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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 24.10.2002
Aktenzeichen: 9 UF 120/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, VAHRG, GKG


Vorschriften:

BGB § 1587 Abs. 2
BGB § 1587 b Abs. 1
BGB § 1587 b Abs. 5
BGB § 1587 b Abs. 6
BGB § 1587 c Nr. 1
ZPO § 93a Abs. 1
ZPO § 517
ZPO § 520
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 621 e Abs. 1
ZPO § 621 e Abs. 3
ZPO § 629 a Abs. 2
VAHRG § 1 Abs. 3
GKG § 17a Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT BESCHLUSS

9 UF 120/02

In der Familiensache

wegen Ehescheidung

hier: Folgesache Versorgungsausgleich

hat der 9. Zivilsenat - Senat für Familiensachen II - des Saarländischen Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Kockler, die Richterin am Oberlandesgericht Sandhöfer und den Richter am Oberlandesgericht Sittenauer

am 24. Oktober 2002

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird Ziffer II des Urteils des Amtsgerichts - Familiengericht - in Saarlouis vom 25. Juli 2002 - 23 F 165/01 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Von dem Rentenversicherungskonto Nr. des Antragstellers bei werden auf das Rentenversicherungskonto Nr. der Antragsgegnerin bei Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung von monatlich 19,97 EUR bezogen auf den 31. Oktober 2001 übertragen. Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

2. Zu Lasten der Versorgung des Antragstellers bei - werden auf dem Rentenversicherungskonto Nr. - der Antragsgegnerin bei Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung von monatlich 5,08 EUR bezogen auf den 31. Oktober 2001 begründet. Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Hinsichtlich der Kosten des ersten Rechtszuges bleibt es bei der erstinstanzlichen Entscheidung.

III. Beschwerdewert: 500 EUR.

Gründe:

I.

Der am 1962 geborene Ehemann (Antragsteller, deutscher Staatsangehöriger) und die am 1966 geborene Ehefrau (Antragsgegnerin, nigerianische Staatsangehörige) haben am 1. Juni 2000 die - kinderlos gebliebene - Ehe geschlossen. Der Scheidungsantrag des Ehemannes wurde der Ehefrau am 27. November 2001 zugestellt.

Während der Ehezeit vom 1. Juni 2000 bis 31. Oktober 2002 (§ 1587 Abs. 2 BGB) haben beide Parteien Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, der Antragsteller in Höhe von 42,85 EUR (= 83,81 DM), die Antragsgegnerin in Höhe von 2,91 EUR (= 5,69 DM). Der Antragsteller hat darüber hinaus - bezogen auf die Ehezeit - (dynamische) Anwartschaften in der Hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherung von 10,16 EUR (= 19,87DM) erworben.

Durch das angefochtene Urteil, auf das ergänzend Bezug genommen wird, hat das Familiengericht die Ehe der Parteien unter Anwendung deutschen Scheidungsrechts (Art. 17 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB) geschieden (Ziffer 1). Der Scheidungsausspruch ist am 10. September 2002 in Rechtskraft erwachsen.

In Ziffer II der Urteilsformel hat es erkannt, dass der Versorgungsausgleich nicht stattfindet.

Zur Begründung des auf § 1587 c Nr. 1 BGB gestützten Ausschlusses hat das Familiengericht ausgeführt, nach den eingeholten Auskünften der Versorgungsträger wäre der Antragsteller der Antragsgegnerin in Höhe von insgesamt 25,05 EUR ausgleichspflichtig. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. hierzu Johannsen/Henrich, Kommentar zum Eherecht, 3. Aufl., § 1587c Bürgerliches Gesetzbuch, Rdnr. 27), der sich das Gericht anschließe, rechtfertige eine kurze Ehezeit die Anwendung von § 1587 c Nr. 1 BGB. In den Fällen kurzer Ehezeit sei nämlich eine Lebens- und Versorgungsgemeinschaft insoweit nicht entstanden. Vorliegend habe die Ehezeit gemäß § 1587 Abs. 2 BGB 16 Monate betragen. Die eheliche Lebensgemeinschaft habe jedoch ausweislich des insoweit unwidersprochen gebliebenen Vortrages des Antragstellers in der Antragsschrift jedoch nur von Oktober 2000 (Einreise der Antragsgegnerin nach Deutschland) bis März (Zeitpunkt der Trennung) und somit 6 Monate bestanden. Diese Umstände (16 Monate Ehezeit, 6 Monate Lebensgemeinschaft) rechtfertigten die Annahme, dass eine gegenseitige wirtschaftliche Verflechtung bzw. Abhängigkeit des einen vom anderen Ehegatten noch nicht eingetreten sei, so dass die Heranziehung des Antragstellers zum Versorgungsausgleich grob unbillig im Sinne von § 1587 c Nr. 1 BGB wäre.

Mit der Beschwerde begehrt die Antragsgegnerin die Durchführung des Versorgungsausgleichs.

Sie hält angesichts der Ehedauer die Anwendung der Härteklausel zu ihren Lasten nicht für gerechtfertigt.

Der Antragsteller bittet unter Verteidigung der angefochtenen Entscheidung um Zurückweisung der Beschwerde.

II.

Die gemäß §§ 629 a Abs. 2, 621 e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 6, 621 e Abs. 3, 517, 520 ZPO zulässige Beschwerde ist nach Maßgabe der Entscheidungsformel begründet.

Zutreffend - und von dem Rechtsmittel unbeanstandet - hat das Familiengericht die Folgesache Versorgungsausgleich unter Anwendung deutschen Sachrechts behandelt (Art. 17 Abs. 3 EGBGB).

Die Beschwerdeführerin rügt jedoch zu Recht, dass das Familiengericht von der Durchführung des Versorgungsausgleichs abgesehen hat. Die Voraussetzungen für einen Ausschluss gemäß § 1587c Nr. 1 BGB liegen nämlich entgegen der vom Familiengericht vertretenen Auffassung nicht vor.

Der Versorgungsausgleich findet seine gesetzliche Grundlage in dem Gedanken der einmal auf Lebenszeit angelegt gewesenen ehelichen Lebensgemeinschaft und der damit begründeten Versorgungsgemeinschaft der Ehegatten. Zerbricht die Lebens- und Versorgungsgemeinschaft, sind die während der Ehe erworbenen Versorgungsanwartschaften gemäß dem ursprünglichen Zweck der beiderseitigen Alterssicherung nunmehr auf die Ehegatten aufzuteilen.

In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs gemäß § 1587c Nr. 1 BGB dann in Betracht kommen kann, wenn eine extrem kurze Ehezeit vorliegt (vgl. BGH, FamRZ 1981, 944; 6. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts, Beschluss vom 31. Oktober 1997 - 6 UF 40/97 <PKH>; OLG Köln, FamRZ 1998, 301; Staudinger/Eichenhofer (1998), § 1587c, Rz. 26; Schwab/Hahne, Handbuch des Scheidungsrechts, 4. Aufl., VI, Rz. 275, jeweils m.w.N.), wobei es für die Frage, ob eine Ehe von kurzer Dauer war, auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags ankommt (vgl. BGH, a.a.O.). Eine "extrem kurze Ehe" im vorstehenden Sinn lässt nach Rechtsprechung und Literatur den Schluss zu, dass eine Lebens- und Versorgungsgemeinschaft der Ehegatten nicht begründet worden ist, was gegebenenfalls den Ausschluss des Versorgungsausgleichs zu rechtfertigen vermag.

Bei einer Ehezeit von vorliegend siebzehn (nicht sechzehn - so das Familiengericht und die Beschwerdeführerin) Monaten kann die Dauer der Ehe der Parteien nicht als "extrem kurz" im Sinne der angegebenen Rechtsprechung und Literatur angesehen werden. Der Bundesgerichtshof hat in der vorerwähnten Entscheidung eine Ehedauer von sechs Wochen als extrem kurz bezeichnet und den Ausschluss des Versorgungsausgleichs gebilligt. Die in der angefochtenen Entscheidung angegebene Fundstelle stützt die Auffassung des Familiengerichts nicht. Hahne führt am angegebenen Ort aus, dass ein Ausschluss nur bei sehr kurzen Ehen (etwa bis zu sechs Monaten) in Frage komme (Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht, 3. Aufl., § 1587c BGB, Rz. 27 <am Ende>).

Auch kommt die Anwendung der Härteklausel dann in Betracht, wenn die Parteien niemals eine Lebensgemeinschaft aufgenommen haben (vgl. etwa: OLG Köln, FamRZ 1998, 301, 302).

Entgegen der Annahme des Familiengerichts kann vorliegend jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass eine Lebens- und Versorgungsgemeinschaft zwischen den Parteien nicht bestanden hat. Die Parteien haben jedenfalls vom Zeitpunkt der Einreise der Antragsgegnerin (Oktober 2000) bis zur räumlichen Trennung (Ende März 2001) sechs Monate lang als Eheleute zusammengelebt. Bei einer Ehezeit i.S.v. § 1587 Abs. 2 BGB von siebzehn Monaten sowie einem ehelichen Zusammenleben von jedenfalls sechs Monaten ist der Ausschluss des Versorgungsausgleichs vorliegend nicht gerechtfertigt, zumal die wirtschaftliche Belastung des ausgleichsverpflichteten Antragstellers in Anbetracht des relativ geringen Umfangs der erworbenen Versorgungsanrechte ohnehin nicht schwerwiegend erscheint (vgl. hierzu: MünchKomm/Dörr, BGB, 4. Aufl., § 1587c, Rz. 29).

Da andere Härtegründe ausscheiden (von einer nur zum Schein und in Täuschungsabsicht eingegangenen Ehe kann nach Lage der Akten nicht ausgegangen werden, zumal der Antragsteller seinen diesbezüglich zunächst angekündigten Eheaufhebungsantrag in der mündlichen Verhandlung vom 20. Juni 2002 zurückgenommen hat), ist der Versorgungsausgleich daher abweichend von der Handhabung des Familiengerichts zu Gunsten der ausgleichsberechtigten Antragsgegnerin durchzuführen.

Nach den dem Familiengericht erteilten Auskünften der Landesversicherungsanstalt für das Saarland vom 18. Februar und 8. Mai 2002 sowie der Hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherung vom 6. März und 10. Juni 2002, die keinen Anlass zu Bedenken bieten, betragen die ehezeitlichen Anwartschaften des Antragstellers insgesamt (42,85 <gRV> + 10,16 <HZV> =) 53,01 EUR und diejenigen der Antragsgegnerin 2,91 EUR, jeweils monatlich und bezogen auf das Ende der Ehezeit. Die Differenz zwischen den beiderseits erlangten Anwartschaften beträgt (53,01 - 2,91 =) 50,10 EUR. Die Hälfte hiervon (§ 1587a Abs. 1 Satz 2 BGB), also ein Betrag von 25,05 EUR steht der Antragsgegnerin als Ausgleich zu.

Unter entsprechender Abänderung des angefochtenen Beschlusses sind zunächst gemäß § 1587b Abs. 1 BGB die Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung im Wege des Rentensplittings auszugleichen (42,85 - 2,91 = 39,94 : 2=) 19,97 EUR.

Der Ausgleich der Anwartschaften des Antragstellers gegenüber der Hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherung erfolgt gemäß § 1 Abs. 3 VAHRG im Wege des sog. analogen Quasisplittings (vgl. BGH, FamRZ 1984, 573) durch Begründung von Rentenanwartschaften in Höhe von (10,16 : 2 =) 5,08 EUR auf dem Rentenversicherungskonto der Antragsgegnerin.

Der Höchstbetrag in § 1587b Abs. 5 BGB ist nicht überschritten. Die Anordnung der Umrechnung in Entgeltpunkte folgt aus § 1587b Abs. 6 BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 93a Abs. 1 ZPO, 17a Nr. 1 GKG.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordern (§§ 621 e Abs. 2, 543 ZPO).

Ende der Entscheidung

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