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Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 17.05.2000
Aktenzeichen: 1 A 217/97
Rechtsgebiete: LNatSchG Schl.H., BNatSchG
Vorschriften:
LNatSchG Schl.H. § 15 a | |
BNatSchG § 20 c |
Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht IM NAMEN DES VOLKES Urteil
Aktenzeichen: 1 A 217/97
In der Verwaltungsrechtssache
wegen Naturschutz
hat die 1. Kammer des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 17. Mai 2000 in ... durch den Richter am Verwaltungsgericht als Einzelrichter für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen eine naturschutzrechtliche Ordnungsverfügung.
Der Kläger ist Eigentümer eines im Außenbereich gelegenen Grundstückes (Flurstücke 52/11 und 55/12), das bis Anfang der 80er Jahre als Deponie diente. Die Mülldeponiefläche wurde renaturiert und blieb danach zunächst sich selbst überlassen. 1991 erwarb der Kläger das Grundstück. 1993 begann er mit der Urbarmachung einer östlichen Teilfläche des Grundstücks, die er bis heute u. a. als Weidefläche nutzt. Im Jahre 1995 wurde der Unteren Naturschutzbehörde bekannt, daß der Kläger Zäune aufgestellt hatte, um auch die westlichen Grundstücksflächen für eine Beweidung zu nutzen. Die Flächen im westlichen Grundstücksbereich wurden fachlich bewertet und als Biotop (Sukzessionsfläche) eingeordnet. Mit Bescheid vom 29.09.1995 ordnete der Beklagte folgendes an:
"Eine intensive landwirtschaftliche Nutzung (Beweidung) auf der gemäß Lageplan rot gekennzeichneten Fläche ist unzulässig. Die Schafbeweidung ist bis spätestens 30.11.1995 einzustellen und die Zäune sind zu beseitigen.
Für den grün markierten Bereich ist eine Nutzung in bisheriger Art und Umfang statthaft."
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger keinen Widerspruch ein. In der Folgezeit rodete er im westlichen Grundstücksbereich auf einer Teilfläche von ca. 0,7 ha die dort vorhandenen Weidengehölze. Nachdem die Untere Naturschutzbehörde des Beklagten dies festgestellt hatte, wurden mit Bescheid vom 21.02.1996 folgende Anordnungen getroffen:
"1. Der gemäß Lageplan gekennzeichnete Bereich randlich der Autobahn A 215 in der Gemarkung ... , ist ohne jedwede Nutzung einer zukünftigen Wiederbesiedlung mit einem Weidengebüsch zu überlassen. In der Örtlichkeit ist die Linie zwischen Binsen/Weidenfläche und Grünland (Standort Lüftungsrohr) erkennbar und als Trennlinie zwischen ungenutzten Biotopflächen und einer östlich gelegenen, nutzbaren Grünfläche zu beachten.
2. Das unzulässig gerodete Buschmaterial ist bis zum 14.03.1996 als "Benjeshecke" (Buschwall) randlich der nutzungsfreien Fläche abzulagern.
3. Auf einem Streifen von ca. 70 m Länge ist gemäß Lageplan zweireihig mit einer Pflanze pro Quadratmeter eine abschirmende Pflanzung mit Weißdorn-Jungpflanzen bis zum31.12.1996 zu erstellen."
Diese Verfügung wurde mit einem Biotopcharakter der fraglichen Fläche begründet.
Am 29.02.1996 legte der Kläger Widerspruch ein, den er damit begründete, die mit dem angefochtenen Bescheid angeordnete Nutzungsstillegung der Flächen stelle eine wirtschaftliche Entwertung des Grundstücks dar. Ein solcher Eingriff könne nicht mit dem Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt werden. Die betreffende Fläche sei nicht schutzwürdig, denn das angestrebte Biotop befinde sich direkt an der Autobahn. Eine ungestörte Entwicklung der Tier- und Pflanzenwelt dürfte unter diesen Umständen nicht möglich sein. Ein weiterer Negativfaktor sei, daß sich das Biotop auf einer ehemaligen Mülldeponie befinde. Die dadurch entstehenden Belastungen für die Umwelt seien zum heutigen Zeitpunkt überhaupt nicht absehbar.
Mit Widerspruchsbescheid des Landesamtes für Natur und Umwelt vom 28.05.1997 wurde der Widerspruch hinsichtlich der Ziff. 1. der Verfügung zurückgewiesen. Die im Bescheid getroffene Anordnung zu 2. (Benjeshecke) wurde gestrichen. Die im Bescheid getroffene Anordnung zu 3. wurde dahingehend abgeändert, daß vom Kläger die Schaffung einer zweireihigen Anpflanzung in einer Länge von 180 m verlangt wurde. Für den Fall der Beweidung des angrenzenden Grünlandes wurde eine Abzäunung zur Anpflanzung hin in ausreichendem Abstand gefordert. Zur Begründung wurde ausgeführt, die hier in Rede stehende Schafbeweidung und Rodung des Weidengebüschs sei ein Eingriff in Natur und Landschaft iSv § 7 Abs. 1 LNatSchG. Es handele sich überdies um eine verbotene Handlung nach § 15 a Abs. 2 LNatSchG, weil es sich um eine sonstige Sukzessionsfläche und damit um ein geschütztes Biotop nach § 15 a Abs. 1 Ziff. 10 LNatSchG handele. Dieser Eingriff sei nicht genehmigt worden und er sei auch nicht genehmigungsfähig. Gem. § 21 c Abs. 2 LNatSchG iVm § 9 a LNatSchG sei die Einstellung des Eingriffs anzuordnen und jede Nutzung unverzüglich zu untersagen. Ferner sei der Verursacher zu verpflichten, den früheren Zustand wieder herzustellen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände wiederhergestellt werden könnten. Auf die Forderung einer Benjeshecke (Buschwall) sei verzichtet worden, da festgestellt worden sei, daß die gerodeten und auf der Fläche verbliebenen Weidenbulte wieder kräftige Stockausschläge zeigten. Um einen angemessenen Ausgleich für die ungenehmigten Eingriffe in die Natur zu erreichen, sei ein größerer Umfang der Ersatzpflanzung angeordnet worden.
Am 09.06.1997 hat der Kläger Klage erhoben.
Der Kläger trägt vor:
Die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig. Der Kläger habe einen Anspruch auf uneingeschränkte Nutzung seines Eigentums. Es sei darauf hinzuweisen, daß der Kläger auf der fraglichen Fläche keine Schafhaltung durchgeführt habe, so daß bereits der Bescheid vom 29.09.1995 jeglicher rechtlichen Grundlage entbehrt habe. Die Rodung bzw. die angebliche Schafsbeweidung sei kein Eingriff iSv § 7 Abs. 1 LNatSchG. Auf § 15 a LNatSchG könne sich der Beklagte nicht berufen. Der Kläger habe die hier in Rede stehende Fläche bereits 1991 erworben. Die Fläche habe als Kapitalanlage und Altersabsicherung für den Kläger dienen sollen. Damals habe er von keinerlei Nutzungseinschränkungen gewußt und habe damit auch nicht rechnen müssen, zumal das Landesnaturschutzgesetz mit dem Biotopschutz für Sukzessionsflächen erst im Juli 1993 in Kraft getreten sei. Bereits vor Inkrafttreten des Landesnaturschutzgesetzes habe der Kläger im Jahre 1993 mit der Urbarmachung des Landes begonnen. Der Bereich der Fläche, der damals urbar gemacht worden sei, werde heute landwirtschaftlich genutzt. Dementsprechend lägen die Voraussetzungen für einen Biotopschutz nach § 15 a Abs. 1 Nr. 10 LNatSchG nicht vor. Biotope könnten nur dann unter besonderen Schutz gestellt werden, wenn die Flächen länger als 5 Jahre nicht bewirtschaftet worden seien. Diese entscheidende Voraussetzung sei offensichtlich übersehen worden, denn der Kläger habe die Fläche nicht 5 Jahre unbewirtschaftet gelassen. Zum Zeitpunkt des fraglichen Bescheides sei demgemäß die Fläche auch nicht länger als 5 Jahre ungenutzt gewesen. Es könne nicht darauf ankommen, wie lange die Fläche vor dem Erwerb durch den Kläger genutzt bzw. nicht genutzt worden sei. Im übrigen handele es sich um keine schutzwürdige Sukzessionsfläche, weil sich das Flurstück auf einer ehemaligen Mülldeponie befinde. Es sei fraglich, wie sich auf einer ehemaligen Mülldeponie eine natürliche Entwicklung einstellen solle. Für den Kläger sei es unverhältnismäßig, auf die Nutzung der Fläche zu verzichten, während für die Allgemeinheit die Fläche eine geringe Bedeutung habe. Das "Biotop" liege an einer stark befahrenen Autobahn, sie berge ein Gefahrenpotenzial und gewährleiste auch keine ungestörte Entwicklung der Tier- und Pflanzenwelt. Die Interessen der Allgemeinheit seien jedenfalls so gering, daß sie hinter den Interessen des Klägers zurücktreten müßten. Der Kläger habe dementsprechend keiner Genehmigung für die Rodungsmaßnahmen bedurft. Auch die vom Beklagten gezogenen Trennungslinien seien nicht nachvollziehbar. Anhand der dem Bescheid beigefügten Skizze lasse sich nicht erkennen, daß gerade die Teile der Fläche, die direkt an der Autobahn lägen, eine besonders schützenswerte Vegetation aufweisen würden. Jedenfalls die geforderte Anpflanzung sei unverhältnismäßig, denn der Kläger werde dadurch übermäßig belastet. Der Aufwand für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes wäre unverhältnismäßig, zumal dadurch auch die gegenwärtig genutzte Fläche eingeschränkt würde.
Dem Kläger sei es unbegreiflich, daß es in dem Naturschutzgebiet "Dosenmoor" zugelassen worden sei, eine Schafherde im Moorgebiet weiden zu lassen, während auf seiner weitaus weniger schutzwürdigen Fläche weder eine Beweidung, noch eine Rodung von Büschen möglich sei solle.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 21.02.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesamtes für Natur und Umwelt vom 28.05.1997 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte wiederholt und vertieft die Begründung aus den angefochtenen Bescheiden. Hinsichtlich der Beweidung einer Moorfläche im Naturschutzgebiet "Dosenmoor" sei zu berücksichtigen, daß dies aufgrund einer fachlichen Bewertung in dem dortigen Bereich zugelassen worden sei, um bestimmte Naturschutzziele zu erreichen. Dies lasse sich auf den vorliegenden Fall nicht übertragen. Eine Schafbeweidung komme hier nicht in Betracht, da dies mit dem Biotopcharakter nicht zu vereinbaren sei und insbesondere die Wiederherstellung des Weidengebüsches gefährde.
Die Kammer hat den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang, der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde.
Entscheidungsgründe:
Die Anfechtungsklage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 21.02.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesamtes für Natur und Umwelt vom 28.05.1997 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung steht zur Überzeugung des Gerichts fest, daß der Kläger auf einem Teil des Grundstücks, der ein gesetzlich geschütztes Biotop nach § 15 a Abs. 1 Nr. 10 LNatSchG ("sonstige Sukzessionsfläche") darstellt, Weidengebüsche gefällt hat und damit gegen das Verbot des § 15 a Abs. 2 LNatSchG verstoßen hat. Dieser Eingriff ist nicht nach § 15 a Abs. 5 LNatSchG genehmigungsfähig und auch eine Befreiung nach Maßgabe des § 54 LNatSchG kommt nicht in Betracht. Dementsprechend hatte die Untere Naturschutzbehörde gem. § 21 c Abs. 2 iVm § 9 a Abs. 1 LNatSchG die in Ziff. 1 des Bescheides vom 21.02.1996 geregelte Nutzungsuntersagung anzuordnen. Die Anordnung einer abschirmenden Pflanzung in der Form, wie sie im Rahmen des Widerspruchsbescheides vom 28.05.1997 geregelt wurde, findet ihre Rechtsgrundlage in § 9 a Abs. 2 S. 2 LNatSchG. Diese Anordnung ist vor dem Hintergrund zu sehen, daß das Gesetz eigentlich eine Wiederherstellung des früheren Zustandes verlangt. Da die sofortige Wiederherstellung von Weidengebüschen auf einer Fläche von 0,7 ha den Kläger übermäßig belasten würde, wurde hier eine weitaus weniger belastende Regelung gewählt, die als geeignete Ersatzmaßnahme anzusehen ist. Bei der Ausgestaltung dieser Ersatzlösung sind Ermessensfehler iSd § 114 VwGO nicht ersichtlich. Diese Anordnung ist verhältnismäßig und der ihr zugrunde liegende Gedanke, den landwirtschaftlich nutzbaren östlichen Grundstücksbereich deutlicher als bisher von dem Biotop im westlichen Bereich des Grundstücks abzugrenzen, ist nachvollziehbar.
Auch die Zwangsgeldandrohung ist in gesetzmäßiger Weise ergangen. Sämtliche Erwägungen des Beklagten bzw. der Widerspruchsbehörde sind zutreffend, so daß gem. § 117 Abs. 5 VwGO auf die Begründung des Widerspruchsbescheides vom 28.05.1997 Bezug genommen wird.
Die vom Kläger vorgetragenen Argumente sind dagegen nicht überzeugend. Das Gericht hat keinerlei Zweifel daran, daß der westliche Grundstückteil, so wie er in der Anlage zum Bescheid vom 21.02.1996 gekennzeichnet wurde, ein Biotop nach § 15 a Abs. 1 Nr. 10 LNatSchG (sonstige Sukzessionsflächen) darstellt. Nach dieser Vorschrift sind sonstige Sukzessionsflächen außerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile, die länger als 5 Jahre nicht bewirtschaftet wurden, als Biotope unter besonderen Schutz gestellt. Dieser Biotoptyp wird in der Landesverordnung über gesetzlich geschützte Biotope vom 13. Januar 1998 (GVOBl. Schl.-Holst. 1998, S. 72) wie folgt näher gekennzeichnet:
"31. sonstige Sukzessionsflächen
Flächen mit einander in natürlicher zeitlicher Abfolge ablösenden Pflanzen - und/oder Tiergesellschaften von ersten Besiedlungsansätzen bis einschl. Waldgesellschaften außerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile, die länger als 5 Jahre nicht bewirtschaftet wurden und nicht öffentlich-rechtlich verbindlich für andere Zwecke vorgesehen sind.
Mindestgröße 1.000 qm und 5 m durchschnittliche Mindestbreite."
Diese Voraussetzungen sind für die fragliche Fläche erfüllt. Sie erfüllte bereits zum Zeitpunkt des Inkraftretens des LNatSchG die Voraussetzungen eines Biotops nach § 15 a Abs. 1 Nr. 10 LNatSchG, da sie zu diesem Zeitpunkt bereits etwa 10 Jahre unbewirtschaftet war. Unter den Biotopschutz nach § 15 a Abs. 1 Nr. 10 LNatSchG fallen auch solche Flächen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des LNatSchG am 01.07.1993 die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllten. Hieran besteht angesichts des Wortlauts der Vorschrift und angesichts des Fehlens von Übergangsvorschriften hierzu kein Zweifel. Unerheblich ist es dementsprechend, daß zwischen Inkrafttreten des Landesnaturschutzgesetzes und der vom Kläger aufgenommenen Bearbeitung der westlichen Teilfläche im Jahre 1995 weniger als 5 Jahre liegen. Die Frage, ob mit der Einführung dieses Biotoptyps im Juli 1993 für die damit sofort betroffenen Grundstückseigentümer eine unzulässige Rückwirkung verbunden ist, ist zu verneinen. Zunächst ist festzustellen, daß die bundesrechtliche Rahmenvorschrift des § 20 c Abs. 1 BNatSchG zwar den Biotoptyp "sonstige Sukzessionsflächen" nicht kennt, jedoch ist diese Regelung nicht abschließend, sondern läßt den Ländern Raum dafür, weitere Biotope unter Schutz zu stellen (§ 20 c Abs. 3 BNatSchG). Von dieser Möglichkeit hat das Land Schleswig-Holstein in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht. Bei typisierender Betrachtungsweise haben die vom Gesetz näher umschriebenen Brachflächen eine besondere Bedeutung für den Naturhaushalt, die es rechtfertigt, diesen Biotoptyp den übrigen im Gesetz geregelten Biotoptypen gleichzustellen. In naturschutzfachlicher Hinsicht sei hierzu nur auf die Darstellung von Heydemann (Neuer Biologischer Atlas, 1997, S. 373) verwiesen:
"Bei Nichtkultivierung von Ackerland rücken erst sehr langsam im Laufe der Zeit vom Waldrand her die waldflüchtigen Lichthölzer und Vorwaldarten wie Birke (Betula pendula), Salweide (Salix capria) und Waldkiefer (Pinus sylvestris, im südlichen Holstein), vor. Sie besetzen den Acker etwa bis zu 100 m Entfernung von den alten Samenbäumen. Das übrige Gelände vergrast, nachdem es vorher von einjährigen Pionierpflanzen besetzt wurde, wie beispielsweise auf sandigen Böden durch das klebrige Kreuzkraut (Senecio viscosus) oder das Frühlings-Kreuzkraut (Senecio vernalis). Nach 2 - 3 Jahren nehmen die blütenreichen Hochstauden-Arten stärker zu. Der erst später auftretende Anflug von Sträuchern - wie vom schwarzen Holunder (Sambucus nigra)....., von Hasel und Weißdorn - sowie von Bäumen - wie Ebereschen, Birken, Weiden- und Pappel-Arten - sollte in der Regel nicht reduziert werden, weil er zur natürlichen Entwicklung gehört. Die auf diese Weise entstandene Gebüschlandschaft zeigt bereits viele ökologische Vorzüge des Waldes. Durch Sukzession aus Brache entstandene "sekundärnatürliche" Wälder, in die erst allmählich Eichen oder Rotbuchen einwandern, leisten klimatisch dasselbe wie die angepflanzten Nutzforsten, aber biologisch-ökologisch weitaus mehr als Forsten zur reinen Holznutzung, namentlich was die Erhaltung und Förderung der Biodiversität anbelangt."
Ist somit bei typisierender Betrachtung zur Erhaltung und Förderung der Artenvielfalt die "sonstige Sukzessionsfläche" als Biotop anzuerkennen, so gilt dies gerade auch in dem vorliegenden Einzelfall. Die in Rede stehende Fläche hat sich in einer Weise entwickelt, die den vorstehenden Ausführungen entspricht, und die sie als schutzwürdig erscheinen läßt. Die diesbezüglichen naturschutzfachlichen Feststellungen der Unteren Naturschutzbehörde, so wie sie sich aus dem Verwaltungsvorgang (Bl. 21 und 22) ergeben, sind in keiner Weise zu beanstanden. Die mündliche Verhandlung fand vor Ort statt und der optische Eindruck, den die Fläche machte, bestätigt das Bild einer seit langer Zeit naturbelassenen Fläche mit Zügen einer Ruderalfläche. Nicht überzeugend ist die Argumentation des Klägers, die Schutzwürdigkeit mindere sich, weil es sich um eine frühere Deponie handele. Auch hierzu sei auf die Darstellung von Heydemann zu sogenannten "Ruderalfluren" verwiesen (aaO. S. 378):
"Ruderalstellen sind Pionierbiotope, die unter dem Einfluß des Menschen stehen, teilweise pflanzenarm, aber fast immer an Faunaarten reich sind. Sie haben meist - zumindest stellenweise - wärmeres Mikorklima als die Umgebung, weisen aber oft große Schwankungen in der Temperatur und in der Bodenfeuchtigkeit auf. Ruderalgesellschaften sind oft durch Stickstoffreichtum gekennzeichnet, besonders an Schuttplätzen und pflanzenreichen Abfallplätzen sowie an Komposthaufen und am Rande der Hofplätze von Bauernhöfen mit Viehhaltung. Wegränder, Feldraine, Gärten und Brachäcker gehören ökologisch meist nicht dazu. Das lateinische Wort "rudus" bedeutet so viel wie "Schutt", "Ruine", "Bauabfall". Der Name Ruderalflur wurde schon im vorigen Jahrhundert geprägt und war zunächst eine ökologische Parallelbezeichnung für "Segetalflur" also für den Wildkrautbestand in Äckern und in Gärten. In vieler Hinsicht liegen auch im Arteninventar Ähnlichkeiten mit den Ökosystemtypen der Äcker und manchmal auch mit den Hochstaudenfluren vor.... Ruderalstellen lassen gleichzeitig als Pionierbiotope - manchmal auf engstem Raum - eine Fülle biologischer Entwicklungsstadien (Sukzessions-Gesellschaften) nebeneinander erkennen."
Auch der Umstand, daß die Fläche an der Autobahn liegt, ist unerheblich, da dies für den hier in Rede stehenden Lebensraum für Fauna und Flora von geringer Bedeutung ist.
Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auf Vertrauensschutz.
Zwar hat der Kläger das Grundstück bereits 1991, als vor Inkrafttreten des Landesnaturschutzgesetzes erworben, jedoch kann er sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, und zwar weder was die Vereinbarkeit des § 15 a LNatSchG mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 GG) angeht, noch unter dem Gesichtspunkt einer Befreiung nach § 54 LNatSchG. Was die Regelung des § 15 a Abs. 1 Nr. 10 LNatSchG angeht, liegt zwar insofern eine Rückwirkung des Gesetzes vor, als die Grundstücke, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes 5 Jahre unbewirtschaftet waren, ab dem 01.07.1993 unter den Biotopschutz fielen. Hierin liegt keine gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoßende (echte) Rückwirkung des Gesetzes. Von einer echten Rückwirkung kann nur dann die Rede sein, wenn eine Bestimmung nachträglich ändernd in vor ihrem Inkrafttreten bereits abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift. Das ist hier nicht der Fall. Die Regelung des § 15 a Abs. 1 Nr. 10 LNatSchG berührt die Frage, ob bisher nicht genutzte Grundstücke in der Zukunft wieder genutzt werden können. Es wird damit eine Regelung für die Zukunft getroffen, und zwar für einen noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt. Eine solche unechte Rückwirkung ist grundsätzlich zulässig (BVerfGE 30, 392; BVerfG, Beschluß vom 14.10.1997, 1 BVL 5/93). Eine Einschränkung dieses Grundsatzes ergibt sich im Hinblick auf den Vertrauensschutz und das Verhältnismäßigkeitsprinzip nur dann, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks ungeeignet oder nicht erforderlich ist, oder wenn die Bestandsinteressen des Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen. Eine solche Ausnahmesituation liegt nicht vor. Von entscheidender Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, daß bereits nach den Bestimmungen des Landschaftspflegegesetzes vom 19. November 1982 (GVBl. Schl.-Holst. S. 256) die in Rede stehenden Flächen unter dem Schutz des Gesetzes standen. Nach § 24 Abs. 2 LPflG durften Standorte mit Knicks, Hecken und sonstigem Gebüsch, Trockenstandorte, Röhrichtbestände sowie die Bodendecke auf Wiesen, Feldhainen, nicht bewirtschafteten Flächen oder an Wegrändern nicht abgebrannt oder so behandelt werden, daß die Pflanzen- und Tierwelt nachhaltig beeinträchtigt wird. Solche Lebensräume für Tiere und Wildpflanzen waren also schon vor dem 01.07.1993 gesetzlich geschützt und einer uneingeschränkten Bewirtschaftung nicht zugänglich. Dieser Schutz wurde durch das LNatSchG päzisiert und gleichzeitig ausgedehnt. Dabei ist zu berücksichtigen, daß bei typisierender Betrachtung das öffentliche Interesse an einer effektiveren Unterschutzstellung der fraglichen Brachflächen das private Nutzungsinteresse überwiegt, denn ein Brachliegen über 5 Jahre indiziert ein geringes wirtschaftliches Interesse an einer Nutzung des Grundstücks. Besonderen Härten kann durch die Befreiungsvorschrift des § 54 LNatSchG Rechnung getragen werden. Vor diesem Hintergrund ist die hier entscheidungserhebliche Vorschrift des § 15 a Abs. 1 Nr. 10 LNatSchG auch unter dem Gesichtspunkt des Rechtsstaatsprinzips bzw. des Vertrauensschutzes nicht zu beanstanden.
Auch der konkrete Einzelfall bietet keinen Anlaß, Vertrauensschutzgesichtspunkte ausschlaggebend sein zu lassen, insbesondere nicht im Rahmen des § 54 LNatSchG. Der Kläger hat 1991 eine Deponiefläche erworben, für die es auf der Hand lag, daß bestimmte Nutzungseinschränkungen damit verbunden waren. Es sei nur auf die Problematik des Deponiegases hingewiesen, die bei der Frage der wirtschaftlichen Ausnutzung des Grundstückes zu berücksichtigen ist. Zwar war hier offenbar nicht - dem heutigen Standard entsprechend- eine Regelung dahin getroffen worden, die Fläche als Ausgleich für den zuvor erfolgten erheblichen Eingriff der Sukzession zu überlassen. Auf der anderen Seite hatte sich auf dem Brachland nun einmal ein schutzwürdiger Vegetationsbestand gebildet und der Kläger hätte im Jahre 1991 bei einer Nachfrage bei der Unteren Naturschutzbehörde - damals Untere Landschaftspflegebehörde genannt - wahrscheinlich einen Hinweis auf § 24 LPflG erhalten. Bei der Würdigung des Vertrauensschutzgesichtspunktes ist weiterhin zu berücksichtigen, daß dem Kläger nicht die Nutzung der gesamten Fläche untersagt wurde, sondern daß er den östlichen Teil der Fläche weiterhin landwirtschaftlich nutzen darf. Insoweit ist der Beklagte der Darstellung des Klägers nicht entgegen getreten, daß er mit der Urbarmachung der Fläche - in diesem östlichen Teilbereich - bereits vor Inkrafttreten des Landesnaturschutzgesetzes begonnen hatte.
Aufgrund der vorstehenden Ausführungen steht fest, daß der Kläger mit der Rodung einer Teilfläche von 0,7 ha in dem geschützten Teil der Fläche gegen das Verbot des § 15 a Abs. 2 LNatSchG verstoßen hat. Die streitigen Anordnungen sind vor diesem Hintergrund auf der Grundlage des § 9 a LNatSchG rechtmäßig. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß dem Kläger zum Zeitpunkt des Eingriffs bereits durch den Bescheid vom 29.09.1995 unmißverständlich deutlich gemacht worden war, in welcher Weise er die beiden Teilbereiche seines Grundstücks nutzen darf bzw. nicht nutzen darf. Im Tenor des - bestandskräftigen - Bescheides vom 29.09.1995 ist hinsichtlich der rot gekennzeichneten Fläche zwar nur von der Unzulässigkeit der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung (Beweidung) die Rede. Nach der Begründung des Bescheides konnte für den Kläger jedoch kein Zweifel bestehen, daß gerade der Bewuchs in dem naturbelassenen Bereich zu dem schutzwürdigen Bestand des Biotopes gehörte. In der Begründung heißt es, in der Zusammensetzung des Bewuchses sei eine Vegetation mit besonderer Eigenart entstanden, die frei von Nutzungen einen besonderen Wert für Naturschutz und Landschaftspflege habe. Vor diesem Hintergrund hat es der Kläger selbst zu vertreten, daß er nun mit der geforderten Ersatzpflanzung einen erheblichen Aufwand betreiben muß, um wenigstens ansatzweise eine Art Wiederherstellung des früheren Zustandes zu erreichen. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Beweidung, die vom Beklagten im Interesse einer Wiederherstellung des Weidengebüsches abgelehnt wurde. Im übrigen liegt insoweit ein bestandskräftiger Bescheid vor (Bescheid vom 29.09.1995), mit dem eine Beweidung untersagt wurde. Vor diesem Hintergrund kann sich der Kläger nicht mit Erfolg auf die zugelassene Beweidung in dem Naturschutzgebiet "Dosenmoor" berufen; es kommt auf die naturschutzfachlichen Fragen im Einzelfall an und dabei ist entscheidend, daß im "Dosenmoor" nicht rechtswidrig Weidengebüsche beseitigt worden sind, wie dies der Kläger hier zu verantworten hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung ergibt sich aus den §§ 167 VwGO iVm 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Ende der Entscheidung
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