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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 08.10.2003
Aktenzeichen: 9 UF 100/03
Rechtsgebiete: BGB, VAHRG, SGB IV, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1587 b
BGB § 1587 b Abs. 1
VAHRG § 1 Abs. 2
VAHRG § 1 Abs. 3
VAHRG § 2
VAHRG § 3 b Abs. 1 Nr. 1
VAHRG § 3 b Abs. 1 Nr. 2
SGB IV § 18
ZPO § 517
ZPO § 520
ZPO § 621 e
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT BESCHLUSS

9 UF 100/03

In der Familiensache

wegen Ehescheidung pp.

hier: Abgetrennte Folgesache Versorgungsausgleich

hat der 9. Zivilsenat - Senat für Familiensachen II - des Saarländischen Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Kockler und die Richterinnen am Oberlandesgericht Sandhöfer und Cronberger

am 8. Oktober 2003

beschlossen:

Tenor:

I.

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - in Völklingen vom 21. Juli 2003 - 8 F 101/02 VA - teilweise dahin abgeändert, dass die Verpflichtung des Antragsgegners, Rentenanwartschaften für die Antragstellerin durch Beitragszahlung zu begründen, entfällt und insoweit die Durchführung des Versorgungsausgleichs dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten wird.

II.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Hinsichtlich der Kosten des ersten Rechtszuges bleibt es bei der erstinstanzlichen Entscheidung.

III.

Beschwerdewert: 2.588,64 EUR.

Gründe:

I.

Die am Juni 1960 geborene Ehefrau (Antragstellerin) und der am April 1959 geborene Ehemann (Antragsgegner), beide deutsche Staatsangehörige, haben am 22. März 1985 die Ehe geschlossen, aus der zwei in den Jahren 1987 und 1990 geborene Kinder hervorgegangen sind.

Auf den dem Ehemann am 16. März 2002 zugestellten Scheidungsantrag der Ehefrau ist die Ehe der Parteien seit 17. September 2002 rechtskräftig vorab geschieden.

In der abgetrennten Folgesache Versorgungsausgleich hat das Familiengericht durch den angefochtenen Beschluss, auf den ergänzend Bezug genommen wird, den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich dahin durchgeführt, dass es von dem Rentenversicherungskonto des Ehemannes bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA - Weitere Beteiligte) im Wege des Splittings Rentenanwartschaften in Höhe von 289,98 EUR sowie im Wege des Supersplittings weitere Rentenanwartschaften von 46,90 EUR - jeweils monatlich und bezogen auf den 28. Februar 2002 - auf das Rentenversicherungskonto der Ehefrau bei der BfA übertragen hat. Ferner hat es den Ehemann verpflichtet, auf dem Rentenversicherungskonto der Ehefrau bei der BfA Rentenanwartschaften von monatlich 215,75 EUR, bezogen auf den 28. Februar 2002, durch Beitragszahlung in Höhe von 46.417,17 EUR zu begründen. Hierbei ist das Familiengericht aufgrund der erstinstanzlich erteilten Auskünfte von den nachfolgenden, sich gegenüberstehenden Anrechten der Parteien ausgegangen:

Auf Seiten der Ehefrau:

BfA: 187,38 EUR + Kirchliche Zusatzversorgungskasse des Verbandes der (dynamisiert): 2,30 EUR 189,68 EUR, Auf Seiten des Ehemannes: BfA: 767,34 EUR + Vereinsbank AG (dynamisiert): 61,59 EUR + Versorgungskasse e.V.: 465,95 EUR 1.294,88 EUR.

Unter Zugrundelegung dieser Anrechte ist das Familiengericht davon ausgegangen, dass der Ehemann in Höhe der Hälfte der Differenz der beiderseits erworbenen Anwartschaften, also in Höhe von (1.294,88 EUR - 189,68 EUR = 1.105,20 EUR : 2 =) 552,60 EUR ausgleichspflichtig ist. Hinsichtlich der von den Parteien beiderseits erworbenen Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung hat das Familiengericht die Hälfte der Differenz der beiderseits erworbenen Anwartschaften, also (767,34 EUR - 187,38 EUR = 579,96 EUR : 2 =) 289,98 EUR im Wege des Splittings gemäß § 1587 b Abs. 1 BGB vom Rentenversicherungskonto des Ehemannes auf das Rentenversicherungskonto der Ehefrau bei der BfA übertragen.

Hinsichtlich des danach noch verbleibenden Betrages von 262,62 EUR ist das Familiengericht davon ausgegangen, dass Splitting, Quasisplitting und Realteilung nicht möglich seien, so dass nach § 2 VAHRG der schuldrechtliche Ausgleich in Betracht komme. An Stelle des schuldrechtlichen Ausgleichs nach § 2 VAHRG hat das Familiengericht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG bis zur Höhe von 2 % der allgemeinen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV (für 2002: monatlich 46,90 EUR) auch andere in oder vor der Ehe erworbene Versorgungen, die durch Übertragung oder Begründung von Anwartschaften ausgeglichen werden können, heranzuziehen und hat durch erweitertes Splitting 46,90 EUR übertragen. Wegen des Restbetrages von 215,72 EUR hat es eine Beitragsentrichtung nach § 3 b Abs. 1 Nr. 2 VAHRG angeordnet, wobei es die Höhe des Beitrags auf 46.417,17 EUR errechnet hat.

Mit seiner ausschließlich gegen die Anordnung der Beitragszahlung gerichteten Beschwerde wendet der Antragsgegner ein, er sei außer Stande, den Betrag von 46.417,17 EUR aufzubringen. Er gehe seit dem 1. Juli 2002 einer selbständigen Tätigkeit nach. Nachdem er im zurückliegenden Jahr ein festes Projekt betreut und einen monatlichen Umsatz von 2.000 EUR erzielt habe, seien die Umsätze nach Abschluss des Projektes rückläufig. Sein derzeitiges Einkommen betrage etwa 1.500 EUR monatlich. Nach Zahlung von Steuern, Vorsorgeaufwendungen sowie Unterhaltszahlungen für die Ehefrau und die gemeinsamen Kinder von insgesamt 750 EUR monatlich, bleibe ihm nur das Existenzminimum. Über Vermögen, das er für die Beitragszahlung einsetzen könne, verfüge er nicht. Zwar sei er Eigentümer eines Hausanwesens, das er im Wege des vorweggenommenen Erbgangs von seines Eltern erhalten habe. Seine Eltern hätten sich aber den lebenslänglichen Nießbrauch an dem gesamten Grundbesitz vorbehalten. Aufgrund notarieller Vereinbarung sei ihm auch untersagt, das Grundstück zu belasten, ansonsten er zur Rückübertragung verpflichtet sei. Über sonstiges Vermögen verfüge er nicht. Im Hinblick hierauf hätten die Parteien vereinbart, dass die Durchführung des Versorgungsausgleichs hinsichtlich des nach Splitting und Supersplitting verbleibenden Betrages von monatlich 215,72 EUR dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten werden solle.

Die Ehefrau hat erklärt, dass sie der Beschwerde nicht entgegentrete, da nach dem zutreffenden Sachvortrag des Ehemannes eine Begründung von Rentenanwartschaften durch Zahlung eines Betrages von 46.417,17 EUR nach den Einkommens-, Erwerbs- und Vermögensverhältnissen des Ehemannes diesem wirtschaftlich nicht zumutbar sei.

Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte hat im Beschwerdeverfahren erklärt, "das Gericht möge hier in eigener Zuständigkeit entscheiden".

Der Senat hat die Parteien persönlich angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 8. Oktober 2003 Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 621 e, 517, 520 ZPO zulässige Beschwerde des Ehemannes ist begründet und führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung im tenorierten Umfang.

Unter den hier gegebenen Umständen ist dem Ehemann eine Beitragsentrichtung zur Begründung von Anrechten nicht, auch nicht in Raten, zumutbar.

Verbleibt nach Anwendung des § 1587 b BGB und des § 1 Abs. 2 und 3 VAHRG noch ein unverfallbares, - wie hier - dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich unterliegendes Anrecht, kann das Familiengericht gemäß § 3 b Abs. 1 Nr. 2 VAHRG den Verpflichteten, soweit ihm dies nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen zumutbar ist, verpflichten, für den Berechtigten Beiträge zur Begründung von Anrechten auf eine bestimmte Rente in eine gesetzliche Rentenversicherung zu zahlen. Diese Voraussetzungen sind nach dem Beschwerdevorbringen beider Parteien vorliegend nicht gegeben.

Mit der Zumutbarkeitsprüfung gemäß § 3 b Abs. 1 Nr. 2 VAHRG soll insbesondere erreicht werden, dass vom Ausgleichspflichtigen nur solche Vermögensopfer abverlangt werden, die zu seiner wirtschaftlichen Gesamtsituation in einem angemessenen Verhältnis stehen; insoweit muss das Interesse des Ausgleichsberechtigten, im Wege der Beitragszahlung eine eigenständige soziale Sicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung zu erlangen, zurücktreten (vgl. MünchKomm BGB/Sander, 4. Aufl., § 3 b VAHRG, Rz. 36 m.w.N.).

Die wirtschaftliche Zumutbarkeit für die Beitragszahlung ist regelmäßig zu verneinen, wenn der Ausgleichspflichtige hierdurch außer Stande gesetzt würde, sich angemessen zu unterhalten oder seinen gesetzlichen Unterhaltspflichten nachzukommen (MünchKomm BGB/Sander, a.a.O., Rz. 37 m.w.N.). Dies ist hier der Fall. Nach dem Vorbringen beider Parteien im Beschwerdeverfahren verbleibt dem Ehemann bei einem monatlichen Gewinn von etwa 1.500 EUR unter Berücksichtigung seiner laufenden Verbindlichkeiten und Unterhaltszahlungen von monatlich 750 EUR für seinen eigenen Lebensunterhalt lediglich noch das Existenzminimum. Über verwertbares Vermögen verfügt er nicht. Unter diesen Umständen ist ihm die vom Familiengericht angeordnete Beitragszahlung wirtschaftlich nicht zumutbar, weder in einem Einmalbetrag noch in Raten. Können die Raten nämlich nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Ausgleichspflichtigen - wie hier allenfalls - nur so niedrig bemessen werden, dass der Ausgleichspflichtige zum Dauerschuldner würde, ist auch eine Ratenzahlung unzumutbar (vgl. MünchKomm BGB/Sander, a.a.O., Rzn. 37 und 45, m.w.N.).

Nach alldem ist der Ausgleich des nach Durchführung des Splittings und Supersplittings verbleibenden Betrages von 215,72 EUR dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorzubehalten, dessen Voraussetzungen (§ 1587 g Abs. 1 BGB) derzeit noch nicht gegeben sind.

Danach und nach der im Übrigen unbeanstandet gebliebenen und keinen Anlass zu Bedenken bietenden Handhabung des Familiengerichts ist die angefochtene Entscheidung in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 2, 93 a ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 17a GKG.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordern (§§ 621 e Abs. 2, 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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