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Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 22.05.2002
Aktenzeichen: 12 A 4/02
Rechtsgebiete: BImSchG, BauNVO


Vorschriften:

BImSchG § 3
BImSchG § 22
BauNVO § 4
BauNVO § 6
1. Bei einem Volksfest kann zur Bestimmung der Zumutbarkeit von Geräuschimmissionen grundsätzlich die Freizeitlärmrichtlinie (Erlass des Ministeriums für Umwelt, Natur und Forsten vom 22.6.1998, Amtsblatt für Schleswig-Holstein 1998, 572) als Beurteilungsgrundlage herangezogen werden.

2. Von einem seltenen Ereignis im Sinne der Ziffer 4.4 Abs. 1 der Freizeitlärmrichtlinie kann nur dann ausgegangen werden, wenn aufgrund des Genehmigungsinhaltes - insbesondere aufgrund der festgelegten Dauer der Veranstaltung - oder anderer feststehender Umstände keine Unsicherheiten darüber bestehen, ob eine die Immissionsrichtwerte nach Ziffer 4.1 der Freizeitlärmrichtlinie überschreitende Beeinträchtigung an nicht mehr als zehn Tagen oder Nächten eines Kalenderjahres und in diesem Rahmen auch nicht an mehr als zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden auftritt, nicht jedoch dann, wenn dies - z.B. aufgrund des Einflusses von Wetterbedingungen - ungewiss ist.

3. Zur Berücksichtigung der Sozialadäquanz und der Tradition eines Volksfestes bei der Bestimmung von hinzunehmenden Immissionen.


SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES VERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 12 A 4/02

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Volksfest (Nachbarklage)

hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht - 12. Kammer - durch Richter am VG ... als Vorsitzenden, Richter am VG , Richterin am VG und die ehrenamtlichen Richterinnen und ohne mündliche Verhandlung am 22. Mai 2003 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Beklagte wird verurteilt, vom Volksfestplatz ... ausgehende Geräuschimmissionen zu unterlassen, deren Beurteilungspegel nach Maßgabe der Freizeitlärm-Richtlinie (Erlass des Ministeriums für Umwelt, Natur und Forsten vom 22.6.1998 - Amtsblatt für Schleswig-Holstein 1998, 572 -) die in Ziffer 4.1 d) der Freizeitlärm-Richtlinie genannten Immissionsrichtwerte - jeweils gemessen vor den Wohn- und Schlafräumen der Kläger im Gebäude ... - überschreiten.

Die Kläger tragen 1/7, die Beklagte trägt 6/7 der Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Schuldner darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um von einem Festplatz ausgehende Geräuschimmissionen.

Die Kläger sind Eigentümer von ihnen bewohnter Wohnungen in .... Das in den Jahren 1982/83 errichtete Gebäude liegt .... zurückgesetzt hinter dem Wohnhaus .... Ebenfalls an der ... befindet sich ein Volksfestplatz der Beklagten, auf welchem seit mehreren Jahrzehnten das ... Volksfest veranstaltet wird. Im Jahr 2002 wurde dort das 154. ...Volksfest durchgeführt. Die Mitte des Volksfestplatzes liegt in Richtung ostnordost in ca. 750 m Entfernung von den Wohnungen der Kläger. Das Volksfest wird gemäß § 1 Abs. 1 der Volksfest- und Jahrmarktsatzung vom 17.12.1979 in der Fassung vom 25.5.1993 von der Beklagten als öffentliche Einrichtung betrieben.

Das Gebäude ... liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplanes "...", der den Bereich der Grundstücke .... bis ... umfasst, den Bereich zwischen der ... und ... als allgemeines Wohngebiet im Sinne des § 4 der Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke (Baunutzungsverordnung - BauNVO -) und den Bereich von ... bis zur ... als Mischgebiet im Sinne des § 6 BauNVO ausweist. In dem als Mischgebiet ausgewiesenen Bereich befindet sich auf dem Grundstück ... eine Tankstelle mit sechs Zapfeinrichtungen und einer Autowaschanlage in einer verschließbaren Halle, die zum Waschen jeweils eines Kraftfahrzeugs geeignet ist. Auf dem Grundstück ... befindet sich an dem Gebäude ein Hinweis auf ein Ballettstudio, im Übrigen wird das Gebäude zu Wohnzwecken genutzt. Am Gebäude ... befindet sich ein Hinweis auf einen Architekten, ob eine Büronutzung stattfindet, ist nicht erkennbar, im Übrigen wird das Gebäude zu Wohnzwecken genutzt. Die übrigen Gebäude in dem als Mischgebiet ausgewiesenen Teilbereich dienen ausschließlich dem Wohnen.

Vor Festsetzung des Volksfestes 2002 wurden im Hinblick auf die Geräuschimmissionen Gespräche zwischen den Klägern und der Beklagten geführt. Die Beklagte teilte dem Kläger zu 2. mit Schreiben vom 6.9.2001 u.a. mit, die Festsetzung des Volksfestes 2002 werde folgende Öffnungszeiten enthalten, wobei von einer Gesamtdauer der Veranstaltung von 17 Tagen ausgegangen werde:

Sonntag bis Donnerstag: 15.00 bis 23.00 UhrFreitag und Sonnabend: 15.00 bis 24.00 Uhr.

Die Kläger werteten dieses Schreiben als Verwaltungsakt, gegen den sie Widerspruch erhoben, der nicht beschieden wurde.

Die Kläger haben am 8.1.2002 Klage erhoben, die ursprünglich darauf gerichtet war, (1.) die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 6.9.2002 zu verpflichten, bei den Festsetzungen der Volksfeste auf dem Festgelände ... auch für die Wochentage Freitag und Samstag keine längere Öffnungszeit als 23.00 Uhr zuzulassen, und (2.) die Beklagte zu verurteilen, vom Volksfestplatz ausgehende Geräuschimmissionen zu unterlassen, die bestimmte Beurteilungspegel überschreiten.

Mit Bescheid vom 2.5.2002 setzte die Beklagte das 154. ... Volksfest in der Zeit vom 28.6. bis 14.7.2001 täglich in der Zeit von 15.00 bis 23.00 fest. Der Bescheid enthält folgende Auflagen:

"1. Für die gesamte Dauer des Volksfestes sind folgende, in der Freizeitlärmrichtlinie des Landes Schleswig-Holstein festgelegte Immissionsrichtwerte einzuhalten:

- tags außerhalb der Ruhezeiten (8.00 bis 20.00 Uhr) 60 dB(A) - tags innerhalb der Ruhezeiten (6.00 bis 8.00, 20.00 bis 22.00 Uhr) sowie an Sonn- und Feiertagen 55dB(A) - nachts (22.00 bis 6.00 Uhr) 45 dB (A)

2. Gleich zu Beginn des Volksfestes sind vom Veranstalter durch eine amtliche Geräuschmessstelle in den angrenzenden Wohngebieten an verschiedenen Stellen Messungen zu veranlassen, um festzustellen, ob die vorgeschriebenen Immissionsrichtwerte eingehalten werden. Die Messungen sind an unterschiedlichen Standorten durchzuführen und haben sich auf die unterschiedlichen Zeiträume für die genannten dB(A)-Werte zu erstrecken. Sollten Richtwertüberschreitungen festgestellt werden, muss in Abstimmung mit der amtlichen Geräuschmessstelle der Verursacher ermittelt werden und es sind geeignete und erforderliche Maßnahmen zur Lärmreduzierung zu ergreifen. Durch den Veranstalter ist dann auf den Lärmverursacher dahingehend einzuwirken, dass die Immissionsrichtwerte wieder eingehalten werden. Dies ist durch erneute Messungen zu überprüfen."

Die Beteiligten haben daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache hinsichtlich des Antrages zu Ziffer 1 übereinstimmend für erledigt erklärt.

Zur Begründung der Klage tragen die Kläger u.a. vor, von der Veranstaltung gehe insbesondere bei Ostwind oder bei Windstille ein Lärm aus, der die Lärmimmissionsgrenze der Freizeitlärm-Richtlinie weit überschreite. Bei der Anwendung der Freizeitlärm-Richtlinie sei von einem allgemeinen Wohngebiet auszugehen. Die Einstufung ihres Wohnbereichs als Mischgebiet sei fehlerhaft gewesen mit der Folge, dass der Bebauungsplan von Anfang an unwirksam gewesen sei. In dem Teil des Bebauungsplans, der als Mischgebiet ausgewiesen sei, hätten sich 1969 8 Wohngrundstücke und eine Tankstelle befunden. Das Tankstellengrundstück rechtfertige die Einstufung als Mischgebiet nicht, denn sie sei auch in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig. Die Wohnnutzung habe eindeutig überwogen, so dass eine Ausweisung als Mischgebiet fehlerhaft gewesen sei.

Jedenfalls sei der Bebauungsplan in der Folge "umgekippt" und dadurch funktionslos geworden. In den folgenden Jahren sei alles getan worden, um der wohnlichen Nutzung des angeblichen Mischgebietes noch mehr Übergewicht zu verleihen. Übrig geblieben sei im Mischgebiet als Bauland für gewerbliche Zwecke nur ein 135 m breiter, außerhalb der Baugrenze liegender Streifen von rückwärtigen Gartengrundstücken, die von der ... aus gar nicht zu erreichen seien. Der Zugang sei nur über ... möglich. Bei Anwendung des § 34 BauGB sei das Gebiet als allgemeines Wohngebiet einzustufen. Dies ergebe sich aus einem Vergleich mit dem angrenzenden Gebiet ..., das in dem B-Plan als allgemeines Wohngebiet ausgewiesen worden sei.

Auch die Belastung durch Verkehrslärm mache das Gebiet nicht zu einem Mischgebiet. Das Straßenstück ... sei aufgrund der Verkehrsführung nicht wie eine Bundesstraße belastet. Im Übrigen bedeute das Wohnen an einer belebten Straße keineswegs, dass dort auch zusätzlicher Lärm mit einem höheren Störgrad hinzunehmen sei. Der Straßenlärm einer vorbeiführenden Straße sei nicht als Vorbelastung zu berücksichtigen.

Außerdem liege ein Fall der Ziffer 2 Abs. 3 der Freizeitlärm-Richtlinie vor, weil die tatsächliche bauliche Nutzung von der festgesetzten völlig abweiche. In einem derartigen Fall sei von der tatsächlichen baulichen Nutzung auszugehen. Einzuhalten seien daher die Beurteilungspegel für allgemeine Wohngebiete. Eine Überschreitung dieser Werte sei auch nicht im Hinblick auf die "Tradition" des Volksfestes hinzunehmen. Auf die Herkömmlichkeit komme es nur bei Lärmquellen an, die der TA-Lärm unterliegen, nicht aber bei Freizeiteinrichtungen. Sie müssten auch im Hinblick auf Ziffer 2 Abs. 4 der Freizeitlärm-Richtlinie keine höheren Belastungen hinnehmen. Danach könne eine besondere Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme bestehen, wenn aufgrund baulicher Entwicklungen in der Vergangenheit Wohngebiete und Freizeitanlagen eng zusammen liegen würden. Sofern an störenden Anlagen alle verhältnismäßigen Emissionsminderungsmaßnahmen durchgeführt worden seien, könne die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme dazu führen, dass die Bewohnerinnen und Bewohner mehr an Geräuschen hinnehmen müssten als die Bewohnerinnen und Bewohner von gleichartig genutzten Gebieten, die fernab derartiger Anlagen liegen. Wohngebiet und Freizeitanlage würden hier nicht aufgrund der baulichen Entwicklung eng zusammen liegen, sondern allein deshalb, weil die Beklagte das Volkfest in ein Wohngebiet verlegt habe. Dies habe schon lange vor der erstmaligen Durchführung des Volksfestes auf dem jetzigen Platz..... bestanden. Das Volksfest habe auf dem Platz erstmalig 1933 stattgefunden, anschließend jährlich ab 1957. Hinzu komme, dass an den störenden Anlagen nicht alle verhältnismäßigen Emissionsminderungsmaßnahmen durchgeführt worden seien. Selbst das Volksfestkomitee sei der Auffassung, dass der Einbau von Schallbegrenzern in alle Volksfestlautsprecher möglich sei.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte zu verurteilen, vom Volksfestplatz ... ausgehende Geräuschimmissionen zu unterlassen, deren Beurteilungspegel nach Maßgabe der Freizeitlärm-Richtlinie

a) tags an Werktagen außerhalb der Ruhezeit einen Immissionsrichtwert (außen) von 55 dB(A) und

b) tags an Werktagen innerhalb der Ruhezeit und an Sonn- und Feiertagen einen Immissionsrichtwert (außen) von 50 dB(A) und

c) nachts (ab 22.00 Uhr) einen Immissionsrichtwert (außen) von 40 dB (A) - jeweils gemessen vor den Wohn- und Schlafräumen des Gebäudes Travemünder Allee 28 B - überschreiten. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt die Beklagte u.a. vor, es handele sich bei dem Wohnort der Kläger nicht um ein reines Wohngebiet, sondern laut gültigem Bebauungsplan um ein Mischgebiet, für das die in der Festsetzung vom 2.5.2002 genannten Immissionswerte Anwendung fänden. Der Bebauungsplan setze das Gebiet als Mischgebiet fest. Auf die tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort komme es daher nicht an. Insbesondere komme es nicht darauf an, welches Gewerbe dort zur Zeit ansässig sei, da der Bebauungsplan Ansiedlungen in diesem Gebiet auch für die Zukunft zulasse. Der Bebauungsplan sei insbesondere nicht funktionslos geworden, die tatsächlichen Verhältnisse in dem betreffenden Gebiet seien keineswegs so massiv und so offenkundig vom Planungsinhalt eines Mischgebiets abgewichen, dass der Bebauungsplan seine städtebauliche Gestaltungsfunktion nicht mehr erfüllen könne. In dem Gebiet befinde sich eine große Tankstelle, eine Ballettschule und ein Architekturbüro. Auch wenn die Ballettschule derzeit mutmaßlich nicht mehr betrieben werde, so könne dieses Gewerbe aufgrund noch bestehender Nutzungsgenehmigungen jederzeit wieder aufleben. Auch lasse die derzeitige Wohnbebauung durchaus die Möglichkeit zu, in den Häusern etwa im Erdgeschoss gewerbliche Nutzungen, wie sie in einem Mischgebiet zulässig seien, anzusiedeln. Selbst eine Beurteilung nach § 34 BauGB würde ergeben, dass das Gebiet Mischgebietscharakter besitze. Direkt angrenzend an das Grundstück der Kläger befinde sich eine große Tankstelle. Insbesondere werde das Wohngebiet der Kläger von dem Verkehrslärm der ... geprägt.

Die Beklagte legt einen Messbericht über Schallmessungen während des ...Volksfestes 2002 von Prof. Dr.-..., Sachverständiger für Akustik und Schallschutz, vor. Der Sachverständige hatte - u.a. an den Wohnungen der Kläger - Schallmessungen durchgeführt, um festzustellen, ob die in dem Festsetzungsbescheid vom 2.5.2002 genannten Immissionsrichtwerte eingehalten werden. Zu den einzelnen Messergebnissen wird auf Bl. 117 ff der Gerichtsakte Bezug genommen. In der Beurteilung der Messergebnisse heißt es, dass die starke Abhängigkeit der Messergebnisse von der Windrichtung bemerkenswert sei. Nur bei Ostwind sei Schall vom Volksfestplatz zu hören. Dieser führe zur Überschreitung der Immissionsrichtwerte, insbesondere nach 22.00 Uhr. Bei Westwind sei vom Volksfestplatz nichts zu hören gewesen. Für eine Messung am 12.7.2002 bei Ostwind habe sich gegen 22.20 Uhr ein Beurteilungspegel von 57 dB (A) ergeben. Für die anderen Messtermine habe keine Überschreitung der Immissionsrichtwerte festgestellt werden können. Da der Schall hauptsächlich bei Ost- und Südwind zu den umliegenden Wohngebieten getragen werde, sei bei diesen Wetterlagen mit Richtwertüberschreitungen zu rechnen. Nach der Freizeitlärm-Richtlinie seien für seltene Ereignisse (nicht mehr als 10 mal im Jahr) 10 dB (A) höhere Beurteilungspegel zulässig. Würden nur die Veranstaltungen des ... berücksichtigt, würden bei 17 Veranstaltungstagen bei der typischen Wetterlage in ...nach der Statistik weniger als 10 Tage ungünstige Schallausbreitungsbedingungen vorliegen. Würde nach 22.00 Uhr die Verwendung von elektroakustischen Anlagen untersagt werden und würden die Fahrgeschäfte mit juchzenden Teilnehmern ihren Betrieb nach 22.00 Uhr einstellen, dürften die Nachtrichtwerte weitgehend eingehalten werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Der Berichterstatter hat das Gebiet des o.g. Bebauungsplans in Augenschein genommen, auf den Inhalt des Ortsterminsprotokolls vom 6.3.2002 wird Bezug genommen. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO) erklärt.

Entscheidungsgründe:

Soweit die Kläger ursprünglich die Aufhebung eines Bescheides vom 6.9.2001 und die Regelung von Öffnungszeiten (ursprünglicher Klageantrag zu 1.) begehrt haben, hat sich der Rechtsstreit in der Hauptsache durch entsprechende Erklärungen der Beteiligten erledigt.

Im Übrigen ist die Klage als allgemeine Leistungsklage in Form der Unterlassungsklage zulässig, sie ist auch begründet.

Es kann hier dahinstehen, ob als Anspruchsgrundlage die analog anzuwendenden §§ 1004, 906 BGB oder Art. 2 Abs. 2, 14 Abs. 1 GG heranzuziehen sind, da für den gegen einen Hoheitsträger als Störer gerichteten Anspruch auf Unterlassung unstreitig ein öffentlich-rechtlicher Abwehranspruch besteht (BVerwG, Urteil vom 29.4.1988 - 7 C 33/87 - BVerwGE 79, 254).

Die allgemeinen Gesetze, die die Zumutbarkeit von Immissionen bestimmen, gelten grundsätzlich auch für die Errichtung und den Betrieb öffentlicher Einrichtungen. Maßstab für die Zumutbarkeit von Immissionen sind danach hier §§ 3 Abs. 1, 22 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG -) (BVerwG, aaO). Danach sind nicht genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. Schädliche Umweltweinwirkungen sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Der dadurch gezogenen Grenze unterliegt auch die Durchführung eines Volksfestes bzw. der Betrieb eines Festplatzes (OVG Bremen, Urteil vom 14.11.1995 - 1 BA 13/95 - NVwZ-RR 1997, 165; VG Gießen, Urteil vom 28.5.1997 - 8 E 666/96 - GewArch 1997, 491). Wo die Grenze der erheblichen Nachteile oder erheblichen Belästigungen im Einzelfall verläuft hängt von den jeweiligen Umständen im Einzelfall ab, wobei die Erheblichkeit und damit die Zumutbarkeit von Geräuschimmissionen von wertenden Elementen wie solchen der Herkömmlichkeit, der sozialen Adäquanz und einer allgemeinen Akzeptanz mitgeprägt wird (BVerwG, aaO). Bei Freizeitanlagen kann grundsätzlich die Freizeitlärm-Richtlinie als Beurteilungsgrundlage herangezogen werden und zwar ungeachtet des Umstandes, dass sie der Sache nach nur eine Entscheidungshilfe mit Indizcharakter darstellt (BVerwG, Urteil vom 16.5.2001 - 7 C 16/00 - NVwZ 2001, 1167; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.6.2002 - 10 S 1559/01 - UPR 2003, 76). Die als Erlass des Ministeriums für Umwelt, Natur und Forsten vom 22. Juni 1998 veröffentlichten Hinweise zur Beurteilung der von Freizeitanlagen verursachten Geräusche - Freizeitlärm-Richtlinie - (Amtsblatt für Schleswig-Holstein 1998, 572) beruhen auf der Freizeitlärm-Richtlinie des Länderausschusses für Immissionsschutz von 1995, der sie inhaltlich entsprechen.

Nach Ziffer 1 Abs. 2 der Freizeitlärm-Richtlinie gelten die Hinweise insbesondere für Grundstücke, auf denen Volksfeste stattfinden. Nach Ziffer 2 Abs. 3 der Richtlinie ist von Bedeutung für die Beurteilung der Geräusche von Freizeitanlagen die Schutzbedürftigkeit der Nutzungen in den diesen Anlagen benachbarten Gebieten. Bei der Zuordnung der für die Beurteilung maßgebenden Immissionsrichtwerte zu den Gebieten im Einwirkungsbereich der Anlage ist grundsätzlich vom Bebauungsplan auszugehen. Weicht die tatsächliche bauliche Nutzung im Einwirkungsbereich erheblich von der im Bebauungsplan festgesetzten Nutzung ab, so ist von der tatsächlichen baulichen Nutzung unter Berücksichtigung der vorgesehenen Entwicklung des Gebietes auszugehen.

Nach dem Bebauungsplan "..." liegt das von den Klägern bewohnte Haus in einem Mischgebiet im Sinne des § 6 BauNVO, die tatsächliche bauliche Nutzung weicht jedoch erheblich von der im Bebauungsplan festgesetzten Nutzung ab. Nach § 6 Abs. 1 BauNVO dienen Mischgebiete dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören. Ein Mischgebiet ist gekennzeichnet durch die Gleichwertigkeit und Gleichgewichtigkeit von Wohnen und das Wohnen nicht störendem Gewerbe. Dieses gleichwertige Nebeneinander zweier Nutzungsarten setzt voraus, dass keine der Nutzungsarten ein deutliches Übergewicht über die andere gewinnen soll. § 6 Abs. 1 BauNVO bringt die städtebauliche Gestaltungsabsicht des Verordnungsgebers zum Ausdruck, dass diese beiden Nutzungsarten in den durch Bebauungsplan festgesetzten Mischgebieten auch in ihrer jeweiligen Quantität "gemischt" sein sollen. Für die hiernach zu beachtende quantitative Mischung kommt es darauf an, in welchem Verhältnis die dem Wohnen und die gewerblichen Zwecken dienenden Anlagen im Baugebiet nach Anzahl und Umfang zueinander stehen. Erforderlich ist, dass im jeweiligen Gebiet eine der beiden Hauptnutzungsarten nicht nach Anzahl und / oder Umfang beherrschend und in diesem Sinne "übergewichtig" in Erscheinung tritt (BVerwG, Urteil vom 4.5.1988 - 4 C 34/86 - BVerwGE 79, 309 m.w.N.).

Unter Beachtung dieser Maßstäbe stellt sich der als Mischgebiet ausgewiesene Teilbereich des o.g. Bebauungsplans tatsächlich nicht als Mischgebiet sondern als allgemeines Wohngebiet im Sinne des § 4 BauNVO dar. Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen. Für die Annahme eines allgemeinen Wohngebietes muss der Wohncharakter eines Gebietes insgesamt eindeutig erkennbar sein, was zwangsläufig ein zahlenmäßiges Vorwiegen der Gebäude mit Wohnungen einschließt (Fickert/Fieseler, BauNVO, 10. Aufl. 2002, § 4 Rn. 1). In dem fraglichen Teilbereich des Bebauungsplans befindet sich auf dem Grundstück ... eine Tankstelle. An den Gebäuden ... befinden sich Hinweise auf ein Ballettstudio und einen Architekten. Ob die Räumlichkeiten tatsächlich für ein Ballettstudio und ein Architekturbüro genutzt werden, kann dahinstehen. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, würde die wohnliche Nutzung des Gebietes eindeutig und erkennbar überwiegen, da im Übrigen in den Gebäuden ausschließlich Wohnnutzung vorhanden ist. Sowohl von der Zahl der Gebäude als auch von der genutzten Fläche her überwiegt damit die nichtgewerbliche Nutzung des Gebiets, die Nutzung für Gewerbezwecke tritt gegenüber der Wohnnutzung derart in den Hintergrund, dass von einer quantitativen Mischung der Nutzungsarten nicht ausgegangen werden kann. Die Wohnnutzung überwiegt vielmehr in erheblichem und auch bei Ansicht des Gebietes ohne Weiteres erkennbarem Maß. Ausgehend von der tatsächlichen baulichen Nutzung handelt es sich demnach nicht um ein Mischgebiet sondern um ein allgemeines Wohngebiet, so dass die tatsächliche bauliche Nutzung erheblich von der im Bebauungsplan festgesetzten baulichen Nutzung abweicht. Angesichts dessen und der wiedergegebenen Regelung der Ziffer 2 Abs. 3 Satz 3 Freizeitlärm-Richtlinie kommt es auf die Frage, ob der Bebauungsplan funktionslos (geworden) ist, nicht an.

Bei der Zuordnung der für die Beurteilung maßgebenden Immissionsrichtwerte zu dem betroffenen Gebiet ist danach auszugehen von der tatsächlichen Nutzung unter Berücksichtigung der vorgesehenen Entwicklung des Gebietes. Zwar kann eine Entwicklung zu einem Mischgebiet nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, da eine stärkere Nutzung des bestehenden Gebäudebestandes zur Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören, möglich ist, es ist gegenwärtig jedoch nicht erkennbar, dass eine derartige Entwicklung vorgesehen ist und in absehbarer Zeit angestrebt wird, so dass die in Ziffer 4 Abs. 1 d) Freizeitlärm-Richtlinie für ein allgemeines Wohngebiet vorgesehenen Immissionsrichtwerte zugrunde zu legen sind. Diese Werte, welche die Kläger in dem Klageantrag wiedergegeben haben, hat die Beklagte bei der Durchführung des Volksfestes zu beachten.

Der Anspruch der Kläger auf Einhaltung der Immissionsrichtwerte für ein allgemeines Wohngebiet scheitert nicht daran, dass die Kläger ihre Wohnungen zu einem Zeitpunkt bezogen haben, zu dem die Beklagte bereits über mehrere Jahrzehnte das Volksfest auf dem Platz ... durchgeführt hatte. Die Kläger begehren nicht die vollständige Unterlassung des Volksfestes, sondern die Beachtung der nach der Freizeitlärm-Richtlinie maßgeblichen Immissionsrichtwerte für das Wohngebiet, in dem sie leben. Grundsätzlich verliert derjenige, der eine Immobilie zu Wohnzwecken in Kenntnis einer benachbarten emittierenden Anlage erwirbt, nicht seine Abwehrrechte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9.2.1989 - 4 NB 1.89 - NVwZ 1989, 653; OVG Münster, Urteil vom 10.8.1989 - 7 A 1926/86 - BauR 1989, 715; Ketteler, Sportanlagenlärmschutzverordnung, 1998, 148). Eine an eine Emissionsquelle heranrückende Wohnbebauung kann eine gegenseitige Pflicht zur Rücksichtnahme auslösen, die eine gesteigerte Duldungspflicht desjenigen zur Folge hat, der sich in der Nähe der Belästigungsquelle ansiedelt (BVerwG, Urteil vom 19.1.1989 - 7 C 77.87 - BVerwGE 81,197, Urteil vom 23.5.1991 - 7 C 19.90 - BVerwGE 88,210, Urteil vom 23.9.1999 - 4 C 6/98 - BVerwGE 109, 314; Ketteler, aaO; Fickert/Fieseler, BauNVO, 10. Aufl. 2002, § 1 Rn. 48ff jeweils m.w.N.). Dies wird in Ziffer 2 Abs. 4 der Freizeitlärm -Richtlinie aufgegriffen, wenn es dort heißt, dass eine besondere Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme bestehen kann, wenn aufgrund baulicher Entwicklungen in der Vergangenheit Wohngebiete und Freizeitanlagen eng zusammen liegen. Sofern an störenden Anlagen alle verhältnismäßigen Emissionsminderungsmaßnahmen durchgeführt sind, kann die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme dazu führen, dass die Bewohnerinnen und Bewohner mehr an Geräuschen hinnehmen müssen als die Bewohnerinnen und Bewohner von gleichartig genutzten Gebieten, die fernab derartiger Anlagen liegen. Eine erhöhte Duldungspflicht der Kläger wird dadurch nicht begründet. Die Errichtung des von den Klägern bewohnten Gebäudes kann nicht als das Heranrücken einer Wohnbebauung an den Volksfestplatz angesehen werden, da das Gebäude sich in eine bereits bestehende Wohnbebauung einfügt und von dem Volksfestplatz weiter entfernt ist als eine Vielzahl der diese Wohnbebauung bildenden Gebäude. Wesentliche Teile der vorhandenen Wohnbebauung sind vor der erstmaligen Nutzung des Platzes für die Durchführung eines Volksfestes errichtet worden. Hinzu kommt, dass nicht erkennbar ist, dass die in Ziffer 2 Abs. 4 der Freizeitlärm-Richtlinie vorausgesetzten verhältnismäßigen Emissionsminderungsmaßnahmen durchgeführt sind. So ist z.B. eine Reduktion der Beeinträchtigungen durch den Einbau von Schallbegrenzern in die genutzten Lautsprecheranlagen möglich, wovon auch in der Volksfestzeitung 2002 ausgegangen wird, die in Zusammenarbeit mit dem ...Volksfestkomitee und dem Schaustellerverband ...u.U. herausgegeben wird. Auch das vorliegende Gutachten von Prof. Dr.-... nennt Möglichkeiten der Verminderung der Geräuscheinwirkungen.

Dem Gutachten von Prof. Dr.-... ist zu entnehmen, dass für die Wohnungen der Kläger hauptsächlich bei Ostwind mit Richtwertüberschreitungen zu rechnen ist. Derartige Wetterlagen werden von dem Gutachter als selten angesehen. Er geht davon aus, dass bei 17 Veranstaltungstagen bei der typischen Wetterlage in ... nach der Statistik weniger als 10 Tage ungünstige Schallausbreitungsbedingungen vorliegen. Diese Annahme kann jedoch nicht zur Anwendung der Ziffer 4.4 Abs. 1 der Freizeitlärm-Richtlinie und den dort genannten gegenüber Ziffer 4.1 der Freizeitlärm-Richtlinie erhöhten Immissionsrichtwerten für seltene Störereignisse führen. Ziffer 4.4 Abs.1 der Freizeitlärm-Richtlinie setzt für die Annahme eines seltenen Störereignisses voraus, dass eine Anlage trotz Einhaltung des Standes der Lärmminderungstechnik nur in seltenen Fällen oder über eine begrenzte Zeitdauer, aber an nicht mehr als zehn Tagen oder Nächten eines Kalenderjahres und in diesem Rahmen auch nicht an mehr als zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden einen relevanten Beitrag zur Überschreitung der Immissionsrichtwerte nach Ziffer 4.1 verursacht. Es kann hier dahin stehen, ob diese Regelung einem möglichen Anspruch der Kläger auf ein aufsichtliches Einschreiten der Beklagten entgegensteht, soweit die nach Ziffer 4.1 einzuhaltenden Immissionsrichtwerte nur in selten Fällen überschritten werden, die Regelung der Ziffer 4.4 Abs. 1 führt vorliegend jedoch nicht zu einer Erhöhung der grundsätzlich und während der Dauer der Nutzung des Platzes zu Volksfestzwecken hinzunehmenden Beeinträchtigungen, da nicht feststeht, dass es sich um ein seltenes Störereignis im Sinne der Ziffer 4.4 Abs. 1 handelt. Von einem seltenen Ereignis in diesem Sinne kann nur dann ausgegangen werden, wenn aufgrund des Genehmigungsinhaltes - hier insbesondere aufgrund der festgelegten Dauer der Veranstaltung - oder anderer feststehender Umstände keine Unsicherheiten darüber bestehen, ob eine die Immissionsrichtwerte nach Ziffer 4.1 überschreitende Beeinträchtigung an nicht mehr als zehn Tagen oder Nächten eines Kalenderjahres und in diesem Rahmen auch nicht an mehr als zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden auftritt. Vorliegend ist jedoch ungewiss, wie häufig und an welchen Tagen es zu Immissionsrichtwertüberschreitungen kommt, da dies nach dem vorliegenden Gutachten wesentlich von den Wetterbedingungen beeinflusst wird. Auch wenn es statistisch als eher unwahrscheinlich erscheint, dass Immissionsrichtwertüberschreitungen über den in Ziffer 4.4 Abs.1 genannten Rahmen hinaus auftreten, ist dies nicht auszuschließen, so dass die dort genannten erhöhten Richtwerte nicht zugrunde gelegt werden können. Hinzu kommt, dass Ziffer 4.4 Abs. 1 voraussetzt, dass der Stand der Lärmminderungstechnik eingehalten wird. Hiervon kann angesichts der bestehenden Möglichkeit, zumindest den mit der Lautsprechernutzung verbundenen Lärm zu reduzieren, nicht ausgegangen werden. Da es sich bei dem Volksfest demnach nicht von vornherein um ein seltenes Störereignis handelt, scheidet auch die in Ziffer 4.4. Abs. 2 der Freizeitlärm-Richtlinie vorgesehene Möglichkeit aus, im Einzelfall zu prüfen, ob den Betroffenen für diese Zeit eine über die Immissionsrichtwerte nach Ziffer 4.1 hinausgehende Belastung zugemutet werden kann.

Den Klägern obliegen auch keine erhöhten Duldungspflichten im Hinblick auf die Sozialadäquanz und die Tradition des Volksfestes. Zwar können einem Lärmbetroffenen unter Umständen besondere Duldungspflichten erwachsen, wenn bestimmte Lärmereignisse sich im Rahmen des sozial Üblichen und allgemein Akzeptierten bewegen. Das gilt auch für Lärmstörungen, die von gelegentlich veranstalteten Volksfesten und Jahrmärkten ausgehen (vgl. OVG Bremen, Urteil vom 14.11.1995 - 1 BA 13/95 - NVWZ-RR 1997, 165; VG Meiningen, Urteil vom 6.9.2000 - 5 E 708/00.Me - GewArch 2001, 86). Dem trägt die Freizeitlärm-Richtlinie in Ziffer 4.4 Abs. 2 Rechnung, indem sie ausführt, dass bei seltenen Ereignissen im Einzelfall zu prüfen ist, ob den Betroffenen für diese Zeit eine über die Immissionsrichtwerte nach Ziffer 4.1 hinausgehende Belastung zugemutet werden kann. Dabei sind u.a. die Bedeutung des Ereignisses auch in traditioneller, volkstümlicher und touristischer Hinsicht zu berücksichtigen. Um ein seltenes Ereignis handelt es sich vorliegend nicht, eine Erweiterung der Berücksichtigung der genannten Umstände zur Begründung einer erhöhten Duldungspflicht über den Bereich der seltenen Ereignisse hinaus ist angesichts dieser Regelung und der bei einer Veranstaltungsdauer von 17 Tagen nicht unerheblichen Gesamtbelastung nicht sachgerecht. Im Hinblick auf die von der Beklagten geltend gemachte Tradition des Volksfestes ist darauf hinzuweisen, dass Volksfeste und Jahrmärkte im Laufe der Jahrzehnte ihr Erscheinungsbild einschneidend verändert haben. Moderne Karussell- und Beschallungstechnik ermöglichen in zuvor nicht bekannter Weise die Erzeugung von Lärm, wobei der Lärmeffekt gerade auch gezielt eingesetzt wird (vgl. OVG Bremen, aaO; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.4.2003 - 8 A 11903/02.OVG-zur Entwicklung bei Musikveranstaltungen). Angesichts dieser Entwicklung kann im Hinblick auf die für die Anwohner eines Volksfestplatzes gegebene Lärmbeeinträchtigung gerade nicht von einer Tradition gesprochen werden, so dass hiermit - außer bei seltenen Ereignissen - eine Duldungspflicht über die in Ziffer 4.1 der Freizeitlärm-Richtlinie genannten Immissionsrichtwerte nicht begründet werden kann. Die Kläger haben demnach einen Anspruch auf Einhaltung der in Ziffer 4.1 der Freizeitlärm-Richtlinie genannten Immissionsrichtwerte, der zu dem von ihnen geltend gemachten Unterlassungsanspruch führt.

Soweit sich der Rechtsstreit durch übereinstimmende Erklärungen erledigt hat, ist über die Kosten des Verfahrens gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dem entspricht es, den Beteiligten hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils des Rechtsstreits die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte aufzuerlegen, da der Ausgang des Verfahrens bei einer streitigen Entscheidung hinsichtlich des mit dem ursprünglichen Antrag zu 1. geltend gemachten Anspruchs als offen anzusehen wäre. Hinsichtlich des Teil des Rechtsstreits, der nach der teilweisen Erledigung noch Gegenstand des Verfahrens ist, beruht die Kostenentscheidung auf § 154 Abs. 1 VwGO, so dass sich unter Berücksichtigung der jeweiligen Streitwertanteile die aus dem Tenor ersichtliche Kostenquote ergibt. Das Urteil ist nur hinsichtlich der Kostenentscheidung für vorläufig vollstreckbar zu erklären, da § 167 Abs. 2 VwGO entsprechend auf ein Urteil anzuwenden ist, mit welchem zum Unterlassen einer hoheitlichen Tätigkeit auch ohne vorhergehenden Erlass eines Verwaltungsaktes verurteilt wird (OVG Lüneburg, Urteil vom 30.8.1989 - 12 L 85/89 - NVwZ 1990, 275; VGH Mannheim, Beschluss vom 24.3.1999 - 9 S 3012/98 - DVBl. 1999, 992; Pietzner in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 167 Rn. 135; Heckmann in Nomos-Kommentar zur VwGO, § 167 Rn. 21; Wolfrum, Tiefflüge vor den Verwaltungsgerichten: Anmerkungen zu Urteilen des VG Darmstadt und des VG Oldenburg, NVwZ 1990, 237, 240; a.A.: Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. § 167 Rn. 11). Die Nebenentscheidungen beruhen im Übrigen auf § 167 VwGO i.V. mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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