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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 05.10.2009
Aktenzeichen: 1 MB 16/09
Rechtsgebiete: BauNVO 1977, BauNVO 1990, VwGO


Vorschriften:

BauNVO 1977 § 6 Abs. 2 Nr. 3
BauNVO 1977 § 6 Abs. 2 Nr. 4
BauNVO 1977 § 7 Abs. 2 Nr. 2
BauNVO 1990 § 6 Abs. 2 Nr. 8
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 80 a
1. Nachbarn können beanspruchen, dass ein Bauvorhaben oder eine Nutzung, die mit dem planungsrechtlichen Charakter des Baugebietes nicht vereinbar ist, in dem ihr Grundstück liegt, nicht zugelassen wird (sog. Gebietserhaltungsanspruch).

2. Die im Bebauungsplan erfolgte Gebietsfestsetzung hat kraft Bundesrechts nachbarschützende Wirkung. Nachbarn können sich gegen eine (auch) schleichende Umwandlung des Baugebiets durch die Zulassung einer damit nicht vereinbaren Nutzung zur Wehr setzen

3. Eine Vergnügungsstätte ist in einem Mischgebiet nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO 1977 nur zulässig, wenn sie nicht dem Typus einer Vergnügungsstätte, wie er für solche Einrichtungen im Kerngebiet kennzeichnend ist, entspricht und sie keine wesentlichen Störungen für die Wohnruhe vor allem am Abend und in der Nacht mit sich bringt.

4. Eine Schankwirtschaft dient der Verabreichung von Getränken; dort sind allenfalls gelegentliche Tanzveranstaltungen zulässig. Wird der Gaststättenbetrieb durch die Möglichkeit zum Tanz (mit-) geprägt, ist er als Vergnügungsstätte einzuordnen.

5. Eine Vergnügungsstätte ist kerngebietstypisch, wenn sie einen größeren Einzugsbereich hat, für ein größeres und allgemeines Publikum erreichbar sein soll und nicht nur der Entspannung und Freizeitbetätigung in einem begrenzten Stadtteil dient, wie etwa das Vorstadtkino oder das kleine Tanzcafé.

6. Für die Einordnung als kerngebietstypisch kommt es weder darauf an, inwieweit die (maximalen) Öffnungszeiten gegenwärtig ausgenutzt werden, noch darauf, welche Störwirkungen durch den Einzugsbereich bzw. das Kommen und Gehen von Besuchern der Gaststätte konkret entstehen. Die planungsrechtliche Beurteilung erfolgt typisierend; entscheidend ist, ob die Nutzung ihrer Art nach geeignet ist, das Wohnen wesentlich zu stören, oder ob dies regelmäßig (typischerweise) nicht der Fall ist. Die Erheblichkeit einer Störung ist folglich danach zu prüfen, was die angefochtene Genehmigung an Nutzung hergibt.


SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

Az.: 1 MB 16/09

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Baugenehmigung (Nachbarwiderspruch) Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hier: Beschwerde

hat der 1. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts in Schleswig am 05. Oktober 2009 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 2. Kammer - vom 17. Juli 2009 geändert.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 10. März 2009 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin und der Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,-- Euro festgesetzt.

Gründe:

A.

Die Antragssteller wenden sich gegen die Vollziehung einer dem Beigeladenen erteilten Baugenehmigung für die Gaststätte "..." in .... Sie sind Eigentümer des Hauses ... in .... Dort bewohnen sie die oberen beiden Stockwerke, im Erdgeschoss befindet sich eine Arztpraxis.

Der Beigeladene ist Mieter von Erdgeschoss und Souterrain im Gebäude ..., das sich an das Haus der Antragsteller unmittelbar anschließt. In dem Gebäude wurde 1998 eine Gaststätte genehmigt, die bis 2001 betrieben wurde.

Das Gebiet im Bereich der Straße ... ist im Bebauungsplan Nr. 01.10.00 - Innenstadt - der Antragsgegnerin als Mischgebiet ausgewiesen. In der näheren Umgebung befinden sich weit überwiegend Altbauten in geschlossener Bauweise, bei denen im Erdgeschoss gewerbliche Nutzung, zum Beispiel durch Hotels, Restaurants, ein Kino sowie kleinere Geschäfte und Arztpraxen, stattfindet und in den oberen Stockwerken Wohnnutzung zu finden ist. Ein Kerngebiet ist nach dem Bebauungsplan weiter nördlich - ab Einmündung Königstraße - ausgewiesen.

Anfang 2009 beantragte der Beigeladene die Genehmigung (Nutzungsänderung) einer Gaststätte mit 168 m² Nutzfläche und "mit untergeordneter Tanzfläche". Im Untergeschoss sind ein Mischpult und eine Musikanlage vorgesehen. In der Betriebsbeschreibung wurde ausgeführt:

"Die "..." öffnet zur Zeit freitags, samstags und an Tagen vor Feiertagen um 17.00 Uhr und schließt, je nach Gästefrequenz, zwischen 2.00 und 3.00 Uhr. (Diese Öffnungszeiten beziehen sich auf den regelmäßigen Betrieb. Vermietungen für Firmenveranstaltungen, Familienfeste oder dergleichen bleiben davon ausgenommen.)

Änderungen dieser Öffnungszeiten werden wir rechtzeitig beim Ordnungsamt (Gewerbeangelegenheiten) anmelden. (...)

Der "..." öffnet zur Zeit freitags, samstags und an Tagen vor Feiertagen um 19.00 Uhr und schließt, je nach Gästefrequenz, zwischen 4.00 und 5.00 Uhr. (Diese Öffnungszeiten beziehen sich auf den regelmäßigen Betrieb. Vermietungen für Firmenveranstaltungen, Familienfeste oder dergleichen bleiben davon ausgenommen.)

Änderungen dieser Öffnungszeiten werden wir rechtzeitig beim Ordnungsamt (Gewerbeangelegenheiten) anmelden."

Bereits im Februar 2008 hatten sich die Antragssteller an den Bausenator betreffend der Nutzung des Objekts ... gewandt; dieser teilte unter dem 29. Februar 2008 mit, "dass eine Baugenehmigung für eine Vergnügungsstätte nicht erteilt worden ist und nach Berücksichtigung der städtebaulichen Lage Vergnügungsstätten hier nicht zugelassen werden können."

Am 10. März 2009 erteilte die Antragsgegnerin dem Beigeladenen die beantragte Genehmigung zur Nutzungsänderung in eine "Schankwirtschaft" im Erdgeschoss sowie eine "Schankwirtschaft mit zweimal wöchentlichem Tanz im Untergeschoss".

Gegen diese Genehmigung sowie gegen die unter dem 19. März 2009 ergangene Gaststättengenehmigung, die als Betriebsart ein "Tanzlokal" aufführt, legten die Antragssteller am 18. bzw. 24. März 2009 Widerspruch ein. Am 20. März 2009 beantragten sie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Baugenehmigung.

Unter dem 26. Juni 2009 erging ein Ergänzungsbescheid der Antragsgegnerin, in dem sie dem Beigeladenen auferlegte, seine Musikanlage "auf einen Mittelungspegel (...) von 90 dB(A) einzumessen und mit einem Schallpegelbegrenzer zu versehen." Hierzu erklärte der Beigeladene einen sofortigen Rechtsmittelverzicht.

Mit Beschluss vom 17. Juli 2009 hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt.

Zur Begründung ihrer hiergegen am 23. Juli 2009 eingelegten Beschwerde führen die Antragsteller aus, die Genehmigung sei entgegen der im Schreiben des Bausenators vom 29. Februar 2008 enthalten eine Zusicherung erteilt worden. Die Vergnügungsstätte sei auch nach der BauNVO 1977 in einem Mischgebiet unzulässig. Das Mischgebiet sei im hier betroffenen Bereich nicht mehr von Vergnügungsstätten geprägt, vielmehr sei eine besondere Wohnlage am ...- und ... gegeben. Von dem Betrieb der Gaststätte gingen unzumutbare Lärmimmissionen aus, was das Rücksichtnahmegebot verletze.

Die Antragsteller beantragen,

1. die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 10. März 2009 anzuordnen,

2. hilfsweise, dem Beigeladenen die Nutzungen der im Souterrain und Erdgeschoss des Hauses ... belegenen Räumlichkeiten nur ohne die Durchführung von Tanzveranstaltungen vorläufig zu gestatten,

3. hilfsweise, dem Beigeladenen die Nutzung der zu 2. bezeichneten Räumlichkeiten zur Durchführung von gelegentlichen Tanzveranstaltungen nur außerhalb der Nachtzeiten (22:00 Uhr bis 06:00 Uhr) vorläufig zu gestatten.

Der Beigeladene und die Antragsgegnerin beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie halten daran fest, dass keine unzumutbaren Immissionen vorliegen. Die Geräuschwirkungen hielten sich ausweislich der Gutachten und Stellungnahmen im Rahmen der geltenden Richtwerte. Dabei seien auch tieffrequente Geräusche ausreichend berücksichtigt worden. Die Gaststätte "..." sei keine Diskothek.

B.

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 17. Juli 2009 ist begründet. Die dargelegten Beschwerdegründe, die Gegenstand der Prüfung durch den Senat sind (§ 146 Abs. 4 S. 6 VwGO), führen zu einer Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Dem Antrag gem. §§ 80a Abs. 1 und 3 VwGO, § 212 a Abs. 1 BauGB ist zu entsprechen, denn es spricht Überwiegendes dafür, dass der Widerspruch der Antragsteller gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 10. März 2009 Erfolg haben wird.

Dies ergibt sich zwar nicht, wie die Antragsteller meinen, aus dem Schreiben des Bausenators vom 29. Februar 2008 (unten I.). Die genehmigte Nutzung einer Gaststätte mit "Tanzfläche" im Untergeschoss ist aber planungsrechtlich zu beanstanden; die Antragsteller müssen die mit dieser Genehmigung einhergehende Veränderung des Baugebietes in ihrem Bereich nicht hinnehmen (unten II.). Die - weitere - Frage, ob nach der angefochtenen Genehmigung unzumutbare bzw. rücksichtslose Belästigungen oder Störungen zu erwarten sind, bedarf danach hier keiner Klärung (unten III.). Die planungsrechtlichen Einwände gegen die Baugenehmigung führen zum Erfolg des Hauptantrags (unten IV.).

I.

Die in dem Schreiben des Bausenators vom 29. Februar 2008 zum Betreff "Nutzungsänderung ... in ..." getroffene Aussage, dass "nach Berücksichtigung der städtebaulichen Lage Vergnügungsstätten hier nicht zugelassen werden können", enthält keine Zusage i. S. d. § 108a LVwG, einen bestimmten Verwaltungsakt (Nutzungsänderungsgenehmigung) später zu unterlassen Das Schreiben erschöpft sich darin, eine allgemeine Rechtsauskunft zu erteilen, was durch den Umstand, dass auf kein konkretes Vorhaben Bezug genommen worden ist belegt wird.

II.

Die Antragsteller können beanspruchen, dass ein Bauvorhaben oder eine Nutzung, die nicht vereinbar mit dem planungsrechtlichen Charakter des Baugebietes ist, in dem ihr Grundstück liegt, nicht zugelassen wird. Die im Bebauungsplan erfolgte Gebietsfestsetzung hat kraft Bundesrechts nachbarschützende Wirkung. Die Antragsteller können sich gegen eine (auch) "schleichende" Umwandlung des Baugebiets durch die Zulassung einer damit nicht vereinbaren Nutzung zur Wehr setzen (BVerwG, Urt. v. 23.08.1996, 4 C 13.94, BVerwGE 101, 364/374; Beschl. v. 02.02.2000, 4 B 87.99, NVwZ 2000, 679). Sie können diesen Gebietserhaltungsanspruch auch der für das Nachbarhaus erteilten Genehmigung zur Nutzung als "Schankwirtschaft im Erdgeschoss" bzw. als "Schankwirtschaft mit 2 x wöchentlichem Tanz im Untergeschoss" entgegensetzen.

Das Grundstück der Antragsteller liegt ebenso wie das des Beigeladenen nach dem Bebauungsplan Nr. 01.10.00 - Innenstadt - der Antragsgegnerin in einem Mischgebiet. Dort sind die in § 6 BauNVO genannten baulichen Nutzungen zulässig; maßgeblich ist hier die bis 1990 geltende Baunutzungsverordnung i. d. F. vom 15. September 1977 (BGBl. I. S. 1763; BauNVO 1977), da der hier o. g. Bebauungsplan Mitte 1989 ausgelegt worden ist (§ 25 c Abs. 1 BauNVO).

Nach § 6 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 BauNVO 1977 sind in einem Mischgebiet u. a. "Schank- und Speisewirtschaften" sowie "sonstige Gewerbebetriebe" zulässig. Vergnügungsstätten sind (anders als in § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO 1990) nicht ausdrücklich aufgeführt. Sie sind - entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts - auch nicht allgemein als "sonstige Gewerbebetriebe" zulässig.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine Vergnügungsstätte in einem Mischgebiet nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO 1977 nur zulässig, wenn sie nicht dem Typus einer Vergnügungsstätte, wie er für solche Einrichtungen im Kerngebiet kennzeichnend ist (vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO 1977), entspricht und sie keine wesentlichen Störungen für die Wohnruhe vor allem am Abend und in der Nacht mit sich bringt (BVerwG, Urt. v. 25.11.1983, 4 C 64.79, BVerwGE 68, 207 ff./212 [bei Juris Tz. 11 und 12]) und Urteil vom 21.02.1986, 4 C 31.83, BRS 46 Nr. 51). In einem Kerngebiet ist der Wohnnutzung ein Mehr an Beeinträchtigungen der Wohnruhe zuzumuten. In einem Mischgebiet muss die Gleichgewichtigkeit zwischen gewerblicher und Wohnnutzung auch in den Abend- und Nachtstunden erhalten bleiben. Bei Vergnügungsstätten kann typischerweise nicht davon ausgegangen werden, dass sie - wie in Mischgebieten gem. § 6 Abs. 1 BauNVO gefordert - das "Wohnen nicht wesentlich stören" (vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 4. Aufl. 1979, § 6 Rn. 6 u. 8; Boedinghaus/Franßen/Rohde, BauNVO, 1977, § 6 Rn. 15).

Nach diesen Maßstäben ist das Vorhaben des Beigeladenen in dem Mischgebiet an der ... nicht zulässig.

Die genehmigte Einrichtung ist keine bloße "Schankwirtschaft" i. S. d. § 6 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO, sondern eine Vergnügungsstätte. Eine Schankwirtschaft dient der Verabreichung von Getränken; dort sind allenfalls gelegentliche Tanzveranstaltungen zulässig. Wird der Gaststättenbetrieb durch die Möglichkeit zum Tanz (mit-) geprägt, ist er als Vergnügungsstätte einzuordnen (VGH Mannheim, Urt. v. 18.10.1990, 5 S 3063/89, NVwZ-RR 1991, 405).

Die planungsrechtliche Zulässigkeit der Gaststätte "..." ist daher unter dem Gesichtspunkt einer Vergnügungsstätte zu beurteilen. Das belegen das Raumkonzept sowie das vorgesehene - nicht nur als "untergeordnet" einzustufende - Musikangebot und die installierte Musik-, Verstärker-, Lautsprecher- und Lichtanlage.

Als Vergnügungsstätte ist die Einrichtung nach der o. a. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, in einem Mischgebiet auch unter dem Aspekt eines "sonstigen Gewerbebetriebes" unzulässig, wenn sie kerngebietstypisch ist. Das ist der Fall, wenn sie "einen größeren Einzugsbereich" hat, für "ein größeres und allgemeines Publikum erreichbar sein" soll und nicht nur der "Entspannung und Freizeitbetätigung in einem begrenzten Stadtteil" dient, wie "etwa das Vorstadtkino oder das kleine Tanzcafé" (BVerwG, Urt. v. 25.11.1983, a.a.O.).

Die als "Club", "Lounge" und "Bar" bezeichnete Gaststätte des Beigeladenen ist eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte: Sie ist für ein größeres und allgemeines Publikum ("ab 25") erreichbar; ihr ist nach der vorgesehenen Gästezahl, dem Raumangebot und der Konzeption ein weiterer Einzugsbereich zuzuordnen, als er etwa einem "Vorstadtkino" oder einem kleinen Tanzcafé zukommt. Der Einzugsbereich umfasst das gesamte Stadtgebiet ... und (mindestens) der Nachbargemeinden. Von einer (gem. § 6 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO 1977 zulässigen) Schankwirtschaft unterscheidet sich die genehmigte Nutzung nicht nur durch das in der Betriebsbeschreibung dargestellte allgemeine Konzept ("kommunikationsorientiert", "Motto"-Abende, Öffnung für Incentives, u. a.), sondern auch durch das Musikangebot sowohl in der "Lounge" als auch im "Zen-Room", wo auch eine kleine Tanzfläche angeboten wird. Die angegebene Größe dieser Tanzfläche (14 m²) wird durch die auf der Bauzeichnung eingezeichnete Möblierung "optisch" eingeengt; Tanz wird nicht nur auf 14 m² Fläche möglich sein. Im Internet werden Programmabende angeboten, die u. a. von "DJ's" gestaltete "Tanzklassiker" umfassen. Die angebotene Musik und die Tanzflächen sind im Zusammenhang mit den Öffnungszeiten zu sehen, die in der Betriebsbeschreibung angegeben werden. Die Musik und das Tanzangebot sind konzeptionell darauf ausgerichtet, einen ausgedehnten Abend- und Nachtbetrieb (für die Lounge) bis max. 03.00 Uhr bzw. (im "Zen-Room") bis max. 05.00 Uhr zu fördern. Im Internet wird die "Philosophie" der Gaststätte damit umschrieben, dass man dort "ausgelassen entspannen" und "interessante Kontakte" knüpfen könne. Nach der Konzeption der genehmigten Nutzung werden die potentiellen Gäste im Wesentlichen mit den Kontaktmöglichkeiten und dem Unterhaltungsangebot der Gaststätte beworben, das durch zuvor veröffentlichte, wechselnde Programme attraktiv gestaltet wird. Dies prägt das für die Gebietsverträglichkeit bestimmende typische Störpotenzial der Einrichtung maßgeblich (vgl. OVG Berlin, Beschl. v. 10.11.2004, 2 S 50.04, NVwZ-RR 2005, 160).

Für die Einordnung als "kerngebietstypisch" kommt es weder darauf an, inwieweit die in der Betriebsbeschreibung angegebenen (maximalen) Öffnungszeiten gegenwärtig tatsächlich ausgenutzt werden, noch darauf, welche Störwirkungen durch den Einzugsbereich bzw. das "Kommen und Gehen" von Besuchern der Gaststätte "..." konkret entstehen. Die planungsrechtliche Beurteilung erfolgt typisierend; entscheidend ist, ob die Nutzung ihrer Art nach geeignet ist, das Wohnen wesentlich zu stören, oder ob dies regelmäßig (typischerweise) nicht der Fall ist (BVerwG, Urt. v. 25.11.1983, a.a.O. [bei Juris Tz. 12]).

Die Erheblichkeit einer Störung ist folglich nicht einzelfallbezogenen anhand der gegenwärtig ausgeübten Nutzung oder einer Vorbelastung der Umgebung durch Verkehrslärm zu prüfen, sondern danach, was die angefochtene Genehmigung an Nutzung "hergibt". Eine durch Fahrzeugverkehr an der ... bereits gegebene Vorbelastung erweitert die Zulässigkeit der gewerblichen Nutzungen des Beigeladenen in dem Mischgebiet nicht.

Bei typisierender Betrachtung ist es auch unerheblich, dass die "..." sich in einem Bereich der ... Innenstadt befindet, wo faktisch kaum Parkmöglichkeiten gegeben sind. Auch wenn (deshalb) ein direktes "Ansteuern" der Einrichtung mit Autos erschwert und Gäste aus weiterer Entfernung häufig Parkmöglichkeiten "vor" der Innenstadt nutzen werden, ist durch die Art der angebotenen Nutzung mit "kerngebietstypischen" Störwirkungen nachts bis max. 03.00 Uhr (in der Lounge) bzw. bis max. 05.00 Uhr (im "Zen-Room") zu rechnen. Das Musik- und Tanzangebot und die vorgesehene Betriebszeit bis (weit) in die Nacht umfassen die - naheliegende - Möglichkeit, dass die dadurch verursachten Störungen gerade zu Zeiten auftreten, in denen das Ruhebedürfnis der in der Umgebung Wohnenden besonders groß ist. Das ist mit einem "gleichberechtigten" Nebeneinander von Wohnen und Gewerbe in einem Mischgebiet nicht in Einklang zu bringen (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 12.02.2003, 2 Bs 384/01, NordÖR 2003, 70).

Nach § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO 1990 wären nicht-kerngebietstypische Vergnügungsstätten in einem Mischgebiet ausnahmsweise zulässig, wenn der betroffene Bereich des Mischgebiets überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt wäre. Ob diese Rechtslage auch schon nach der - hier maßgeblichen - BauNVO 1977 bestand (vgl. dazu Wank, Die Steuerungskraft des Bauplanungsrechts am Beispiel der Spielhallenansiedlung, 1994, S. 66), kann dahinstehen, denn die Einrichtung des Beigeladenen entspricht - wie oben ausgeführt - dem Typus einer kerngebietstypischen Vergnügungsstätte. Abgesehen davon wäre sie an der hier realisierten Stelle auch deshalb unzulässig, weil im Mischgebiet im Bereich ... / ... bis zur Einmündung "..." zahlreiche gastronomische Nutzungen vorhanden sind, was - ebenfalls - für die "..." (bis zur ...) der Fall ist. Der hier betroffene Bereich der ... / ... zwischen der Einmündung "..." und der "...", in dem das Vorhaben des Beigeladenen liegt, ist demgegenüber überwiegend durch kleine, das Wohnen nicht wesentlich störende Einzelhandels- und Dienstleistungsbetriebe und Wohnnutzung (in den Obergeschossen) geprägt. Ein "Eindringen" intensiver gastronomischer Nutzungen würde in diesem Bereich die "Eigenart" des Mischgebietes und die Balance zwischen gewerblicher und Wohnnutzung deutlich verändern (vgl. zur Rechtslage nach § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO 1990 auch VGH München, Beschl. v. 30.08.2007, 1 CS 07.1253, Juris; OVG Koblenz, Beschl. v. 09.03.2007, 8 A 10066/07, LKRZ 2007, 202 sowie OVG Berlin, Beschl. v. 10.11.2004, a.a.O.).

Die genehmigte Nutzung ist damit ihrer Art nach planungsrechtlich in dem Mischgebiet nicht zulässig.

III.

Zu der Frage, ob die Wohnruhe insbesondere abends oder nachts wesentlich gestört würde, wird angemerkt, dass die Zumutbarkeit von Lärmwirkungen nach Maßgabe der der nach § 48 BImSchG erlassenen Sechsten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesimmissionsschutzgesetz - Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) vom 26. August 1998 (GMBl. Nr. 26 vom 28.08.1998 S. 503) zu beurteilen ist (vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 2002, § 15 Rn. 17). Die Lärmwirkungen sind nach dem Umfang der genehmigten Nutzung prognostisch zu erfassen. Messungen können ggf. eine tragfähige Prognosegrundlage für die nach der angefochtenen Genehmigung zu erwartenden (möglichen) Lärmwerte ergeben. Zu beurteilen sind mögliche Geräuschimmissionen durch Fahrzeuge (Taxen) und kommende und gehende Gäste (s. dazu Ziff. 7.4 sowie Ziff. 6.1 c und in Ziff. 6.4 der TA Lärm) sowie durch die in der Lounge bzw. im "Zen Room" betriebenen Musikanlagen (s. dazu Ziff. 6.2 und 7.3 der TA Lärm; s. dazu auch Beschl. des Senats v. 13.08.1993, 1 M 37/93, Juris )

Im Hinblick darauf, dass - wie zu II. ausgeführt - eine der Art nach kerngebietstypische Nutzung genehmigt worden ist, bedarf es im vorliegenden Verfahren keiner weiteren Klärung der (im erstinstanzlichen Verfahren ausführlich behandelten) Lärmproblematik. Inwieweit die genehmigte Nutzung tatsächlich zu Störwirkungen führt, ist für die Erfolgsaussichten des Widerspruchs der Antragsteller unerheblich.

IV.

Die aufgezeigten rechtlichen Bedenken gegen die angefochtene Baugenehmigung führen zum "vollständigen" Erfolg der Beschwerde. Die Antragsteller haben gegen die auf der Grundlage des Bauantrages vom 12. Februar 2009 und der diesem beigefügten Betriebsbeschreibung des Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 10. März 2009 Widerspruch eingelegt. Eine "Teilstattgabe" - nur hinsichtlich der Tanzveranstaltungen bzw. des Betriebs in der Nachtzeit (22.00 - 06.00 Uhr) - würde sich von dem beantragten Vorhaben des Beigeladenen lösen und ein "aliud" - also eine reine Schankwirtschaft, die mit dem Konzept des Beigeladenen nichts mehr gemein hätte - "übrig" lassen.

Fragen, die im Zusammenhang mit der Gaststättenerlaubnis vom 19. März 2009 stehen, sind im vorliegenden Verfahren nicht zu erörtern.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 S. 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 3 S. 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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