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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 12.10.2009
Aktenzeichen: 1 LA 44/09
Rechtsgebiete: BauGB, LNatSchG SH


Vorschriften:

BauGB § 34 Abs. 1
BauGB § 35 Abs. 1
LNatSchG SH § 15 b
1. Der Bebauungszusammenhang i. S. d. § 34 BauGB endet am Ortsrand nicht im Bereich von Grundstücksgrenzen oder am Ende einer (mehr oder weniger breit befestigten) Fahrstraße, sondern mit den "letzten" tatsächlich vorhandenen (maßstabbildenden) Gebäuden. Die sich daran anschließenden selbständigen Flächen gehören zum Außenbereich. Ein Grundstück am Rande eines Ortsteils liegt daher in aller Regel nicht innerhalb des Bebauungszusammenhanges.

2. Ein Bebauungszusammenhang, der noch über das letzte vorhandene Gebäude hinausreicht, ist ausnahmsweise anzuerkennen, wenn die anschließende Freifläche durch eine besondere Situation begrenzt wird. Dazu ist - zum einen - ein "besonderer Umstand" im Gelände erforderlich, der überhaupt einen Anknüpfungspunkt für eine über den letzten tatsächlich vorhandenen Baukörper hinausreichende Begrenzung des Bebauungszusammenhangs vermittelt. Sodann ist - zum anderen - die Beurteilung vorzunehmen, ob dieser "Umstand" das vorgesehene Baugrundstück an den Bebauungszusammenhang "herandrückt" bzw. es an diesem Zusammenhang teilnehmen lässt.

3. Als "Begrenzungen" kommen etwa ein Geländeeinschnitt, eine Geländekante, ein Fluss oder eine Straße in Betracht. Ein "vor" dem Grundstück veränderter Straßenzustand vermag keinen Bebauungszusammenhang zu vermitteln. Ein Knick ist ein typischer und geschützter Bestandteil der freien Landschaft in Schleswig-Holstein, so dass er grundsätzlich keine an eine Bebauung "herandrückende" Wirkung haben kann.


SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

Az.: 1 LA 44/09

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Bauvorbescheid

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 1. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts in Schleswig am 12. Oktober 2009 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 2. Kammer, Einzelrichterin - vom 04. August 2009 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Antragsverfahren auf 20.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der fristgerecht eingegangene und begründete Zulassungsantrag gegen das am 13. August 2009 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts ist unbegründet.

Der Klägerin bezieht sich auf die Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 5 VwGO; danach kann sie die Berufungszulassung nicht beanspruchen.

1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist keinen Richtigkeitszweifeln ausgesetzt. Das zur Bebauung vorgesehene Grundstück (Flurtsück ... der Flur ... in ...) ist im erstinstanzlichen Urteil zu Recht als Außenbereichsfläche i. S. d. § 35 BauGB eingeordnet worden.

Die dagegen vorgebrachten Argumente im Zulassungsantrag vermitteln keinen Ansatzpunkt, der - ernsthaft - eine andere Beurteilung tragen könnte. Das Verwaltungsgericht hat bei seiner Beurteilung - ausdrücklich - auf den "Grundstücksteil entlang der Straße ..." abgestellt (S. 5 - Mitte - des Urt.-Abdr.), folglich nicht, wie der Kläger annimmt, die Annahme der Zugehörigkeit des Grundstücks zum Außenbereich aus einer Beurteilung des Grundstücks "in seiner ganzen Ausdehnung" bis zum Elbe-Lübeck-Kanal abgeleitet.

Der Senat hat keinen Zweifel, dass der zur Bebauung vorgesehene Grundstücksbereich, wie er auf dem vom Kläger gefertigten Lageplan vom 20.12.2007 gekennzeichnet worden ist, als Außenbereichsfläche einzuordnen ist. Der Bebauungszusammenhang i. S. d. § 34 BauGB endet am Ortsrand nicht im Bereich von Grundstücksgrenzen oder am Ende einer (mehr oder weniger breit befestigten) Fahrstraße, sondern mit den "letzten" tatsächlich vorhandenen (maßstabbildenden) Gebäuden. Die sich daran anschließenden selbständigen Flächen gehören zum Außenbereich. Ein Grundstück am Rande eines Ortsteils liegt daher in aller Regel nicht innerhalb des Bebauungszusammenhanges (s. dazu die [auch vom Kläger zitierten] Urteile des Senats v. 20.04.1994, 1 L 127/92, sowie vom 25.11.1993, 1 L 53/92; ferner Urteil des Senats vom 22.04.1993, 1 L 37/92, SchlHA 1993, 189; jew. m. w. N.).

In der Rechtsprechung sind (Ausnahme-)Fälle anerkannt, in denen der Bebauungszusammenhang über das letzte vorhandene Gebäude oder Grundstück (hier: ...) hinausreicht, wenn die anschließende Freifläche an dem Eindruck der Zusammengehörigkeit deswegen teilnimmt, weil der Bebauungszusammenhang durch eine besondere Situation begrenzt wird. Solche Begrenzungen können etwa ein Geländeeinschnitt, eine Geländekante, ein Fluss oder eine Straße sein. Maßgeblich ist insoweit, ob die Begrenzung den Eindruck der Geschlossenheit bzw. Zugehörigkeit einer Fläche zum Bebauungszusammenhang vermittelt (BVerwG, Urt. v. 29.11.1974, IV C 10.73, DVBl. 1975, 509; Urt. v. 14.11.1991, 4 C 1.91, RdL 1992, 79).

Unter dem soeben behandelten Blickwinkel ist es nicht gerechtfertigt, eine sich der vorhandenen Bebauung anschließende Fläche allein deshalb dem Außenbereich zuzurechnen, weil ihr eine weitere Bebauung nicht mehr folgt. Erforderlich ist vielmehr - zum einen - ein "besonderer Umstand" im Gelände, der überhaupt einen Anknüpfungspunkt für eine über den letzten tatsächlich vorhandenen Baukörper hinausreichende Begrenzung des Bebauungszusammenhangs zu vermitteln vermag. Sodann ist - zum anderen - die Beurteilung vorzunehmen, ob dieser "Umstand" das vorgesehene Baugrundstück an den Bebauungszusammenhang "herandrückt" bzw. es an diesem Zusammenhang teilnehmen lässt.

Die im Zulassungsantrag dargelegten "Umstände" (südseitiger Knick, Waldstück) sind schon als Anknüpfungspunkte dafür, die vom Kläger zur Bebauung vorgesehene Fläche an den Bebauungszusammenhang "heranzudrücken" bzw. sie diesem zuzuordnen, nicht tragfähig. Der Beurteilung des Verwaltungsgerichts, dass der südseitige - vom Kläger als "markant" gewürdigte - Knick und das Waldstück die zur Bebauung vorgesehene Fläche nicht an den Bebauungszusammenhang "herandrücken", ist ohne Weiteres zuzustimmen. Ein Knick ist ein typischer und geschützter (§ 15 b LNatSchG) Bestandteil der freien Landschaft in Schleswig-Holstein, so dass er grundsätzlich keine an eine Bebauung "herandrückende" Wirkung haben kann (Urt. des Senats v. 21.09.2006, 1 LB 112/05. NordÖR 2007, 119; zuvor schon: Urt. v. 25.11.1993, a.a.O.; bei Juris Tz. 34 und 35). Konkrete Ansatzpunkte für eine andere Beurteilung sind weder dargelegt noch ersichtlich. Die weiteren vom Kläger benannten "Merkmale" (Straßenzustand, Eichen an der Straße, Biotopstrukturen) sind für eine Zuordnung der vorgesehen Baufläche zum Bebauungszusammenhang im Ansatz unergiebig. Auch wenn der Straßenzustand sich erst "vor" dem Baugrundstück verändert, wird dadurch kein Bebauungszusammenhang hergestellt. Ob zur Straße hin (statt eines Knicks) zwei größere und zwei kleinere Eichen stehen, ist für die baurechtliche Beurteilung ebenfalls irrelevant. Schließlich kommt es auch nicht darauf an, ob auf dem Grundstück ("vorn" oder "talwärts") Biotope vorhanden sind. Die Außenbereichsqualität der gesamten Grundstücksfläche des Klägers wird dadurch nicht ansatzweise in Frage gestellt.

Sollte die Angabe des Klägers zutreffen, dass die gesamte Bebauung am ... nach und nach gem. § 34 BauGB entstanden (genehmigt worden) ist, würde auch dies die erstinstanzliche Klagabweisung nicht in Frage stellen, denn für das vorgesehene Baugrundstück kommt - jedenfalls - die planungsrechtliche Zulässigkeit eines Bauvorhabens nach § 34 BauGB nicht in Frage.

2) Der Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten liegt ebenfalls nicht vor. Solche Schwierigkeiten bestehen hier nicht.

3) Die als Verfahrensfehler i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 5 angeführten Rügen sind unbegründet.

a) Das Verwaltungsgericht hat die Örtlichkeit in Augenschein und auf die bei den Akten befindlichen Fotos und Luftbilder Bezug genommen. Soweit es die fünf "Einwände" des Klägers (zum Zustand der Straße vor dem Grundstück, zum Landschaftszustand u. Geländeniveau, zu dem südlichen "markanten Knick", zum westlichen Knick, zu den Biotopstrukturen) im Urteilstatbestand bzw. den Urteilsgründen nicht in allen Details wiedergegeben hat, werden dadurch weder § 117 Abs. 3 VwGO noch das rechtliche Gehör verletzt. Das Verwaltungsgericht ist auf alle nach seiner (rechtlich zutreffenden) Beurteilung relevanten Tatsachendetails des Falles eingegangen. Die Anwendung des § 117 Abs. 5 VwGO im erstinstanzlichen Urteil ist nicht zu beanstanden.

b) Die Einzelrichterübertragung ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden (§ 6 Abs. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht konnte, musste aber der "Bitte" des Klägers, von "einer Einzelrichterübertragung Abstand zu nehmen", nicht entsprechen.

c) Die Durchführung der Ortsbesichtigung am Grundstück des Klägers "allein ... von der Zufahrt aus" ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger selbst hebt hervor, dass es für die hier vorzunehmende Beurteilung nur auf den vorderen, für die Bebauung vorgesehenen Grundstücksbereich ankomme. Das hat das Verwaltungsgericht, dem - wie ausgeführt - zusätzlich Fotos und Luftbilder vorlagen - offensichtlich auch bei der Ortsbesichtigung berücksichtigt.

4) Weitere Zulassungsgründe sind nicht dargelegt worden. Der Zulassungsantrag ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 3 S. 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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