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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 17.10.2001
Aktenzeichen: 16 B 78/01
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 32
Eine Anordnung nach § 32 AuslG ist unter Berücksichtigung des zusätzlichen Willens der obersten Landesbehörde und ihrer tatsächlichen Handhabung auszulegen und anzuwenden
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES VERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

Az.: 16 B 78/01

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 VwGO

-Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung-

hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht - 16. Kammer - am 17. Oktober 2001 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.

Der Streitwert beträgt 8.000,-- DM

Gründe:

Der vom Antragsteller gestellte Hauptantrag,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 04.10.2001 und einer eventuell nachfolgenden Anfechtungsklage gegen den Ablehnungsbescheid der Antragsgegnerin vom 27.09.2001 anzuordnen,

ist unzulässig.

Ein Antrag auf Anordnung der gemäß § 72 Abs. 1 AuslG kraft Gesetzes ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage gegen die Ablehnung eines Antrages auf Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist nur statthaft, wenn im Falle der Anordnung der aufschiebenden Wirkung die Duldungs- oder Erlaubnisfiktion des § 69 Abs. 2 oder Abs. 3 AuslG eingreifen würde. Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Die Erlaubnisfiktion des § 69 Abs. 3 AuslG greift nicht ein, weil der Antragsteller nicht mit einem mit Zustimmung der Ausländerbehörde erteilten Visum eingereist ist (§ 69 Abs. 3 Ziffer 1 AuslG) und er sich auch nicht mehr als sechs Monate rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (§ 69 Abs. 3 Ziffer 2 AuslG). Der Antragsteller ist im November 1998 in die Bundesrepublik Deutschland als Asylbewerber eingereist. Sein Antrag auf Gewährung politischen Asyls hatte keinen Erfolg (VG Schleswig, Urteil vom 19.12.2000 - Az.: 16 A 101/00). In der Folgezeit ist der Antragsteller lediglich geduldet worden.

Auch die Duldungsfiktion des § 69 Abs. 2 Satz 1 AuslG greift nicht ein, weil der Antragsteller aufgrund der bestandskräftig gewordenen Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im Ablehnungsbescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 25.02.1999 ausreisepflichtig und nicht ausgereist ist (vgl. § 69 Abs. 2 Satz 2 Ziffer 2 AuslG). Bei dieser Sachlage besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches gegen die Ablehnung des Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis.

Der vom Antragsteller hilfsweise gestellte Antrag,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Abschiebung vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag des Antragstellers auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis auszusetzen,

ist gemäß § 123 VwGO zulässig, jedoch unbegründet. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Änderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Erforderlich ist zum einen das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Notwendigkeit einer Eilentscheidung, und zum anderen das Vorliegen eines Anordnungsanspruches, also eines rechtlichen Anspruches auf die begehrte Maßnahme. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist glaubhaft zu machen.

Ein Anordnungsgrund, d.h. die Eilbedürftigkeit der begehrten Anordnung ist glaubhaft, da der Antragsgegner die Abschiebung des Antragstellers konkret betreibt und er bereits aufgefordert worden ist, sich am 24.10.2001 beim Landesamt für Ausländerangelegenheiten in Neumünster einzufinden, von wo aus seine Ausreise in den Kosovo organisiert werde.

Der Antragsteller hat jedoch das Vorliegen eines Anordnungsanspruches nicht glaubhaft gemacht. Geltend gemachte Rechtsgrundlage für die vom Antragsteller begehrte Aufenthaltsbefugnis ist der Erlass des Innenministers des Landes Schleswig-Holstein vom 20.12.2000. Die "Anordnung nach § 32 AuslG für bestimmte Personengruppen aus dem Kosovo" enthält folgende Regelung:

"Gemäß § 32 AuslG ordne ich daher an:

1. Folgenden Personengruppen wird eine Aufenthaltsbefugnis erteilt, wenn eine Einreise vor dem 24.11.2000 erfolgt ist gemischt-ethnischen Familien und Ehen (mit mindestens einem Angehörigen einer im Kosovo verfolgten Minderheit) aus Gebieten im Kosovo, die keinen spezifischen Minderheiten Schutz gewährleisten."

Aus dieser Regelung kann der Antragsteller jedoch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis herleiten, so dass er auch keinen Anspruch darauf hat, dass der Antragsgegner zur Sicherung dieses Anspruches die Abschiebung vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis aussetzt. Er hat insoweit geltend gemacht, seine Einreise sei vor dem 24.11.2000 erfolgt und er stamme auch aus einer gemischt-ethnischen Familie aus der geteilten Stadt...., für die kein spezifischer Minderheitenschutz gewährleistet werden kann. Der Vater des Antragstellers sei albanischer Volkszugehörigkeit, die Mutter serbischer Herkunft. Die Eltern lebten getrennt. Bei dieser Sachlage stamme er aus einer gemischt-ethnischen Familie im Sinne der Erlassregelung. Es komme nicht darauf an, dass er als Einzelperson in der Bundesrepublik Deutschland sei. Demgegenüber hat der Antragsgegner die Ablehnung im Bescheid vom 27.09.2001 damit begründet, der Antragsteller sei nicht verheiratet und habe auch keine Kinder. Der Status der Personengruppe als Familie oder Eheleute werde von ihm nicht erfüllt. Die Erlassregelung solle nur Personengruppen (nämlich Familien oder Eheleuten) bei Erfüllung weiter Voraussetzungen zugute kommen.

Ob die für die Auslegung von Rechtsvorschriften geltenden Auslegungsregeln wie z.B. die Entstehungsgeschichte der Norm, der Wortlaut der auszulegenden Vorschrift und ihr systematischer Zusammenhang mit anderen Vorschriften mehr für die Auslegung des Antragstellers oder des Antragsgegners sprechen, ist vorliegend ohne rechtliche Bedeutung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich die Kammer anschließt, ist eine Anordnung nach § 32 AuslG nicht wie eine Rechtsvorschrift aus sich heraus, sondern als Willenserklärung der obersten Landesbehörde unter Berücksichtigung des wirklichen Willens des Erklärenden und ihrer tatsächlichen Handhabung, d.h. der vom Urheber gebilligten oder geduldeten tatsächlichen Verwaltungspraxis auszulegen und anzuwenden. Neben der Festlegung der für die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis zu verlangenden Voraussetzungen enthalten Anordnungen nach § 32 AuslG grundsätzlich die an die Ausländerbehörde gerichtete Weisung, bei Erfüllung der Voraussetzungen dem Ausländer eine Aufenthaltsbefugnis zu erteilen. Dadurch wird das der Ausländerbehörde gemäß §§ 30, 31 Abs. 1 AuslG zustehende Ermessen bei der Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis intern gebunden. Gegenüber dem Ausländer bleibt jedoch die von der Ausländerbehörde zu erlassende Entscheidung über die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis eine Ermessensentscheidung. Hieraus ergibt sich, dass der Ausländer aus einer nach § 32 AuslG erlassenen Anordnung keinen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis ableiten kann. Soweit die oberste Landesbehörde Wendungen benutzt, die an Rechtsansprüche erinnern ("wird erteilt"), kennzeichnet dies lediglich den Grad der verwaltungsinternen Bindung. Bei Unklarheiten der Regelung hat die Ausländerbehörde den wirklichen Willen der obersten Landesbehörde - erforderlichenfalls durch Rückfrage - zu ermitteln. Weicht die Ausländerbehörde von der landeseinheitlichen Handhabung der Anordnung ab, so erwächst dem Ausländer aus Art. 3 Abs. 1 GG ein Anspruch auf Gleichbehandlung nach Maßgabe der tatsächlichen Anwendung der Anordnung. Es ist nämlich gerade der Sinn der Regelung, eine einheitliche Anwendung innerhalb des jeweiligen Bundeslandes zu erreichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. September 2000, Az. 1 C 19/99 NVwZ 2001, 210). Dabei hat sich die gerichtliche Nachprüfung, ob dem Anspruch auf Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes entsprochen worden ist, auf den Bereich des Landes Schleswig-Holstein zu beschränken. Der Antragsgegner hat in seiner Antragserwiderungsschrift vom 10.10.2001 darauf hingewiesen, dass ihm das Schleswig-Holsteinische Innenministerium in einem Parallelfall ausdrücklich bestätigt habe, durch den Erlass vom 10.12.2000 seien nur Personen begünstigt, die in der Bundesrepublik Deutschland in einer gemischt-ethnischen Familie lebten, was bei dem Antragsteller nicht der Fall sein. Eine telefonische Rückfrage des Berichterstatters im Innenministerium ergab, dass eine Auslegungspraxis von Ausländerbehörden des Landes Schleswig-Holstein dahingehend, dass auch einzelnen Personen ohne weitere Familienmitglieder in der Bundesrepublik Deutschland eine Aufenthaltsbefugnis nach der zitierten Regelung des Erlasses erteilt wird, nicht bekannt sei. Nach Auffassung des Innenministeriums würden Einzelpersonen von der streitigen Regelung nicht erfasst. Erforderlich sei, dass eine Mehrheit von Personen aus gemischt-ethnischen Familien bzw. Ehen in der Bundesrepublik Deutschland aufhältig seien. Der Erlass habe die Zielrichtung, ein Auseinanderreißen dieser Familienmitglieder bzw. Ehen im Hinblick auf ihre gemischt-ethnische Herkunft und der damit einhergehenden bedrohlichen Sicherheitslage im Kosovo zu verhindern. Diese Auslegung habe man auch in der Vergangenheit bei einer Anfrage gegenüber dem Antragsgegner mitgeteilt.

Bei dieser Sachlage hat weder der Antragsteller eine für ihn günstige andere Auslegungspraxis der Ausländerbehörden des Landes Schleswig-Holstein glaubhaft gemacht noch bestehen Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Auslegung von anderen Ausländerbehörden praktiziert wird.

Der Antrag musste deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abgelehnt werden. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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