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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 19.02.2001
Aktenzeichen: 1 A 178/98
Rechtsgebiete: GG, RuStAG, StAG, StAngRegG, LVwG


Vorschriften:

GG Art. 16 Abs. 1
RuStAG § 9
StAG § 9
StAngRegG § 24 Abs. 2
LVwG § 116
(kein) Anwendbarkeit von § 24 Abs. 2 StAngRegG auf Einbürgerungen nach § 9 RuStAG/StAG
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES VERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 1 A 178/98

In der Verwaltungsrechtssache

hat die 1. Kammer des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19. Februar 2001 durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichts ......, den Richter am Verwaltungsgericht ......., den Richter am Verwaltungsgericht ....... sowie die ehrenamtlichen Richterinnen ........ und .......... für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand: Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme seiner Einbürgerung.

Der aus Pakistan stammende Kläger reiste im Jahre 1979 in die Bundesrepublik Deutschland ein und führte erfolglos ein Asylverfahren durch. Am 15.02.1984 heiratete er in New York die deutsche Staatsangehörige ...................... Am 07.10.1984 reiste er mit einem Visum in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er sich bis zum 22.02.1985 aufhielt. Am 24.10.1984 erhielt er eine befristete Aufenthaltserlaubnis. Vom 23.02.1985 bis zum 06.01.1986 hielt sich der Kläger in den Vereinigten Staaten auf. Danach kehrte er wieder in die Bundesrepublik Deutschland zurück. Am 06.04.1985 wurde ihm eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Am 28.05.1986 beantragte er die Einbürgerung. In dem Antragsformular trug er unter der Rubrik "Kinder" seine beiden in Pakistan lebenden Kinder nicht ein. Unter "Familienstand" trug er die vorgenannte Eheschließung ein. Mit Bescheid des Beklagten vom 10.01.1989 wurde der Kläger mit Wirkung vom 18.01.1989 auf der Grundlage des § 9 RuStAG eingebürgert. Am 27.08.1990 wurde die Ehe mit der deutschen Ehefrau geschieden. Im Scheidungsurteil heißt es, die Eheleute lebten seit Januar 1988 getrennt.

Im Jahre 1996 hatte die Ausländerbehörde der Stadt Flensburg den Visumsantrag der pakistanischen Frau ..................... und ihrer vier Kinder zu bearbeiten, die eine Familienzusammenführung mit dem Kläger in Deutschland begehrten. Frau ....... gab an, sie sei seit dem 22.02.1977 mit dem Kläger verheiratet und aus der Ehe seien vier Kinder hervorgegangen (......................., geb. am 15.04.1978, ........................, geb. am 15.08.1979, ...................., geboren im Dezember 1989 und ..................., geb. am 25.02.1993). Der Kläger bestätigte diesen Sachverhalt mündlich gegenüber der Ausländerbehörde und gab hierzu eine eidesstattliche Versicherung ab, aufgenommen von dem Notar ...... Die Stadt Flensburg informierte den Beklagten, der den Kläger zu einer beabsichtigten Rücknahme der Einbürgerung anhörte. Der Kläger erklärte im Rahmen des Anhörungsverfahrens, er bestreite den Vorwurf der Doppelehe und einer Trennung von der deutschen Ehefrau vor der Einbürgerung. Seine deutsche Frau habe eidesstattlich versichert, daß sie während des Scheidungsverfahrens zusammengelebt hätten. Die Trennung im Januar 1988 hätten sie gegenüber dem Familiengericht nur behauptet, um ihre Scheidung zu erreichen. Eine Rücknahme der Einbürgerung würde zur Staatenlosigkeit führen. Eine Rücknahme sei nach allgemeinen Vorschriften nicht möglich, da das Staatsangehörigkeitsrecht spezieller sei. Nach so langer Zeit sei eine Rücknahme nicht mehr möglich. Die fünfjährige Ausschlußfrist des § 24 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigen vom 22.2.1955 (StAngRegG) sei analog anwendbar.

Mit Bescheid vom 09.09.1998 nahm der Beklagte die Einbürgerung des Klägers zurück. Der Kläger wurde zur Herausgabe der Einbürgerungsurkunde aufgefordert, und es wurde insoweit ein Zwangsgeld von 2.000,00 DM angedroht. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Einbürgerung sei rechtswidrig und werde gemäß § 116 LVwG zurückgenommen. Der Kläger und seine deutsche Ehefrau hätten zur Zeit der Einbürgerung getrennt gelebt, wie sich aus dem Scheidungsurteil ergebe. Weiterhin sollten nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 RuStAG deutsch verheiratete Ausländer eingebürgert werden, wenn ihre Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet sei und sie die Voraussetzungen des § 8 RuStAG erfüllten. Zu den deutschen Lebensverhältnissen gehöre der Grundsatz, daß die Ehe in Form der Einehe geführt werde. Mit diesem Verständnis der Einehe als einer für die deutschen Lebensverhältnisse bedeutsamen Institution sei das Eingehen einer zweiten Ehe unter Aufrechterhaltung der ersten Ehe nicht zu vereinbaren. Der Kläger habe somit zum Zeitpunkt der Einbürgerung die hierfür erforderliche Voraussetzung des § 9 Abs. 1 Nr. 2 RuStAG nicht erfüllt. Die Einbürgerung als begünstigender Verwaltungsakt sei von Anfang an rechtswidrig gewesen. Im Rahmen des damit eröffneten Rücknahmeermessens sei zu berücksichtigen, daß die Einbürgerung durch arglistige Täuschung erwirkt worden sei. Zum einen sei bei der Antragstellung nicht angegeben worden, daß der Kläger noch mit einer pakistanischen Staatsangehörigen verheiratet sei, zum anderen sei die Mitteilung unterlassen worden, daß er seit Januar 1988 von der deutschen Ehefrau getrennt lebe. Diese Mitteilungen seien trotz des eindeutigen Hinweises auf dem Antragsformular unterblieben. Dies Verhalten sei als arglistiges Verschweigen von entscheidungserheblichen Tatsachen zu werten. Durch die Rücknahme werde der Kläger nicht staatenlos, da er die pakistanische Staatsangehörigkeit nicht automatisch durch die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband verloren habe. Aber selbst wenn er nicht im Besitz der pakistanischen Staatsangehörigkeit wäre, stünde dies der Rücknahme der Einbürgerung nicht entgegen, denn Art.16 Abs. 1 GG schütze nur die wohlerworbene deutsche Staatsangehörigkeit. Auch ergebe sich kein Einbürgerungsanspruch aus anderen Vorschriften zum Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung.

Am 06.10.1998 hat der Kläger Klage erhoben.

Der Kläger trägt vor:

Die Rücknahme der Einbürgerung sei rechtswidrig, denn die zugrunde liegenden Annahmen des Beklagten seien unrichtig, und eine Rücknahme der Einbürgerung sei nach so langer Zeit auch aus Rechtsgründen ausgeschlossen. Die Annahme des Beklagten, der Kläger und seine deutsche Ehefrau hätten zum Zeitpunkt der Einbürgerung getrennt gelebt, sei unrichtig. Der Beklagte habe nicht hinreichend die eidesstattliche Erklärung der geschiedenen Ehefrau gewürdigt, die den diesbezüglichen Sachvortrag des Klägers bestätigt habe. Im übrigen könnten auch weitere Zeugen (Frau ........, Frau ........, Herr ...... und Frau ........) bestätigen, daß zum Zeitpunkt der Einbürgerung noch die eheliche Lebensgemeinschaft bestanden habe. Der Scheidungsantrag sei dem Kläger am 02.02.1990 zugestellt worden. Zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger bereits fast ein Jahr eingebürgert gewesen.

Es treffe auch nicht zu, daß eine Doppelehe geschlossen worden sei. Soweit sich aus den vorgelegten Urkunden oder Erklärungen etwas anderes ergäbe, seien diese entweder gefälscht oder unrichtig. So sei die von der pakistanischen Ehefrau mit dem Visumsantrag vorgelegte Heiratsurkunde vom 22.02.1977 gefälscht. Die mit der Abgabe der Heiratsurkunde abgegebene eidesstattliche Versicherung der pakistanischen Ehefrau, in dem das Eheschließungsdatum mit dem 22.02.1977 angegeben worden sei, sei falsch. Auch die von dem Brautführer und den Zeugen der Eheschließung abgegebenen Erklärungen seien unrichtig. Der Kläger habe weder am 22.02.1977 Frau ..... geheiratet noch sei diese Ehe im offiziellen Heiratsregister zu diesem Zeitpunkt eingetragen worden. Richtig sei, daß der Kläger Frau ..... nach seiner rechtskräftigen Scheidung am 04.10.1990 am 12.10.1990 geheiratet habe und diese Ehe in das Heiratsregister eingetragen worden sei; dazu könne eine Auskunft aus dem Heiratsregister eingeholt werden. Aufgrund dieser am 12.10.1990 erfolgten Heirat habe Frau ..... mit den vier minderjährigen Kindern den Antrag auf Familienzusammenführung gestellt, der jedoch abgelehnt worden sei. Bei diesem Antrag habe das Problem bestanden, daß es für pakistanische Sitten und Bräuche undenkbar sei, daß eine Frau, ohne verheiratet zu sein, mit einem Mann vier gemeinsame Kinder habe. In der pakistanischen Gesellschaft würden eine solche Frau und deren Kinder nicht nur geächtet sein, sondern sich auch in erheblichem Maße strafbar machen. Aus diesem Grunde sei es notwendig gewesen, der Botschaft nicht nur einen falschen Sachverhalt zu unterbreiten, sondern auch gefälschte Urkunden vorzulegen. Nachdem die Botschaft aufgrund ihrer Ermittlungen den "Betrug" aufgedeckt habe, sei der Antrag auf Familienzusammenführung nicht nur abgelehnt worden, sondern Frau ..... habe erhebliche Probleme mit den pakistanischen Strafverfolgungsbehörden bekommen. Da die Familie jedoch den Plan nicht aufgegeben habe, zueinander zu finden, sei 1996/1997 ein neuer Antrag auf Familienzusammenführung gestellt worden, der jedoch erneut abgelehnt worden sei. Diese Antragstellung sei unter Vorlage einer gefälschten Heiratsurkunde erfolgt, wonach das Eheschließungsdatum mit dem 29.02.1977 angegeben worden sei. Das Heiratsdatum sei so gewählt worden, daß alle vier Kinder als während der Ehe geboren anzusehen wären. Im Zuge der Nachprüfung dieser Heiratsurkunde durch den Vertrauensanwalt der deutschen Botschaft habe dieser sich mit dem Kläger in Verbindung gesetzt. Aus "Gefälligkeit" seien dann von diesem die entsprechenden Bestätigungen vorgenommen worden, ohne daß diese vor Ort im Heiratsregister überprüft worden seien. Ferner habe der Kläger dem Vertrauensanwalt persönlich die entsprechenden Erklärungen von dem Brautführer sowie der ortsansässigen Zeugen zur Verfügung gestellt. Alle diese Personen könnten bestätigen, daß sie ihre Erklärungen auf Wunsch und Veranlassung des Klägers an diesen abgegeben hätten und der Kläger sie nur an den Vertrauensanwalt weitergeleitet habe. Soweit der Kläger die unrichtigen Angaben gegenüber der Ausländerbehörde bestätigt habe, habe dies darauf beruht, daß die Behörde zunächst erklärt habe, daß es um den Visumsantrag auf Familiennachzug gehe. Am Ende des Gespräches habe der Kläger jedoch die wahre Absicht der Ausländerbehörde erkannt, ihm Schwierigkeiten zu machen, so daß er anschließend die Unterschrift unter der Verhandlungsniederschrift verweigert habe.

Die Einbürgerung sei auch aus Rechtsgründen ausgeschlossen, da der Kläger über neun Jahre deutscher Staatsbürger gewesen sei. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen habe in seiner Entscheidung vom 02.09.1996 (InfAuslR 1997, 82 ff) offen gelassen, ob insoweit die Fünf-Jahres-Frist des § 24 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit vom 22.2.1955 (StAngRegG) auf eine Einbürgerung nach den §§ 8, 9 RuStAG entsprechend anzuwenden sei. Das Verwaltungsgericht Hamburg habe inzwischen mit Urteil vom 15.02.2000 entschieden, daß auch eine erschlichene Einbürgerung gemäß § 9 RuStAG nach fünf Jahren nicht mehr zurückgenommen werden könne, weil insoweit § 24 Abs.2 StAngRegG analog oder doch wenigstens dem Rechtsgedanken nach anzuwenden sei (VG Hamburg, Urteil vom 15.02.2000, 10 VG 98/99). Einen entsprechenden Standpunkt habe das Verwaltungsgericht Hamburg bereits in einem Eilverfahren eingenommen (Beschluß vom 25.02.1999, 10 VG 4715/98), und das OVG Hamburg habe in dem diesbezüglichen Zulassungsverfahren entschieden, vieles spreche dafür, daß § 24 Abs. 2 StAngRegG analog anzuwenden sei und damit die Rücknahme rechtswidriger Einbürgerungen nach Ablauf von fünf Jahren unzulässig werde (OVG Hamburg, Beschluß vom 29.09.1999, 5 Bs123/99).

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 09.09.1998 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hält die Rücknahme der Einbürgerung für rechtmäßig und verweist auf die Begründung des Bescheides.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden.

Entscheidungsgründe: Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet, denn der Rücknahmebescheid des Beklagten vom 09.09.1998 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der Beklagte hat sich in ermessensfehlerfreier Weise (§ 114 VwGO) auf der Grundlage des § 116 Abs. 1 Satz 1 Landesverwaltungsgesetz dafür entschieden, die rechtswidrige Einbürgerungsentscheidung vom 10.01.1989 zurückzunehmen. Die hiergegen vom Kläger angeführten Argumente vermögen nicht zu überzeugen.

1. Die Rücknahme einer rechtswidrigen Einbürgerungsentscheidung beurteilt sich nach den Vorschriften des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechtes, denn die Vorschriften des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes enthalten insoweit keine abschließenden Regelungen, die die Anwendung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechtes ausschließen. Eine Einschränkung ergibt sich allerdings aus Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG, wonach die deutsche Staatsangehörigkeit nicht entzogen werden darf. Da der Schutzbereich des Art. 16 Abs. 1 GG jedoch nur die wohlerworbene deutsche Staatsangehörigkeit erfaßt, ergeben sich in den Fällen erschlichener Einbürgerungen daraus keine Einschränkungen für die Anwendung der Rücknahmevorschriften des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechtes (vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 02.09.1996, 25 A 2106/94; VGH Mannheim, Beschluß vom 09.05.1990, NVWZ 1990, S. 1198). Entsprechendes gilt hinsichtlich Art 16 Abs. 1 Satz 2 GG, wonach der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nur aufgrund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten darf, wenn er dadurch nicht staatenlos wird. Hierzu ist im übrigen zu berücksichtigen, daß der Kläger durch die Einbürgerung nicht seine pakistanische Staatsangehörigkeit verloren hatte, so daß die Rücknahme der Einbürgerung nicht zur Staatenlosigkeit führt. Aufgrund der am 24.9.1972 in das pakistanische Staatsangehörigkeitsgesetz aufgenommenen Regelung des Art 14a verliert ein im Ausland lebender pakistanischer Staatsangehöriger seine pakistanische Staatsangehörigkeit anläßlich einer Einbürgerung in einen anderen Staat nur dann, wenn eine Verzichtserklärung abgegeben und registriert wird (vgl. Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Bd. XI, Pakistan). Dies ist vom Auswärtigen Amt im Rahmen der im Verwaltungsverfahren eingeholten Auskunft vom 22.7.1998 bestätigt worden. Da dem Kläger im Zusammenhang mit seinem Einbürgerungsbegehren keine Verzichtserklärung abverlangt worden war, ist er nach wie vor pakistanischer Staatsangehöriger, hat also eine Doppelstaatsangehörigkeit erlangt.

Der Auffassung des OVG Berlin (vgl. Urteil vom 02.11.1988, 1 B 57.87), wonach die Vorschriften des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes abschließend seien und die Anwendung des allgemeinen Verfahrensrechtes stets ausschließen würden, folgt die Kammer nicht. Das OVG Berlin begründet den von ihm vertretenen Standpunkt unter Hinweis auf die Ende des 19. Jahrhunderts ergangene Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichtes, das seinerzeit die nachträgliche Korrektur einer Einbürgerung aufgrund allgemeinen Verwaltungsrechts für unzulässig gehalten hatte. Das Preußische Oberverwaltungsgericht hatte seinerzeit befürchtet, "...daß der rechtliche Status aller naturalisierten Untertanen in einen völlig unsicheren und prekären Zustand geraten würde, wenn auf ungemessene Zeit hinaus durch eine nachträglicher Korrektur der Aufsichtsbehörde..." die Staatsangehörigkeit wieder aufgehoben werden könnte (PrOVGE 13, 408). Dieser Gesichtspunkt ist jedenfalls insoweit überholt, als damit die Anwendung der jeweiligen Verwaltungsverfahrensgesetze verneint wird, denn mit der Kodifikation der Verwaltungsverfahrensgesetze wurde ein ausgewogenes System der Zulässigkeit und der Schranken des Widerrufs und der Rücknahme von begünstigenden Verwaltungsakten geschaffen, das in Einbürgerungsangelegenheiten -wie dargestellt- durch Art 16 GG eingeschränkt wird. Folgerichtig geht die herrschende Auffassung im Staatsangehörigkeitsrecht davon aus, daß im Hinblick auf das Fehlen besonderer Rücknahmeregeln im Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz bzw. im Staatsangehörigkeitsgesetz jedenfalls hinsichtlich der Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung auf die Vorschriften des allgemeinen Verwaltungsrechts zurückzugreifen ist (vgl. Makarov/ v. Mangoldt, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, § 16 RuStAG, Rn. 32; VGH Mannheim, B.v. 9.5.1990, NVwZ 1990.1198; OVG NRW, U.v. 2.9.1996, 25 A 2106/94;HessVGH, U.v. 18.5.1998, 12 UE 1542/98; offengelassen von BVerwG, B.v. 13.4.1989, 1 B 54/89 und OVG Lüneburg, U.v. 22.10.1996, 13 L 7223/94).

2. Die Einbürgerung des Klägers in den deutschen Staatsverband durch den Bescheid vom 10.01.1989 war rechtswidrig, da die Voraussetzungen einer Einbürgerung nach dem zu diesem Zeitpunkt geltenden Einbürgerungsrecht nicht erfüllt waren. § 9 RuStAG (bzw. heute § 9 StAG) erleichtert die Einbürgerung von Ausländern in den Fällen, in denen Ausländer mit Deutschen verheiratet sind. Im Unterschied zu der Ermessenseinbürgerung nach § 8 RuStAG "sollen" Ehegatten Deutscher unter den Voraussetzungen des § 8 RuStAG und den weiteren in § 9 RuStAG geregelten Voraussetzungen eingebürgert werden. Eine dieser Voraussetzungen ist die Gewährleistung, daß sich der Ausländer in die deutschen Lebensverhältnisse einordnet (§ 9 Abs. 1 Ziffer 2 RuStAG; heute § 9 Abs. 1 Ziffer 2 Staatsangehörigkeitsgesetz). Diese Voraussetzungen liegt hier nicht vor, weil der Kläger zum Zeitpunkt der Eheschließung mit seiner deutschen Ehefrau (15.02.1984) bereits mit seiner pakistanischen Frau ..... die Ehe eingegangen war (Eheschließung am 22.02.1977). Die Eingehung einer Zweitehe mit einer deutschen Staatsangehörigen vor förmlicher Auflösung der zuvor geschlossenen Ehe steht im Widerspruch zu der die hiesigen Lebensverhältnisse maßgeblich prägenden Rechts- und Werteordnung. Die deutschen Lebensverhältnisse sind maßgeblich geprägt durch das hier herrschende und das Institut der Ehe im Sinne von Art. 6 Abs. 1 GG bestimmende Prinzip der Einehe. Eine Doppelehe des Einbürgerungsbewerbers steht seiner Einordnung in deutsche Lebensverhältnisse regelmäßig und ohne Rücksicht darauf entgegen, ob er mit seinen Ehegatten in ehelicher Lebensgemeinschaft lebt (Marx, Kommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht, § 9, Rn. 25 unter Hinweis auf OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluß vom 02.09.1996, 25 A 2106/94). Im Falle eines bereits im Ausland verheirateten Ausländers, der eine (weitere) Ehe mit einer Deutschen eingeht, besteht aufgrund der Atypik dieser Fallkonstellation kein Einbürgerungsanspruch nach § 9 RuStAG bzw. § 9 Staatsangehörigkeitsgesetz. Die in Unkenntnis dieser Situation getroffene Einbürgerungsentscheidung zugunsten des Klägers war daher rechtswidrig.

Ohne Erfolg bestreitet der Kläger in diesem Zusammenhang, daß es eine Eheschließung in Pakistan im Jahre 1977 gegeben hat. Die Kammer ist auf der Grundlage des vom Beklagten präsentierten Tatsachenmaterials zu der Überzeugung gelangt, daß der Kläger bereits am 22.02.1977 die Ehe mit seiner pakistanischen Frau ..... einging. Dieser Sachverhalt ist erwiesen aufgrund der Auskunft vom 28.04.1997, die die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Islamabad der Stadt Flensburg hierzu erteilt hat. Die Botschaft hat die Angelegenheit von ihrem Vertrauensanwalt inhaltlich überprüfen lassen. Die Überprüfung, deren Ergebnis sich die Deutsche Botschaft Islamabad zu eigen gemacht hat, hat ergeben, daß die im Visumsverfahren vorgelegte Heiratsurkunde mit den Eintragungen im pakistanischen Heiratsregister übereinstimmt und daß die Zeugen der Eheschließung in Pakistan diesen Sachverhalt ebenfalls bestätigt haben. Soweit der Kläger behauptet, der Vertrauensanwalt der Botschaft habe "aus Gefälligkeit" in Wirklichkeit nicht das Heiratsregister überprüft und habe nur die vom Kläger beschafften Bestätigungen von Zeugen weitergereicht, vermag dies die Auskunft der Botschaft nicht zu widerlegen. Diese Behauptungen des Klägers vermögen die Richtigkeit der Auskunft nicht einmal zu erschüttern, so daß die Kammer keinen Anlaß sah, die Angelegenheit noch einmal zu überprüfen. Es ist nämlich festzustellen, daß zu den Unterlagen, die der Vertrauensanwalt eingereicht hat, eine urdu-sprachige Ablichtung aus dem Heiratsregister gehört, die mit der vorgelegten Heiratsurkunde vom 22.02.1977 übereinstimmt; hinzu kommt, daß sich auf der Rückseite der urdu-sprachigen Kopie der Heiratsurkunde eine Bestätigung des zuständigen Standesbeamten vom 26.03.1997 befindet, die zum Inhalt hat, daß die Ehe zwischen dem Kläger und seiner pakistanischen Frau vor ihm am 22.02.1977 geschlossen wurde und das Heiratsregister korrekt sei. Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß die Erklärung, die der Kläger für die Verfälschung der Heiratsurkunde gegeben hat, nicht zu überzeugen vermag. Der Umstand, daß es in Pakistan völlig unüblich ist, mit einer Frau vier Kinder zu haben, ohne mit ihr verheiratet zu sein, spricht nicht für die Darstellung des Klägers, sondern gerade dies spricht dafür, daß es im Jahre 1977 -vor der Geburt des ersten Kindes- auch tatsächlich eine Eheschließung des Klägers mit seiner Frau ..... gegeben hat. Da der Kläger selbst vorträgt, daß er anläßlich seiner Ehescheidung gegenüber dem Familiengericht falsche Angaben zu der Dauer des Getrenntlebens gemacht hat, erscheint er im übrigen nicht glaubwürdig, so daß seine jetzigen Behauptungen nicht geeignet sind, die Auskunft der deutschen Botschaft zu erschüttern.

Der Kläger hat somit im Rahmen des Einbürgerungsantrages verschwiegen, daß er bereits seit 1977 mit einer pakistanischen Frau verheiratet war und mit dieser zum Zeitpunkt der Einbürgerung zwei Kinder hatte. Die diesbezüglichen Rubriken in dem Einbürgerungsantrag hat der Kläger nicht richtig ausgefüllt. In seinem handschriftlichen Lebenslauf, der dem Einbürgerungsantrag beigefügt war, hat er diese wesentlichen Elemente seines Lebenslaufs weggelassen. Zur Überzeugung der Kammer steht fest, daß dies deshalb geschah, um die Einbürgerungsbehörde über diese gegen eine Einbürgerung sprechenden Gesichtspunkte im Unklaren zu lassen, so daß dies als arglistiges Verschweigen von Tatsachen anzusehen ist, die zu offenbaren waren. Es handelt sich damit um einen Fall einer erschlichenen Einbürgerung. Ob darüber hinaus davon auszugehen ist, daß der Kläger zur Zeit der Einbürgerung von seiner deutschen Ehefrau getrennt lebte, kann dahinstehen. Die Kammer geht davon aus, daß sich die Darstellung des Klägers hierzu wohl nicht widerlegen läßt, dies ist jedoch nicht entscheidungserheblich.

3. Die Entscheidung des Beklagten, von der Rücknahmemöglichkeit des § 116 Abs. 1 LVwG Gebrauch zu machen, läßt keine Ermessensfehler im Sinne von § 114 Satz 1 VwGO erkennen. Aus der Begründung des Bescheides wird deutlich, daß der Beklagte das ihm zustehende Ermessen erkannt hat und daß er eine Abwägungsentscheidung getroffen hat, wobei dabei der Umstand den Ausschlag gab, daß die Einbürgerung erschlichen worden ist. Es sind keine Gesichtspunkte ersichtlich oder vorgetragen worden, die eine andere Ermessensentscheidung geboten hätten. Der Vertrauensschutzgesichtspunkt überwiegt den Gesichtspunkt der Gesetzmäßigkeit nicht. Der Kläger wird -wie vorstehend ausgeführt- nicht staatenlos. Seine Ehe mit der deutschen Staatsangehörigen scheiterte -wenn man von der Darstellung des Klägers ausgeht- zumindest relativ kurze Zeit nach der Einbürgerung (spätestens 1990). Kinder sind aus dieser Verbindung nicht hervorgegangen. Zu einer behördlichen Anfechtung der Ehe mit der deutschen Ehefrau gemäß §§ 20 ff EheG ist es nur deshalb nicht gekommen, weil die Ehe inzwischen geschieden ist. Auch bestanden zum Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung keine Einbürgerungsansprüche nach anderen Vorschriften.

Aus der Begründung des Bescheides ergibt sich, daß beide angeführten Rücknahmegründe (Getrenntleben und Doppelehe) die Rücknahmeentscheidung jeweils allein tragen, so daß es auch in diesem Zusammenhang nicht auf die Frage des Getrenntlebens zum Zeitpunkt der Einbürgerung ankommt.

Auf den Gesichtspunkt der Doppelstaatsangehörigkeit (vgl hierzu § 9 Abs. 1 Nr. 1 RuStAG bzw. StAG) hat der Beklagte die Rücknahme zu Recht nicht gestützt, da dies ein zur Rechtswidrigkeit der Einbürgerungsentscheidung führender Gesichtspunkt ist, der im wesentlichen vom Beklagten zu vertreten ist, der aufgrund einer Verkennung des pakistanischen Staatsangehörigkeitsrechts dem Kläger vor der Einbürgerung keine Verzichtserklärung abverlangte.

4. Der Umstand, daß die Rücknahme der Einbürgerung etwa neun Jahre nach der Einbürgerung verfügt wurde, steht der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung nicht entgegen. Wie vorstehend bereits ausgeführt, richtet sich die Rechtmäßigkeit der Rücknahme einer Einbürgerung nach den Vorschriften des allgemeinen Verwaltungsrechts. Die einzige Frist, die in diesem Zusammenhang zu beachten ist, ist daher § 116 Abs. 4 LVwG. Danach ist die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt zulässig, zu dem die Behörde Kenntnis von Tatsachen erlangt, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen; dies gilt nicht im Falle der Erwirkung eines begünstigenden Verwaltungsaktes durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung. Da es im vorliegenden Fall um eine durch arglistige Täuschung erschlichene Einbürgerung geht, kommt diese Jahresfrist von vornherein nicht zur Anwendung; im übrigen wäre diese Frist gewahrt. Mit § 116 Abs. 4 LVwG ist die zeitliche Befristung der Rücknahmemöglichkeit abschließend geregelt, weitere zeitliche Einschränkungen der Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte sieht das Verwaltungsverfahrensrecht nicht vor. Die Spezialregelung in § 24 Abs. 2 Satz 2 StAngRegG findet auf den vorliegenden Fall keine direkte und auch keine analoge Anwendung. Diese Vorschrift regelt für Einbürgerungen nach den §§ 6 ff. des StAngRegG, daß die in § 24 Abs. 1 StAngRegG geregelte Unwirksamkeit einer Einbürgerungsentscheidung nur bis zum Ablauf von fünf Jahren nach erfolgter Einbürgerung durch förmliche Entscheidung ausgesprochen werden kann. Der Geltungsbereich dieser Vorschrift ist auf die im StAngRegG geregelten Einbürgerungsfälle beschränkt. Dies ergibt sich insbesondere aus § 27 StAngRegG, wonach die Regelung über die örtliche Zuständigkeit in § 17 StAngRegG auch für die Staatsangehörigkeitsangelegenheiten des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes gilt. Damit hat der Gesetzgeber abschließend entschieden, in welchem Umfang die Vorschriften des StAngRegG auch auf andere Staatsangehörigkeitsangelegenheiten anzuwenden sind (vgl. hierzu BVerwG, Beschluß vom 13.04.1989, 1 B 54/89). Eine unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift auf Staatsangehörigkeitsangelegenheiten nach dem RuStAG bzw dem StAG ist daher ausgeschlossen.

Aber auch eine analoge Anwendung des § 24 Abs. 2 Staatsangehörigkeitsregulierungsgesetz auf Einbürgerungsangelegenheiten nach den §§ 8 und 9 RuStAG kommt nicht in Betracht, denn angesichts des vorstehend dargelegten Befundes besteht kein Anlaß für die Annahme einer planwidrigen Lücke des Gesetzes.

Auch ein allgemeiner Rechtsgedanke, der die Anwendung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechtes verdrängen könnte, läßt sich § 24 StAngRegG nicht entnehmen. Soweit in der vom Kläger angeführten Rechtsprechung der Standpunkt vertreten wird, die Fünf-Jahres-Frist des § 24 Abs. 2 StAngRegG sei in analoger Anwendung bzw. unter Berücksichtigung eines allgemeinen Rechtsgedankens auch auf Einbürgerungsfälle nach dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz bzw. dem Staatsangehörigkeitsgesetz anzuwenden (VG Hamburg, Urteil vom 15.02.2000, 10 VG 98/99; hierzu neigend auch OVG Hamburg, Beschluß vom 29.09.1999, 5 BS 123/99 und OVG NRW, Urteil vom 02.09.1996, 25 A 2106/94) folgt die Kammer dieser Auffassung nicht. Das OVG NRW vertritt den Standpunkt, den weitreichenden Folgen, die Besitz oder Nichtbesitz einer Staatsangehörigkeit nach sich zögen, werde nur dann angemessen Rechnung getragen, wenn ab einem bestimmten Zeitpunkt jedweder Statusentzug ausgeschlossen sei. Ähnlich argumentiert das VG Hamburg in der o. a. angeführten Entscheidung: Bei der Staatsangehörigkeit handele es sich um ein besonders weitreichendes und gewichtiges Rechtsgut. Schon das Bundesverwaltungsgericht habe auf die "weitreichenden Folgen, die Besitz oder Nichtbesitz einer Staatsangehörigkeit nach sich ziehen" und die mögliche Betroffenheit auch anderer Staaten hingewiesen (E 41, 277 ff.). Zwar sei die Rücknahme einer rechtswidrigen Einbürgerung nicht schlechthin unzulässig, doch müsse die Möglichkeit der Rücknahme in zeitlicher Hinsicht absolut begrenzt werden. Es könne dem Eingebürgerten, auch wenn er bösgläubig sei, nicht zugemutet werden, ein Leben lang mit der Möglichkeit der Rückgängigmachung seiner Einbürgerung zu leben. Der auf diese Erwägungen gestützten Schlußfolgerung, es sei in allen Einbürgerungsfällen von einem Ausschluß der Rücknahmemöglichkeit nach fünf Jahren auszugehen, folgt die Kammer nicht, weil es dafür gegenwärtig keine Rechtsgrundlage gibt. Es wäre Aufgabe des Gesetzgebers, die Möglichkeit einer Rücknahme rechtswidriger Einbürgerungen über das gegenwärtig im Verwaltungsverfahrensrecht geregelte Maß hinaus zu begrenzen. Dies ist aber gerade auch im Zusammenhang mit der Reform des Staatsangehörigkeitsrechtes im Jahre 1999 nicht geschehen (vgl Gesetz zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechtes vom 15.7.1999, BGBl. I. S. 1618). Die nachvollziehbare Einschätzung, daß es "angemessen" erscheinen mag, ab einem bestimmten Zeitpunkt jedweden Statusentzug auszuschließen, ermöglicht es dem Rechtsanwender nicht, das geltende Recht entsprechend zu ergänzen. Auf einen "Rechtsgedanken" des § 24 Abs. 2 StAngRegG läßt sich eine solche Beschränkung der Rücknahmemöglichkeit nicht dogmatisch einwandfrei stützen. Entscheidende Argumente hiergegen ergeben sich gerade auch aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.12.1972 (E 41, 277, 280), die das OVG Nordrhein-Westfalen und das VG Hamburg für ihren Standpunkt angeführt haben. Diese Entscheidung spricht sich nämlich gerade nicht -anknüpfend an die Wichtigkeit der Staatsangehörigkeit- für einen absoluten Vorrang des Vertrauensschutzes bei rechtswidrigen Entscheidungen aus. Vielmehr wird auf die Gleichwertigkeit des Prinzips der Gesetzmäßigkeit und des Prinzips der Rechtssicherheit als Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips hingewiesen: "Das Interesse an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände ist auf dem Gebiete des Staatsangehörigkeitsrechts besonders gewichtig. Angesichts der weitreichenden Folgen, die Besitz oder Nichtbesitz einer Staatsangehörigkeit nach sich ziehen, und der möglichen Betroffenheit auch anderer Staaten bedarf das keiner näheren Darlegung. Dieses Interesse ist aber nicht derart zu werten, daß es einer Abwägung gegenüber dem schutzwürdigen Vertrauen eines Einzelnen von vornherein entzogen wäre. Eine solche Auffassung würde die grundsätzliche Gleichwertigkeit verkennen, die das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und das Prinzip der Gewährleistung der Rechtssicherheit, die für den Bürger in erster Linie Vertrauensschutz bedeutet, im Rechtsstaatsbegriff des Grundgesetzes beansprucht ...". Die Gewichtung dieser widerstreitenden Prinzipien im Falle rechtswidriger Einbürgerungen obliegt dem Gesetzgeber, der insoweit für unterschiedliche Einbürgerungstatbestände durchaus auch unterschiedliche Regelungen treffen kann. Da der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes gerade bei erschlichenen Einbürgerungen nicht absoluten Vorrang vor dem Gesichtspunkt der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung genießt, besteht kein Anlaß, die Privilegierung, die die Ausschlußfrist des § 24 Abs. 2 Satz 2 StAngRegG für bestimmte als unwirksam erachtete Einbürgerungen darstellt, auch auf andere Einbürgerungsangelegenheiten zu erstrecken, für die mangels Spezialregelungen das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht zur Anwendung kommt. § 24 StAngRegG soll dem Umstand Rechnung tragen, daß nach dem Staatsangehörigkeitsregulierungsgesetz einzubürgernde Personen zu einem beträchtlichen Teil in Gebieten Deutschland außerhalb der Bundesrepublik leben und deswegen die Überprüfung ihrer Einbürgerungsanträge besondere, das Risiko fehlerhafter Entscheidungen begründende Schwierigkeiten bereitet (BT-Drucksache II/44 S. 14). Bei Einbürgerungsanträgen nach §§ 8 und 9 RuStAG ist eine solche Sachlage nicht typischerweise gegeben (BVerwG, Beschluß vom 13. April 1989. 1 B 54/89). § 24 StAngRegG geht damit von einer Typisierung aus, die der Gesetzgeber für andere Einbürgerungsfälle so nicht anerkannt hat. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht möglich, gleichwohl diese Spezialvorschrift auch auf andere Einbürgerungsfälle zu erstrecken.

Da die Rücknahme der Einbürgerung rechtmäßig ist, ist auch die an den Kläger gerichtete Aufforderung, die Einbürgerungsurkunde zurückzugeben, nicht zu beanstanden. Entsprechendes gilt für die Zwangsgeldandrohung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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