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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 28.06.2001
Aktenzeichen: 12 L 1/01
Rechtsgebiete: MBG SH


Vorschriften:

MBG SH § 49 Abs 4
MBG SH § 51 Abs 1 S 1
MBG SH § 54 Abs 4 Nr 15
Ob ein Assessment-Center zur Auswahl der zur Aufstiegsfortbildung zuzulassenden Beschäftigten eingerichtet wird, unterliegt nicht der Mitbestimmung des Personalrats.
12 L 1/01

Beschluss

In der Mitbestimmungssache

wegen

Einführung eines Assessment-Centers

hat der 12. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts - Fachsenat für Personalvertretungssachen/Land - auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2001 in Lübeck unter Mitwirkung von Präsident des Oberverwaltungsgerichts ..., ehrenamtliche Richterin ..., ehrenamtlicher Richter ..., ehrenamtliche Richterin ..., ehrenamtlicher Richter ..., beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts- Fachkammer für Personalvertretungssachen/Land - vom 04. Dezember 2000 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob die Einführung und Durchführung eines Assessment-Center zur Auslese von Bewerberinnen und Bewerbern um die Teilnahme an Stationsleitungskursen (Aufstiegsfortbildung) bei dem Universitätsklinikum in ... der Mitbestimmung unterliegt.

Unter dem 21. Februar 2000 lud der beteiligte Vorstand des Universitätsklinikums insofern zu einem Workshop zur Ermittlung des Anforderungskatalogs ein für Mittwoch, den 15. März 2000, sowie zur Vorstellung des Konzepts Assessment-Center für Donnerstag, den 11. Mai 2000.

Der Antragsteller (Personalrat) beantwortet dies unter dem 14. März 2000 damit, er werde an der Konzeptgruppe "Assessment-Center" nicht teilnehmen und sei der Auffassung, dass am Universitätsklinikum erst ein Konzept zur Personalentwicklung erstellt werden müsse, bevor Assessment-Center für die Beurteilung der Teilnehmer und Teilnehmerinnen an Stationsleitungskursen installiert würden.

Unter dem 18. Mai 2000 übersandte das Klinikum dem Personalrat den Zeitplan, die Beobachtungsmerkmale (Strukturierungsvermögen, vernetztes Denken, Selbstreflektion, soziale Wahrnehmungsfähigkeit, Einfühlungsvermögen, wertschätzendes Verhalten, Kontaktfreude, Selbstsicherheit, Entscheidungsfreude, Glaubwürdigkeit) sowie die darauf bezogene Beobachtungsmatrix (untergliedert: Beratungsbogen, persönliche Vorstellung, Postkorb, Gruppendiskussion, Rollenspiel/Mitarbeitergespräch). Der Beratungsbogen wird jeweils von den direkten Vorgesetzten der Aufstiegsinteressenten ausgefüllt. Um zur Aufstiegsfortbildung zugelassen zu werden, müssen 90 % der insoweit erreichbaren Punkte erzielt sein sowie 2,5 Gesamtpunkte aus dem Assessment-Center. Die Bewertungen der von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Assessment-Center gezeigten Verhalten erfolgen durch mindestens zwei Beobachter. Weitere Einzelheiten gehen aus den dem Fachsenat in der mündlichen Verhandlung am 28. Juni 2001 überreichten und zu den Gerichtsakten genommenen Unterlagen hervor.

Nur der Ausgestaltung des Beratungsbogens stimmte der Personalrat zu.

Am 23. Juni 2000 hat der Personalrat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht - Fachkammer für Personalvertretungssachen/Land - angerufen.

Er hat beantragt,

festzustellen, dass die Einführung und Durchführung eines Assessment-Center für das Bewerbungsverfahren zur Teilnahme-berechtigung an einem Stationsleitungskurs beim Universitäts-klinikum ... seiner (des Antragstellers) Zustimmung bedürfe oder der Ersetzung dieser Zustimmung durch die Einigungsstelle.

Das Verwaltungsgericht ist dem Antrag des beteiligten Klinikums gefolgt, hat den Antrag des Personalrats abgelehnt und dazu im Wesentlichen ausgeführt: Die Durchführung eines Assessment-Centers sei nicht mitbestimmungspflichtig. Es handele sich hierbei um ein Vorstellungsgespräch oder um ein Auswahlverfahren zur Eignungsfeststellung im Sinne von § 49 Abs 4 MBG SH. Daran teilzunehmen, sei der Personalrat berechtigt. Er sei aber nicht befugt, die grundsätzliche Entscheidung des Dienstherrn, solche Verfahren durchzuführen, durch Verweigerung seiner Zustimmung zu verhindern. Darüber hinaus habe der Personalrat keine nachvollziehbaren Gründe dargelegt, weshalb seiner Auffassung nach ein Assessment-Center nicht durchgeführt werden könne. In der mündlichen Verhandlung habe das beteiligte Klinikum Organisation und Ablauf der durchgeführten Assessment-Center im Juli 2000 plastisch dargestellt. So hätten insgesamt 21 Bewerber an den beiden Assessment-Center teilgenommen, als Beurteiler: Der Direktor für Krankenpflege und Patientenservice, der stellvertretende Personaldezernent, zwei Stationsleiter, zwei Pflegedienstleiter und ein Vertreter des Deutschen Roten Kreuzes. Nach festgelegtem Zeitplan hätten alle 21 Teilnehmer die Möglichkeit gehabt, sich diesen Fachbeurteilern vorzustellen. Zusätzlich hätten noch externe Experten als Moderatoren mitgewirkt. Für die Kammer sei offensichtlich, dass eine derart zusätzliche Eignungsüberprüfung der Bewerber für die Teilnahme an einem Stationsleitungskurs eine Verbesserung der Chancengleichheit für alle Bewerber darstelle. Es sei deshalb sachwidrig, wenn der Personalrat unter Hinweis auf ein noch nicht fertiggestelltes Konzept zur Personalentwicklung die Durchführung von Assessment-Centern grundsätzlich ablehne.

Gegen diesen - ihm am 15. Januar 2001 zugestellten - Beschluss vom 04. Dezember 2000 richtet sich die am 02. Februar 2001 eingegangene Beschwerde des Personalrats, mit der am 01. März 2001 eingegangenen Begründung:

Die Einführung eines Assessment-Center sei Maßnahme im Sinne von § 51 Abs 1 MBG SH. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts schränke § 49 MBG SH die Rechte des Personalrats nicht ein, sondern weite sie aus. Im Übrigen ergebe sich die Mitbestimmungspflichtigkeit von Assessment-Center aus § 54 Abs 4 Nrn 15 und 16 MBG SH über die Bindung von Einigungsstellenbeschlüssen in Fällen der Auswahl von Beschäftigten für die Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen und über den Inhalt von Personalfragebogen.

In der mündlichen Verhandlung hat der Personalrat vortragen lassen, im Assessment-Center des Klinikums würden Kenntnisse und Fähigkeiten abgeprüft, die in der Fortbildung zur Stationsleitung eigentlich erst erworben werden sollten. Das Assessment-Center wirke zumindest wie eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme. Nur wer daran teilnehme, habe eine Chance, in die Aufstiegsfortbildung einbezogen zu werden. Weiter hat er vorgetragen, das Assessment-Center wirke mittelbar diskriminierend, weil es Ängste hervorrufe, die Frauen mehr abschreckten als Männer.

Der Personalrat beantragt,

den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Fachkammer für Personalvertretungssachen/Land - vom 04. Dezember 2000 zu ändern und nach seinem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.

Das beteiligte Klinikum beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Es erwidert: Die Ergebnisse der bisherigen Assessment-Center-Verfahren wirkten ermutigend.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Personalrats ist unbegründet.

Mit der Fachkammer hält der Fachsenat den Antrag des Personalrats für unbegründet.

Entgegen dessen Auffassung ist die Entscheidung über das Ob einer Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an einer Aufstiegsfortbildung je nach Ergebnis eines Assessment-Centers im öffentlichen Dienst des Landes Schleswig-Holstein nicht mitbestimmungspflichtig. Hierauf deutet schon der Wortlaut von § 51 Abs 1 S 1 MBG SH hin:

"Der Personalrat bestimmt mit bei allen personellen, sozialen, organisatorischen und sonstigen innerdienstlichen Maßnahmen, die die Beschäftigen der Dienststelle insgesamt, Gruppen von ihnen oder einzelne Beschäftigte betreffen oder sich auf sie auswirken."

Dass Betroffenheit oder Auswirkungen rechtlich gemeint sind, liegt im rechtlichen Kontext der Norm nahe, geht aber insbesondere aus der Begründung des Entwurfs des MBG SH vom 24. August 1990 hervor (LT Drucks 12/996). Danach ist Maßnahme (nur) eine Regelung, die Rechtsfolgen setzt oder klarstellt und dadurch das Beschäftigungsverhältnis oder die Arbeitsbedingungen ändert (aaO S 107).

Ob die Zulassung zur Aufstiegsfortbildung - wie bislang - durch Beurteilungen Vorgesetzter oder - wie vom Klinikum gewollt - durch eine kombinierte Bewertung von Beurteilungen Vorgesetzter (jetzt: Beratungsbogen) und zudem eines situativ wechselnd ganztägig konkret beobachteten Verhaltensablaufs erfolgt, setzt jedoch keine Rechtsfolgen für bestehende Beschäftigungsverhältnisse. Denn niemand muss sich derartigem unterziehen. Und kein Beschäftigter hat von vornherein Anspruch auf eine Aufstiegsfortbildung oder auf eine Zulassung zu bestimmten Bedingungen.

Welche Anforderungen ein Dienstherr an seine künftigen Führungskräfte (hier: Stationsleitungen) stellt, steht in seiner Entscheidung und Verantwortung allein.

Dieser Befund wird durch den Sinnzusammenhang zwischen §§ 51 Abs 1 S 1, 49 Abs 4 und 54 Abs 4 Nr 15 MBG SH unterstrichen. Zutreffend verweist die Fachkammer darauf, nach § 49 Abs 4 S 1 MBG SH könne ein Personalratsmitglied an Auswahlverfahren und Eignungsfeststellungen sowie an der Auswertung von Tests beratend teilnehmen, das heißt nicht mit - entscheidend.

Nach § 54 Abs 4 Nr 15 MBG SH ist ein Einigungsstellenbeschluss für die Beteiligten bindend in Fällen der Auswahl von Beschäftigen für die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen. Ob dies auch die Zulassung zur Aufstiegsfortbildung erfasst, kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn, setzte dies erst ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei der Auswahlentscheidung voraus, nicht jedoch bei der Frage, ob Grundlagen für die Auswahlentscheidung - wie hier - auch durch die Veranstaltung von Assessment-Center gewonnen werden sollen.

Wie diese Assessment-Center auszugestalten sind, wird allerdings mitbestimmungspflichtig sein. Denn dabei geht es um Kriterien der Auswahl, um bisherige Beschäftigungsverhältnisse in Beschäftigungsverhältnisse zur Aufstiegsfortbildung umzuändern, mithin um Kriterien für eine Regelung, die eine Maßnahme im Sinne von § 51 Abs 1 S 1 MBG SH kennzeichnet.

An der Ausgestaltung der Assessment-Center mitzuwirken, hat sich der Personalrat bisher versagt. Der Fachsenat regt an, diese Haltung zu überprüfen. Durch Mitgestaltung kann der Personalrat wesentlich dazu beitragen, dass mit dem Instrument Assessment-Center verantwortungsbewusst und verantwortlich umgegangen wird, sodass sich die von ihm in der mündlichen Verhandlung am 28. Juni 2001 angesprochenen, mittelbar diskriminierenden Ängste vermeiden lassen. Insofern ist der Personalrat nach §§ 2 Abs 2 Nr 1 MBG SH, 611 a BGB gefordert.

Der Fachsenat lässt die Rechtsbeschwerde zu. Denn der Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung zu (§§ 88 Abs 2 MBG SH, 92 Abs 1, 72 Abs 2 Nr 1 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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