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Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 03.07.2001
Aktenzeichen: 1 B 39/01
Rechtsgebiete: GenTG
Vorschriften:
GenTG § 26 |
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES VERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS
Az.: 1 B 39/01
In der Verwaltungsrechtssache
Streitgegenstand: Gentechnikrechtliche Anordnung
hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht - 1. Kammer - am 3. Juli 2001 beschlossen:
Tenor:
Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 23.05.2001 wird wiederhergestellt, soweit dem Antragsteller durch die uneingeschränkte Vernichtungsanordnung unter Ziffer 3. des Bescheides untersagt wird, den im vorliegenden Verfahren in Rede stehenden Mais (der Sorte Janna aus der Partie mit der Nr. D/H 4620/355) von der fraglichen Fläche (5,5 ha) vor der Blüte nur zum Eigenverbrauch zu ernten.
Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Zwangsgeldandrohung wird angeordnet, soweit eine Vollstreckung auch für den Fall der Ernte vor der Blüte angedroht wird.
Im übrigen wird der Antrag ablehnt.
Die Wiederherstellung und Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage erfolgt mit der Auflage, dass im Falle der Aberntung der fraglichen Flächen vor der Blüte die Ernte ausschließlich im Betrieb des Antragstellers gelagert und dort an das eigene Vieh verfüttert werden darf.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller zu 3/4 und der Antragsgegner zu 1/4.
Gründe:
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage bezüglich der Anordnungen I. Nr. 1-4 ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang hinsichtlich der Anordnung I. Nr. 3 (Vernichtung von Mais der betroffenen Partie) und der diesbezüglichen Zwangsgeldandrohung teilweise begründet.
Im übrigen ist der Antrag unbegründet.
Die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO ergeht auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das private Aufschubinteresse einerseits und das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Falle einer gesetzlich vorgesehenen sofortigen Vollziehbarkeit eines Verwaltungsaktes prüft das Verwaltungsgericht im Falle eines Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO, ob wegen der Besonderheiten des Einzelfalles ein privates Interesse an der aufschiebenden Wirkung vorliegt, das gegenüber dem im Gesetz in diesen Fällen unterstellten öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes überwiegt. Hat die Behörde die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet, kommt es darauf an, ob die Behörde zu Recht das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung höher gewichtet hat als das private Interesse, bis zum rechtskräftigen Abschluß des Hauptsacheverfahrens den Verwaltungsakt nicht befolgen zu müssen. Im Rahmen dieser Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, der vollzogen werden soll, Bedeutung erlangen, allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte, wenn aufgrund der gebotenen summarischen Prüfung Erfolg oder Mißerfolg des Rechtsbehelfs offensichtlich erscheinen. Läßt sich bei der summarischen Überprüfung die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ohne weiteres feststellen, ist sie also offensichtlich, so ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs wiederherzustellen oder anzuordnen, weil an der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich nach der genannten Überprüfung der angefochtene Bescheid als offensichtlich rechtmäßig, ist zu differenzieren zwischen dem gesetzlich angeordneten Sofortvollzug und den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse von der Behörde im Einzelfall angeordnet wurde. Im letztgenannten Fall bedarf es neben der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides noch eines besonderen öffentlichen Vollziehungsinteresses, das mit dem Interesse am Erlaß des Verwaltungsakts nicht identisch ist, sondern vielmehr ein qualitativ anderes Interesse ist. Dieses besondere öffentliche Vollziehungsinteresse, das von der Behörde gem. § 80 Abs. 3 VwGO gesondert zu begründen ist, ist in den Fällen des gesetzlich angeordneten Sofortvollzuges durch den Ausschluß der aufschiebenden Wirkung konstituiert und bedarf damit keiner weiteren Darlegung durch die Behörde. In diesen letztgenannten Fällen führt regelmäßig die offensichtliche Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides dazu, daß der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen ist. Läßt sich bei der Prüfung im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nach dem oben dargelegten Maßstab weder die Rechtmäßigkeit noch die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides feststellen, bedarf es zur Entscheidung einer weiteren Interessenabwägung. Dabei sind die Folgen zu würdigen, die eintreten würden, wenn die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes versagt würde, das Verfahren in der Hauptsache dagegen Erfolg hätte. Diese Auswirkungen sind zu vergleichen mit den Nachteilen, die entstünden, wenn die aufschiebende Wirkung angeordnet oder wiederhergestellt würde, dem Rechtsbehelf in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen wäre (OVG Schleswig, Beschluß vom 06.08.1991 -4 M 109/91 -, SchlHA 1991, S. 220 f.).
1. Die Anordnung des Sofortvollzuges wurde in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet. In dem Bescheid wird hierzu gesondert in nachvollziehbarer Weise ausgeführt, dass nur durch unverzügliches Handeln sichergestellt werden könne, dass ein ungenehmigter Anbau nachvollzogen und beseitigt werden könne. Dem öffentlichen Interesse an der Beseitigung des ungenehmigten Anbaus aufgrund der Wertung des Gesetzes zur Regelung der Gentechnik in der Fassung der Bekanntmachung vom 16.12.1993 (GenTG) komme gegenüber den Interessen an einer Verfügungsmöglichkeit über das heranreifende Erntegut ein überwiegendes Gewicht zu, zumal ein evtl. durch eine rechtswidrige Maßnahme entstehender Schaden ersetzbar wäre, der ungenehmigte Anbau hingegen nur jetzt beseitigt werden könne.
2. Im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Güterabwägung ist nach der im vorliegenden Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage davon auszugehen, dass die streitige Anordnung insoweit unverhältnismäßg und damit rechtswidrig ist, als dem Antragsteller die Möglichkeit genommen wurde, den fraglichen Mais vor der Blüte zu ernten und für die Fütterung des eigenen Viehbestandes zu verwenden. Dementsprechend dürfte auch die Zwangsgeldandrohung teilweise rechtswidrig sein.
Im übrigen erscheint der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen. Der angegriffene Bescheid des Antragsgegners ist -abgesehen von dem vorstehend genannten Aspekt- weder als offensichtlich rechtmäßig noch als offensichtlich rechtswidrig einzuschätzen. Bereits die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob die vorliegenden Begutachtungen betreffend eine Verunreinigung des hier in Rede stehenden Saatguts mit gentechnisch verändertem Mais belastbar sind, läßt sich in dem vorliegenden Eilverfahren nicht abschließend klären. Ausgehend von der gegenwärtig nicht auszuschließenden Möglichkeit einer solchen -unbeabsichtigten- Verunreinigung ergeben sich weitere komplexe Fragen, die in dem vorliegenden Eilverfahren nicht in einer der Bedeutung dieser Problematik genügenden Weise abschließend entschieden werden können, sondern einer vertieften Klärung im Hauptsacheverfahren bedürfen.
2.1 Der Schwerpunkt des Rechtsstreits betrifft die Anordnung des Antragsgegners, ausgesäten Mais der betroffenen Partie nach dem Auflaufen, aber spätestens vor der Blüte zu vernichten. Diese Anordnung wurde auf § 26 Abs. 1 des GenTG gestützt. Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Landesbehörde im Einzelfall die Anordnungen treffen, die zur Beseitigung festgestellter oder zur Verhütung künftiger Verstöße gegen das GenTG und die auf dieser Grundlage erlassenen Rechtsverordenungen notwendig sind; nach § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 GenTG kann sie insbesondere gentechnische Arbeiten untersagen, wenn die erforderliche Genehmigung nicht vorliegt. Dem vom Antragsgegner eingenommenen Standpunkt, auch eine unbeabsichtigte Aussaat von Mais, der mit gentechnisch verändertem Saatgut der Linien BT 176 und BT 11 versetzt ist, sei eine nur in (geschlossenen) gentechnischen Anlagen zulässige gentechnische Arbeit im Sinne von § 3 Nr. 3 b GenTG, ist der Antragsteller mit dem Argument entgegengetreten, eine gentechnische Arbeit setze eine absichtliche Verwendung gentechnisch veränderer Organismen (gvO) voraus und hieran fehle es, wenn -wie hier- gutgläubige Landwirte vermeintlich konventionelles Saatgut verwendeten. Überdies stellt der Antragsteller in Abrede, dass die gentechnisch veränderten Maisanteile der Linien BT 176 und BT 11 im Saatgut gentechnisch veränderte Organismen im Sinne des GenTG sind und verweist zur Begründung darauf, dass die angeblichen genetischen Verunreinigungen des Saatguts der fraglichen Partie nach Auskunft der Herstellerfirma (Pioneer Hi-Breed Northern Europe GmbH) nicht durch finales menschliches Handeln, sondern nur zufällig auf natürlichem Wege -Pollenübertragung durch Wind oder Insekten- entstanden sein könnten. Es handele sich damit -wenn überhaupt- um eine durch Kreuzen entstandene Veränderung des gentechnischen Materials und damit um einen natürlichen Vorgang, der die Voraussetzungen der Legaldefinition eines gentechnisch veränderten Organismus nicht erfülle. Jedenfalls aber sei die Verfügung rechtswidrig, weil sie unverhältnismäßig sei und auf sachfremden Erwägungen beruhe und damit ermessensfehlerhaft sei.
a) Die Kammer hält es aufgrund der vorliegenden Begutachtungen für überwiegend wahrscheinlich, dass der ausgesäte Mais der Partie D/H 4620/355 geringe Anteile von gentechnisch verändertem Mais der Linien BT 176 und BT 11 enthält. Ob die im vorliegenden Verfahren erhobenen Einwände gegen die Ergebnisse der Beprobung stichhaltig sind, läßt sich bisher nicht ohne weiteres beantworten, zumal sich nicht einmal eine Stellungnahme des Gutachters in der Kürze der für eine Eilentscheidung zur Verfügung stehenden Zeit beibringen ließe. Die Kammer hält auch die vom Antragsteller vertretene enge Auslegung der Begriffe "gentechnische Arbeiten" und "gentechnisch veränderter Organismus", die auch im Schrifttum vertreten wird (Herdegen/Dederer in Eberbach/Lange/Ronellenfitsch, Recht der Gentechnik und Biomedizin, Stand: April 2000, § 14 Rdnr. 47a; Müller-Terpitz, NVwZ 2001, 46,47) nicht für zwingend. Der Standpunkt des Antragsgegners, dass vorliegend der Tatbestand des § 26 Abs. 1 GenTG erfüllt ist, erscheint gut vertretbar.
aa) Ein gentechnisch veränderter Organismus ist nach der Legaldefinition in § 3 Nr. 3 GenTG "ein Organismus, dessen genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt". Anknüpfend an diesen Obersatz beschreibt das Gesetz sodann (in nicht abschließender Weise) bestimmte "Verfahren der Veränderung genetischen Materials in diesem Sinne". Dies lässt, wie der Antragsteller zu Recht folgert, darauf schließen, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers genetische Veränderungen auf ein Verfahren, also auf ein gezieltes menschliches Handeln, zurückgehen müssen, um dem Regime des GenTG zu unterfallen. Damit ist jedoch noch nicht die Frage beantwortet, wie Veränderungen des Genoms von Organismen zu beurteilen sind, die als mittelbare Folge einer absichtlichen gentechnischen Veränderung von Organismen eintreten. Der Wortlaut der Vorschrift schließt eine Auslegung nicht aus, wonach als gentechnisch veränderte Organismen auch solche Organismen anzusehen sind, die durch natürliche Ausbreitung eines zuvor durch ein Verfahren im Sinne von § 3 Nr. 3 GenTG gentechnisch veränderten Organismusses entstehen. Legt man das vom Antragsteller beschriebene Szenario zugrunde, das zu der Verunreinigung des Saatguts geführt haben kann (unbeabsichtigte Pollenübertragung von einem Feld mit gentechnisch verändertem Mais auf ein Feld mit konventionellem Mais), so läßt sich auch insoweit sagen, dass das genetische Material der als Saatgut dienenden Maiskörner in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen Bedingungen nicht vorkommt: zu dem -für sich genommen- natürlichen Vorgang des Auskreuzens ist als wesentlicher Beitrag der gentechnische Veränderung die vorherige Änderung des Genoms von Mais auf angrenzenden Flächen hinzugekommen. Ausgehend von einer solchen Gesamtbetrachtung und der Einbeziehung auch mittelbarer gentechnischer Veränderungen dürfte auch der Argumentation des Antragstellers mit § 3 Nr. 3 Satz 3 GenTG kein entscheidendes Gewicht beizumessen sein. Nach dieser Vorschrift gelten "Konjugation, Transduktion, Transformation und jeder andere natürliche Prozess" nicht als Verfahren der Veränderung genetischen Materials, es sei denn es werden gentechnisch veränderte Organismen als Spender oder Empfänger verwendet oder rekombinante DNS-Moleküle eingesetzt. Aus dieser Vorschrift läßt sich wohl allenfalls ableiten, dass das Auskreuzen für sich genommen ein Verfahren der Veränderung genetischen Materials darstellt, wenn dies absichtlich eingesetzt wird, um weitere gentechnisch veränderte Organismen zu erzeugen. Dass bei dem Zusammentreten natürlicher und technischer Vorgänge, die einen gentechnisch veränderten Organismus zur Folge haben, beide Teilvorgänge ein "Verfahren" im Sinne des § 3 GenTG sein müssen, erscheint bisher nicht zwingend. Insbesondere auch die vom Antragsteller angeführten systematischen und teleologischen Gesichtspunkte erscheinen nicht von solchem Gewicht, dass sie eine andere Auslegung ausschließen. Soweit der Antragsteller anknüpfend an den Schutzzweck des Gesetzes im Anschluß an Dederer (NuR 2001, 64, 66) darauf verweist, das Risiko freigesetzter Zufallsauskreuzungen werde vom Robert-Koch-Institut regelmäßig schon im Genehmigungsverfahren geprüft und bewertet, ist dem entgegenzuhalten, dass damit keineswegs ein umfassender Schutz der in § 1 GenTG genannten Rechtsgüter gewährleistet ist. In Fällen einer gänzlich oder teilweise fehlenden Genehmigung für das Inverkehrbringen gentechnisch veränderter Organismen fehlt es an einem Risikomanagement durch das Genehmigungsverfahren. Eine entsprechende Schutzlücke wäre für Störfälle und bezüglich einer Folgenbeseitigung nach Rücknahme einer Genehmigung anzunehmen. Es erscheint zweifelhaft, ob ein solch lückenhafter Schutz der Intention des GenTG entsprechen würde, u.a. Leben und Gesundheit von Menschen, Tieren, Pflanzen sowie die sonstige Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge und Sachgüter vor möglichen Gefahren gentechnischer Verfahren und Produkte zu schützen und dem Entstehen solcher Gefahren vorzubeugen.
Die europarechtlichen Regelungen auf dem Sektor der Gentechnik (vgl. die Darstellung bei Wahl, in Landmann/Rohwer, Umweltrecht, Bd. III, Vorb. GenTG RN 47) führen vorliegend nicht weiter. Insbesondere der Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 12.3.2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates und der zuvor geltenden Freisetzungsrichtlinie 90/220/EWG des Rates über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt (Amtsblatt Nr. L 117 vom 8.5.1990), lassen sich hierzu keine verwertbaren Argumente entnehmen.
In der Rechtsprechung ist die erörtete Fragestellung bisher nicht entschieden worden. Das OVG Münster hat in seinem Beschluss vom 31.8.2000 -21 B 1125/00- (NuR 2001, 104) hierzu betont, die Frage, ob eine Zufallsauskreuzung ein gentechnisch veränderter Organismus sei, bedürfe weiterer Klärung und Vertiefung im Hauptsacheverfahren.
In der einschlägigen Kommentierung wird darauf hingewiesen, dass § 3 GenTG zu den problematischsten Bestimmungen des GenTG gehöre und dass die naturwissenschaftlichen Komponenten der Legaldefinitionen im Zweifelsfall nur mit Hilfe naturwissenschaftlicher Sachverständiger ermittelt werden könne (Ronellenfitsch in Eberbach/Lange/Ronellenfitsch, Recht der Gentechnik und Biomedizin, § 3 Rdnr. 33 f.).
Vor diesem Hintergrund muss die erörterte Fragestellung einer abschließenden Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
bb) Auch hinsichtlich der Auslegung des Begriffs "gentechnische Arbeiten" neigt die Kammer nicht dazu, der vom Antragsteller vertretenen Rechtsauffassung ohne weiteres zu folgen. Gentechnische Arbeiten im Sinne des GenTG sind gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 2 GenTG u.a. die Verwendung, Vermehrung und Lagerung gentechnisch veränderter Organismen, soweit noch keine Genehmigung für die Freisetzung oder das Inverkehrbringen zum Zweck des späteren Ausbringens in die Umwelt erteilt wurde. Eine uneingeschränkte Genehmigung zum Inverkehrbringen bzw. zur Freisetzung von gentechnisch verändertem Mais der Linien BT 176 und BT 11 liegt nicht vor. Der Aktenlage ist zu entnehmen, dass für das Genkonstrukt BT 176 zwar eine positive Entscheidung der EU vorliegt; die Genehmigung der EU zum Inverkehrbringen wurde aber durch eine Entscheidung des Robert-Koch-Instituts eingeschränkt. Das Genkonstrukt BT 11 darf nach dem vorliegenden Genehmigungsbestand zwar importiert und verwendet werden, es darf aber nicht angebaut werden. Entsprechendes gilt für Mais, der mit den Genkonstrukten BT 176 und BT 11 versetzt ist, und zwar angesichts fehlender Grenzwerte bzw. Schwellenwerte wohl unabhängig von dem Ausmaß der Verunreinigung.
Der ausgesäte Mais der Partie D/H 4620/355 kommt -wie vorstehend ausgeführt- als gentechnisch veränderter Organismus in Betracht und die Aussaat ist möglicherweise als gentechnische Arbeit im Sinne des GenTG anzusehen. Es kann dahinstehen, ob auch die einer Maisernte (Häckselung) nachfolgende Lagerung (Silierung) und Verfütterung eine gentechnische Arbeit ist, (ablehnend VG Berlin, B.v. 19.4.1994 VG 14 A 156.94; abgedruckt bei Eberbach/Lange/Ronellenfitsch, Recht der Gentechnik und Biomedizin, Nr. 13 zu § 16 GenTG).
Auch insoweit gilt, dass die vom Antragsteller für eine enge Auslegung des Gesetzes vorgebrachten Argumente nicht zwingend erscheinen. Mit dem Wortlaut der Vorschrift ist ohne weiteres ein Verständnis der Begriffe dahingehend zu vereinbaren, dass sich die beschriebenen Tätigkeiten (Verwendung etc) auf Organismen beziehen, die objektiv gentechnisch verändert sind. In systematischer Hinsicht wird dieser Befund durch den Umstand bestätigt, dass § 3 Nr. 7 GenTG das "gezielte" Ausbringen gentechnisch veränderter Organismen regelt; eine solche Beschränkung der Norm auf finale Handlungen findet sich in § 3 Nr. 3 GenTG gerade nicht.
Die vom Antragsteller für seinen Standpunkt angeführten verfassungsrechtlichen Erwägungen erscheinen ebenfalls nicht zwingend. Der Antragsteller meint, Zufallsauskreuzungen seien aus verfassungsrechtlichen Gründen genehmigungsfrei zu stellen und stützt dies insbesondere auf das Fehlen einer Entschädigungsregelung für den Landwirt, der sich in einer "Opfersituation" befinde. Hiergegen ist einzuwenden, dass das Gentechnikrecht gerade auch zur Erfüllung der Schutzverpflichtung des Staates aus Art. 2 Abs. 2 GG Genehmigungserfordernisse vorschreibt (vgl. hierzu Herdegen in Eberbach/Lange/Ronellenfitsch, Recht der Gentechnik und Biomedizin, § 1 GenTG, Rdnr. 11 und Einleitung Rdnr 25-28) und damit einen Grundrechtsschutz durch Verfahren gewährleistet. Das Verlangen nach Einhaltung von Genehmigungserfordermissen ist daher vor dem Hintergrund einer grundrechtlichen Gemengelage zu sehen; der Eingriff in das Eigentumsrecht aus Art 14 GG, der mit entsprechenden Anordnungen verbunden ist, stellt sich u.U. aus Sicht Dritter bzw. der Allgemeinheit als Erfüllung staatlicher Schutzpflichten dar. Hinzu kommt, dass der Umgang mit Saatgut in Zeiten, in denen weltweit mit gentechnisch verändertem Saatgut operiert wird, mit einem speziellen Risiko belastet ist, da damit gerechnet werden muß, dass bei Fällen mangelhafter "Gen-Hygiene" eingeschritten wird und wirtschaftliche Verluste die Folge sind. Aus verfassungsrechtlichen Erwägungen dürfte sich keine Verpflichtung des Staates herleiten lassen, den potentiell risikobehafteten Umgang mit gentechnisch verändertem Saatgut zuzulassen, damit bei den gutgläubigen Verwendern keine Vermögensschäden eintreten. Eher spricht der verfassungsrechtliche Gesichtspunkt der staatlichen Schutzpflicht dafür, die Vorschriften des GenTG so auszulegen, dass die in § 1 GenTG aufgeführten beiden Teilaspekte des Gesetzeszwecks möglichst umfassend und effektiv zur Geltung kommen. Dies aber spricht gegen die vom Antragsteller vertretene Auffassung, die das Problem ausschließlich aus dem Blickwinkel der von Nutzungseinschränkungen betroffenen Landwirte betrachtet. Auch das Fehlen einer Entschädigungsregelung erscheint verfassungsrechtlich nicht problematisch, da es letztlich eine Frage des Unternehmerrisikos ist, sich Lieferanten auszusuchen, die selbst auf eine größtmögliche Hygiene bei der Saatguterzeugung achten, verunreinigungsfreie Lieferungen garantieren und den Landwirten Schäden von der Hand halten, die auf Vorgänge ausserhalb ihrer Sphäre zurückgehen. Es besteht auch keine verfassungsrechtliche Notwendigkeit, über das gesetzlich geregelte Gewährleistungs- und Produkthaftungsrecht hinaus weitere Mechanismen zum Schutz der Landwirte zu schaffen, die verunreinigtes Saatgut erwerben.
Auch das Argument, ein eigenständiges Genehmigungsverfahren für alle Zufallsnachkommen würde die staatlichen Möglichkeiten einer Präventivkontrolle sprengen, kann nicht ausschlaggebend sein. In den Fällen, in denen die Freisetzung oder das Inverkehrbringen gentechnisch veränderter Organismen und Produkte genehmigt werden, gehört die Problematik der Zufallsausbreitungen zum notwendigen Regelungsgehalt einer ordnungsgemäßen Genehmigung. Entweder sind solche Folgen einer Genehmigung hinnehmbar und werden ausdrücklich mitgenehmigt, oder sie sind es nicht, so dass die Genehmigung zu versagen ist bzw. Schutzvorkehrungen zu treffen sind. In den Fällen, in denen gleichwohl -schuldhaft oder nicht- mit gentechisch veränderten Organismen operiert wird, erlaubt § 26 GenTG eine angemessene Reaktion der zuständigen Behörden und komplettiert damit erst das staatliche Handlungsinstrumentarium. Der vom Antragsteller vertretene Standpunkt, die Behörden müßten in solchen Fällen untätig bleiben, überzeugt dagegen nicht.
b) Ausgehend von den dargelegten Erwägungen zum Tatbestand des § 26 Abs. 1 GenTG besteht für den Antragsgegner die Möglichkeit, nach pflichtgemässem Ermessen die notwendigen Massnahmen anzuordnen. § 26 Abs. 1 Satz 2 GenTG erlaubt insbesondere die Untersagung formell illegaler gentechnischer Arbeiten.
Entsprechend den im Allgemeinen Verwaltungsrecht anerkannten Grundsätzen schreibt § 73 LVwG vor, dass im Rahmen der Ermächtigung nach sachlichen Gesichtspunkten unter Abwägung der öffentlichen Belange und der Interessen der einzelnen Person über die zu treffenden Maßnahmen zu entscheiden ist. Die Maßnahmen müssen im Sinne des § 73 Abs. 2 und 3 LVwG verhältnismäßig sein. Hieraus folgt insbesondere, dass die Behörde unter mehreren zulässigen und geeigneten Maßnahmen tunlichst diejenigen anzuwenden hat, die die einzelne Person am wenigsten beeinträchtigen. Das Verwaltungsgericht prüft in diesem Zusammenhang, ob Grenzen des Ermessens überschritten worden sind, oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist ( § 114 VwGO).
aa) Nach diesen Maßstäben ist es unverhältnismässig, dem Antragsteller durch die uneingeschränkte Vernichtungsanordnung praktisch zu verbieten, den Mais vor der Blüte zum Eigenverbrauch zu ernten und damit zumindest teilweise das Ziel zu erreichen, das für sein Vieh erforderliche Futter aus seinen Flächen zu erwirtschaften. Insoweit ist die Sach- und Rechtslage hinreichend klar, da sich die Unverhältnismäßigkeit auch dann ergibt, wenn man ansonsten in vollem Umfang dem vom Antragsgegner zu der in Rede stehenden Problematik folgt. Das vom Antragsgegner erstrebte Ziel, Risiken zu vermeiden, wird durch die angeordnete Vernichtungsaktion nicht besser erreicht als durch eine Ernte vor der Blüte.
Aus den Verwaltungsvorgängen, dem Genehmigungsbestand für die Genkonstrukte BT 11 und BT 176 sowie dem Vorbringen der Beteiligten im vorliegenden Verfahren ergibt sich, dass neben dem sog. "Basisrisiko" bei der Verwendung des hier in Rede stehenden verunreinigten Saatguts im wesentlichen das Risiko einer unkontrollierbaren Verbreitung durch Auskreuzung und das Risiko einer Resistenzentwicklung (für BT 176) in Betracht zu ziehen sind. Die Problematik der Resistenzentwicklung ist dem Bescheid des Robert-Koch-Instituts vom 31.3.2000 zu entnehmen, mit dem die Genehmigung zum Inverkehrbringen der Maislinie BT 176 eingeschränkt wird. In diesem Bescheid werden die angeordneten Beschränkungen (mengenmäßige Beschränkung auf 12 t/Jahr und inhaltliche Beschränkung auf Zwecke der Erforschung und Erprobung) damit begründet, es gebe Hinweise auf schädliche Einwirkungen. Es könne zu unvertretbaren schädlichen Einwirkungen auf Nichtzielinsekten und Bodenlebewesen kommen und es könnten in unvertretbarem Maße Resistenzentwicklungen eintreten.
Alle diese Risiken lassen sich durch ein Umpflügen vor der Blüte nicht besser bewältigen als durch eine Ernte vor der Blüte. Nach dem Genehmigungsbestand und den aktenkundigen Ermittlungsergebnissen des Antragsgegners spricht nichts dagegen, den Mais trotz der gentechnischen Verunreinigungen an das Vieh zu verfüttern; insoweit bestehen nach der fachlichen Bewertung des Antragsgegners keine Risiken. Die zuständige Fachabteilung hat daher im Verwaltungsverfahren auf eine Lösung gedrängt, die den betroffenen Landwirten zumindest eine Ernte vor der Blüte ermöglicht (Beiakte C, Bl. 257 f.). Bedenken gegen eine solche Lösung bestehen nicht. Die Möglichkeit einer Verbreitung gentechnisch veränderter Organismen durch Auskreuzung ist im Falle einer Ernte vor der Blütte nicht wahrscheinlicher als bei der verlangten Vernichtung vor der Blüte. Die vom Robert-Koch-Institut geschilderte Resistenz-Problematik wird bei einer Ernte mindestens ebensogut bewältigt wie beim Unterpflügen. Auch das Basisrisiko ist im Falle einer Ernte vor der Blüte nicht höher zu bewerten als im Falle des Unterpflügens. Vor diesem Hintergrund ist die aufschiebende Wirkung der Klage insoweit anzuordnen, um dem Antragsteller zu ermöglichen, zumindest in dem mit Sicherheit unbedenklichen Umfang einen Teilnutzen aus seinen Flächen ziehen zu können. Ob diese Möglichkeit wirtschaftlich ist, oder die Nachteile der zu frühen Ernte angesichts des Aufwandes , der Schwierigkeit der Silierung etc. überwiegen, muss der Antragsteller selbst entscheiden; er hat als Minimalforderung im vorliegenden Verfahren jedenfalls eine solche Lösung verlangt.
Hieraus folgt zugleich, dass die aufschiebende Wirkung der Klage auch hinsichtlich der diesbezüglichen Zwangsgeldandrohung teilweise anzuordnen war.
Die Kammer hält, soweit dem Eilantrag stattgegeben wurde, gemäß § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO eine Auflage für angemessen, die sicherstellen soll, dass es nicht zu Risiken durch ein Inverkehrbringen des Ernteguts kommen kann, die im Falle einer Vernichtung des Ernteguts ausgeschlossen wären. Diese Auflage erscheint auch zumutbar, zumal sie dem vom Antragsteller dargelegten Verwendungszweck des Ernteguts entspricht.
bb) Im übrigen besteht kein hinreichender Anlass, die getroffene Entscheidung unter dem Gesichtspunkt von Ermessensfehlern als offensichtlich rechtswidrig zu bewerten. Entscheidet sich der Antragsteller gegen eine Ernte vor der Blüte, muss er der Vernichtungsanordnung nachkommen.
aaa) Der Antragsteller geht von einer fehlerhaften Ausübung des Entschließungsermessens aus, weil es dem Antragsgegner angesichts extrem geringer gentechnischer Verunreinigungen auch freigestanden habe, von der Vernichtungsanordnung abzusehen. Dieses Argument wird im Hauptsacheverfahren voraussichtlich nicht zum Tragen kommen. Aus den Verwaltungsvorgängen ist ersichtlich, dass die tatsächlichen und rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit gentechnisch verunreinigtem Saatgut vom Antragsgegner umfangreich untersucht und erörtert wurden; der Akteninhalt dokumentiert einen schwierigen Entscheidungsprozess, der der Komplexität der Materie entspricht. In diesem Zusammenhang wurden in generalisierender Weise verschiedene Varianten des Vorgehens erwogen, wobei auch ein Untätigbleiben in den Fällen in Betracht gezogen wurde, bei denen konkret nicht mit einer Auskreuzungsmöglichkeit gerechnet wurde. Aus dieser Dokumentation des Entscheidungsprozesses ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, eine fehlerhafte Ausübung des Entschließungsermessens anzunehmen. Dass in anderen Bundesländern eine weniger "harte Linie" verfolgt werden mag, ist unerheblich, da der Antragsgegner in eigener Verantwortung eine Risikoentscheidung treffen muss.
bbb) Auch die Argumentation des Antragstellers mit Ermittlungsdefiziten und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz führt nicht zum Erfolg im vorliegenden Verfahren. Allerdings trifft es zu, dass der Antragsgegner entgegen Überlegungen in der Fachabteilung keine konkrete Risikoprognose für die acht betroffenen Flächen vorgenommen hat, sondern das Vorgehen allein auf die Durchsetzung des Verbots einer formell illegalen Verwendung gentechnisch veränderter Organismen gestützt hat. Daher wurde auch nicht konkret geprüft, welche Abstände die fraglichen Flächen zu anderen Maisfeldern aufweisen und wie sich dementsprechend das Auskreuzungsrisiko konkret darstellt. Diese Vorgehensweise ist konsequent angesichts der vom Antragsgegner vertretenen Prämisse, dass bereits das Basisrisiko im Gentechnikbereich ein Einschreiten gegen eine formell illegale Verwendung gentechnisch veränderter Organismen rechtfertigt. Nach vorläufiger Einschätzung trifft der vom Antragsgegner eingenomme Standpunkt grundsätzlich zu, wobei allerdings der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit -wie vorstehend aufgezeigt- zu berücksichtigen ist. § 26 Abs. 1 GenTG schränkt die Handlungsmöglichkeit der zuständigen Behörde -anders als z.B. § 86 Abs. 1 Satz 1 LBO (Beseitigung baurechtswidriger baulicher Anlagen) und § 9a Abs. 2 LNatSchG (Wiederherstellung bei ungenehmigten Eingriffen in die Natur) nicht in der Weise ein, dass vorrangig die Herstellung rechtmäßiger Zustände auf andere Weise (durch Genehmigung) zu prüfen ist. Im übrigen ist eine Genehmigungsmöglichkeit hier nicht ersichtlich.
Abgesehen von der vorstehend bereits dargelegten Einschränkung stehen Gründe der Verhältnismäßigkeit der Anordnung nicht entgegen. Die Anordnung ist zur Vermeidung von Risiken erforderlich und geeignet und der verfolgte Zweck steht nicht in einem Mißverhältnis zu dem Eingriff. Nach der Konzeption des GenTG liegt bereits jeder gentechnischen Veränderung als solcher ein gentechnisches Basisrisiko zugrunde, das ein Mindestmaß an rechtlicher Kontrolle erfordert und rechtfertigt. Insoweit ist das umfassende, jede genetische Veränderung erfassende Regelungskonzept des GenTG das Ergebnis einer gesetzgeberischen Risikobewertung, die auch nur theoretisch denkbare Risikopfade und Schadensfolgen einbezieht und den bestehenden Unsicherheiten und Wissenslücken bei der gentechnischen Veränderung von Organismen durch ein umfassendes vorsorgend-vorsichtiges Kontrollregime begegnen will (Wahl, aaO, § 1 GenTG, RN 9 ff). Vor diesem Hintergrund ist bei jedem Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen außerhalb des gesetzlich vorgesehenen Rahmens das Basisrisiko von besonderer Bedeutung. Hinzu kommt im vorliegenden Fall das vorstehend aufgezeigte besondere Risiko hinsichtlich der Maislinie BT 176, das das Robert-Koch-Institut zu einschränkenden Anordnungen veranlaßt hat. Soweit der Antragsteller unter Hinweis auf Stimmen in der Kommentarliteratur darauf verweist, das dem GenTG zugrunde liegende Konzept sei überholt und ein gentechnikspezifisches Risiko sei nach dem Stand der Wissenschaft auszuschließen, wird diesem Aspekt im Hauptsacheverfahren nachzugehen sein; im Eilverfahren ist entscheidend, dass das vorstehend dargelegte Konzept geltendes Recht ist und die Richtigkeit der vom Antragsteller vertretenen These jedenfalls nicht auf der Hand liegt.
Der Umstand, dass es sich nur um geringe Anteile von Verunreinigungen handelt, ist vor dem vorstehend aufgezeigten Hintergrund unerheblich. Verbindliche oder auch nur allgemein anerkannte Schwellenwerte oder Grenzwerte für eine Toleranz der in Rede stehenden Verunreinigungen gibt es derzeit (noch) nicht, so dass es entgegen der Auffassung des Antragstellers auch nicht zu beanstanden sein dürfte, dass sich der Antragsgegner für eine "Null-Toleranz-Linie"entschieden hat.
ccc) Auch soweit der Antragsteller den Standpunkt vertritt, dem angefochtenen Bescheid lägen sachfremde Erwägungen zugrunde, führt dies nicht zu einem weitergehenden Erfolg, als vorstehend ausgeführt. Der Antragsteller bemängelt anknüpfend an Vermerke in den Verwaltungsvorgängen, dass eine politische, am Koalitionsvertrag ausgerichtete Entscheidung vorliege, die sich nicht an sachlichen Kriterien bzw. am GenTG orientiere, sondern einer skeptischen bis ablehnenden Haltung zur Gentechnik in der Landwirtschaft zum Ausdruck kommen lasse.
Diese Kritik bezieht sich auf eine Verwaltungsvorlage, in der mit ausführlicher Begründung zwei Varianten eines Vorgehens erörtert werden. Eine Variante 1 betrifft die uneingeschränkte Vernichtung der Pflanzen, eine Variante 2 sieht die Vernichtung nur dort vor, wo es zu einer Auskreuzung kommen kann. Der Vorschlag der Fachabteilung, die Variante 2 zu wählen, setzte sich nicht durch. Auf der Vorlage finden sich Vermerke, wonach aus grundsätzlichen Erwägungen nur Variante 1 in Betracht komme, bzw. die "Linie der Landesregierung und des Koalitionsvertrages" zu Variante 1 führe. Auch ein Vorstoss der Fachabteilung, zumindest eine Ernte vor der Blüte zuzulassen, setzte sich nicht durch. Mit diesem aktenkundigen Sachverhalt ist nicht erwiesen, dass die Entscheidung auf sachfremden Erwägungen beruht. Zu den Aufgaben des zuständigen Ministers in dem vorliegenden Zusammenhang gehört es auch, intern die Grundlinien der Vorgehensweise bei wichtigen Entscheidungen des Ministeriums festzulegen und dabei insbesondere über ihm unterbreitete Varianten zu entscheiden. Einer internen Begründung des Ministers für eine Entscheidung gegenüber den Mitarbeitern bedarf es in rechtlicher Hinsicht nicht. Wenn gleichwohl stichwortartig eine Begründung auf einer Vorlage skizziert wird, dürfte dies -abgesehen von Stilfragen- in aller Regel einer effektiven Aufgabenerledigung dienen, die einen hinreichenden Informationsfluß innerhalb eines Ministeriums erfordert. Vor diesem Hintergrund lassen sich die von der Antragstellerin zitierten Vermerke als interne Information dahingehend deuten, dass bei Gesetzesverstößen eine "harte Linie" eingeschlagen werden soll, so dass von zwei möglichen Varianten die härtere gewählt werden soll. In den Verwaltungsvorgängen finden sich rechtliche Ausarbeitungen, die zu dem Ergebnis kommen, dass die eingesschlagene Vorgehensweise rechtens ist. Es sollte also offenbar eine Entscheidung getroffen wurde, die einerseits den für gegeben erachteten rechtlichen Handlungsrahmen des GenTG ausschöpft, andererseits der politischen Linie der Regierung zum Thema Gentechnik entspricht. Hiergegen ist nichts zu erinnern. Dass in diesem Zusammenhang dann eine teilweise unverhältnismäßige Entscheidung erging, rechtfertigt nur eine Teilkorrektur der Entscheidung, nicht aber generell die Annahme sachfremder Erwägungen.
Liegen somit keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, die Anordnung Nr. 3 über den vorstehend angesprochenen Aspekt hinaus als rechtswidrig anzusehen, kommt es insoweit auf eine Folgenabschätzung an, die zu Lasten des Antragstellers ausgeht. Dem öffentlichen Interesse an einer Verhinderung von Risiken (s.o.) im Anschluss an eine ungenehmigte Aussaat von Mais mit gentechnischen Verunreinigungen deren Folgen nach endgültiger Feststellung der Rechtmäßigkeit der Verfügung kaum rückgängig zu machen sind, bzw. nicht zuverlässig abschätzbar sind, kommt gegenüber dem wirtschaftlichen Interesse des Antragstellers, die Maisernte in vollem Umfang nutzen zu können, ein überwiegendes Gewicht zu, zumal es nicht aussichtlos erscheint, dass der Antragsteller für seinen Schaden Ersatz erlangt. Neben dem Basisrisiko ist im vorliegenden Fall die vom Robert-Koch-Institut angesprochene Resistenzproblematik zu berücksichtigen. Was das Risiko einer weiteren Verbreitung durch Auskreuzen angeht, liegen bisher keine sicheren Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Auskreuzung bei den hier in Rede stehenden Abständen ausgeschlossen ist. Daher ist auch dieser Gesichtspunkt hier -angesichts der mit der Antragsbegründung hierzu vorgetragenen Fakten- in Betracht zu ziehen.
2.1 Ausgehend von den vorstehenden Erwägungen kommt auch hinsichtlich der übrigen Regelungen des angefochtenen Bescheides die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht in Betracht. Was das Verbot des Anbaus von Saatgut der Sorte Janna mit der Partienummer D/H 4620/355 angeht, läßt sich angesichts der tatsächlichen Ungewißheiten zum Zeitpunkt der Entscheidung und der zeitlichen Zusammenhänge die Erforderlichkeit einer solchen auf § 26 GenTG gestützten Anordnung nicht von vornherein verneinen. Bei einer Folgenabschätzung ist insoweit entscheidend, dass keine konkreten Nachteile für den Antragsteller in dem Fall ersichtlich sind, dass sich diese Anordnung im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen sollte.
Was die in Ziffer 2 und Ziffer 4 geregelten Informations- und Dokumentationspflichten angeht, kommt als Rechtsgrundlage ebenfalls § 26 Abs. 1 GenTG in Betracht. § 25 Abs. 2 GenTG regelt nicht abschließend die Auskunftspflichten im Schadensfall von Personen, die weder Betreiber noch verantwortliche Person im Sinne von § 3 Nr. 10 und 11 GenTG sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO.
Ende der Entscheidung
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