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Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 12.12.2002
Aktenzeichen: 1 L 239/01
Rechtsgebiete: GG, AuslG
Vorschriften:
GG Art. 16 | |
AuslG § 51 Abs. 1 |
2. Nach Auflösung der Sowjetunion wurden armenische Volkszugehörige in Aserbaidschan landesweit verfolgt.
3. Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verfolgung von Armeniern wegen ihrer Ethnie lässt sich jetzt in Aserbaidschan nicht mehr feststellen. Sie sind dort aber noch nicht hinreichend sicher.
4. Armenischen Flüchtlingen aus Aserbaidschan ist es jedenfalls jetzt möglich und zumutbar in Berg-Karabach Zuflucht zu nehmen; dies gilt auch für Personen, die nicht aus Karabach stammen.
Tatbestand:
Der Beigeladene beantragte am 30. Juni 1999 bei dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Gewährung politischen Asyls. Einen Pass oder andere zur Überprüfung der Identität geeignete Papiere legte er bei der Antragstellung und auch im weiteren Verfahren nicht vor. Der Beigeladene gab an, er heiße S und sei am ... 1966 in Nachitschewan geboren. Er sei aserbaidschanischer Staatsangehöriger armenischer Volkszugehörigkeit und spreche armenisch und russisch. Die Anhörung beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am ... 1999 wurde in armenischer Sprache durchgeführt. Der Beigeladene schilderte sein Verfolgungsschicksal wie folgt: Als die armenisch-aserbaidschanischen Auseinandersetzungen im Jahr 1988 losgegangen seien, hätten auch die Unruhen in Nachitschewan begonnen. Er habe in einer sehr zentralen Straße gewohnt. Hier hätten auch Demonstrationen von Aserbaidschanern stattgefunden. Die Aserbaidschaner hätten die armenische Bevölkerung aufgefordert, Aserbaidschan zu verlassen. Seine Mutter sei Aserbaidschanerin, sein Vater armenischer Volkszugehöriger. Sein Vater sei damals in die untere Etage des Hauses gegangen und habe verhindert, dass die Masse das Haus betreten habe. Er habe seinen Vater nicht wiedergesehen. Im Nachhinein habe er durch Nachbarn erfahren, dass sein Vater getötet worden sei. Die örtliche Polizei habe sie bei der Evakuierung unterstützt. Er sei mit seiner Mutter und seiner Schwester im Spätherbst 1988 zunächst nach Armenien evakuiert worden. Wegen der aserischen Volkszugehörigkeit der Mutter hätten sie dort nicht bleiben können. Er sei deshalb zu einer Tante in die Ukraine weitergefahren. Die Ukraine habe er im Juni 1999 verlassen, weil er Probleme mit der Sonderabteilung der russischen Polizei "Omon" gehabt habe.
Mit Bescheid vom 15. September 1999 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter ab (Nr. 1 des Tenors). Es stellte zugleich fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich Aserbaidschan vorlägen (Nr. 2 des Tenors).
Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hat am 27. September 1999 Klage erhoben.
Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten hinsichtlich der Nr. 2 aufzuheben.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
Der Beigeladene hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach informatorischer Anhörung des Beigeladenen hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung u.a. ausgeführt: Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG lägen hinsichtlich Aserbaidschan vor. Der Beigeladene sei aserbaidschanischer Staatsangehöriger. Er sei individuell verfolgt worden. Die Besonderheiten, die sich aus dem Staatsgefüge der damaligen Sowjetunion ergäben, stünden der Annahme einer politischen Verfolgung nicht entgegen. Die Ukraine sei keine inländische Fluchtalternative gewesen. Eine Rückkehr nach Aserbaidschan sei dem Beigeladenen nicht zuzumuten. Die Fortsetzung oder Wiederholung der Verfolgung armenischer Volkszugehöriger in Aserbaidschan sei überwiegend wahrscheinlich und lasse sich erst Recht nicht hinreichend sicher ausschließen. Hinzu komme, dass der aserbaidschanische Staat nicht bereit sei, vertriebene Armenier wieder aufzunehmen. Der Beigeladene habe auch keine Fluchtalternative in der Enklave Berg-Karabach, weil er damit rechnen müsse, als "Freiwilliger" zu militärischen Kriegseinsätzen herangezogen zu werden. Weiterhin sei davon auszugehen, dass für aserbaidschanische Flüchtlinge in Berg-Karabach unzumutbare wirtschaftliche Lebensbedingungen herrschten.
Auf Antrag des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten hat der Senat die Berufung am 11. März 2002 zugelassen. Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten meint, dass gegenwärtig keine Gruppenverfolgung gegen armenische Volkszugehörige in Aserbaidschan mehr stattfinde. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass zurückkehrende armenische Volkszugehörige eine Fluchtalternative in Berg-Karabach hätten.
Der in der mündlichen Verhandlung nicht vertretene Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten beantragt,
unter Abänderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts den Bescheid des Bundesamtes vom 15. September 1999 aufzuheben, soweit er angefochten ist.
Die Beklagte stellt keinen Antrag.
Der Beigeladene beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Senat hat den Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung informatorisch angehört.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten ist begründet, denn die Voraussetzungen des § 51 Abs.1 AuslG liegen hinsichtlich Aserbaidschan jedenfalls in dem für die Entscheidung des Senats maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) nicht vor. Ein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs.1 AuslG hinsichtlich Aserbaidschan bestünde nur dann, wenn der Beigeladene aserbaidschanischer Staatsangehöriger wäre (1), wenn er nicht auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates hätte, in dem er Zuflucht nehmen könnte (2), wenn er bei einer Rückkehr nach Aserbaidschan politische Verfolgungsmaßnahmen i.S.d. § 51 Abs. 1 AuslG zu erwarten hätte (3a) und wenn er sich diesen Verfolgungsmaßnahmen nicht durch eine sog. innerstaatliche Fluchtalternative entziehen könnte (3b). Hier fehlt es jedenfalls an der letzten Voraussetzung.
1) Die Annahme der aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit für den Beigeladenen käme nach dem hier zugrunde liegenden Sachverhalt nur dann in Betracht, wenn er tatsächlich - wie er behauptet - aus Aserbaidschan stammt. Da der Beigeladene keinerlei Personalpapiere vorgelegt hat und seine Identität auch sonst nicht überprüft worden ist, ist der Senat nicht davon überzeugt, dass der Beigeladene tatsächlich in Aserbaidschan aufgewachsen ist. Seine Sprachgepflogenheiten lassen keinen Schluss auf seine Herkunft zu, denn der Beigeladene spricht - wie die Dolmetscherin auf Nachfrage des Senats bekundet hat - hocharmenisch, wie es nach Erläuterung der Dolmetscherin in Jerewan (Armenien), aber auch in dem vom Beigeladenen angegebenen Heimatort Nachitschewan üblich ist. Auch die Angaben des Beigeladenen beim Bundesamt, beim Verwaltungsgericht und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sind nicht geeignet, dem Senat die Überzeugung der Herkunft aus Nachitschewan zu vermitteln. Seine Einlassung, er habe die Papiere zu Hause gelassen, weil diese in seiner Heimat nicht für wichtig erachtet worden seien, überzeugt nicht. Der Beigeladene und seine Familie wussten, dass sie längerfristig evakuiert werden sollten und haben deshalb auch Geld und Wertsachen mitgenommen. Bei dieser Sachlage musste es sich aufdrängen, auch die Personalpapiere mitzunehmen, zumal Aserbaidschan damals noch zur Sowjetunion, einem totalitären Überwachungsstaat, gehört hat. Der Senat hat allerdings davon abgesehen, die Richtigkeit der Angaben des Beigeladenen hinsichtlich seiner Herkunft und des behaupteten individuellen Verfolgungsschicksals einer weiteren Überprüfung zu unterziehen, weil sie für die Entscheidung im Ergebnis nicht erheblich sind. Er unterstellt bei den weiteren Ausführungen die Wahrheit seiner Angaben.
Selbst wenn der Beigeladene aus Aserbaidschan stammt, spricht ganz Überwiegendes dafür, dass er nach der aserbaidschanischen Rechtspraxis, auf die es für die Beurteilung der Staatsangehörigkeit ankommt, nicht mehr als aserbaidschanischer Staatsangehöriger behandelt wird (vgl. Luchterhandt, Universität Hamburg, Seminarabteilung für Ostrechtsforschung, Auskunft vom 15.12.1997 an das Verwaltungsgericht Augsburg zu einer ähnlichen Fallkonstellation; das aserbaidschanische Ministerium für Zu- und Abwanderung geht davon aus, dass aserbaidschanische Flüchtlinge in der Regel nicht die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit haben, Rat der Europäischen Union, Brüssel 01. September 2000, Bericht der Dänischen Delegation an CIREA S. 13). Diese Annahme legen auch die Vorschriften des Staatsangehörigkeitsrechts der Aserbaidschanischen Republik nahe. Danach spricht bereits vieles dafür, dass der Beigeladene die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit nie erworben hat, denn er hat Aserbaidschan bereits zu einem Zeitpunkt verlassen (September 1988), als es noch keine eigene aserbaidschanische Staatsangehörigkeit gab. Damals war der Beigeladene Staatsangehöriger der Sowjetunion. Ein Erwerb der aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit käme allenfalls auf Grund des laut Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 07. Februar 1996 am 01. Januar 1991 in Kraft getretenen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 26. Juni 1990 in Betracht. Einen Erwerb der Staatsangehörigkeit gemäß Art. 11 dieses Gesetzes hält der Senat trotz anderslautender Auskünfte (Luchterhandt, Auskunft vom 15.12.1997, s.o.; Seiffert, Auskunft vom 01.07.1996 an das VG Ansbach) nicht für plausibel. Überzeugend weist das Institut für Ostrecht (Auskunft vom 22.11.2000 an das Verwaltungsgericht Berlin) darauf hin, dass diese Vorschrift nur Personen betreffe, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes geboren wurden. Dies folge aus Ziffer 2 Einführungsgesetz zum aserbaidschanischen Staatsangehörigkeitsgesetz 1990, wonach eine rückwirkende Geltung des Gesetzes ausgeschlossen sei. Dafür spricht auch Art. 4 Abs. 1 des Gesetzes, der als Grundsatzregelung für die erstmalige Begründung der Staatsangehörigkeit an die bisherige Republikszugehörigkeit anknüpft. Ein erstmaliger Erwerb der aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit könnte deshalb nur gemäß Art. 4 aserbaidschanisches Staatsangehörigkeitsgesetz 1990, der gemäß Art. 5 des Staatsangehörigkeitsgesetzes 1998 fortwirken würde, stattgefunden haben. Danach sind Staatsangehörige der aserbaidschanischen SSR Personen, die sich am Tage des Inkrafttretens des Gesetzes im Besitz der "Staatsangehörigkeit" - mit dem Begriff der Staatsangehörigkeit kann nur die Republikszugehörigkeit gemeint sein, weil es damals keine aserbaidschanische Staatsangehörigkeit, sondern nur eine Staatsangehörigkeit der UDSSR gab - der aserbaidschanischen SSR befanden. Die Republikszugehörigkeit war damals nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt. Allerdings hatten die obersten Verfassungsorgane der aserbaidschanischen SSR in den 80iger Jahren eine Reihe von Ausführungsbestimmungen zum Unionsangehörigkeitsgesetz der UDSSR erlassen. Im Ergebnis war es so, dass die Republiksangehörigkeit durch den ständigen Wohnsitz vermittelt wurde (ausführlich: Luchterhandt, gutachtliche Stellungnahme vom 17.10.2000 an das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg). Dies bedeutet, dass der Beigeladene bis zum Zeitpunkt seiner Ausreise im Jahr 1988 die aserbaidschanische Republikszugehörigkeit hatte. Die aserbaidschanische Republikszugehörigkeit könnte er aber durch seine dauerhafte Ausreise aus Aserbaidschan im Jahr 1988 verloren haben. Laut Gutachten des Instituts für Ostrecht vom 22.11.2000 (s.o.) änderte sich die Republikszugehörigkeit mit der Verlagerung des Wohnsitzes von einer Sowjetrepublik in die andere. Dies galt nach Auffassung der Gutachterin auch dann, wenn die amtliche Meldung bestehen blieb und der Aufenthalt lediglich faktisch endete. Trifft dies zu, so hatte der Beigeladene bereits 1988 seine Republikszugehörigkeit zu Aserbaidschan verloren und konnte demgemäß nicht gemäß Art. 4 des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 28. November 1991 die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit erwerben. Selbst wenn - wie das Verwaltungsgericht meint - die Republikszugehörigkeit erst mit Beendigung der förmlichen Anmeldung endete, so kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die amtliche Meldung am früheren Wohnort in Aserbaidschan bis zum Inkrafttreten des Staatsangehörigkeitsgesetzes 1990 aufrecht erhalten wurde. Die Gutachterin des Instituts für Ostrecht (s.o.) geht von einer Tilgung nach 1 1/2 Monaten Abwesenheit vom gemeldeten Wohnsitz aus. Angesichts der Unruhen und der Vertreibungsmaßnahmen im Zeitraum von 1988 bis 1991 liegt es nahe, dass solche Tilgungen stattgefunden haben (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 14.03.2000 - 11 A 5348/98.A - Bedenken gegen die Fortdauer der Registrierung bei Personen, die das Land "vor Jahren" wegen der Pogrome verlassen haben).
Selbst wenn der Beigeladene bei Inkrafttreten des Staatsangehörigkeitsgesetzes 1990 noch die aserbaidschanische Republikszugehörigkeit hatte und demgemäß die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit gemäß Art. 4 Abs. 1 dieses Gesetzes erworben hat, spricht alles dafür, dass er sie gemäß Art. 20 Nr.2 dieses Gesetzes wieder verloren hat. Danach tritt der Verlust der Staatsangehörigkeit der aserbaidschanischen SSR ein, sofern eine Person mit ständigem Aufenthaltsort im Ausland ihrer Meldepflicht gegenüber dem Konsulat ohne wichtigen Grund fünf Jahre lang nicht nachkommt. Diese Voraussetzungen sind ohne weiteres erfüllt. Es ist zwar nicht geklärt, ob die für den Verlust der Staatsangehörigkeit erforderliche Registrierung (Art. 20 letzter Satz) erfolgt ist. Selbst wenn es daran fehlt und der Beigeladene theoretisch noch die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit besitzt, so liegt es nahe, dass der Beigeladene diesen Status verliert, wenn er sich an eine diplomatische Vertretung "seines" Landes wendet. Einen Anspruch auf Feststellung der aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit dürfte der Beigeladene nicht mehr haben (Luchterhandt, Auskunft vom 15.12.1997 s.o.).
Zusammenfassend spricht alles dafür, dass der Beigeladene nicht die Staatsangehörigkeit der aserbaidschanischen Republik besitzt, diese jedenfalls nicht mehr realisieren könnte (ähnlich OVG Münster a.a.O.). Abschließend dürfte sich diese Frage erst nach weiterer Sachaufklärung entscheiden lassen. Bei einem non liquet trüge der Beigeladene, der sich auf die Entstehung und das Fortbestehen der aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit beruft, die materielle Beweislast dafür, dass er trotz seiner bereits 1988 erfolgten Ausreise in die Ukraine von den aserbaidschanischen Behörden als aserbaidschanischer Staatsbürger angesehen wird.
2) Angesichts des behaupteten langjährigen Aufenthalts in der Ukraine, in die der Beigeladene bereits zu einem Zeitpunkt ausgereist ist, als die UDSSR noch existierte, erscheint es durchaus auch denkbar, dass der Beigeladene die ukrainische Staatsangehörigkeit erworben hat. Falls dies der Fall sein sollte, wäre eine Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG nur dann zulässig, wenn ihm eine Rückkehr in die Ukraine nicht zumutbar wäre. Dies folgt aus der Subsidiarität des Asylrechts (vgl. konkret bei russischer und aserbaidschanischer Staatsangehörigkeit: VG Karlsruhe, Urt. v. 13.04.1999 - A 11 K 12204/98 -; allg. zum Grundsatz der Subsidiarität des Asylrechts: BVerwG, Urt. v. 06.08.1996 - 9 C 172.95 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 190; Urt. v. 18.10.1983 - 9 C 158.80 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 14). Der Senat ist diesen Fragen nicht weiter nachgegangen, weil sie im Ergebnis nicht entscheidungserheblich sind.
3) Auch wenn der Beigeladene (noch) aserbaidschanischer Staatsangehöriger ist und das von ihm geschilderte Verfolgungsschicksal wahr ist - der Senat unterstellt dies bei den weiteren Ausführungen -, hat er keinen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG. Angesichts des vom Beigeladenen erlittenen Verfolgungsschicksals ist es ihm zwar nicht zuzumuten, in das Gebiet seiner Herkunft zurückzukehren (a), er hat aber die Möglichkeit, in Berg-Karabach Zuflucht zu nehmen (b).
a) Für die Entscheidung, ob dem Beigeladenen die Rückkehr nach Aserbaidschan zuzumuten ist, ist im Grundsatz der herabgestufte Maßstab der hinreichenden Sicherheit maßgeblich. Der Beigeladene gilt zwar nicht als vorverfolgt, weil er 1988 eine innerstaatliche Fluchtalternative hatte (BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 - u.a., BVerfGE 80, 315, 344 f; BVerwG, Urt. v. 09.09.1997 - 9 C 43/96 -, BVerwGE 105, 204, 212 zur Bedeutung der innerstaatlichen Fluchtalternative für den Verfolgungsmaßstab). 1988 gehörte Aserbaidschan noch zur UDSSR, auf deren Staatsgebiet für die Beurteilung einer innerstaatlichen Fluchtalternative abzustellen war. Innerhalb des Staatsgebietes der UDSSR, zu dem u.a. auch die ganz überwiegend von Armeniern bewohnte Armenische SSR und die Ukrainische SSR gehörten, in die der Beigeladene geflüchtet ist, konnte der Beigeladene Zuflucht finden. Viele aserbaidschanische Republikszugehörige sind auch in die Russische SFSR geflohen und haben dort Aufnahme gefunden (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 12.04.2001 an das Verwaltungsgericht Stade). Trotz der 1988 vorhandenen innerstaatlichen Fluchtalternative ist der herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab anzuwenden, weil in Aserbaidschan auch noch nach Auflösung der UDSSR eine Gruppenverfolgung von Armeniern in Aserbaidschan stattgefunden hat. Um die Jahreswende 1989/1990 kam es in Aserbaidschan zu Ausschreitungen, die sich gegen die im Lande lebende armenische Minderheit richteten. Diese entluden sich Anfang Januar 1990 in pogromartigen blutigen Übergriffen, bei denen eine offiziell nie bekannt gegebene Zahl armenischer Volkszugehöriger zum Teil auf bestialische Weise umgebracht wurden. Die aserbaidschanischen Sicherheitskräfte sahen dem Treiben des aufgehetzten Pöbels tatenlos zu oder beteiligten sich gar in einzelnen bekannt gewordenen Fällen an den Ausschreitungen und Morden. Insbesondere in den Städten Sumgait und Baku forderte das Wüten zahlreiche Todesopfer und Verletzte. Bis auf wenige Ausnahmen haben die Davongekommenen das Land unmittelbar nach den Ereignissen fluchtartig verlassen (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 29.08.1994 an das Verwaltungsgericht Regensburg). Armenier, die in ländlichen Regionen gelebt haben, haben diese zwischen 1988 und 1992 nahezu vollständig verlassen. Bei den in Aserbaidschan noch vorhandenen Personen armenischer Abstammung handelt es sich vorwiegend um mit Aserbaidschanern verheiratete Frauen, die überwiegend in der Hauptstadt Baku unter weitestmöglicher Verschweigung ihrer Abstammung leben (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 02.08.1999 an das Verwaltungsgericht Wiesbaden). Diese Verfolgungsmaßnahmen, die dazu geführt haben, dass der armenische Bevölkerungsanteil sich auf jetzt ca.20.000 Personen reduziert hat (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 27. Juli 2002 an das Verwaltungsgericht Wiesbaden - eine genaue Bezifferung durch Erhebung aktueller Zahlen ist nicht möglich, weil viele Angehörige der armenischen Minderheit mittlerweile unter angenommenen aserbaidschanischen Alias-Identitäten in Aserbaidschan leben), haben sich jedenfalls Anfang der 90iger Jahre rechtlich noch als Gruppenverfolgung dargestellt. Dies entspricht - soweit ersichtlich - der allgemeinen Auffassung in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte und der Oberverwaltungsgerichte (z.B. Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urt. v. 20.09.2001 - 6 A 11840/00.OVG -; wohl auch Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschl. v. 03.04.2002 - 13 L 1954/00 UA -). Es handelte sich dabei - bezogen auf das Staatsgebiet der UDSSR - um eine sog. "örtlich begrenzte" Gruppenverfolgung (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 09.09.1997, a.a.O. S. 207 ff), die sich mit der Auflösung der Sowjetunion zu einer landesweiten Verfolgung entwickelt hat, denn mit der Entstehung des eigenständigen Staates Aserbaidschan (Erklärung der Souveränität: 30.08.1991) ist asylrechtlich nur noch auf dessen Gebiet abzustellen. Damals waren armenische Staatsangehörige landesweit akut gefährdet. Berg-Karabach stellte wegen des dort herrschenden Krieges keine Fluchtalternative dar. Obwohl der Beigeladene in diesem Zeitraum nicht mehr in Aserbaidschan gelebt hat, ist wegen der damals vorhandenen landesweiten Gruppenverfolgung in Aserbaidschan die Anwendung des herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabes geboten (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.09.1997 a.a.O., S. 208, zur Anwendung des hergestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabes für einen seit 1985 in Deutschland lebenden syrisch-orthodoxen Christen wegen einer seit 1993 stattfindenden "regionalen" Gruppenverfolgung).
Müsste der Beigeladene jetzt nach Aserbaidschan zurückkehren, so wäre er dort mit Ausnahme der Region Berg-Karabach nicht hinreichend sicher.
Nach den aktuell vorliegenden Auskünften lässt sich dort eine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verfolgung von Armeniern wegen ihrer Ethnie zwar nicht mehr feststellen. Aus der neuesten - dem Senat vorliegenden - Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 27. Juli 2002 an das Verwaltungsgericht Wiesbaden ergibt sich, dass asylrechtlich relevante Verfolgungsmaßnahmen in den letzten Jahren gegen armenische Volkszugehörige nicht mehr festgestellt wurden. Das Auswärtige Amt erläutert darin, dass sich im Jahr 2000 noch ca. 20 bis 30 armenische Volkszugehörige an die in Aserbaidschan tätigen Menschenrechtsorganisationen mit der Bitte um Unterstützung gewandt hätten. Im Jahr 2002 seien es nur noch 5 bis 16 Personen gewesen. Bei den vorgetragenen Beschwerden habe es sich ausnahmslos um Alltagsprobleme gehandelt, welche ihren Ursprung nicht in der Verletzung von Menschenrechten gehabt hätten. In Aserbaidschan lebten neben den assimilierten Armeniern auch armenische Volkszugehörige, deren Volkszugehörigkeit im aserbaidschanischen Leben bekannt und akzeptiert sei. Von einem Überleben im Untergrund könne heutzutage nicht mehr die Rede sein (vgl. zur Situation der noch in Aserbaidschan lebenden Armenier auch Bericht der Dänischen Delegation an CIREA s.o., S. 6 ff).
Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, eine beachtliche Wahrscheinlichkeit erneuter politischer Verfolgung ergebe sich daraus, dass der aserbaidschanische Staat nicht bereit sei, vertriebene armenische Volkszugehörige trotz ihrer - wie das Verwaltungsgericht meint - formal weiterbestehenden aserbaidschanischen Staatsbürgerschaft wieder aufzunehmen, überzeugt nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist zwar bei einer Aussperrung, die eigene Staatsbürger betrifft, regelmäßig eine politische Verfolgung zu bejahen. Dies bedeutet aber nicht, dass jede Ausbürgerung eine asylrelevante Rechtsverletzung darstellt (BVerwG, Urt. v. 24.10.1995 - 9 C 3.95 -, NVwZ-RR 1996, 602). Liegen Indizien dafür vor, dass die Ausbürgerung nicht auf asylerhebliche Merkmale zielt, so ist sie nicht asylrelevant. Hier bestehen bereits Zweifel, ob sich die Einreiseverweigerung als Ausbürgerung darstellt. Wie bereits oben ausgeführt, hat der Beigeladene - sofern nur auf den materiellen Erwerbstatbestand abgestellt wird - die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit bereits nicht erworben, denn er hatte bei Inkrafttreten des Staatsangehörigkeitsgesetzes 1990 keinen Wohnsitz mehr in Aserbaidschan, jedenfalls hätte er die Staatsangehörigkeit auf Grund des mehr als 5-jährigen Auslandaufenthalts wieder verloren. Eine Bejahung der aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit käme allenfalls dann in Betracht, wenn die Wohnsitzaufgabe im Jahr 1988 und der 5-jährige Auslandsaufenthalt nicht registriert worden wären. Wenn der aserbaidschanische Staat bei einer derartigen Sach- und Rechtslage (mittlerweile beträgt der Auslandsaufenthalt mehr als 14 Jahre) die Einreise verweigert, so spricht vieles dafür, dass er den Beigeladenen nicht mehr als Staatsangehörigen ansieht, weil er die staatsangehörigkeitsrechtlichen Voraussetzungen auch unabhängig von der armenischen Volkszugehörigkeit des Beigeladenen verneint oder weil er die Staatsangehörigkeit schlicht mehr verifizieren kann. Eine Entziehung der aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit wegen der armenischen Volkszugehörigkeit kann bei dieser Sachlage nicht unterstellt werden. Dass eine Wiedereinbürgerung auf Grund der armenischen Volkszugehörigkeit möglicherweise nicht stattfinden kann oder jedenfalls schwieriger ist als bei aserischen Volkszugehörigen, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.
Trotz der oben dargestellten positiven Entwicklung hinsichtlich der Verfolgungssituation armenischer Volkszugehöriger kann in Aserbaidschan gegenwärtig noch nicht davon ausgegangen werden, dass der Beigeladene bei einer Rückkehr nach Aserbaidschan (zur Fluchtalternative Berg-Karabach später) hinreichend sicher wäre (aA OVG Lüneburg, Beschl. v. 03.04.2002, a.a.O.). Bei der Beurteilung der gegenwärtigen Situation ist zu berücksichtigen, dass bei weitem die meisten Armenier auf Grund der Pogrome das Land verlassen haben und jetzt nur noch ca. 20.000 Armenier in Aserbaidschan (Berg-Karabach nicht berücksichtigt) leben. Bei diesen Menschen handelt es sich nach der oben zitierten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 27. Juni 2002 durchweg um ältere Personen bzw. Ehepartner gemischter nationaler Ehen. Viele Mitglieder der noch verbliebenen armenischen Minderheit treten nicht unter ihrer richtigen Identität auf, um nicht als armenische Volkszugehörige erkannt zu werden. Bei dieser Sachlage lässt sich gegenwärtig noch nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, dass neu hinzuziehende Armenier, die - wie der Beigeladene - der aserischen Sprache nicht mächtig sind und denen auch nicht zugemutet werden kann, ihre Volkszugehörigkeit zu verleugnen, nicht erneut Gefahr laufen, von der aserischen Bevölkerung mit Gewalt vertrieben zu werden, zumal die Ursachen für den Konflikt der Volksgruppen weiterhin ungelöst sind. Der für die Pogrome Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre im Wesentlichen ursächliche Konflikt um die Enklave Berg-Karabach ist weiterhin ungelöst (s. unten). Die mit der Vertreibung nahezu aller Aseris aus Berg-Karabach und aus Armenien verbundene Flüchtlingsproblematik beeinträchtigt die aserbaidschanische Gesellschaft noch heute erheblich und ist für die außerordentlich schlechte wirtschaftliche Situation in Aserbaidschan, unter der der überwiegende Teil der Bevölkerung in Aserbaidschan leidet (vgl. unten zur Fluchtalternative Berg-Karabach), mit verantwortlich. Bei dieser Entwicklung kann mangels hinreichender Anhaltspunkte nicht davon ausgegangen werden, dass sich das Bewusstsein der aserischen Bevölkerung in Bezug auf armenische Volkszugehörige maßgeblich geändert hat. Dasselbe gilt für die Schutzbereitschaft und die Schutzfähigkeit der aserbaidschanischen Staatsorgane.
b) Der Beigeladene ist aber nicht darauf angewiesen, in der Bundesrepublik Deutschland Zuflucht zu nehmen, weil er in seinem Heimatstaat eine zumutbare Fluchtalternative (Berg-Karabach) hat. Wer nicht von landesweiter, sondern nur regionaler politischer Verfolgung betroffen ist, hat nur dann einen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG, wenn er dadurch landesweit in eine ausweglose Lage gerät. Nach dem Grundsatz der Subsidiarität des Asylrechts ist es dem in seinem Heimatstaat Verfolgten grundsätzlich zuzumuten, in faktisch verfolgungsfreie Gebiete seines Heimatstaates auszuweichen (BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989, a.a.O., S. 344 ff). Dies gilt auch für Regionen, in denen der Verfolgerstaat seine effektive Gebiets- und Verfolgungsmacht vorübergehend verloren hat. In einem solchen Gebiet kann (erneute) politische Verfolgung durch denselben Verfolger regelmäßig nicht stattfinden, der Betroffene also auf absehbare Zeit verfolgungsfrei leben. Die für die sogenannte inländische Fluchtalternative aufgestellten Grundsätze gelten allerdings dann nicht mehr, wenn der (Verfolgungs)staat in der als Alternative in Betracht gezogenen Region auf Dauer die Gebietsherrschaft verloren hat; dann wird dieses Gebiet asylrechtlich zum Ausland (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 08.12.1998 - 9 C 17.98 -, BVerwGE 108, 84 zum Nordirak). Nach diesen Grundsätzen stellt das Gebiet von Berg-Karabach für den Beigeladenen eine geeignete Fluchtalternative dar. Vor einer Verfolgung durch den aserbaidschanischen Staat ist er hinreichend sicher, weil die aserbaidschanischen Behörden faktisch keine Kontrolle über diese Gebiete haben (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 29.01.2002 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Aserbaidschan; Auskunft vom 22.02.2002 an das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge). Anhaltspunkte für eine Änderung der Situation zu Lasten der armenischen Bevölkerungsmehrheit durch militärische Maßnahmen sind nicht ersichtlich. Der Waffenstillstand vom 12. Mai 1994 wird - abgesehen von gelegentlichen Schusswechseln - im Wesentlichen eingehalten. Parallel bemüht sich die von der OSZE eingesetzte Minsk-Gruppe um eine friedliche und dauerhafte Regelung des Konfliktes. Die Präsidenten Armeniens und Aserbaidschans haben sich gegenüber dem Europarat verpflichtet, den Konflikt auf friedlichem Weg zu lösen und treffen sich seit Mitte 1999 in unregelmäßigen Abständen zu bilateralen Gesprächen, um eine Kompromisslösung auszuhandeln (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 29.01.2002). Selbst wenn es im Rahmen einer Friedensregelung zu einer Übernahme der Staatsgewalt durch die Republik Aserbaidschan kommen sollte, werden dadurch allenfalls ganz entfernt liegende Zweifel an der Sicherheit der ethnischen Armenier begründet. Denn in einer Friedensregelung wird sich die derzeit nicht nur militärische Überlegenheit der armenischen Seite niederschlagen (Armenien-Information des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Stand: Juli 2001; zum Ganzen: OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O.). Trotz dieser Situation gehören die armenisch besetzten Gebiete in und um Berg-Karabach völkerrechtlich weiterhin zur Republik Aserbaidschan (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 22.02.2002 an das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge). Eine Annexion oder eine Sezession hat nicht stattgefunden. Die Verhandlungen zur Lösung des Status vom Berg-Karabach werden vielmehr bis heute fortgeführt. Konkrete Verhandlungsergebnisse konnten bisher nicht erzielt werden (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Armenien vom 16.01.2002). Die Berg-Karabach-Frage ist weiterhin "offen".
Durch die karabachischen Behörden drohen dem Beigeladenen keine Verfolgungsmaßnahmen. Hinsichtlich solcher Verfolgungsmaßnahmen ist auf den Maßstab der beachtlichen Verfolgung abzustellen, denn insoweit ist der Beigeladene nicht vorverfolgt (OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O., S. 18 ). Vor solchen Verfolgungsmaßnahmen ist der Beigeladene im Übrigen auch hinreichend sicher. Anhaltspunkte für eine Verfolgung des Beigeladenen durch die karabachischen Behörden sind nicht ansatzweise erkennbar. Die These des Verwaltungsgerichts, dass alle männlichen in Berg-Karabach ansässigen armenischen Volkszugehörigen der Gefahr unterlägen, als "Freiwillige" zu militärischen Kriegseinsätzen herangezogen zu werden, überzeugt nicht. Aus dem Lagebericht Armenien des Auswärtigen Amtes vom 29. März 2000, auf den das Verwaltungsgericht sich stützt, ergibt sich dies nicht. Dort heißt es lediglich, dass dem UNHCR-Büro in Jerewan auch einige dokumentierte Einzelfälle vorlägen, in denen auch Flüchtlinge armenischer Abstammung aus Aserbaidschan gegen ihren Willen in Nargorni-Karabach eingesetzt worden seien. Der UNHCR habe mittlerweile die Rückführung dieser Flüchtlinge veranlassen und die armenischen Behörden darauf hinweisen können, dass Flüchtlinge nicht dem Militärgesetz unterlägen. Im Übrigen unterliegen selbst karabachische Männer nur vom 18. bis zum 27. Lebensjahr der Wehrpflicht (Koutcharian, Gutachterliche Stellungnahme vom 22.06.2001 an das Schleswig-Holsteinische VG). Dieses Alter hat der Beigeladene weit überschritten. Bei dieser Sachlage bedarf es keiner Erörterung, ob eine Zwangsrekrutierung sich als erhebliche Verfolgung i.S.d. § 51 AuslG darstellen würde.
Auch eine mittelbare Verfolgung des Beigeladenen durch die karabachische Bevölkerung kommt nicht in Betracht, denn in Berg-Karabach leben fast ausschließlich armenische Volkszugehörige. Wegen seiner halbaserischen Herkunft hat der Beigeladene keine Verfolgungsfurcht geäußert. Im Übrigen verneint der Senat auch bei Personen, die einer armenisch/aserischen Ehe entstammen und deren Name auf eine aserische Herkunft hindeutet, jedenfalls dann eine beachtlich wahrscheinliche Verfolgungsgefahr durch die armenische Bevölkerung in Berg-Karabach, wenn sie - wie der Beigeladene - die armenische Sprache beherrschen (vgl. Urt. v. 12.12.2002 - 1 L 103/02).
Der Beigeladene kann das Gebiet von Berg-Karabach auch erreichen und sich dort auf Dauer aufhalten, obwohl er nicht in Berg-Karabach aufgewachsen ist und dort auch keine Verwandten hat (aA VG Oldenburg, Urt. 02.09.2002 - 1 A 3691/99 -). Die Einreise nach Berg-Karabach ist über Armenien möglich. In einer Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 17. August 2000 zu einer Anfrage des Verwaltungsgerichts Augsburg, ob eine aus Berg-Karabach stammende Person dorthin zurückkehren könne, heißt es zwar, dass eine Prüfung stattfinde, ob die Person tatsächlich aus Berg-Karabach stamme. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass anderen armenischen Volkszugehörigen die Einreise und der Aufenthalt verwehrt werde. Sämtliche neueren Auskünfte und Gutachten sehen derartige Einschränkungen auch nicht vor. Auf Anfrage des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts, in der ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass der Betroffene des dort zugrunde liegenden Verfahrens nicht karabachischer Herkunft sei und deshalb möglicherweise Probleme hinsichtlich des Aufenthalts dort bekommen könne, weist das Auswärtige Amt mit Auskunft vom 23. Mai 2002 auf die wesentlich verbesserte Lebens- und Versorgungssituation in Berg-Karabach hin und legt keinerlei Einschränkungen hinsichtlich der Einreise und Aufenthaltsmöglichkeiten dar. Auch aus der gutachterlichen Stellungnahme von Dr. Savvidis vom 07. Mai 2002 an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, die im Wesentlichen ein Interview mit dem Minister für soziale Wohlfahrt der "Republik" Berg-Karabach, Herrn Lenston Ghulian, sowie mit Herrn Mikajel Hadschjan vom Radio Freies Arzach und eine Stellungnahme des Herrn Masses Mailjan vom Außenministerium Berg-Karabach wiedergibt, ergeben sich im Ergebnis keine Zweifel an der Einreise- und Aufenthaltsmöglichkeit nicht aus Berg-Karabach stammender armenischer Volkszugehöriger. Unter d) antwortet Minister Ghulian zwar auf die Frage, ob in Berg-Karabach aserbaidschanische Staatsbürger (armenischer oder anderer ethnischer Herkunft) aufgenommen würden und Anspruch auf staatliche Unterstützung hätten: "Falls diese aserbaidschanischen Staatsbürger armenischer Nationalität und auch karabachischer Herkunft sind: Ja, dann werden sie aufgenommen und besitzen Anspruch auf unsere Unterstützung. Wir haben aber bis heute nicht erlebt, dass ein Aseri zu uns kommt, der nicht mit einem Armenier oder einer Armenierin verheiratet". Der erste Satz erweckt zwar den Eindruck, dass nur aserbaidschanische Staatsbürger karabachischer Herkunft aufgenommen werden. Aus dem Gesamtzusammenhang des Gespräches sowie den Äußerungen des Herrn Hadschjan und des Herrn Mailjan sowie der Stellungnahme der Gutachterin wird deutlich, dass Minister Ghulian damit lediglich darauf hinweisen wollte, dass Personen nicht karabachischer Herkunft nicht staatlich gefördert werden und nicht sofort einen dauerhaft gesicherten Status (der Staatsbürgerschaft entsprechend) erhalten. Unter a) hatte Minister Ghulian nämlich zuvor darauf hingewiesen, dass seit 1988 auch Armenier aus verschiedenen ländlichen wie städtischen Regionen Aserbaidschans, die nicht karabachischen Ursprungs seien, nach Berg-Karabach gekommen seien. Viele aus diesem Personenkreis hätten allerdings Berg-Karabach wieder verlassen, weil es nicht genügend Arbeitsplätze für sie gegeben habe. Daraus ergibt sich, dass die Behörden ihnen den Aufenthalt nicht versagt haben. Herr Hadschjan hat dazu ergänzend angefügt, dass der Erfolg ihrer Integration davon abhänge, wie gut sie armenisch sprächen. Dass Personen nicht karabachischer Herkunft ein dauerhafter Aufenthalt in Berg-Karabach ermöglicht wird, wird auch deutlich aus der Antwort des Herrn Mailjan vom Außenministerium Berg-Karabachs (Stellvertreter der Außenministerin - vgl. Koutcharian, Auskunft vom 05.07.2002 an das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht) auf die Frage, ob aserbaidschanische Staatsbürger armenischer oder anderer ethnischer Herkunft die "Staatsbürgerschaft" Berg-Karabachs erwerben könnten. Aus der Antwort, dass der Antragsteller aus Karabach oder zumindest aus einer karabacher Familie stammen müsse oder - falls er eine andere "Staatsbürgerschaft" habe - sich mindestens ein Jahr in Karabach aufgehalten haben und einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sein müsse, wird deutlich, dass sich auch Personen nicht karabachischer Herkunft in Berg-Karabach aufhalten und ein dauerhaftes Bleiberecht erhalten können. Dies bestätigt die Gutachterin Savvidis in ihrer Anmerkung und Schlussfolgerung ausdrücklich. Auch aus dem Gutachten der Deutsch-Armenischen Gesellschaft vom 03. August 2002 an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof wird deutlich, dass bereits viele Personen nicht karabachischer Herkunft dort Aufnahme gefunden haben (4.500 Neusiedler - vor allem armenische Flüchtlinge aus Aserbaidschan, aber auch aus Armenien und Diaspora-Armenier aus Russland, der Ukraine, Syrien und anderen Staaten).
Die Zuflucht nach Berg-Karabach scheidet auch nicht etwa wegen einer Gefährdung des wirtschaftlichen Existenzminimums aus. Nach Überzeugung des Senats ist der Beigeladene in Berg-Karabach vor einer wirtschaftlichen Existenzgefährdung hinreichend sicher. Erst recht besteht nicht die beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass er seine Existenz dort nicht sichern kann (vgl. zur Maßgeblichkeit dieses Maßstabes hinsichtlich der verfolgungsunabhängigen Nachteile und Gefahren BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989, a.a.O., S. 345; konkret für die Fluchtalternative Berg-Karabach OVG Rheinland-Pfalz a.a.O., S. 18, 21).
Ein verfolgungssicherer Ort bietet dem Ausländer das wirtschaftliche Existenzminimum grundsätzlich immer dann, wenn er durch eigene Arbeit oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu seinem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen kann. Dies ist nicht der Fall, wenn der Asylsuchende am Ort der inländischen Fluchtalternative bei der gebotenen grundsätzlich generalisierenden Betrachtungsweise auf Dauer ein Leben zu erwarten hat, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tode führt, oder wenn er dort nichts anderes zu erwarten hat als ein "Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums" (BVerwG, zuletzt Beschl. v. 31.07.2002 - 1 B 128/02 -, ZAR 2002, 369 unter Zusammenfassung der bisherigen Rechtsprechung). Eine solche Situation hat der Beigeladene in Berg-Karabach nicht zu erwarten:
Die wirtschaftliche Situation der Region Berg-Karabach, die durch die aserbaidschanischen Behörden schon lange vor dem 1988 beginnenden Konflikt wirtschaftlich stark benachteiligt worden ist, hat sich durch die ethnischen Gewaltausbrüche, den Krieg und die Auflösung der UDSSR noch erheblich verschlechtert. Die Kampfhandlungen in und um Berg-Karabach haben neben vielen Toten auch einen erheblichen materiellen Schaden hinterlassen. Neben den Zerstörungen und sonstigen Beschädigungen von Gebäuden ist vor allem die Zerstörung von Acker- und Weideböden sowie von Obst- und Weingärten von erheblicher Tragweite, weil die Landwirtschaft einen großen Anteil an der gesamten Wirtschaft Berg-Karabachs hatte. Ein großes Problem stellt die Verminung landwirtschaftlicher Flächen dar. Nach Angaben einer mit diesem Problem befassten Regierungskommission waren nach dem Krieg rund 15.000 ha Land, davon mehr als 1/3 landwirtschaftlich nutzbarer Fläche, in Berg-Karabach vermint. Auch heute noch sind viele Flächen minenverseucht und nicht nutzbar. Vor allem mit Hilfe der in Großbritannien ansässigen Organisationen "Halo Trust" konnte aber in den vergangenen Jahren eine große Zahl von Minen unschädlich gemacht werden. Durch Krieg und Vertreibung hat sich die Bevölkerung in Berg-Karabach erheblich verringert. Nach der letzten sowjetischen Volkszählung gab es 1989 noch 189.000 Einwohner in Berg-Karabach. Nach offiziellen Angaben der Behörden lebten dort Anfang des Jahres 2002 noch 144.300 Menschen (vgl. zur Gesamtproblematik der Wirtschaft durch Krieg und Vertreibung: Deutsch-Armenische Gesellschaft, Auskunft vom 03.08.2002 an Bayerischen Verwaltungsgerichtshof).
Die Negativentwicklung der Wirtschaft konnte durch verschiedene Maßnahmen gestoppt werden. Auf der Grundlage des Privatisierungsgesetzes vom 29. Juni 1998 soll eine breite Schicht von Privateigentümern geschaffen werden, die die ökonomische Grundlage für die Entwicklung des Marktes in Berg-Karabach begründen sollen. Eine von der Regierung Berg-Karabachs eingerichtete Privatisierungsbehörde führt unter Heranziehung von Fachleuten den Verkauf von Staatsunternehmen mittels Auktionen und Ausschreibungen durch. Zum 01. Januar 2000 wurden alle mittleren und großen Staatsbetriebe in Aktiengesellschaften umgewandelt, deren Anteile auch von Ausländern erworben werden können. In der Regel handelt es sich bei den ausländischen Investoren um Diaspora-Armenier, etwa aus den USA, dem Libanon, dem Iran, der Schweiz, Russland, Frankreich, Belgien oder anderen Staaten. Nach offiziellen Angaben wurden beginnend mit dem Jahr 1999 ausländische Investitionen in die Wirtschaft Berg-Karabachs von 20 bis 25 Millionen US-Dollar getätigt. Nach Auskunft des Ministerpräsidenten Berg-Karabachs sei es gelungen, den Rückgang der Industrieproduktion, der im Jahr 1999 10,6% betragen habe, zu stoppen. Im Jahr 2001 sei ein industrielles Wachstum von 20% und in den ersten fünf Monaten des Jahres 2002 von 13% zu verzeichnen gewesen. Die Regierung Berg-Karabachs ist an einem Bevölkerungszuzug interessiert. Sie startete 1994 ein Rückkehrerprogramm für Familien, die vor dem Krieg in Berg-Karabach ansässig waren. Ein spezielles Programm der Regierung Berg-Karabachs zur Wiederbesiedlung zerstörter und weitgehend verlassener Siedlungen sieht Mittel in Höhe von 790.000 US-Dollar vor. Damit sollen zum einen Wohngebäude und Schulen in Stand gesetzt sowie die Wasser- und Stromversorgung wiederhergestellt werden. Mittel in Höhe von 90.000 US-Dollar sollen als Anreiz für Neusiedler verwendet werden. Nach Angaben der Behörden von Berg-Karabach sollen sich seit 1993 rund 4.500 solche Siedler in Berg-Karabach niedergelassen haben. Es handele sich vor allem um armenische Flüchtlinge aus Aserbaidschan aber auch aus anderen Staaten (vgl. zur Wiederbesiedlung und zur neuesten wirtschaftlichen Entwicklung ebenfalls Gutachten der Deutsch-Armenischen Gesellschaft vom 03.08.2002).
Das Auswärtige Amt, das sich früher zu den Existenzmöglichkeiten für Flüchtlinge aus Aserbaidschan in Berg-Karabach sehr zurückhaltend geäußert hatte (Lagebericht Aserbaidschan v. 13.04.1999: "Sehr bescheidenes Leben in Flüchtlingsunterkünften"), stellt die Situation auf eine Anfrage des Verwaltungsgerichts Schleswig, die sich auf einen aserbaidschanischen Asylbewerber armenischer Volkszugehörigkeit nicht karabachischer Herkunft bezog, jetzt (Auskunft vom 23.05.2002) wie folgt dar: Die Lebens- und Versorgungssituation habe sich in Berg-Karabach wesentlich gebessert und der in Armenien angeglichen. Es seien eine Vielzahl von humanitären Organisationen unterschiedlicher Geberländer, aber vor allem gesponsert von der armenischen Diaspora in den USA, in Berg-Karabach tätig und trügen zur Verbesserung der Lebens- und Versorgungssituation bei. Dem Auswärtigen Amt lägen keine Erkenntnisse darüber vor, dass Geberländer oder humanitäre Hilfsorganisationen von den Hilfslieferungen bestimmte Personen ausschlössen. Nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes sei man in Berg-Karabach an einer Besiedlung interessiert und habe diesbezüglich mehrmals offizielle Stellungnahmen und Aufrufe abgegeben. Genügend Wohnraum und Land seien vorhanden. Es siedelten sich inzwischen Einzelpersonen und Familien, nicht nur armenischer Volkszugehörigkeit aus den verschiedensten GUS-Staaten in Berg-Karabach an. Sie würden mit staatlichen Mitteln und Programmen gefördert. Auch werde Übersiedlern staatliche Unterstützung in der Zuweisung von Wohnraum, Grundstücken, Steuerbefreiungen etc. und humanitären Hilfsgütern gewährt. Für diesen Personenkreis würden auch einmalige finanzielle Mittel für Familien zur Verfügung gestellt. Auch die Auslagen für den Transport von der Republik Armenien bis zum zukünftigen Wohnort in Berg-Karabach würden erstattet. Hinsichtlich der Integrationsmöglichkeiten von Personen, die aus Berg-Karabach stammten und in Deutschland Asyl beantragt hätten, werde darauf hingewiesen, dass es bekannt sei, dass im allgemeinen aus Deutschland Zurückkehrende nicht als mittellos gälten. Sie hätten in der Regel während ihres langjährigen Aufenthalts nicht unerhebliche Geldsummen erspart und seien bei Rückkehr im Vergleich zur ortsansässigen Bevölkerung im Herkunftsland bessergestellt. Einschränkungen hinsichtlich der Existenzmöglichkeiten ergeben sich aus dieser Auskunft nicht ansatzweise. Andere Auskunftsquellen beurteilen die Situation für aus Deutschland zurückkehrende Asylbewerber nicht so optimistisch. Insbesondere für solche Rückkehrer, die - wie der Beigeladene - nicht aus Berg-Karabach stammen, werden die Existenzmöglichkeiten deshalb als schwierig beurteilt, weil sie keinen Anspruch auf Hilfsmaßnahmen hätten (Dr. Savvidis, Auskunft vom 07.05.2002 s.o.; Koutcharian, Auskunft vom 05.07.2002 s.o.), bzw. diese nicht immer realisieren könnten (Deutsch-Armenische Gesellschaft, Auskunft vom 03.08.2002 s.o.). Die Auskünfte hierzu sind insgesamt nicht eindeutig. Die Frage, ob und gegebenenfalls welche staatlichen Hilfen nicht karabachische Neuankömmlinge zu erwarten haben, bedarf letztlich aber keiner Aufklärung, denn die in den Auskünften erwähnten finanziellen Hilfen sind derart niedrig (vgl. Auskunft der Deutsch-Armenischen Gesellschaft vom 03.08.2002, alle Angaben umgerechnet in US-Dollar: ca. 45,50 US-Dollar für Familienoberhaupt, ca. 4,50 US-Dollar für jedes weitere Familienmitglied; Kredit von ca. 364 US-Dollar über 20 Jahre rückzahlbar), dass sie für die Sicherung der Existenz im Ergebnis nicht entscheidend sein können. Wie bereits dargelegt, gelten Rückkehrer aus Deutschland nicht als mittellos. Dies erscheint angesichts der von den Auskünften für bedeutsam gehaltenen o.g. (geringen) Höhe der Aufbaubeihilfen, der niedrigen Monatseinkommen (ca. 50 US-Dollar) und der niedrigen Sozialleistungen ( Koutcharian, Auskunft vom 05.07.2002 s.o.) ohne weiteres plausibel. Auch die hier lebenden Asylbewerber kennen die Diskrepanz zwischen diesen für westeuropäische Verhältnisse außerordentlich niedrigen Einkommen in Berg-Karabach, die in Armenien und im übrigen Aserbaidschan vergleichbar niedrig sind (vgl. Berichte über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Aserbaidschan vom 29.01.2002 und in Armenien vom 16. Januar 2002), und den im Verhältnis dazu außerordentlich hohen Löhnen und Sozialhilfeleistungen in Deutschland, so dass es nahe liegt, dass selbst aus Sozialhilfeleistungen, wie sie der Beigeladene bezieht, Rücklagen in Größenordnungen gebildet werden können und auch gebildet werden, die für westeuropäische Verhältnisse niedrig erscheinen mögen, denen in Berg-Karabach jedoch eine hohe Bedeutung zukommt. Auch durch Veräußerung des Hausrates bei Beendigung des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland ergeben sich Mittel, mit denen die Existenzgründung in Berg-Karabach erleichtert werden kann (zur Bedeutung von vorhandenen finanziellen Mitteln für die Existenzgründung: Auswärtiges Amt, Auskunft vom 23.05.2002; Savvidis, Gutachten vom 07.05.2002).
Angesichts der verhältnismäßig niedrigen Arbeitslosenquote (6,5%), die u.a. auch darauf beruht, dass ein großer Teil der männlichen Bevölkerung weiterhin zum Militärdienst verpflichtet ist (zur Arbeitslosenquote und den Ursachen: Deutsch-Armenische Gesellschaft, Gutachten vom 03.08.2002 s.o.), und der insgesamt positiven Zukunftsprognose hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung (s.o.) spricht ganz Überwiegendes dafür, dass arbeitsfähige Neuankömmlinge in der Lage sein werden, in der karabachischen Arbeitswelt Fuß zu fassen. Wegen der durch den Krieg entstandenen vielfältigen und immer noch vorhandenen Gebäudeschäden gilt dies insbesondere für den Beigeladenen, der gelernter Bauarbeiter ist. Dass Neuankömmlinge wegen fehlender städtischer Arbeitsplätze unter Umständen auf landwirtschaftliche Betätigungen oder Aufbauarbeiten in kriegszerstörten und abgelegenen Siedlungen angewiesen sind, die mit den Arbeitsbedingungen in westlichen Staaten nicht vergleichbar sind (Deutsch-Armenische Gesellschaft, Gutachten vom 03.08.2002 s.o. - zur landwirtschaftlichen Arbeit), ist unerheblich. Auch wenig attraktive Arbeiten, die nicht der Vorbildung entsprechen und für die es auf dem Arbeitsmarkt keine Nachfrage gibt, sind zumutbar (BVerwG, Beschl. v. 09.01.1998 - 9 B 1130/97 - Juris). Zumutbar wäre es auch, wenn der Beigeladene nach Rückkehr vorübergehend ein Leben am Rande des Existenzminimums führen müsste. Entscheidend ist, dass er nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu seinem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen kann (BVerwG, Beschl. v. 31.07.2002, a.a.O.). Bei zusammenfassender Bewertung aller sich aus den o.g. neueren Auskünften und Gutachten ergebenden Tatsachen zur wirtschaftlichen Situation in Berg-Karabach kann dies mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit auch für Neuankömmlinge nicht karabachischer Herkunft nicht verneint werden. Es liegen schließlich auch keine konkreten Erkenntnisse darüber vor, dass Neusiedler trotz der vielfältigen humanitären Hilfsleistungen auf Dauer Hunger litten oder auf Dauer obdachlos geblieben wären.
Selbst wenn - entgegen der Auffassung des Senats - für den Beigeladenen das wirtschaftliche Existenzminimum in Berg-Karabach nicht gewährleistet wäre, so würde dies nicht die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG rechtfertigen, denn das fehlende wirtschaftliche Existenzminimum wäre nicht verfolgungsbedingt. Art. 16 GG und § 51 Abs. 1 AuslG schützen nicht vor der Rückführung in ein verfolgungssicheres Gebiet, wenn die dort herrschende Notlage keine andere ist als die am Herkunftsort. Der Zeitpunkt für den Vergleich der einander gegenüberzustellenden wirtschaftlichen Situationen hängt davon ab, für welchen Zeitpunkt die Frage das Bestehen einer inländischen Fluchtalternative zu beantworten ist. Geht es - wie hier - um die Frage, ob jedenfalls aus gegenwärtiger Sicht eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, so muss die wirtschaftliche Lage, die im verfolgungsfreien Gebiet herrscht, mit der Lage verglichen werden, die im Zeitpunkt der Rückkehr in dem Heimatstaat am Herkunftsort besteht. Entscheidend ist, ob eine am verfolgungssicheren Ort bestehende Notlage derjenigen am Herkunftsort gleicht. Ist das der Fall, so kommt die Gewährung von Asyl und auch die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG nicht in Betracht (BVerwG, Urt. v. 09.09.1997 a.a.O., S. 212). Entscheidend ist deshalb, ob die wirtschaftliche Lage bei einer Rückkehr nach Nachitschewan oder auch in andere Teile Aserbaidschans maßgeblich besser wäre. Dies ist nicht der Fall, wie sich aus einem Vergleich der Lebens- und Versorgungssituation im übrigen Aserbaidschan mit derjenigen in Berg-Karabach ergibt. Die Situation in Berg-Karabach leitet der Senat ergänzend auch aus Auskünften zu Armenien ab, weil sich die Situation in Berg-Karabach derjenigen in Armenien angeglichen hat (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 23.05.2002 s.o.).
Die Chance, Arbeit zu finden, dürfte in Armenien und Berg-Karabach deutlich besser sein als in Aserbaidschan. Die Arbeitslosenquote wird für Berg-Karabach mit 6,2% (Deutsch-Armenische Gesellschaft, Gutachten vom 03.08.2002 s.o.), in Armenien mit 10,1% (Deutsch-Armenische Gesellschaft, zur Lage in Armenien, Stand: Oktober 2001) und für Aserbaidschan mit 25% (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 29.01.2002) angegeben. Auch wenn diese Prozentzahlen die Lage auf dem Arbeitsmarkt nicht exakt wiederspiegeln, so lässt sich aus ihnen doch eine Tendenz für die Chance, am Arbeits- und Wirtschaftsleben teilzuhaben und dadurch den Lebensunterhalt im Wesentlichen bestreiten zu können, ablesen. Die Löhne sind allerdings in allen Ländern derart niedrig, dass der Lebensunterhalt daraus allein häufig nicht gedeckt werden kann. Sowohl in Aserbaidschan als auch in Armenien lebt ein sehr großer Teil der Bevölkerung in Armut (nach Angaben der Weltbank in Aserbaidschan 60% der Bevölkerung, vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 29.01.2002; nach Angaben des armenischen Statistikdienstes in Armenien 55% der Bevölkerung, vgl. Deutsch-Armenische Gesellschaft, zur Lage in Armenien, Stand: Oktober 2001). Aus dem für Aserbaidschan genannten Prozentsatz wird deutlich, dass von der Armut nicht nur die sich in Aserbaidschan aufhaltenden Flüchtlinge, sondern auch ca. die Hälfte der dort ansässigen Bevölkerung betroffen ist (7,5 Millionen Gesamteinwohner - davon 853.000 Flüchtlinge, Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Aserbaidschan-Information, Stand: Juli 2000). Aus dem Weltbericht 2000 zu Hunger und Unterernährung der FAO ergibt sich, dass sowohl in Aserbaidschan als auch in Armenien ein Teil der Bevölkerung an Unterernährung leidet. Dieser Bericht bezieht sich auf den Zeitrum 1996 bis 98 - aktuellere Daten liegen dem Senat nicht vor. Danach wurden die Länder Armenien und Aserbaidschan als Länder mit sehr niedrigen Einkommen und Nahrungsmangel eingestuft. Armenien wurde als relativ stark gefährdet bewertet, Aserbaidschan sogar als sehr stark gefährdet (S. 7 des Berichtes). In Armenien waren danach 21% der Bevölkerung unterernährt, in Aserbaidschan 32% der Bevölkerung (S. 8 und 28 des Berichtes).
Die medizinische Versorgung erscheint in Berg-Karabach - relativ zu den übrigen Gebieten - Aserbaidschans besser. In kleinen Gemeinden ist mindestens eine Krankenschwester vorhanden, in großen Gemeinden auch ein Arzt, der die in der Umgebung befindlichen kleinen Gemeinden betreut. Es gibt mehrere Krankenhäuser in Berg-Karabach. Das größte Krankenhaus ist das Republik-Krankenhaus in Stepanakerk. In den Bezirkszentren befinden sich kleine Krankenhäuser. Insgesamt gibt es in Karabach etwa 200 Ärzte (zum Ganzen: Dr. Koutcharian, Gutachten vom 05.07.2002 an das Verwaltungsgericht Schleswig). In aller Regel müssen zwar - ebenso wie in Armenien - die Patienten die Behandlungskosten und zumeist auch die Kosten von Medikamenten selbst tragen. Lediglich für Angehörige einiger besonders benachteiligter Bevölkerungsgruppen sowie bei bestimmten Krankheitsbildern (Tuberkulose, Geisteskrankheiten, Epilepsie u.a.) sollen nach einem Regierungsbeschluss vom Juli 2000 die Kosten vom Staat übernommen werden. In den vergangenen Jahren sind in Berg-Karabach relativ viele Fälle von TBC aufgetreten, deren Zahl nach Angaben von "Ärzte ohne Grenzen" aber inzwischen rückläufig ist. TBC-Patienten werden kostenfrei behandelt und erhalten freie Medikamente sowie Beihilfen zur Lebensmittelversorgung (Deutsch-Armenische Gesellschaft, Gutachten vom 03.08.2002 s.o.). Im übrigen Aserbaidschan ist die zu Sowjet-Zeiten kostenlose medizinische Versorgung weitgehend zusammengebrochen. Ein Großteil der Ärzte ist auf Grund der mangelhaften Bezahlung in andere Berufe übergewechselt oder emigriert. Die hygienischen Verhältnisse sind völlig unzureichend, die technische Ausstattung ist veraltet bzw. vielfach defekt. Viele Krankenhäuser stehen heute weitgehend leer. Die meisten Kranken ziehen es vor, zu Hause von der Familie gepflegt zu werden. Falls es nicht zufällig einen Arzt in der Verwandtschaft oder näheren Bekanntschaft gibt, genießen sie keine sachverständige Pflege, ganz zu Schweigen von notwendigen operativen Eingriffen. Daneben bildet sich zunehmend ein privater medizinischer Sektor heraus. Gegen Bezahlung können überlebensnotwendige Maßnahmen zum größten Teil durchgeführt werden. Besonders problematisch ist in Aserbaidschan die Verbreitung von TBC. Diese Krankheit und Diphtherie haben einen starken Anstieg zu verzeichnen (Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Aserbaidschan-Information, Stand: Juli 2000, S. 28 mit Hinweis auf Dr. Hailbach, Bundesinstitut für Ostwissenschaftliche Internationale Studien auf dem Workshop Aserbaidschan vom 23.11.1999 in Trier; allgemein zur medizinischen Versorgung: Auswärtiges Amt, Lagebericht Aserbaidschan vom 29.1.2002).
Bei zusammenfassender Würdigung dieser Erkenntnisse ergibt sich, dass die Existenzbedingungen in Berg-Karabach nicht schlechter, sondern eher besser sind als im übrigen Aserbaidschan (Arbeitslosigkeit, Lebensmittelversorgung, Hunger, Gesundheit). Ursächlich hierfür dürfte u.a. die wirksame Hilfe der zahlungskräftigen armenischen Diaspora sein, die neben humanitärer Hilfe auch Infrastrukturmaßnahmen (z.B. Straßenbau, Wasserversorgung in Stepanakerk, und viele kleinere Projekte in den Dörfern Berg-Karabachs) finanziert und auch direkt in die karabachische Wirtschaft investiert (vgl. dazu Deutsch-Armenische Gesellschaft, Gutachten vom 03.08.2002 s.o.; Auswärtiges Amt, Auskunft vom 23.05.2002 s.o.). Vergleichbar wirksame Hilfeleistungen erhält das übrige Aserbaidschan, das zwar - ebenso wie Berg-Karabach - auch von Hilfsorganisationen humanitäre Hilfe erhält (Bundesamt, Aserbaidschan-Informationen, Stand: Juli 2000), nicht. Die schwierigen Existenzbedingungen in den übrigen Bereichen Aserbaidschans würden nicht dadurch kompensiert, dass der Beigeladene, wenn er nicht aus Aserbaidschan vertrieben worden wäre, in ein Netz von sozialen Beziehungen eingebunden wäre. Eine solche Einbindung würde die wirtschaftlichen Existenzbedingungen nur dann verbessern, wenn in diesem Netz Ressourcen vorhanden wären, an denen der Beigeladene partizipieren könnte. Davon kann angesichts der weit verbreiteten Armut in Aserbaidschan nicht ausgegangen werden.
Dem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisantrag brauchte der Senat nicht nachzugehen, denn die dort angebotenen Beweise sind nicht entscheidungserheblich. Die Beweisfragen, wie viel Hektar unvermintes Siedlungsland in Berg-Karabach für Neusiedler vorhanden seien, wie groß der Anteil zerstörter und weitgehend verlassener Siedlungen an dem zu vergebenden Siedlungsland sei, wie viele Asylanträge armenischer Volkszugehöriger aus Aserbaidschan in den Jahren 1995 bis 2002 abgewiesen worden seien und in wie vielen Fällen der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hinsichtlich dieses Personenkreises Anfechtungsklage gegen Bescheide, in denen Abschiebungshindernisse nach § 51 Abs. 1 AuslG oder § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG festgestellt worden seien, erhoben habe, gehen von der in der mündlichen Verhandlung erläuterten Rechtsauffassung des Beigeladenen aus, dass bereits jetzt zu prüfen sei, ob die Aufnahmekapazität Berg-Karabachs für alle rechtskräftig abgelehnten und ausreisepflichtigen armenischen Asylbewerber aus Aserbaidschan ausreiche. Diese Rechtsauffassung trifft nicht zu. Für die Beurteilung des Senats ist gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG die Sach- und Rechtslage der mündlichen Verhandlung zugrundezulegen. Zu diesem Zeitpunkt war es dem Beigeladenen aus den o.g. Gründen zuzumuten, in Berg-Karabach Zuflucht zu suchen. Anhaltspunkte dafür, dass vor der Rückkehr des Beigeladenen eine große Zahl abgelehnter Asylbewerber nach Berg-Karabach abgeschoben wird und dass die dortigen Behörden deshalb nicht mehr aufnahmebereit sind oder dass der Beigeladene dort seine Existenz nicht mehr sichern könnte, liegen angesichts der bisherigen Abschiebungspraxis nicht vor. Im Übrigen wäre dies eine Änderung der Sachlage, die in diesem Verfahren nicht berücksichtigt werden kann. Auch die weiter aufgeworfene Frage, ob Unterstützungsgelder zur Wiederbesiedlung im Jahr 2002 nicht in vollem Umfang antragsgemäß ausgezahlt worden seien, ist nicht entscheidungserheblich, weil eine Zuflucht nach Berg-Karabach auch unabhängig von diesen Hilfsmaßnahmen zumutbar ist (s.o.). Angesichts der vom Beigeladenen erwähnten Auskunft der Deutsch-Armenischen Gesellschaft vom 03. August 2002 geht der Senat im Übrigen zugunsten des Beigeladenen davon aus, dass die Unterstützungsgelder nicht in vollem Umfang ausgezahlt worden sind. Die weiteren Fragen, ob die Versorgung von Siedlungen, die zerstört und weitestgehend verlassen sind, mit Strom oder Gas gewährleistet sei, ob in Berg-Karabach Holz geschlagen und gesammelt werden dürfe und ob, ggf. mit welchen Beschränkungen eine Genehmigung für den Holzeinschlag erforderlich sei, zielen offenbar auf die Klärung ab, ob in diesen Siedlungen die Versorgung mit Haushaltsenergie zum Heizen und Kochen gewährleistet ist. Diese Frage kann und braucht in dieser Allgemeinheit nicht beantwortet zu werden. Der Senat geht auf Grund der Auskunftslage davon aus, dass noch nicht alle verlassenen Siedlungen wieder bewohnbar sind. Entscheidend ist, dass in den wieder hergerichteten oder - eventuell auch mit Hilfe des Beigeladenen - wiederherzurichtenden Siedlungen, die insbesondere für den Beigeladenen als Zufluchtsort in Betracht kämen, die zum Leben unbedingt erforderliche Energie zum Kochen und Heizen zur Verfügung steht. Dies ist nach der Auskunftslage zu bejahen (vgl. Koutcharian, Auskunft v. 05.07.2002, s.o.). Konkrete Anhaltspunkte, die generelle Zweifel an der Versorgung mit der zum Leben unbedingt erforderlichen Energie rechtfertigen könnten, hat der Beigeladene nicht vorgetragen. Sie sind auch sonst nicht ersichtlich.
Ende der Entscheidung
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