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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 21.08.2002
Aktenzeichen: 14 B 53/02
Rechtsgebiete: VwGO, AuslG, BVFG, GG


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5
AuslG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
AuslG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
AuslG § 19 Abs. 1 S. 2
AuslG § 55 Abs. 2
BVFG § 27 Abs. 2
GG Art. 6
1. § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AuslG verlangt, dass die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens zwei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden haben muss. Dabei kommt es weder auf die Gesamtehezeit noch auf hypothetische Geschehensabläufe an.

2. Die besondere Härte i.S.d. § 19 Abs. 1 S. Nr. 2 und S. 2 AuslG liegt vor, wenn der Ehegatte bei Rückkehr in das Herkunftsland ungleich härter getroffen wird als andere Ausländer, die nach kurzen Aufenthaltszeiten Deutschland verlassen müssen. Die Regelung soll v.a. solche besonderen Nacheilen begegnen, die sich bei Rückkehr in die Heimat gerade wegen der Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft ergeben.

3. Ein laufendes Aufnahme- oder Einbeziehungsverfahren nach den §§ 26 ff BVFG eines bereits in Deutschland befindlichen Ausländers begründet weder nach dem BVFG noch nach dem AuslG einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung oder einer Duldung. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn das Spätaussiedlerverfahren sonst nicht wirkungsvoll weiter betrieben werden könnte oder nach einer günstigen Entscheidung eine endgültige Wiedereinreise unmöglich wäre.

4. Es ist grundsätzlich nicht Aufgabe der Ausländerbehörde oder des Gerichts, in einem ausländerrechtlichen Verfahren die Erfolgsaussichten eines Härtefall-Einbeziehungsantrages nach § 27 Abs. 2 BVFG zu prüfen. Dies schließt jedoch nicht aus, dass ein bestimmter Lebenssachverhalt sowohl die Voraussetzungen einer besonderen Härte i.S.d. § 27 Abs. 2 BVFG als auch die Voraussetzungen zur Erteilung eines Aufenthaltstitels oder zumindest einer Duldung erfüllt.


SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES VERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

Az.: 14 B 53/02

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung

- Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung -

hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht - 14. Kammer - am 21. August 2002 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Der Streitwert wird auf 4.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der 1974 geborene Antragsteller ist kasachischer Staatsangehöriger deutscher Volkszugehörigkeit. Er heiratete 1996 in Kasachstan und reiste gemeinsam mit seiner Ehefrau und ihrer Familie im Rahmen eines Aufnahmeverfahrens als sonstiges Familienmitglied nach § 8 Abs. 2 BVFG mit einem Aussiedlungsvisum am 28.04.2001 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Seine Ehefrau ist als Abkömmling eines Spätaussiedlers aufgenommen und daher deutsche Staatsangehörige.

Nach seinem Zuzug erhielt der Antragsteller wegen seiner Ehe mit einer Deutschen am 05.07.2001 von der Ausländerbehörde des Antragsgegners eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltserlaubnis. Am 27.12.2001 teilte die Ehefrau des Antragstellers der Ausländerbehörde mit, dass die eheliche Lebensgemeinschaft nicht mehr bestehe. Die Ausländerbehörde teilte dem Antragsteller daraufhin mit, dass sie die Aufenthaltserlaubnis nicht verlängern werde.

Mit Schreiben vom 14.06.2002 beantragte der Antragsteller beim Bundesverwaltungsamt eine nachträgliche Einbeziehung in den mittlerweile erteilten Aufnahmebescheid seiner als Spätaussiedlerin am 02.12.2001 in die Bundesrepublik Deutschland eingereisten Großmutter gem. § 27 Abs. 2 BVFG wegen eines Härtefalls. Zur Begründung machte er geltend, dass es ihm nicht zuzumuten gewesen sei, seine Ehefrau mit ihrer Familie auswandern zu lassen, um selbst möglicherweise noch mehrere Jahre auf die eigene Entscheidung im Rahmen des Familienverbandes zu warten. Zeitgleich und mit Hinweis auf diesen Antrag beantragte der Antragsteller die "Aufrechterhaltung und vorsorgliche Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung".

Mit Bescheid vom 01.07.2002 lehnte der Antragsgegner die begehrte Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung ab und forderte den Antragsteller bis zum 01.10.2002 zur Ausreise auf. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde ihm die Abschiebung nach Kasachstan angedroht. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller nicht mehr in ehelicher Lebensgemeinschaft lebe und auch noch keinen eigenständigen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis erworben habe. Das eingeleitete Verfahren zur Härtefalleinbeziehung zum Aufnahmebescheid der Großmutter sei ebenfalls kein Grund zur Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis, weil er den Ausgang des Verfahrens auch in Kasachstan abwarten könne.

Den dagegen am 31.07.2002 erhobenen Widerspruch begründete der Antragsteller damit, dass er insgesamt während mehr als fünf Jahren in ehelicher Lebensgemeinschaft gelebt und deshalb ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. S. 2 AuslG erworben habe. Die insofern erforderliche besondere Härte liege vor, weil er sich in seiner Heimat zur dauerhaften Ausreise abgemeldet habe und dort über keine sozialen Anknüpfungspunkte mehr verfüge. Er würde auch keinerlei öffentliche Unterstützung erhalten, insbesondere keine Arbeit, Wohnung und Krankenversicherung. Zudem sei das laufende Härtefall-Einbeziehungsverfahren zu berücksichtigen, in dessen Rahmen das Bundesverwaltungsamt mittlerweile Urkunden angefordert habe und das deshalb nicht als aussichtslos bewertet werden könne. Schließlich liege sein weiterer Verbleib auch im öffentlichen Interesse, da er so seine getrennt lebende Ehefrau und seine Großmutter unterhalten könne.

Zugleich hat der Antragsteller unter Bezugnahme auf seine Widerspruchsbegründung bei Gericht um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht und ergänzend darauf verwiesen, dass die übermäßige Dauer der Aufnahmeverfahren nicht zu seinen Lasten gehen dürfe. Bei ordnungsgemäßer Bearbeitung des Antrages und Beachtung des § 75 VwGO und des Art. 19 Abs. 4 GG hätte die eheliche Lebensgemeinschaft des Antragsteller im Bundesgebiet zum Zeitpunkt der Trennung schon zwei Jahre bestanden.

Auf Nachfrage durch den Antragsgegner hat das Bundesverwaltungsamt mit Schreiben vom 07.08.2002 mitgeteilt, dass der Abschluss des Verfahrens zwecks Entscheidung über den Härtefallantrag noch nicht absehbar sei; im Übrigen sei es für dieses Verfahren nicht zwingend erforderlich, dass der Antragsteller im Bundesgebiet wohnhaft sei.

Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 01.07.2002 anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Inhalt des ergangenen Bescheides.

Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Antragsgegners verwiesen.

II.

Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung nebst Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung (§ 72 Abs. 1 AuslG und § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO iVm. § 248 Abs. 1 LVwG) ist zulässig, aber unbegründet.

Die im Rahmen der Begründetheit zu treffende Entscheidung ergeht auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung, die sich wiederum daran orientiert, ob die angefochtene Verfügung bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage offensichtlich rechtmäßig oder rechtswidrig erscheint. Eine offensichtliche Rechtmäßigkeit führt im Fall des gesetzlich angeordneten Sofortvollzuges zur Antragsablehnung. Lässt sich weder die Rechtmäßigkeit noch die Rechtswidrigkeit sicher feststellen, bedarf es zur Entscheidung einer weiteren Interessenabwägung. Vorliegend ist das öffentliche Interesse an einer Durchsetzung der angefochtenen Verfügung höher zu bewerten als das private Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der angefochtenen Verfügung, da der Antragsgegner den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Ergebnis offensichtlich zu Recht abgelehnt hat.

Eine Verlängerung der ursprünglich zur Wahrung der ehelichen Lebensgemeinschaft gem. §§ 17 Abs. 1, 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AuslG erteilten und auf ein Jahr befristeten Aufenthaltserlaubnis kommt nicht in Betracht, weil die eheliche Lebensgemeinschaft unstreitig nicht mehr besteht.

Darüber hinaus weist der Antragsgegner zutreffend darauf hin, dass auch die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis als eigenständiges Aufenthaltsrecht ( § 23 Abs. 3 i.V.m. § 19 AuslG) nicht vorliegen. § 19 Abs. 1 Nr. 1 AuslG verlangt, dass die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens zwei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden haben muss. Dabei kommt es weder auf die Gesamtehezeit noch auf hypothetische Geschehensabläufe an. Es bleibt folglich dabei, dass zu Gunsten des Antragstellers allenfalls von einem ehelichen Zusammenleben im Bundesgebiet während acht Monaten ausgegangen werden kann. Auch § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 i.V.m. S. 2 AuslG in der Fassung vom 25.05.2000 (BGBl. I, S. 742, in Kraft getreten zum 01.06.2000) begründet insoweit keinen Anspruch. Danach wird die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges Aufenthaltsrecht verlängert, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat und es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, dem Ehegatten den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen. Der Tatbestand einer "besonderen" Härte hat den der "außergewöhnlichen" Härte abgelöst und soll nach dem Willen des Gesetzgebers die Voraussetzungen für die Erlangung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts erweitern und erleichtern. Ein eigenständiges Aufenthaltsrecht soll bereits dann erteilt werden, wenn der Ehegatte bei Rückkehr in das Herkunftsland ungleich härter getroffen wird als andere Ausländer, die nach kurzen Aufenthaltszeiten Deutschland verlassen müssen (BT-Drucksache 14/2368, S. 4). § 19 Abs. 1 S. 2 AuslG bestimmt insoweit, dass eine besondere Härte insbesondere dann vorliegt, wenn dem Ehegatten wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht (...). Bei der Definition der schutzwürdigen Belange ist u.a. die besondere Lage der Ehegatten zu berücksichtigen, die ihre Lebensgemeinschaft aufgegeben haben. Die drohenden erheblichen Beeinträchtigungen dieser Schutzgüter müssen durch die Ausreise aus Deutschland infolge der Beendigung des ehebedingten Aufenthaltsrechts verursacht werden (Renner, Kommentar zum AuslG, Nachtrag zur 7. Aufl., § 19 Rd. 17 und 20). Schon nach der alten Rechtslage hat das BVerwG insoweit ausgeführt, dass mit dieser Regelung solchen Härten begegnet werden soll, die sich daraus ergeben können, dass Ausländer bei der Rückkehr in ihre Heimat gerade wegen der Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft besondere Nacheile erleiden (in InfAuslR 1999, 72f m.w.N.).

Der Antragsteller verweist insoweit auf den Umstand, dass er wegen seiner auf Dauer angelegten Übersiedlung in seiner Heimat keine sozialen Anknüpfungspunkte mehr habe und dort keine staatliche Unterstützung erfahre. Dieser Vortrag bleibt in Anbetracht der genannten Anforderungen zu pauschal und unsubstantiiert, um eine Ausnahmesituation anzunehmen, die ihn von anderen rückkehrpflichtigen Ausländern in der selben Situation gravierend unterscheiden würde. Gerade die typischen Folgen der Beendigung des Aufenthalts nach Aufhebung einer das Aufenthaltsrecht vermittelnden Ehe sind nach der Gesetzesintention zumutbar und stellen noch keine ungewöhnlichen und deshalb zu berücksichtigenden Beeinträchtigungen dar (vgl. Renner, a.a.O. Rd. 12; zur Rechtslage bis zum 31.10.1997: BVerwG in DÖV 1997, 835). Selbst wenn der Antragsteller keine Familienangehörigen mehr in Kasachstan haben sollte - was bislang nicht vorgetragen wurde -, ist nichts dafür ersichtlich, dass es ihm als volljährigen männlichen Erwachsenen nicht möglich sein sollte, sich in seiner Heimat eine neue, zumutbare Existenz aufzubauen.

Anderweitige Tatbestände, die eine Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung gebieten würden, sind nicht geltend gemacht. Insbesondere der Umstand des nachträglichen Antrages auf Einbeziehung in den Aufnahmebescheid der Großmutter begründet weder nach dem BVFG noch nach dem AuslG einen solchen Anspruch. Eine allenfalls noch in Betracht kommende Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AuslG scheitert - ähnlich wie die Aufenthaltserlaubnis des § 19 Abs. 1 Nr. 2 AuslG - daran, dass das Verlassen des Bundesgebietes für den Antragsteller keine außergewöhnliche Härte darstellen würde und auch sonst keine dringenden humanitären Gründe ersichtlich sind, die einen Verbleib des Antragstellers gebieten. Sein Vortrag, im Falle seines Verbleibs für den Unterhalt der getrennt lebenden Ehefrau und den der Großmutter sorgen zu können, bleibt zu vage und vermag ein dringendes Interesse i.S.d. Norm kaum zu begründen. Im Übrigen erscheint dies schon deshalb fragwürdig, weil der Antragsteller vorliegend Prozesskostenhilfe beantragt hat und zur Begründung den Bezug von Sozialhilfe nachweist.

Schließlich besteht - quasi als Minus zur begehrten Aufenthaltsgenehmigung - auch kein Anspruch auf Erteilung einer Duldung bis zum Abschluss des Verfahrens nach § 27 Abs. 2 BVFG.

Nach § 55 Abs. 2 AuslG wird einem Ausländer eine Duldung erteilt, so lange seine Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist. Anhaltspunkte für eine tatsächliche Unmöglichkeit der Abschiebung des Antragstellers sind nicht vorgetragen oder sonst erkennbar. Rechtlich unmöglich ist eine Abschiebung, wenn sich aus einfachem Gesetzesrecht, Völker- oder Verfassungsrecht ein zwingendes Abschiebungsverbot ergibt (GK Ausländerrecht, April 2001, § 55 Rd. 18 m.w.N.).

Ein solches Abschiebungsverbot ergibt sich vorliegend weder aus dem vom Antragsteller am 14.06.2002 an das Bundesverwaltungsamt gestellten Antrag auf Aufnahme in den Aufnahmebescheid seiner Großmutter nach § 27 Abs. 2 BVFG noch aus sonstigen Rechtnormen.

Im vorliegenden Rechtsschutzverfahren wg. Versagung der Verlängerung einer ausländerrechtlichen Aufenthaltsgenehmigung oder auch der Erteilung einer Duldung ist es nicht Aufgabe der Ausländerbehörde oder des Gerichts, die Erfolgsaussichten des Härtefall-Einbeziehungsantrages des Antragstellers zu prüfen. Mit dem BVerwG geht die Kammer vielmehr davon aus, dass ein Aufnahmeverfahren nach den §§ 26 ff BVFG den Erlass einer Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung nicht hindert und dass auch ein Antrag nach § 27 Abs. 2 BVFG dem Antragsteller grundsätzlich kein Bleiberecht verleiht (Urteil v. 25.10.1995 - 1 B 131.94 - InfAuslR 1996, 102). Das Vorliegen einer besonderen Härte i.S.d. § 27 Abs. 2 BVFG führt lediglich dazu, dass ein Antrag auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung in einen anderen Aufnahmebescheid ausnahmsweise nicht schon deshalb abgelehnt wird, weil sich der Ausländer entgegen der gesetzlichen Grundkonzeption des BVFG bereits ohne Aufnahmebescheid im Bundesgebiet aufhält (dazu und zu den einzelnen Härtegründen Urteile des BVerwG vom 18.11.1999 - 5 C 6/99 - NVwZ-RR 2000, 468 und - 5 C 4/99 - BVerwGE 110, 106 ff = NVwZ-RR 2000, 467 m.w.N.). Auf welcher rechtlichen Grundlage der Aufenthalt im Bundesgebiet beruht und ob er von Dauer sein wird, muss für das Aufnahmeverfahren und die Härtefallprüfung darüber hinaus schon deshalb irrelevant sein, weil der Antrag gemäß der gesetzlichen Grundkonzeption des BVFG vom Aussiedlungsgebiet zu stellen ist, wo auch der Ausgang des Verfahrens grundsätzlich abgewartet werden muss. So erklärt sich auch die Mitteilung des Bundesverwaltungsamtes gegenüber dem Antragsgegner, dass der Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet zur Durchführung des Einbeziehungsverfahrens nicht erforderlich sei.

Im Rahmen der soeben zitierten Rechtsprechung hat das BVerwG zu § 27 Abs. 2 BVFG weiter ausgeführt, dass der Aufenthalt eines Ausländers im Bundesgebiet aus dem Blickwinkel des BVFG anders zu beurteilen sei als nach dem Ausländergesetz. Einem Ausländer, der sich - wie der Antragsteller - auf ausländerrechtlicher Grundlage für eine Übersiedlung nach Deutschland entscheide und sich hier erlaubt aufhalte, müssten dennoch die negativen vertriebenenrechtlichen Folgen dieser freien Entscheidung zugerechnet werden. Wolle er diese Folgen beseitigen, müsse er in das Aussiedlungsgebiet zurückkehren (BVerwG, Urteil v. 18.11.1999 - 5 C 4/99 - a.a.O.). Auch hieraus ergibt sich für die Kammer im Umkehrschluss, dass ein Ausländer allein aus der Tatsache eines Antrages nach § 27 Abs. 2 BVFG, sei er auch erfolgversprechend gestellt, nach dem AuslG noch keine Rechte für sich ableiten kann.

Für verfassungsrechtlich bedenklich und deshalb auch ausländerrechtlich beachtlich wäre allerdings eine einstweilige Ausreiseverpflichtung des Übersiedlungswilligen zu bewerten, wenn ihm durch die Ausreisepflicht die Möglichkeit genommen oder es ihm jedenfalls wesentlich erschwert würde, sein Spätaussiedlerverfahren nach dem BVFG wirkungsvoll weiter zu betreiben oder bei einer ihm günstigen Entscheidung endgültig wieder in das Bundesgebiet einzureisen (BVerwG Urteil v. 25.10.1999 a.a.O. - m.w.N.). Solche Gründe hat der Antragsteller indes nicht ansatzweise vorgetragen.

Die soeben dargestellte rechtliche Trennung bei der Bewertung des Aufenthalts eines Ausländers im Bundesgebiet schließt es indes nicht aus, dass ein bestimmter Lebenssachverhalt sowohl die Voraussetzungen einer besonderen Härte i.S.d. § 27 Abs. 2 BVFG als auch die Voraussetzungen zur Erteilung eines Aufenthaltstitels oder zumindest einer Duldung erfüllt. So kann ein Ausländer von der genannten Obliegenheit der §§ 26, 27 Abs. 1 BVFG - Antragstellung vom Aussiedlungsgebiet - in atypischen Fällen ausnahmsweise entbunden werden, wenn "es gerade mit Rücksicht auf den genannten Gesetzeszweck übermäßig hart, nämlich unzumutbar oder in hohem Maße unbillig wäre, den Betroffenen darauf zu verweisen, er müsse die Erteilung eines Aufnahmebescheids im Aussiedlungsgebiet abwarten". Darüber hinaus kann eine besondere Härte vorliegen, wenn die angeführte Obliegenheit mit Wertentscheidungen des Grundgesetzes wie z.B. der des Art. 6 GG nicht in Einklang stehen würde (BVerwG a.a.O. und Urteil vom 18.11.1999 - 5 C 4/99 - BVerwGE 110, 106 ff = NVwZ-RR 2000, 467 m.w.N. - konkret hat das BVerwG in dem letztgenannten Verfahren ausgeführt, dass die freie Entscheidung von Eheleuten, gemeinsam im Bundesgebiet zu leben, den besonderen staatlichen Schutz aus Art. 6 GG genießt, wenn einer der Ehepartner Deutscher i.Sd. Art. 116 Abs. 1 GG ist. In diese Entscheidungsfreiheit würde staatlicherseits eingegriffen, wenn der ausländische Ehegatte in das Aussiedlungsgebiet zurückkehren und dort die Entscheidung im Aufnahmeverfahren abwarten müsste. Die Eheleute müssten dann entweder die eheliche Lebensgemeinschaft in Deutschland begründen und auf den Aussiedlerstatus verzichten oder umgekehrt auf nicht absehbare Zeit von einem ehelichen Zusammenleben absehen.).

Nach Maßgabe dieser Rechtsprechung mag der Antragsteller - vertriebenenrechtlich - zwar zutreffend geltend machen, dass von ihm in Anbetracht der bevorstehenden Übersiedlung seiner Ehefrau und der Wertungen des Art. 6 GG nicht erwartet werden konnte, sich auf unabsehbare Zeit von seiner Frau zu trennen, nur um den Ausgang des eigenen Aussiedlungsverfahrens bzw. eines seiner eigenen Familienangehörigen abzuwarten, so dass ihm seine damalige Entscheidung, auf ausländerrechtlicher Basis in das Bundesgebiet überzusiedeln, in Anbetracht der besonderen Wertentscheidung des Grundgesetzes ausnahmsweise nicht zum Nachteil gereichen sollte.

Der Verweis auf Art. 6 GG ist vom Grundsatz her auch ausländerrechtlich von Belang, da sich aus dieser Verfassungsnorm zugleich ein zwingendes Abschiebungshindernis ergeben kann. Für den hier maßgeblichen Zeitpunkt der ausländerbehördlichen bzw. gerichtlichen Entscheidung vermag er allerdings kein Abschiebungsverbot im ausländerrechtlichen Sinne und damit auch keine rechtliche Unmöglichkeit i.S.d. § 55 Abs. 2 AuslG (mehr) zu begründen, nachdem die eheliche Lebensgemeinschaft aufgelöst ist und im Bundesgebiet - soweit ersichtlich und vorgetragen - auch keine sonstigen, in verfassungsrechtlicher Weise zu schützenden familiären Bindungen des Antragstellers bestehen.

Der zu beachtende Schutz von Art. 6 Abs. 1 GG erstreckt sich vorrangig auf Ehegatten und minderjährige Kinder. So wird auch nur diesem Personenkreis vorrangig ein vom aufenthaltsberechtigten Familienmitglied abgeleiteter Rechtsanspruch auf Aufenthaltsrecht eingeräumt (§§ 18, 19, 20, 21, 23 Abs. 1 AuslG). Einem solchen sonstigen Familienangehörigen eines Deutschen kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden (§§ 23 Abs. 4, 22 AuslG). Diese - auch für andere Arten von Aufenthaltsgenehmigungen geltende - gesetzgeberische Wertentscheidung erhöht die Zumutbarkeit von Eingriffen in den Bestand einer familiären Lebensgemeinschaft bei volljährigen Kindern und entfernteren Verwandten dergestalt, dass ihnen, anders als minderjährigen Abkömmlingen, auch aus übergeordneten ausländerrechtlichen Zielsetzungen eine Unterbrechung der familiären Beziehungen zuzumuten ist. Eine familiäre Lebensgemeinschaft zwischen volljährigen Kindern und Eltern oder gar Großeltern begründet eine Familie, die in ihrem verfassungsrechtlichem Kern auf eine Begegnungsgemeinschaft angelegt ist. In einem solchen Fall ist die Versagung eines Aufenthaltsrechts im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG jedenfalls dann unbedenklich, wenn keine Lebensverhältnisse bestehen, die einen über die Aufrechterhaltung der Begegnungsgemeinschaft hinausgehenden familienrechtlichen Schutz - etwa durch Pflegebedürftigkeit - angezeigt sein lassen (BVerfG, Beschluss v. 25.10.1995, DVBl. 1996, 195). Solche Lebensumstände sind indes in Bezug auf die im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen, v.a. die deutsche Großmutter des Antragstellers weder vorgetragen noch in sonstiger Weise ersichtlich, so dass insgesamt auch kein Anspruch auf Erteilung einer Duldung ersichtlich ist.

Soweit der Antragsteller sich zugleich gegen die in dem angefochtenen Bescheid enthaltene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung nach Kasachstan wendet, ist der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ebenfalls unbegründet, da sich auch diese Maßnahmen als offensichtlich rechtmäßig erweisen und deshalb das öffentliche Interesse an der Vollziehung dieser Maßnahmen überwiegt. Der Antragsteller ist gemäß §§ 49 Abs. 1, 42 Abs. 2 AuslG vollziehbar ausreisepflichtig und die Abschiebungsandrohung entspricht den Vorgaben des § 50 Abs. 1 und 2 AuslG. Abschiebungshindernisse nach §§ 51, 53 AuslG sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Wie die vorgenannten Gründe zeigen, konnte unter den gegebenen Umständen auch keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden, das der Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO keine hinreichenden Aussichten auf Erfolg hatte, § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO.

Der Streitwert wurde gemäß §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 S. 2 GKG festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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