV § 32 Abs. 5
AVBEltV § 33 Abs. 2 Satz 1
AVBEltV § 33 Abs. 2 Satz 2
EnWG § 10 Abs. 1
HGB § 25 Abs. 1
BGB § 242
Zur Versorgungspflicht eines kommunalen Versorgungsunternehmens bei Zahlungsrückständen des Kunden.
Tenor:

I. Die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 17.7.2003 - 12 O 218/03 - wird insoweit, als sie sich gegen die in Ziffer 1) des Beschlusses enthaltene Kostengrundentscheidung richtet, zurückgewiesen.

II. Auf die Anschlussbeschwerde der Verfügungsbeklagten wird die in Ziffer 1 des vorbezeichneten Beschlusses des Landgerichts Saarbrücken enthaltene Kostengrundentscheidung wie folgt abgeändert und neu gefasst:

Die Kosten des Rechtsstreits des ersten Rechtszuges fallen der Verfügungsklägerin zur Last.

III. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens, soweit dieses die in Ziffer 1) des vorbezeichneten Beschlusses des Landgerichts Saarbrücken enthaltene Kostengrundentscheidung betrifft, fallen der Verfügungsklägerin zur Last.

VI. Der Gebührenstreitwert für das Beschwerdeverfahren, soweit dieses die in Ziffer 1) des vorbezeichneten Beschlusses des Landgerichts Saarbrücken enthaltene Kostengrundentscheidung betrifft, wird festgesetzt auf 9.658 EUR.

Gründe:

Gemäß Ziffer 1 des Beschlusses vom 17.7.2003, auf den wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes vollinhaltlich Bezug genommen wird, hat das Landgericht Saarbrücken die Kosten des Rechtsstreit gemäß § 91 a ZPO zu 72/100 der Verfügungsklägerin und zu 28/100 der Verfügungsbeklagten auferlegt.

Gemäß Ziffer 2 desselben Beschlusses hat das Landgericht Saarbrücken den Streitwert wie folgt festgesetzt:

Für die bis zum 1.7.2003 angefallenen Gebühren auf 202.770,70 EUR; für die ab dem 2.7.2003 angefallenen Gebühren auf 45.270,70 EUR.

Gegen diesen am 26.8.2003 zugestellten Beschluss hat der Prozessbevollmächtigte der Verfügungsklägerin mit am 5.9.2003 eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt, welcher das Landgericht Saarbrücken nicht abgeholfen hat.

Soweit sich die Verfügungsklägerin mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen die in Ziffer 1 des angefochtenen Beschlusses enthaltene Kostengrundentscheidung des Landgerichts Saarbrücken wendet, beantragt die Verfügungsklägerin, diese dahingehend abzuändern, dass die Kosten des Rechtsstreit der Verfügungsbeklagten auferlegt werden.

Die Verfügungsbeklagte beantragt mit ihrer am 17.9.2003 eingelegten Anschlussbeschwerde, die Kostengrundentscheidung des Landgerichts Saarbrücken dahingehend abzuändern, dass die Kosten des Rechtsstreits der Verfügungsklägerin auferlegt werden.

Das Beschwerdeverfahren, soweit es die in Ziffer 2 des angefochtenen Beschlusses enthaltene Streitwertfestsetzung betrifft, ist beim erkennenden Senat unter dem Aktenzeichen 7 W 235/03-34 anhängig.

II.

Die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin ist gemäß §§ 91 a Abs. 2, 567, 569 ZPO zulässig. Die Zulässigkeit der Anschlussbeschwerde folgt aus § 567 Abs. 3 ZPO.

Die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin ist unbegründet, die Anschlussbeschwerde der Verfügungsbeklagten dagegen erfolgreich.

Die Kosten des Rechtsstreits des ersten Rechtszuges sind insgesamt der Verfügungsklägerin aufzuerlegen, und zwar aus folgenden Gründen:

1) Die Kosten des Rechtsstreits des ersten Rechtszuges sind insoweit, als sie durch den ursprünglichen Verfügungsantrag zu 1) entstanden sind, gemäß § 91 ZPO der Verfügungsklägerin aufzuerlegen. Denn mit diesem Antrag, welchen das Landgericht durch Beschluss vom 25.6.2003 - 12 O 218/03 - als unzulässig zurückgewiesen hat, ist sie unterlegen.

2) Über die Kosten des Rechtsstreits im Übrigen ist, nachdem die Parteien ihre vergleichsweise Einigung vom 17.7.2003 auf die zu diesem Zeitpunkt noch anhängige Hauptsache - (Verfügungsantrag zu 2) - beschränkt und wechselseitig Kostenanträge unter Ausschluss des § 98 ZPO gestellt haben, gemäß § 91 a ZPO zu entscheiden, wobei nicht das vergleichsweise Nachgeben den Maßstab der Verteilung bildet, sondern der bisherige Sach- und Streitstand unter Berücksichtigung billigen Ermessens (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 23. Aufl., § 98 Rdnr. 3 m.w.Nachw.; Thomas-Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 98 Rdnr. 4; OLG München MDR 90/344; OLG Stuttgart NJW-RR 99/147; Senatsbeschluss vom 14.11.2002 - 7 W 219/02-30 m.w.Nachw.).

Hierbei ist nach allgemein vertretener, vom Senat geteilter Auffassung von dem Grundsatz des Kostenrechts auszugehen, dass der Unterliegende die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Die Kosten des Rechtsstreits sind demzufolge den Parteien insoweit aufzuerlegen, als sie ohne die Erledigung der Hauptsache, d.h. bei streitiger Entscheidung, unter Zugrundelegung des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses in dem Rechtsstreit unterlegen wären (vgl. Zöller-Vollkommer aaO, § 91 a Rdnr.24 m.w.Nachw.).

Hiernach ist es gerechtfertigt, der Verfügungsklägerin die Kosten des Rechtsstreits des ersten Rechtszuges gemäß § 91 a ZPO insoweit aufzuerlegen, als sie den nach Abweisung des Verfügungsantrages zu 1) noch rechtshängig gebliebenen, durch Vergleich vom 17.7.2003 erledigten Verfügungsantrag zu 2) betreffen.

Denn hinsichtlich dieses Antrages, mit welchem die Verfügungsklägerin erreichen wollte, dass der Verfügungsbeklagten untersagt wird, die Versorgung der Verfügungsklägerin mit Strom und/oder Wasser zu unterbinden oder sonstwie zu beeinträchtigen wegen (behaupteter) Zahlungsrückstände der Firma, wäre die Verfügungsklägerin ohne die vergleichsweise Einigung der Parteien, d.h. bei streitiger Entscheidung unterlegen.

Nach dem sich im Beschwerderechtszug darstellenden Sach- und Streitstand ist nämlich davon auszugehen, dass die Verfügungsklägerin keinen Anspruch darauf hat, dass die Verfügungsbeklagte sie auf dem Grundstück, mit Strom und Wasser versorgt.

Einen entsprechenden vertraglichen Erfüllungsanspruch hat die Klägerin bereits deshalb nicht, weil - wie unstreitig ist - zwischen den Parteien bisher kein Strom- und/oder Wasserlieferungsvertrag zustande gekommen ist.

Darauf, dass die Verfügungsklägerin gegen die Verfügungsbeklagte einen Anspruch auf Abschluss eines solchen Vertrages und - auf dieser Grundlage - gegenwärtig einen durchsetzbaren Anspruch auf Versorgung mit Strom und Wasser habe, kann ebenfalls nicht ausgegangen werden.

Dabei mag dahinstehen, ob die Verfügungsbeklagte gehalten sein könnte, gemäß § 32 Abs. 5 AVBEltV einem Wechsel in der Person des Kunden des Anwesens, zuzustimmen mit der Folge, dass anstelle der die Verfügungsklägerin in den zuvor mit ersterer abgeschlossenen Versorgungsvertrag eintritt. Denn seitens der Verfügungsklägerin, die gerade daran interessiert ist, die mit einer solchen Vertragsübernahme verbundene Haftung für Zahlungsrückstände der zu vermeiden, besteht ein dahingehender Wille nicht (vgl. Schriftsatz der Verfügungsklägerin vom 24.6.2003, S. 7 = Bl. 7 d.A.; Schriftsatz der Verfügungsklägerin vom 16.7.2003, S. 5 = Bl. 127 d.A.).

Davon, dass die Verfügungsklägerin wegen der in § 10 Abs. 1 EnWG normierten Versorgungspflicht gegen die Verfügungsbeklagte einen Anspruch auf Versorgung des Anwesens, mit Strom und Wasser habe, kann nach dem sich im Beschwerderechtszug darstellenden Sach- und Streitstand nicht ausgegangen werden.

Bezüglich des genannten Anwesens sind, wovon aufgrund übereinstimmenden Vorbringens der Parteien auszugehen ist, entsprechende Versorgungsverträge mit der abgeschlossen worden, in welche die Verfügungsbeklagte eingetreten ist (vgl. Schriftsatz der Verfügungsbeklagten vom 2.7.2003, S. 5 = Bl. 65 d.A.).

Diese Verträge sind, wie ebenfalls unstreitig ist, bisher von keiner Seite gekündigt worden (vgl. vorbezeichneten Schriftsatz der Verfügungsbeklagten S. 4 = Bl. 64 d.A.; Schriftsatz der Verfügungsklägerin vom 16.7.2003, S. 5 = Bl. 127 d.A.). Sie sind auch nicht dadurch beendet worden, dass die Verfügungsbeklagte nach entsprechender Androhung mit Schreiben vom 13.5.2003 und 22.5.2003 die Versorgung eingestellt hat. Denn hierdurch wurde die Fortdauer der Versorgungsverträge nicht berührt (vgl. Ludwig/Hempel, Recht der Elektrizitäts-, Gas- und Wasserversorgung, Komm., § 33 AVBEltV Rdnr. 4 m.w.Nachw.).

Da diese Verträge somit fortbestehen, richtet sich die das Anwesen, betreffende Versorgungsverpflichtung der Verfügungsbeklagten nach den darin getroffenen Vereinbarungen einschließlich der Vertragsinhalt gewordenen Allgemeinen Versorgungsbedingungen.

Aufgrund der unstreitigen Tatsache, dass die derzeitige Vertragspartnerin der Verfügungsbeklagten, die Firma, wie unstreitig ist, mit ihren Zahlungspflichten aus den bestehenden Versorgungsverträgen zum 13.5.2003 im Betrage von 68.092,32 EUR in Verzug geraten ist (vgl. Schreiben der Firma vom 16.5.2003 - Bl. 85 d.A.), hat die Verfügungsbeklagte zu Recht auf der Grundlage des § 33 Abs. 2 Satz 1 AVBEltV nach vorheriger Androhung die Versorgung eingestellt. Die Regelung des § 33 Abs. 2 Satz 2 AVBEltV, wonach ein Recht zur Einstellung der Versorgung nicht besteht, wenn der Kunde darlegt, dass die Folgen der Einstellung außer Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung stehen, und hinreichende Aussicht besteht, dass der Kunde seinen Verpflichtungen nachkommt, steht nicht entgegen. Dies gilt vorliegend bereits deshalb, weil eine hinreichende Aussicht auf Erfüllung der weiterhin fortbestehenden Zahlungsverpflichtungen, die sich nach Darstellung der Verfügungsbeklagten zwischenzeitlich auf 91.082,81 EUR erhöht haben (vgl. Schriftsatz der Verfügungsbeklagten vom 2.7.2003, S. 2 = Bl. 62 d.A.), weder von der Verfügungsklägerin dargelegt noch sonst wie ersichtlich ist.

Das somit der Verfügungsbeklagten zustehende Leistungsverweigerungsrecht muss sich die Verfügungsklägerin entgegenhalten lassen.

Dabei mag dahinstehen, ob die Verfügungsklägerin, wie die Verfügungsbeklagte meint, den Geschäftsbetrieb der Firma in denselben Räumlichkeiten mit denselben persönlichen und sachlichen Betriebsmitteln sowie demselben Kundenstamm unter Beibehaltung derselben Telefon- und Fax-Nummern weiterführt, was zu einer Anwendbarkeit des § 25 Abs. 1 HGB führen könnte.

Denn jedenfalls ist es der Verfügungsklägerin gemäß § 242 BGB verwehrt, unter Berufung auf die in § 10 Abs. 1 EnWG normierte Versorgungspflicht von der Verfügungsbeklagten den Abschluss eines - weiteren - Versorgungsvertrages bzw. eine Versorgung des Anwesens, mit Strom und Wasser zu verlangen. Denn bei der gegebenen Sachlage, insbesondere unter Berücksichtigung der Umstände im Zusammenhang mit dem Wechsel des Betriebsinhabers, der auf der Willensentschließung des Gründers, Alleingesellschafters und Geschäftsführers der Verfügungsklägerin beruht, welcher zuvor Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der Firma war, wäre die Zuerkennung eines solchen Anspruchs unredlich; denn hierdurch würde das Recht der Verfügungsbeklagten, wegen der Zahlungsrückstände ihres derzeitigen Vertragspartners die Versorgung des Anwesens einzustellen, entgegen den Grundsätzen von Treu und Glauben vereitelt.

Da nach alldem davon auszugehen ist, dass die Verfügungsklägerin bei streitiger Entscheidung voraussichtlich mit ihrem Klageantrag zu 2) unterlegen wäre, ist es gerechtfertigt, ihr gemäß § 91 a ZPO nach den hierzu von Rechtsprechung und Lehre entwickelten Grundsätzen (s.o.) die Kosten des Rechtsstreits insoweit aufzuerlegen.

Der angefochtene Beschluss des Landgerichts Saarbrücken war daher entsprechend abzuändern.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens war gemäß § 14 GKG, § 3 ZPO festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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