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Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 12.08.2003
Aktenzeichen: 14 A 138/03
Rechtsgebiete: AsylVfG, LAufnG, AuslAufnVO


Vorschriften:

AsylVfG § 50 Abs 4
AsylVfG § 51 Abs 1
LAufnG § 1 Abs 1
LAufnG § 3 Abs 1 Nr 5
AuslAufnVO § 6 Abs 2
AuslAufnVO § 7
1. Die Regelungen über das Zuweisungsverfahren nach § 50 AsylVfG gelten sinngemäß für einen Antrag auf Umverteilung.

2. Die durch Verwaltungsakt zu treffende Entscheidung über den Umverteilungsantrag steht im weiten behördlichen Ermessen. Bei der Ermessensbetätigung sind sowohl die in § 50 Abs. 4 als auch die in § 51 AsylVfG genannten Belange sowie die Grundrechte und das Willkürverbot zu berücksichtigen.

3. Familiäre Bindungen außerhalb der geschützten Kernfamilie sind allenfalls dann zu berücksichtigen, wenn zusätzliche erhebliche Umstände unter humanitären Gesichtspunkten eine Gleichstellung gebieten.


SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES VERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 14 A 138/03

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Umverteilung

hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht - 14. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 12. August 2003 durch die Richterin am Verwaltungsgericht Nordmann als Einzelrichterin für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der Vollstreckungsschuld abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Der ... 1957 geborene Kläger ist georgischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben ... 2002 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Antrag auf Gewährung politischen Asyls, woraufhin er in der Erstaufnahmeeinrichtung des beklagten Amtes ... untergebracht wurde. Nach Ablehnung des Asylantrages und dagegen gerichteter Klageerhebung am 10.06.2002 (im Verfahren 14 A 160/02) teilte das beklagte Amt mit Schreiben vom 25.07.2002 mit, dass der Kläger nunmehr der Unterkunft in N. zugewiesen sei; mit weiteren Schreiben vom 07.11.2002 wurde mitgeteilt, dass man den Kläger in den Zuständigkeitsbereich des Kreises S. verteilt habe. Mit Verfügung vom 12.11.2002 wurde der Kläger schließlich vom Kreis S. verpflichtet, seinen Wohnsitz in der Gemeinde H. zu nehmen.

Am 12.02.2003 beantragte der Kläger beim beklagten Amt, die Zuweisungsverfügung vom 07.11.2002 aufzuheben und ihn der Landeshauptstadt Kiel zuzuweisen. Zur Begründung machte er sonstige humanitäre Gründe im Sinne der §§ 50, 51 AsylVfG geltend. Er befinde sich in einer instabilen gesundheitlichen Situation. In Folge heftiger Gefühle von Einsamkeit komme es zu teils starken psychosomatischen Folgen wie Herzrasen mit nachfolgender Todesangst sowie Übelkeit und Brechreiz. In der weiteren Folge leide er an depressiven Schüben und starken Kopfschmerzen. In der Asylunterkunft in H. fühle er sich nicht wohl und sie sei für ihn wenig geeignet, weil dort fast ausschließlich Muslime lebten, während er selbst strenggläubiger Anhänger der russisch-orthodoxen Kirche sei. Gottesdienste seiner Religionsgemeinschaft könne er im schleswig-holsteinischen Bereich ausschließlich in Kiel wahrnehmen. Zu diesem Zweck habe er zwar an dem einen oder anderen Samstag auch schon Ausgang erhalten, müsse dann allerdings mit dem Bus nach E. fahren und von dort mit dem Zug nach Kiel, was bei erheblichen Fahrzeiten zu einem Beförderungsentgelt von insgesamt ca. 30,00 € führe. Dies sei bei seinen Einkommensverhältnissen als Asylbewerber nicht zumutbar. In Kiel lebe zudem eine ehemalige Nachbarin aus seinem Heimatdorf in Georgien, die mit der Familie des Klägers eng befreundet sei. Sie studiere in Kiel und sei sein einziger Bezugspunkt.

Nach dem unbestrittenen Vortrag des beklagten Amtes verdient der Kläger zusätzlich zu den Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz durch gemeinnützige Arbeit wöchentlich ca. 19,00 €. Eine Bahnfahrt von E. nach Kiel und zurück mittels einer Tageskarte kostet 20,30 € und eine Bahnfahrt von E. nach Hamburg und zurück mittels einer Tageskarte 13,00 €. An anderen Orten im Kreis S. leben zur Zeit weitere ca. 13 georgische Staatsangehörige, von denen mindestens neun Personen christlichen Glaubens sind. Zudem sind dem Kreis nach entsprechender Aufnahmequote auch Spätaussiedler zugewiesen, zu ca. 30 % russisch-orthodoxen Glaubens. In den letzten zehn Jahren wurden dem Kreis insgesamt ca. 3.500 Spätaussiedler zugewiesen, zu denen im Jahr 2003 weitere 100 bis 200 Spätaussiedler gekommen sind. Außerdem leben im unmittelbar angrenzenden Kreis ... weitere georgische Staatsangehörige und Personen russisch-orthodoxen Glaubens.

Die vom beklagten Amt beteiligte Landeshauptstadt Kiel stimmte der Umverteilung nicht zu, weil kein Fall einer Familienzusammenführung oder sonstige humanitäre Gründe vergleichbaren Gewichts vorlägen. Wenn der Kläger sich in seiner bisherigen Unterkunft nicht wohlfühle, könne eine Verbesserung durch einen kreisinternen Wechsel herbeigeführt werden. Mit der erwähnten Bezugsperson sei er nicht einmal entfernt verwandt; zudem sei sie bereits vier Jahre vor dem Kläger in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, so dass eine derart enge Bindung nicht bestehen könne.

Darauf hin lehnte das beklagte Amt mit Bescheid vom 07.03.2003 den Umverteilungsantrag ab. Bei der Zuweisung von Asylbewerbern sei gemäß § 50 Abs. 4 AsylVfG lediglich die Haushaltsgemeinschaft von Ehegatten sowie Eltern und ihren Kindern unter 18 Jahren zu berücksichtigen. Um Bindungen an weiter entfernte Verwandte zu berücksichtigen, müsse in dieser Beziehung eine vergleichbare Angewiesenheit bestehen, wie sie zwischen den in § 50 Abs. 4 AsylVfG genannten Personen regelmäßig zu finden sei. Eine solche Beziehung sei zu der Studentin in Kiel nicht dargelegt. Im Kreis S. lebten darüber hinaus sowohl genügend weitere georgische Staatsangehörige als auch Anhänger der russisch-orthodoxen Kirche, zu denen der Kläger Kontakt suchen könne. Dem Kläger sei daher vorrangig eine Unterbringung in einer anderen Gemeinde innerhalb des Kreises mit guter Sozialstruktur und Verkehrsanbindung zu empfehlen. Eine hinreichende Religionsausübung aus dem Kreis S. heraus sei zwar mit einem entsprechenden zeitlichen und finanziellen Aufwand verbunden, jedoch durchaus noch zumutbar. Die zuständige Ausländerbehörde könne zudem eine Erlaubnis erteilen, um den zugewiesenen Aufenthaltsbereich vorübergehend zu verlassen oder sich allgemein in dem angrenzenden Bezirk der Ausländerbehörde aufzuhalten. Das öffentliche Interesse an einer zügigen und gleichmäßigen Verteilung von Asylbewerbern sei daher höher anzusehen als das private Interesse an einer Umverteilung. Der Bescheid wurde dem Kläger am 11.03.2003 persönlich zugestellt; der Verfahrensbevollmächtigte erhielt eine Abschrift.

Dagegen hat der Kläger am 25.03.2003 Klage erhoben und seine bisherige Begründung vertieft. Neben den strengen Voraussetzungen des § 50 Abs. 4 AsylVfG sei schon nach dem Wortlaut ergänzend auf die Vorschrift des § 51 AsylVfG abzustellen, der auch sonstige humanitäre Gründe für eine Umverteilung ausreichen lasse. Seine dargestellte Bindung zu der Kieler Studentin sei als gleichwertig einzustufen, weil man sich seit deren Geburt im georgischen Heimatdorf kenne und dort ununterbrochen als Nachbarn gelebt habe. Zwischen den Familien bestehe eine tiefe Freundschaft. Die Uroma der Studentin sei ebenfalls eine ..., während der Vater des Klägers ein Neffe dieser Uroma sei. Selbst wenn es sich hierbei nicht um die "Kernfamilie" im Sinne des § 50 Abs. 4 AsylVfG handele, komme der Beziehung in Anbetracht der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers und der unübersehbaren Störung in der Möglichkeit zur Religionsausübung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung eine erhebliche Bedeutung zu. Zum Beweis der gesundheitlichen und insbesondere seelischen Beeinträchtigungen überreicht der Kläger ein ärztliches Attest eines Allgemeinmediziners vom 26.06.2003, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (...). Laut vorgelegter schriftlicher Mitteilung des Vorstehers der russisch-orthodoxen Gemeinde in Kiel ist diese die erste und momentan einzige russisch-orthodoxe Gemeinde sowohl in Kiel als auch in Schleswig-Holstein. Die Zuweisung in die Kleinstgemeinde H. stelle sich für den Kläger als fatal heraus. Das beklagte Amt räume selbst ein, dass sich in der Gemeinde zur Zeit außer dem Kläger kein weiterer georgischer Asylbewerber und kein einziger Asylbewerber christlichen Glaubens aufhalte. Eine Verweisung auf eine zumutbare Religionsausübung in Hamburg erscheine untunlich, da es ihm als schüchternen und sprachlich ungewandten Georgier zur Zeit noch wesentlich leichter falle, sich in einer Stadt zurecht zu finden, in der er auf den persönlichen Beistand einer ihm nahestehenden Landsmännin zurückgreifen könne.

Der Kläger beantragt,

die Zuweisungsverfügung vom 07.11.2002 sowie den Bescheid des beklagten Amtes vom 07.03.2003 aufzuheben und dieses zu verpflichten, den Kläger der Landeshauptstadt Kiel zur Aufnahme und Unterbringung zuzuweisen.

Das beklagte Amt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Zuweisungsverfügung vom 07.11.2002 sei nicht nur rechtmäßig, sondern auch bestandskräftig. Darüber hinaus habe der Kläger keinen Anspruch auf Umverteilung. Unter Bezugnahme auf den Inhalt des Bescheides vom 07.03.2003 wird ausgeführt, dass es sich bei der vom Kläger geltend gemachten Einsamkeit um eine Tatsache handele, unter der alle Asylbegehrenden in mehr oder minder starker Form zu leiden hätten. Sie sei deshalb nicht geeignet, einen humanitären Grund von vergleichbarem Gewicht i.S.d. § 51 Abs. 1 AsylVfG zu begründen, selbst wenn man dabei die geltend gemachte verwandtschaftliche Beziehung zu der Kieler Studentin berücksichtige. Diese sei nicht vergleichbar mit einer Beziehung zwischen Eltern und minderjährigen Kindern oder unter Eheleuten. Der Kläger sei nicht unabdingbar auf die Hilfe und den Beistand dieser entfernten Verwandten angewiesen. Hinsichtlich der Religionsausübung könne es nicht darauf ankommen, ob es sich bei den im Kreisgebiet lebenden Georgiern ebenfalls um Asylbewerber handele oder bei den russisch-orthodox Gläubigen ebenfalls um georgische Staatsangehörige. Zudem gebe es in Hamburg eine größere russisch-orthodoxe Gemeinde, die der Kläger mit erheblich geringerem zeitlichen und finanziellen Aufwand erreichen könne. Unter den geschilderten Umständen sei auch nicht nachvollziehbar, dass die Religionsausübung wegen des erforderlichen Beförderungsentgeltes unmöglich sein solle.

Die Kammer hat die Sache der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Vorgang des beklagten Landesamtes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, soweit sie sich als Verpflichtungsklage gegen den ablehnenden Bescheid vom 07.03.2003 wendet und auf eine Verpflichtung des beklagten Amtes auf Umverteilung des Klägers nach Kiel gerichtet ist. Eine Anfechtung der zuvor ergangenen Zuweisungsverfügung vom 07.11.2002 ist hingegen unzulässig, da dieser Bescheid bestandskräftig geworden ist. Die Bestandskraft stünde einer antragsgemäßen Umverteilung auch nicht entgegen, da die bislang erfolgten Zuweisungen lediglich aufgrund öffentlichen Interesses und ohne Anhörung oder gar Prüfung individueller Interessen erfolgt waren und es deshalb auch keines Wiederaufnahmeverfahrens im Sinne des § 51 VwVfG bedarf (vgl. Marx, Kommentar zum AsylVfG, 5. Aufl., 2003, § 50 Rd.-Nr. 56 ff.).

Soweit die Klage zulässig ist, ist sie allerdings unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Verpflichtung des Amtes zur Umverteilung oder Neubescheidung seines Antrages auf Umverteilung, § 113 Abs. 5 VwGO.

Rechtsgrundlage der angegriffenen Entscheidung ist § 50 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 4 AsylVfG. Danach werden Asylbewerber, die nicht mehr verpflichtet sind, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, landesintern von der zuständigen Landesbehörde in schriftlicher Form gemäß landesrechtlichen Regelungen verteilt, wobei die Haushaltsgemeinschaft von Ehegatten und ihren Kindern unter 18 Jahren zu berücksichtigen ist. Diese Regelungen gelten auch für den Kläger, der nach Ablauf von drei Monaten nach Stellung des Asylantrages nicht mehr verpflichtet war, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen (§ 47 Abs. 1 AsylVfG). Mit umfasst von der Zuweisungsverfügung nach § 50 Abs. 4 AsylVfG ist auch das Verfahren einer nachträglichen Umverteilung, wenn der Asylbewerber nach Erlass einer Zuweisungsentscheidung die Veränderung der Aufenthaltsbestimmung beantragt (Marx aaO., Rd.-Nr. 44 und 59 m.w.N.).

Das beklagte Amt ist gemäß § 50 Abs. 2 AsylVfG iVm. § 1 Abs. 1 Satz 1 und § 3 Abs. 1 Nr. 5 des Gesetzes über die Aufnahme von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern sowie ausländischen Flüchtlingen (LAufnG v. 23.11.1999, GVOBl., 391) und § 6 Abs. 2 der Landesverordnung zur Regelung von Aufgaben und Zuständigkeiten der Ausländerbehörden und bei der Aufnahme von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlerin sowie ausländischen Flüchtlingen (AuslAufnVO v. 19.01.2000, GVOBl., 101) zuständig für die Erstaufnahme sowie die Verteilung und Zuweisung von Asylbegehrenden im Sinne des AsylVfG auf die Kreise und kreisfreien Städte, wobei § 7 Abs. 1 AuslAufnVO einen bestimmten Verteilerschlüssel vorsieht.

Nach § 7 Abs. 3 Satz 1 AuslAufnVO sind bei der Zuweisung die Haushaltsgemeinschaft von Ehegatten und ihren minderjährigen Kindern ebenso zu berücksichtigen wie die Belange alleinstehender Frauen und ihrer Schutzbedürfnisse, während andere Belange wie die Möglichkeit der Eingliederung in das berufliche, kulturelle und soziale Leben bei Asylbewerbern ausdrücklich gerade nicht zu berücksichtigen sind. Die materiellen Voraussetzungen der landesrechtlichen Vorschriften stimmen insofern mit der Bestimmung des § 50 Abs. 4 Satz 5 AsylVfG überein.

Die durch Verwaltungsakt zu treffende Entscheidung über den Umverteilungsantrag steht im weiten behördlichen Ermessen. Bei der Betätigung dieses pflichtgemäßen Ermessens sind sowohl die in § 50 Abs. 4 als auch die in § 51 AsylVfG genannten Belange zu berücksichtigen, so dass es nicht nur auf die Erhaltung einer Haushaltsgemeinschaft von Ehegatten und ihren minderjährigen Kindern ankommt, sondern auch auf sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht. Darüber hinaus hat die Behörde die Grundrechte des Asylbewerbers, den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG und das daraus folgende Willkürverbot sowie den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu berücksichtigen. Darüber hinaus besteht jedoch kein allgemeiner Anspruch auf fehlerfreier Ausübung des der Behörde eingeräumten Ermessens. Dies ergibt sich auch aus § 55 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG, wonach ein Asylbewerber keinen Anspruch darauf hat, sich in einem bestimmten Bundesland oder an einem bestimmten Ort aufzuhalten. Im öffentlichen Interesse an einer gleichmäßigen Verteilung der mit der Unterbringung von Asylbewerbern verbundenen Lasten auf die Bundesländer und die Gemeinden ist es einem Asylbewerber hiernach regelmäßig zuzumuten, sich an den ihm zugewiesenen Ort aufzuhalten (VG Freiburg, Beschluss v. 19.08.2002 - 2 K 1204/02 - m.w.N., nach Juris; VG Lüneburg, Urteil v. 14.05.1997 - 1 B 35/07 -, InfAuslR 1998, 43; Marx aaO., Rd.-Nr. 65 f., 82 ff. m.w.N.). Der Verpflichtung der Zuweisungsbehörde, ihr so definiertes Ermessen pflichtgemäß auszuüben, steht der Anspruch des Asylbewerbers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seine Zuweisung, d.h. entsprechend dem Zweck der Ermächtigung und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einhaltend, gegenüber (Marx aaO., Rd.-Nr. 63 m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen ist die angegriffene Entscheidung des beklagten Amtes nicht zu beanstanden. Ermessensreduzierende Gesichtspunkte wie etwa das Vorliegen humanitärer Gründe im Sinne des § 51 AsylVfG sind nicht gegeben. Zutreffend haben die Beteiligten erkannt, dass der Gesetzgeber mit der Bestimmung des § 50 Abs. 4 Satz 5 AsylVfG zunächst nur die Kernfamilie schützt. Familiäre Bindungen außerhalb dieses Bereiches können allenfalls dann ausnahmsweise als ein humanitärer Grund von vergleichbarem Gewicht anerkannt werden, wenn zusätzliche erhebliche Umstände eine Gleichstellung unter humanitären Gesichtspunkten gebieten, wie z.B. ein erhebliches Angewiesensein auf eine bestimmte Person (OVG Hamburg, Beschluss v. 30.10.1995 - BsV 162/95 - nach Juris; Marx aaO. Rd.-Nr. 69 ff., 92 ff., 97).

Die vom Kläger insoweit geltend gemachten gesundheitlichen Probleme in Folge der bestehenden Einsamkeit in H. sowie die dargelegten Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Religionsausübung können weder für sich betrachtet noch gemeinsam als so erhebliche Umstände eingeordnet werden, dass hinter ihnen das beschriebene öffentliche Interesse an einer lastengleichen Verteilung der Asylbewerber zurückzutreten hätte.

Grundsätzlich ist anerkannt, dass die zuständige Behörde bei der Verteilung auch gesundheitliche Gründe der einzelnen Asylbewerber zu berücksichtigen und dabei sicherzustellen hat, dass am gewählten Aufenthaltsort eine ausreichende medizinische Versorgung gewährleistet ist. Ist letzteres der Fall, kommt eine Umverteilung entgegen der bisherigen Zuweisung allerdings nur in Frage, wenn sich der Asylbewerber darauf beruft, mit einem Verwandten zusammenleben zu wollen, auf dessen Lebenshilfe er aus gesundheitlichen Gründen angewiesen ist bzw. dass der Heilungsprozess durch die Nähe von Familienangehörigen erleichtert und verbessert werde. So schließt etwa eine psychosomatisch optimale Behandlung häufig das familiäre Umfeld mit ein, weil gerade das Alleinsein und die mangelnden Kontaktmöglichkeiten in einem solchen Fall eine schlechte Prognose beinhalten (vgl. VG Leipzig, Urteil v. 22.11.1999 - 6 K 30559/99 -, NVwZ-RR 2000, 323; VG Lüneburg aaO.). Zur Abgrenzung gegenüber weniger gewichtigen humanitären Gründen muss sich der Krankheitszustand jedoch in wesentlicher Hinsicht von dem anderer Flüchtlinge unterscheiden. Ergeben sich aus einem vorgelegten Attest keine Anhaltspunkte für eine Pflegebedürftigkeit und ist die angegriffene psychische Befindlichkeit vor allem auf die sprach- und kulturfremde Umgebung zurückzuführen, befindet sich der Asylbewerber in der Regel in der typischen Situation anderer alleinstehender Flüchtlinge, denen die Eingewöhnung in das Leben im Bundesgebiet ebenfalls Schwierigkeiten und in psychischer Hinsicht Probleme bereitet. Der die Umverteilung begehrende Asylbewerber muss deshalb je nach Grad und Verlauf der psychischen Krankheit nicht nur darlegen, dass sich seine individuelle Situation von der typischen Situation unterscheidet, der alle alleinstehenden Asylbewerber unterliegen, sondern darüber hinaus auch besondere Gründe, die es nahe legen, dass durch die Zuweisung irreparable psychische oder körperliche Leiden hervorgerufen werden. Das Leiden muss zudem seiner Natur nach eines von Dauer sein. Eine solche besondere Belastung soll etwa dann dargetan sein, wenn sich der Asylbewerber in Folge seines Gesundheitszustandes in einer permanenten depressiven psychischen Lage befinde und deshalb besonders auf die Unterstützung und Lebenshilfe der bereits hier lebenden und an die Lebensverhältnisse gewöhnten Verwandten angewiesen sei oder wenn sich ein Asylbewerber nachweislich in einer schlechten gesundheitlichen, durch Depressionen, Unruhezustände und Schlafstörungen gekennzeichneten Verfassung befinde und aufgrund der vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen zur Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der Gesundheit der Betreuung und Pflege durch eine Angehörige bedürfe. Zur Glaubhaftmachung dieser Umstände bedarf es eines detaillierten ärztlichen Attestes, welches neben dem psychischen Leiden gerade bestätigt, dass ein solches Angewiesensein auf die Nähe von Familienangehörigen besteht (VG Leipzig und VG Lüneburg aaO.; Marx aaO. Rd.-Nr. 88 ff. m.w.N.).

Diesen Anforderungen wird der Vortrag des Klägers nicht gerecht. Nach seinem eigenen Vortrag sind die behaupteten psychosomatischen Folgen vor allem auf die Einsamkeit in der Unterkunft H. zurückzuführen, weshalb sich die Zuweisung nach H. für ihn als fatal herausstelle und er nach Kiel umverteilt werden möchte. Das Problem der Einsamkeit wird sich nach dem unbestrittenen Vortrag des beklagten Amtes und des zutreffenden Hinweises der Landeshauptstadt Kiel allerdings vorrangig dadurch lösen lassen, dass der Kläger versucht, innerhalb des Kreises S. eine Umverteilung zu erreichen, da sich im übrigen Kreisgebiet sehr wohl georgische Staatsangehörige und auch Angehörige seines Glaubens aufhalten, auch wenn der Kläger zu ihnen noch keinen Kontakt gefunden hat. Eine kreisübergreifende Umverteilung nach Kiel ist insoweit nicht erforderlich. In Anbetracht des beschriebenen Gesundheitszustandes und des Inhalts des eingereichten Attestes kann ferner nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger zwecks Heilung oder jedenfalls Besserung seines Gesundheitszustandes gerade auf die Nähe, auf die Unterstützung und Lebenshilfe der Kieler Studentin angewiesen ist. Der gebotene kausale Zusammenhang zwischen der Nähe zu einer bestimmten Person und einem etwaigen Heilungsprozess ist nicht dargetan. Nach den eigenen klägerischen Bekundungen ist es mehr die allgemeine Nähe zu Landsleuten und/oder Gleichgläubigen die ihm fehlt, während das ärztliche Attest ausschließlich auf die Möglichkeit des praktizierten Glaubens und des Kirchenbesuchs verweist, um die Krankheit zu bewältigen. Unbestritten ist darüber hinaus, dass dem Kläger in Hamburg in einer deutlich geringeren Entfernung und damit zu einem deutlich geringeren Fahrpreis die Möglichkeit offen stünde, den Gottesdienst der dort ansässigen russisch-orthodoxen Gemeinde zu besuchen. Die wöchentlichen Fahrten könnte er nach ebenfalls unbestrittenen Angaben des beklagten Amtes durch sein zusätzliches Einkommen aufgrund gemeinnütziger Arbeit finanzieren, selbst wenn er die Strecke von H. nach E. nicht mit dem Fahrrad, sondern mit dem Bus fahren sollte. Die unter diesen Umständen verbleibenden zeitlichen und finanziellen Aufwendungen dürften dem Kläger durchaus zumutbar sein und ihn in seinem Grundrecht auf ungestörte Religionsbetätigung nicht beeinträchtigen.

Die Klage kann nach alledem keinen Erfolg haben. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Sie ist gemäß § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO vorläufig vollstreckbar.

Ende der Entscheidung

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