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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 08.01.2009
Aktenzeichen: 9 UF 38/07
Rechtsgebiete: 1. JuMoG, ZPO


Vorschriften:

1. JuMoG § 234 Abs. 1 (2)
ZPO § 85
ZPO § 233
ZPO § 234
ZPO § 234 Abs. 1
ZPO § 234 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 236 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 517
ZPO § 522 Abs. 1
Zur Frage der - eigenverantwortlichen - Fristenüberprüfung durch den Rechtsanwalt im Zusammenhang mit Prozesskostenhilfebewilligung für eine beabsichtigte Berufung.
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT BESCHLUSS

9 UF 38/07

In der Familiensache

hat der 9. Zivilsenat - Senat für Familiensachen II - des Saarländischen Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Kockler, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Madert-Groß und den Richter am Oberlandesgericht Neuerburg

am 8. Januar 2009

beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag des Klägers vom 5. Dezember 2008 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist für die Einlegung der Berufung wird zurückgewiesen.

2. Der Antrag des Klägers vom 28. November 2008 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Fristen für die Einlegung und Begründung der Berufung wird zurückgewiesen.

3. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - St. Wendel vom 9. März 2007 - 16 F 78/06 UEUK - wird als unzulässig verworfen.

4. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 6.598,00 EUR festgesetzt.

6. Der Beklagten wird mit Wirkung vom 9. Dezember 2008 ratenfreie Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren bewilligt und Rechtsanwalt <Name, Ort>, , beigeordnet.

Gründe:

I.

Aus der zwischen den Parteien seit dem 21. Juni 2006 rechtskräftig geschiedenen Ehe (Verfahren 16 F 36/06 S Amtsgericht - Familiengericht - St. Wendel) sind die minderjährigen Kinder D., geboren am . November 1994, und S., geboren am . Februar 1999, hervorgegangen. Die Kinder leben im Haushalt des aufenthaltsbestimmungsberechtigten Klägers, welcher das Kindergeld für beide bezieht. Der Kläger erhält jedenfalls seit Juli 2005 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 579,12 EUR (Bl. 3 d.A.) und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.

Der Kläger hat, nachdem er die Beklagte zunächst mit am 20. Februar 2006 eingegangener Klageschrift im Wege der Stufenklage auf Auskunft über ihr monatliches Nettoeinkommen in Anspruch genommen hat, mit am 29. März 2006 eingegangenem Schriftsatz die Auskunftsstufe für erledigt erklärt und die Beklagte auf Zahlung eines monatlichen Kindesunterhalts ab Februar 2006 für das Kind D. in Höhe von monatlich 247,00 EUR und für das Kind S. in Höhe von monatlich 247,00 EUR (2. Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle) in Anspruch genommen, den er für das Kind D. mit Schriftsatz vom 11. September 2006 auf einen Betrag in Höhe von monatlich je 291,00 EUR beginnend mit dem Monat November 2006 (3. Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle) erhöht hat. Die Beklagte ist dem Begehren vollumfänglich entgegen getreten und hat Klageabweisung beantragt.

Das Familiengericht hat die Klage durch das angefochtene und mit Beschluss vom 22. März 2007 berichtigte Urteil vom 9. März 2007, auf das Bezug genommen wird (Bl. 110 ff, 114 a d.A.), abgewiesen.

Mit am 27. März 2007 eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger unter Beifügung eines Entwurfs einer Berufungs- und Berufungsbegründungsschrift um Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens nachgesucht (Bl. 120 ff d.A.).

Der Senat hat mit Beschluss vom 23. Oktober 2008 (Bl. 138/139 d.A.), den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 3. November 2008 (Bl. 143 d.A.), dem Kläger die nachgesuchte Prozesskostenhilfe für die Durchführung des beabsichtigten Berufungsverfahrens bewilligt.

Mit Verfügung vom 25. November 2008 (Bl. 144 d.A.), den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 28. November 2008 (Bl. 144 a d.A.), hat der Senat die Prozessbevollmächtigten des Klägers darauf hingewiesen, dass mit der Zustellung des Beschlusses vom 23. Oktober 2008 am 3. November 2008 die zweiwöchige Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages und zur Nachholung der versäumten Prozesshandlung - Einlegung der Berufung - in Gang gesetzt worden sei und bis zum Ablauf des 24. November 2008 weder ein Wiedereinsetzungsantrag gestellt noch Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - St. Wendel vom 9. März 2007 - 16 F 78/06 UEUK - eingelegt worden sei.

Mit am 28. November 2008 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag hat der Kläger Wiedereinsetzung in die verstrichene Einlegungs- und Begründungsfrist gemäß § 234 Abs. 1 (2), 1. JuMoG beantragt (Bl. 145 ff d.A.) und das Rechtsmittel der Berufung eingelegt und begründet (Bl. 147 ff d.A.).

Mit am 5. Dezember 2008 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag hat der Kläger beantragt, ihm wegen Versäumung der Frist zur Stellung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (Bl. 155 ff/ 206 ff d.A.). Zugleich hat er das Rechtsmittel der Berufung eingelegt und diese begründet (Bl. 203 ff/ 254 ff d.A.).

Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs trägt er vor: Im Büro seiner Prozessbevollmächtigten sei versäumt worden, die Frist für die Stellung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend die Einlegung der Berufung nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren zu notieren. Dort sei drei langjährig erfahrenen Rechtsanwaltsfachangestellten - einer originär, zwei weiteren im Vertretungsfalle - die Aufgabe übertragen, jeden Morgen nach der letzten Sichtung am Vortag zwischenzeitlich eingegangene Post zu sichten, zu lesen und auf etwaige Fristen sowie etwaige Fristenrelevanz zu kontrollieren. Enthalte ein solches eingegangenes Schriftstück danach explizit selbst eine Frist oder ergebe sich aus der Art oder dem Inhalt des Schriftstücks, dass eine Frist zu notieren sei, habe die zuständige Rechtsanwaltsfachangestellte die jeweils relevante Frist, die es zu wahren gelte, auf dem Schriftstück zu notieren und zusätzlich in den Fristenkalender einzutragen, parallel hierzu werde eine weitere entsprechende Eintragung im EDV- Anwaltsprogramm vorgenommen. Das Notieren der Frist erfolge also sicherheitshalber dreifach. Die Erledigung der im beschriebenen Sinn notierten Frist werde von der primär hierfür zuständigen Sachbearbeiterin, der Rechtsanwaltsfachangestellten J., der die Postsichtungsarbeit, das Notieren der Fristen und die Überwachung der Erledigung derselben zugewiesen sei, dann an jedem Arbeitstag überwacht. Parallel hierzu sei es Aufgabe der Dezernatssekretärinnen zu überprüfen, ob bzw. dass die in der EDV notierte Frist bearbeitet und erledigt bzw. das Schriftstück fristwahrend auf den Weg gebracht worden sei. Zuletzt überprüften die Anwälte des Büros die Erledigung offener und ihnen mitgeteilter Fristen. Der Kontrollmechanismus habe nicht gegriffen, weil die Angestellte J. vergessen habe, die Frist zu notieren, was bis zur Mitteilung des Senats vom 25.November 2008, eingegangen am 28. November 2008, unentdeckt geblieben sei, weil auch das qua Dienstanweisung bestehende Kontrollsystem zur Überwachung von Wiedereinsetzungsfristen durch Streichung einer (intern) auf den 6. Oktober 2008 gesetzten Wiedervorlagefrist, die ohne Rücksprache mit der Prozessbevollmächtigten durch die Angestellte K. erfolgt sei und die im Falle der Nichtbewilligung von Prozesskostenhilfe bis zu diesem Zeitpunkt grundsätzlich turnusmäßig jeweils um eine weitere 4- Wochen- Frist fortgeschrieben worden wäre, versagt habe. Ferner habe die Sekretariatsmitarbeiterin S. den PKH- Beschluss entgegen entsprechender Dienstanweisung in der Akte abgeheftet statt ihn der Prozessbevollmächtigten vorzulegen, und übersehen, dass die Frist für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht notiert gewesen sei. Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Schriftsatz vom 5. Dezember 2008 Bezug genommen (Bl. 155 ff/ 206 ff d.A.).

Die Beklagte beantragt, das Wiedereinsetzungsgesuch zurückzuweisen und ihr Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren zu bewilligen.

II.

Die Berufung des Klägers ist unzulässig und zu verwerfen, § 522 Abs. 1 ZPO. Denn weder die am 28. November 2008 noch die am 5. Dezember 2008 eingelegte (und begründete) Berufung ist innerhalb der gesetzlich vorgesehen Fristen bei Gericht eingegangen.

Gemäß § 517 ZPO beträgt die Berufungsfrist einen Monat ab Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils. Das Urteil des Familiengerichts St. Wendel vom 9. März 2007 - 16 F 78/06 - ist dem Kläger am 9. März 2007 zugestellt worden (Bl. 117 d.A.). Bis zum 9. April 2007, dem Ende der Frist für die Einlegung der Berufung, hat der Kläger kein Rechtsmittel eingelegt. Bis zum Ablauf des 9. Mai 2007 hat der Kläger auch keine Berufungsbegründung zu den Akten gereicht.

Dem Kläger ist gemäß seinem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung eines beabsichtigten Berufungsverfahrens vom 27. März 2007 durch Beschluss des erkennenden Senats vom 23. Oktober 2008, den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 3. November 2008, die nachgesuchte Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Im Falle der PKH- Gewährung für ein beabsichtigtes Rechtsmittelverfahren entfällt das Hindernis für die Fristwahrung mit der Bekanntgabe der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe. Damit beginnt gemäß § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO die zweiwöchige Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung und die Nachholung der Einlegung des Rechtsmittels (Musielak, ZPO, 6. Aufl., § 234, Rz. 5; OLG Rostock, FamRZ 2005, 385). Bis zum Ablauf von zwei Wochen ab Zustellung (Bekanntgabe) des PKH- Beschlusses vom 23. Oktober 2008, nämlich dem 17. November 2008, hat der Kläger weder einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist für die Einlegung der Berufung, noch Berufung eingelegt oder eine Berufungsbegründungsschrift zu den Akten gereicht.

Folglich hat der Kläger die Frist für die Einlegung der Berufung und die Frist zur Beantragung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist für die Einlegung der Berufung versäumt.

Gegen die Versäumung der Frist für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist für die Einlegung der Berufung kann dem Kläger keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Sein hierauf gerichteter Antrag vom 5. Dezember 2008 ist zwar zulässig (§§ 234 Abs. 1, 236 ZPO), bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.

Gemäß § 233 ZPO ist einer Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war. Vorliegend schließen die mit dem Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft gemachten Angaben ein Verschulden der Prozessbevollmächtigten des Klägers bei der Versäumung der Frist für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist für die Einlegung der Berufung nicht aus, was sich der Kläger gemäß § 85 ZPO zurechnen lassen muss. Dies hat zur Folge, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung zurückzuweisen ist.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Versäumung der Frist für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist für die Einlegung der Berufung nicht auf einem Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten beruht.

Das Verschulden der Prozessbevollmächtigten des Klägers liegt darin, dass sie es verabsäumt haben, bei der Zustellung des die Prozesskostenhilfe bewilligenden Beschlusses am 3. November 2008 eigenverantwortlich eine Fristenprüfung vorgenommen zu haben.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf ein Rechtsanwalt das Empfangsbekenntnis über die Urteilszustellung erst unterzeichnen und zurückgeben, wenn in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist, dass die Frist im Fristenkalender notiert worden ist. Bescheinigt der Rechtsanwalt den Empfang eines ohne Handakten vorgelegten Urteils, so erhöht sich damit die Gefahr, dass die Fristnotierung unterbleibt und dies erst nach Fristablauf bemerkt wird. Um dieses Risiko auszuschließen, muss der Anwalt, falls er nicht selbst unverzüglich die notwendigen Eintragungen in der Handakte und im Fristenkalender vornimmt, jedenfalls durch eine besondere sofortige (Einzel-)Anweisung die erforderlichen Eintragungen veranlassen. Auf allgemeine Anordnungen darf er sich in einem solchen Fall nicht mehr verlassen (vgl. BGH, Urt. v. 27. September 2007, IX ZA 14/07, AnwBl 2008, 71; BGH, Urt. v. 13. Februar 2003, V ZR 422/02, NJW 2003, 1528; BGH, Urteil vom 25. März 1992, XII ZR 268/91, VersR 1992, 1536, m.z.w.N.; ferner Borgmann/Haug, Anwaltshaftung 2. Aufl. S. 363; Zöller- Greger, ZPO, 27. Aufl., § 233, Rz. 23 "Fristenbehandlung"; Baumbach- Lauterbach, ZPO, 66. Aufl., § 233, Rz. 185).

Dies gilt auch bei der förmlichen Zustellung eines PKH- Beschlusses. Wenn im Verlauf eines Berufungsverfahrens dem Berufungskläger Prozesskostenhilfe bewilligt wird, besteht stets die Möglichkeit, dass die Berufung - wegen der Mittellosigkeit der Partei - entweder noch nicht eingelegt oder noch nicht begründet worden ist. In beiden Fällen führt die Bewilligung der Prozesskostenhilfe zum Wegfall des Hindernisses, welches der Wahrung der Rechtsmittel- bzw. der Rechtsmittelbegründungsfrist bisher entgegenstand, mit der Folge, dass sich die Frist für die Einlegung der Berufung nunmehr auf zwei Wochen verkürzt. Denn nach § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO muss die versäumte Prozesshandlung innerhalb der Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 234 Abs. 1 (Satz 1) ZPO mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachgeholt werden. Der Prozessbevollmächtigte, dem ein die Prozesskostenhilfe bewilligender Beschluss im Berufungsverfahren zugeht, ist deshalb zu besonderer organisatorischer und persönlicher anwaltlicher Sorgfalt verpflichtet.

Diese besonderen Sorgfaltsanforderungen haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers bei Erhalt des Beschlusses vom 23. Oktober 2008 nicht erfüllt. Sie haben sich - so ihre Einlassung im Schriftsatz vom 5. Dezember 2008 - darauf verlassen, dass in der Kanzlei, in der die Sichtung des Posteingangs und danach die Notierung und Überwachung der "relevanten Fristen" drei langjährig erfahrenen Rechtsanwaltsfachangestellten und hier in erster Linie der Angestellten J. übertragen war, die allgemeine Anweisung bestand, in Fällen, in denen durch Zustellung eines Prozesskostenhilfebeschlusses eine Frist in Gang gesetzt wird, die Wiedereinsetzungsfrist sowohl im Fristenkalender als auch auf der Beschlussausfertigung zu notieren und in dem EDV- Anwaltsprogramm einzutragen. Ferner haben sie sich darauf verlassen, dass in der Kanzlei die allgemeine Anweisung an die Sekretariatsmitarbeiterinnen bestand, den Prozesskostenhilfebeschluss der/dem zuständigen Prozessbevollmächtigten vorzulegen.

Dieses Verhalten der Prozessbevollmächtigten des Klägers verletzt die gebotene anwaltliche Sorgfaltspflicht. Nachdem der Senat für den Zugang des Prozesskostenhilfebeschlusses den Weg der formellen Zustellung durch Empfangsbekenntnis gewählt hatte, lag für den Empfänger des Beschlusses in besonderem Maße die Annahme nahe, dass noch eine fristwahrende Maßnahme vorzunehmen war, für die die Frist des § 234 Abs. 1 ZPO beachtet werden musste. Unter diesen Umständen mussten die Prozessbevollmächtigten des Klägers, ähnlich wie bei einer Urteilszustellung durch Empfangsbekenntnis, eigenverantwortlich anhand der Handakten überprüfen, ob die Berufung bereits - fristgerecht - eingelegt und begründet worden und demgemäß keine weitere Frist mehr zu wahren war. Bevor diese Prüfung nicht vorgenommen worden war, durfte das Empfangsbekenntnis nicht unterzeichnet und an das Oberlandesgericht zurückgesendet werden (BGH, Beschl. v. 2. Juni 1999, XII ZB 63/99, NJW-RR 1999, 1585).

Nach dem sich im Wiedereinsetzungsverfahren darstellenden Sach- und Streitstand ist jedoch davon auszugehen, dass das Empfangsbekenntnis durch einen Rechtsanwalt/ eine Rechtsanwältin der Kanzlei erfolgt war, der/ die sich dabei weder die Handakten hat vorlegen lassen und sich von der Eintragung eines Vermerks über die Erledigung der Fristnotierung überzeugt hat, noch dass er/ sie sonst durch konkrete Anweisungen für die erforderlichen Eintragungen gesorgt hat. Hätte sich der/ die das Empfangsbekenntnis unterzeichnende Rechtsanwalt/ Rechtsanwältin die Handakten vorlegen lassen, dann hätte er/ sie bemerkt, dass die Notierung der Frist des § 234 ZPO - mit Vorfrist (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juli 1991 - XII ZB 39/91, VersR 1992, 516) - unterblieben war, und er/ sie hätte unverzüglich für die notwendigen Eintragungen im Fristenkalender und der Handakte Sorge tragen können.

Auf diese Weise hätte die Berufungsfrist gewahrt werden können.

Da die Prozessbevollmächtigten die Notierung der Frist für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht sichergestellt haben, ist die Fristversäumung verschuldet, so dass dem Wiedereinsetzungsgesuch nicht entsprochen werden kann.

Zu keiner anderen Beurteilung führt es, dass die Dienstanweisung bestanden hat, mit der Einreichung eines Prozesskostenhilfegesuchs für ein beabsichtigtes Berufungsverfahren prophylaktisch eine (hauseigene) 4-Wochen- Kontrollfrist mit einer Vorfrist von zwei Wochen zu notieren, die im Falle der Nichtgewährung von Prozesskostenhilfe auf Anweisung des zuständigen Rechtsanwalts jeweils um weitere 4 Wochen mit einer Vorfrist von 2 Wochen fortgeschrieben werde, um regelmäßig in die Lage zu sein zu überprüfen, ob über das PKH-Gesuch entschieden worden ist und gegebenenfalls Wiedereinsetzungsantrag stellen zu können. Eine solche Verfahrensweise entbindet den Prozessbevollmächtigten nicht davon, vor Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses sich entweder die Handakten vorlegen zu lassen und sich von der Eintragung eines Vermerks über die Erledigung der Fristnotierung zu überzeugen, oder sonst durch konkrete Anweisungen für die erforderlichen Eintragungen zu sorgen. Bei Einhaltung dieser Sorgfaltsmaßnahmen bei Unterzeichnung bzw. Zurücksendung des Empfangsbekenntnisses wäre bemerkt worden, dass die Frist für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht notiert worden ist, und der Prozessbevollmächtigte hätte unverzüglich für die Eintragung in der Handakte und dem Fristenkalender sorgen können.

Mit der Zurückweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist für die Einlegung der Berufung ist auch der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist für die Einlegung und Begründung der Berufung zurückzuweisen und die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47, 42 Abs. 1, Abs. 5 GKG.

Der Beklagten war zur Rechtsverteidigung gegen die Berufung ratenfreie Prozesskostenhilfe zu bewilligen (§§ 114, 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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