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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 26.09.2007
Aktenzeichen: 2 LB 20/07
Rechtsgebiete: KAG SH


Vorschriften:

KAG SH § 8
1. Soweit Teile eines Straßenzuges unterschiedlichen Verkehrsfunktionen dienen und deshalb zu unterschiedlichen Gemeinde- und Anliegeranteilen führen, sind sie ausbaubeitragsrechtlich als verschiedene Einrichtungen zu behandeln (Fortführung v. 2 L 108/96, Urt. v. 24.10.1996).

2. Die Anerkennung einer selbstständigen Einrichtung und eines ausbaubedingten Vorteils kommt auch bei einer Ausbaustrecke von 80 m in Betracht.


SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 2 LB 20/07

verkündet am 26.09.2007

In der Verwaltungsrechtssache

hat der 2. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. September 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht ..., den Richter am Oberverwaltungsgericht ..., die Richterin am Verwaltungsgericht ... sowie die ehrenamtlichen Richter ... und ... für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Einzelrichterin der 9. Kammer - vom 4. August 2006 geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Erhebung eines Ausbaubeitrages für einen Teil der Hertzstraße im Stadtteil D..

Von Mai 1998 bis August 1999 baute die Beklagte anlässlich von Kanalsanierungsarbeiten die parallel zur Helenenstraße verlaufende Georgstraße voll aus und erneuerte in der Hertzstraße Fahrbahn und Gehweg auf dem ca. 80 m langen Teilstück zwischen Georgstraße und Helenenstraße. Die in der Hertzstraße zuvor mit Großpflaster bzw. Schwarzdecke befestigte Fahrbahn erhielt einen ordnungsgemäßen Asphaltdeckenaufbau sowie erstmalig einen Unterbau mit Frostschutzschicht. Der teilweise noch unbefestigte Gehweg wurde durch Verlegung neuer Betonplatten befestigt. Die 27 Jahre alte Beleuchtungsanlage wurde im Rahmen der Fahrbahn- und Gehwegsanierung demontiert und durch eine neue Anlage ersetzt. Schließlich wurden erstmalig gesicherte Parkmöglichkeiten in Form eines Längsparkstreifens mit Straßenbegleitgrün angelegt. Die Baumaßnahme wurde am 22. September 1999 abgenommen. Mit Beschluss vom 05. Juni 2003 legte der Bauausschuss der Beklagten die Hertzstraße zwischen Georgstraße und Helenenstraße mit den von ihr erschlossenen Grundstücken als Abrechnungsgebiet für die Erhebung von Ausbaubeiträgen fest; im Gegensatz zur übrigen Straße sei die Hertzstraße auf diesem Teilstück als Innerortsstraße eingestuft. Innerhalb des so definierten Abrechnungsgebietes liegen 13 Grundstücke.

Mit Bescheid vom 31. Juli 2003 zog die Beklagte die Klägerin zu einem Ausbaubeitrag in Höhe von 5.160,65 € für das Grundstück ... heran. Den dagegen am 21. August 2003 eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass hinsichtlich der Abschnittsbildung und des Abrechnungsgebietes Bedenken bestünden. Die abzurechnende Maßnahme erfasse eine Ausbaulänge von nur 80 m, während ein beitragsrechtlich relevanter "Sondervorteil" erst bei einer Mindestausbaulänge von etwa 100 m Länge begründet werden könne. Es gelte insoweit das "Atomisierungsverbot". Bedenklich sei ferner die Einbeziehung der Kosten der Straßenbeleuchtung in den beitragsfähigen Aufwand. Nach den eingesehenen Unterlagen der Stadtwerke Kiel AG sei durch die ersetzte Straßenbeleuchtung keine Verbesserung, sondern eine lichttechnische Verschlechterung von 600 lm, entsprechend 5,6 % eingetreten.

Mit Bescheid vom 03. Dezember 2003, zugestellt am 08. Dezember 2003, wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Ausgehend vom Einrichtungsbegriff des § 8 Abs. 1 KAG habe auf Grund der unterschiedlichen Verkehrsfunktionen eine Zwangsabschnittsbildung stattgefunden. Bei der Hertzstraße handele es sich überwiegend um eine Anliegerstraße, nur in dem Bereich zwischen Helenen- und Georgstraße sei sie als Innerortsstraße zu klassifizieren. Dieses Teilstück unterscheide sich von dem Rest durch einen beidseitig befestigten Gehweg und den angelegten Parkstreifen. Eine Eigenständigkeit könne auch bei einer Länge von nur 80 m angenommen werden; anderenfalls wäre eine solche Baumaßnahme nicht abrechenbar. Anforderungen an die Mindestlänge von Zwangsabschnitten bestünden nicht. Die alte Beleuchtungsanlage habe zur Durchführung der Baumaßnahme am Gehweg abgebaut werden müssen. Auf Grund ihres Alters sei sie nicht mehr umsetzungsfähig gewesen. Man habe sie deshalb durch eine dem heutigen Standard entsprechende Anlage mit jeweils zweilampigen Leuchten ersetzt.

Dagegen hat die Klägerin am 06. Januar 2004 Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Die Beklagte habe den Begriff der öffentlichen Einrichtung des § 8 Abs. 1 KAG zwar richtig erkannt, das in Rede stehende Teilstück der Hertzstraße allerdings falsch klassifiziert, mit der Folge, dass es zu einer rechtswidrigen Abschnittsbildung gekommen sei. Es erscheine konstruiert, die Hertzstraße auf dem Teilabschnitt als Innerortsstraße, im Übrigen aber als Anliegerstraße zu qualifizieren.

Auf Bitte des Gerichts hat die Beklagte eine Vergleichsberechnung der Einrichtung Hertzstraße ab Helenenstraße bis Dietrichsdorfer Höhe als Innerortsstraße angestellt. Danach wäre auf das Grundstück der Klägerin ein Beitrag in Höhe von 432,-- € entfallen. Daraufhin hat die Klägerin ihren zuvor auf vollständige Bescheidaufhebung gerichteten Antrag reduziert und in der mündlichen Verhandlung nur noch beantragt,

den Bescheid vom 31. Juli 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. Dezember 2003 lediglich aufzuheben, soweit er einen Betrag von mehr als 432,-- € festsetzt.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat darauf verwiesen, dass bei der Klassifizierung der Straße auf ihre jeweilige Funktion abzustellen sei; maßgeblich hierfür seien die Verkehrsplanung, der Ausbauzustand sowie die tatsächliche Verkehrsbelastung. In dem streitbefangenen Bereich komme der Hertzstraße eine Sammelfunktion mit Zuführung auf den Heikendorfer Weg zu, weshalb sie insoweit als Innerortsstraße klassifiziert sei. Dies liege sowohl an der feingliedrigen Erschließungsstruktur im Stadtteil D., als auch an der Aufteilung der Umläufe des öffentlichen Personennahverkehrs (Bus) auf zwei Einbahnstraßen. Der Anteil des Schwerverkehrs sei in diesem Bereich sehr hoch. Er betrage 16,5 %. Ein Anteil von über 10 % werde sonst nur auf Zufahrtstraßen, etwa zu Kaianlagen, erreicht. Die Belastung durch diesen Schwerverkehr und die topographische Situation bei der Einfahrt in das Zentrum von D. führe zudem zu einer besonderen Beanspruchung des Tragwerkes der Fahrbahn, weshalb insoweit auch eine andere Bauklasse gewählt worden sei als bei Anliegerstraßen. Auf Grund der unterschiedlichen Straßeneinstufung und den daraus folgenden unterschiedlichen Gemeinde- und Anliegeranteilen am umlagefähigen Aufwand habe ein Zwangsabschnitt gebildet werden müssen. Dieser Zwangsabschnitt sei in voller Länge ausgebaut worden. Hinsichtlich der ausgetauschten Straßenbeleuchtung sei der Beitragstatbestand der Erneuerung erfüllt, so dass es nicht darauf ankomme, ob eine lichttechnische Verbesserung eingetreten sei.

Durch Urteil vom 04. August 2006 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid vom 31. Juli 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. Dezember 2003 aufgehoben, soweit er einen Beitrag von mehr als 432,-- € festsetzt. Im Übrigen wurde das Klageverfahren nach Rücknahme eingestellt. Der angefochtene Bescheid sei, soweit er einen höheren Ausbaubeitrag als 432,-- € festsetze, rechtswidrig und verletze die Klägerin dadurch in ihren Rechten. Die Beklagte habe das als öffentliche Einrichtung i.S.d. § 8 Abs. 1 KAG zu bewertende Teilstück der Hertzstraße zu eng begrenzt. Mit Blick auf den gesamten Straßenzug sei festzustellen, dass die Hertzstraße in (mindestens) zwei Einrichtungen "zerfalle", weil der Helenenstraße aufgrund ihrer breiteren Straßenführung und ihrer Bedeutung als Innerortsstraße insoweit eine trennende Wirkung zukomme. Topographisch gesehen steige die Hertzstraße südlich der Helenenstraße leicht an. Ihr Ausbauzustand weise hier einen wesentlich schlechteren Zustand auf, der Fahrbahnbelag wechsele. Nördlich der Helenenstraße bestehe auf der gesamten Länge bis zur Dietrichsdorfer Höhe ein gleichguter Ausbauzustand mit einer durchgehenden Asphaltdecke auf der Fahrbahn, beidseitigem Gehweg und gesicherten Parkmöglichkeiten in Form von Längsparkstreifen. Nach ihrem Erscheinungsbild in ihrem gesamten Verlauf sei die Hertzstraße deshalb bei natürlicher Betrachtungsweise von der Helenenstraße bis zur Dietrichsdorfer Höhe als eine Einrichtung anzusehen. Da sich die verkehrliche Bedeutung in diesem Verlauf nicht ändere, seien auch keine Zwangsabschnitte zu bilden. Die so definierte Einrichtung stelle eine Anliegerstraße dar. Daran ändere auch der von der Beklagten geltend gemachte Busverkehr nichts. Der beschriebene Schwerverkehr sei bei einer Besichtigung der Straße augenfällig nicht zu verzeichnen; eine spezielle Zuführung durch entsprechende Wegzeichen finde nicht statt. Insgesamt handele es sich allerdings nicht um eine Maßnahme, die den Beitragstatbestand des § 8 Abs. 1 KAG auslöse, weil der Ausbau auf lediglich 80 m Länge nicht einen wesentlichen Teil der Anlage betreffe. Ein Ausbaubeitrag könne nach ständiger Rechtsprechung der Kammer nur dann verlangt werden, wenn mindestens die Hälfte der gesamten Straße von der Maßnahme betroffen sei; anderenfalls handele es sich um eine beitragsfreie Instandhaltungs- oder Unterhaltungsmaßnahme.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte am 22. September 2006 einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, dem der Senat mit Beschluss vom 19. Februar 2007 entsprochen hat.

Im Rahmen ihrer Berufungsbegründung macht die Beklagte u.a. geltend, dass dem angefochtenen Beitragsbescheid eine zutreffende Bestimmung der räumlichen Ausdehnung der Einrichtung zugrunde liege. Die Hertzstraße "zerfalle" tatsächlich in (mindestens) zwei Einrichtungen, von der Helenen- bis zur Georgstraße allerdings sei sie eine Innerortsstraße und bilde deshalb einen Zwangsabschnitt. Im Übrigen scheitere die Beitragsfähigkeit der Ausbaumaßnahme nicht daran, dass sie weniger als die Hälfte der nördlichen Hertzstraße betreffe. Sofern das Bauprogramm den Ausbau einer Teilstrecke vorsehe und dieser vorteilhaft sei, dürfe diese beitragsfähige Maßnahme nicht allein aus quantitativen Gründen in eine beitragsfreie Instandsetzung umdeklariert werden.

In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte anhand eines Ortsplanes über die Klassifizierung der Straßen in der Landeshauptstadt Kiel die Verkehrsführung im Ortsteil D. nochmals erläutert. Der Schwerlastverkehr aus Richtung Mönkeberg könne nur über die Georgstraße und weiterführend über die Hertzstraße in den Heikendorfer Weg zum Ostuferhafen gelangen, weil ihm die Einfahrt in die Helenenstraße durch entsprechende Beschilderung verwehrt sei. Vom Ostuferhafen aus könne über den Heikendorfer Weg und die Helenenstraße zur Straße Langer Rehm gefahren werden. Bezogen auf den ausgebauten Teil der Hertzstraße habe die Verkehrszählung im Jahre 1999 zusätzlich zu den 1090 Pkw täglich ein Aufkommen von 114 Bussen und 66 Lkw werktäglich und pro Richtung ergeben. Dies sei der Grund, warum der Heikendorfer Weg, die Helenen- und die Georgstraße sowie die Hertzstraße im ausgebauten Teil als Innerortsstraßen klassifiziert seien.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 4. August 2006 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bestreitet, dass der Ausbau auf ein Bauprogramm der Beklagten zurückzuführen sei. Maßgeblich für die Maßnahme seien die technischen Anforderungen der Kieler Verkehrs GmbH gewesen, für die Gelenkbusse eine geeignete Fahrbahntrasse zu schaffen.

Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten haben dem Gericht bei der Beratung und Entscheidung vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Akteninhalt sowie die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Das angefochtene Urteil ist zu ändern und die Klage abzuweisen, da der angefochtene Beitragsbescheid vom 31. Juli 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. Dezember 2003 rechtmäßig ist, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Rechtsgrundlage der angefochtenen Beitragerhebung ist § 1 der Satzung der Beklagten über die Erhebung von Beiträgen nach § 8 KAG für Straßenbaumaßnahmen - Ausbaubeitragssatzung - (ABS v. 23.03.1994 i.d.F. der Nachtragssatzung v. 25.09.2006 zur 2. Änderungssatzung v. 09.12.1999) i.V.m. § 8 Abs. 1 KAG. Danach kann die Beklagte nach Maßgabe der Satzung zur Deckung des Aufwandes u.a. für die Erneuerung einer öffentlichen Straße Beiträge erheben.

Straßenbaumaßnahmen sind beitragsfähig, wenn die nach § 2 Abs. 1 KAG erforderliche Satzung einen Beitragstatbestand begründet, die jeweilige Maßnahme eine bestimmte öffentliche Einrichtung i.S.d. § 8 Abs. 1 KAG betrifft, notwendig ist und den Eigentümern der in ihrem Wirkungsbereich liegenden Grundstücke einen Vorteil bietet. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Einwände gegen die Wirksamkeit der Satzung werden nicht erhoben. Sie ist von der Beklagten auch zutreffend angewandt worden.

Einrichtung i.S.d. § 8 Abs. 1 KAG ist regelmäßig die im Gemeindegebiet verlaufende Straße in ihrer gesamten Ausdehnung. Für die Feststellung der räumlichen Ausdehnung einer Einrichtung im Straßenbaubeitragsrecht, auf die sich die Maßnahme bezieht, ist von einer natürlichen Betrachtungsweise auszugehen. Dabei ist ungeachtet einer wechselnden Straßenbezeichnung auf das äußere Erscheinungsbild eines Straßenzuges (z.B. Straßenführung, Straßenbreite, Straßenlänge, Straßenausstattung, die Zahl der "erschlossenen" Grundstücke), seine Verkehrsfunktion sowie die vorhandenen Abgrenzungen (Kreuzungen, Einmündungen), die eine Verkehrsfläche augenfällig als ein eigenständiges Element des Straßennetzes erscheinen lassen, abzustellen (vgl. Urteile d. Senats v. 28.10.1997 - 2 L 281/95 - Die Gemeinde 1998, 98 = DVBl. 1998, 179 = NordÖR 1998, 88, v. 25.06.2003 - 2 LB 55/02 - Die Gemeinde 2003, 268; Beschl. v. 20.08.2003 - 2 MB 80/03 - Die Gemeinde 2003, 270). Für die Beurteilung der Frage, ob ein Straßenzug eine Einrichtung i.S.d. § 8 Abs. 1 KAG darstellt, ist auf die tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht abzustellen (Urt. v. 25.06.2003 a.a.O.).

Hiervon ausgehend ist dem angefochtenen Urteil auf der Grundlage des vorhandenen Akteninhalts und den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung darin zu folgen, dass der Helenenstraße trennende Wirkung zukommt, so dass der südliche Teil der Hertzstraße als gesonderte Einrichtung von dem ausgebauten Teil dieser Straße zu unterscheiden ist. Ebenso ist dem Verwaltungsgericht zuzustimmen, dass sich die Hertzstraße nördlich der Helenenstraße auf der gesamten Länge bis zur rechtwinklig abknickenden Dietrichsdorfer Höhe nach dem äußeren Erscheinungsbild als eine Einrichtung darstellt. Insoweit kann auf die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen werden.

Gleichwohl war die ausgebaute Teilstrecke dieses Straßenzuges gesondert abzurechnen. Soweit Teile eines Straßenzuges unterschiedlichen Verkehrsfunktionen dienen und deshalb zu unterschiedlichen Gemeinde- und Anliegeranteilen führen, sind sie ausbaubeitragsrechtlich als verschiedene Einrichtungen zu behandeln (vgl. Urteil d. Senats v. 24.10.1996 - 2 L 108/96 - Die Gemeinde 1997, 217; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Aufl., § 31 Rdnr. 9; Habermann in: Dewenter/Habermann/Riehl/Steenbock/Wilke, KAG SH, § 8 Rdnr. 133). Maßgeblicher Zeitpunkt für diese Einstufung ist ebenfalls der der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht (Böttcher in: Thiem/Böttcher, KAG SH Bd. 2, § 8 Rdnr. 492).

In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte anhand des Ortsplans und anhand des Ergebnisses der Verkehrszählung aus 1999 plausibel und unwidersprochen dargelegt, welcher Verkehr im Ortsteil D. stattfindet, wie die Verkehrsströme verlaufen und welche Verkehrsfunktion dabei den einzelnen Straßen zukommt. Aus diesen Darlegungen ergibt sich, dass die Hertzstraße im ausgebauten Teil als Innerortsstraße und im Übrigen als Anliegerstraße einzuordnen ist. Anliegerstraßen sind nach § 2 Abs. 5 Nr. 1 ABS hauptsächlich für den Zugang oder die Zufahrt zu den an ihr gelegenen und dem Wohnen oder sonstigen Betätigungen dienenden Grundstücken bestimmt und erfordern deshalb nur einen Gemeindeanteil von 25 %. Dabei ist nicht zu verkennen, dass auch ihnen in der Regel eine gewisse Sammel- und Verbindungsfunktion für andere Straßen und Baugebiete zukommt (Habermann a.a.O. Rdnr. 335 m.w.N.). Innerortsstraßen dienen nach § 2 Abs. 5 Nr. 2 ABS darüber hinaus zugleich dem Verkehr innerhalb von Baugebieten oder innerhalb von im Zusammenhang bebauten Ortsteilen. Im Rahmen der vom Satzungsgeber gewählten dreistufigen Gliederung Anlieger-, Innerorts- und Hauptverkehrsstraße sind sie als Erschließungsstraße mit innerörtlicher Verkehrsbedeutung zu definieren, die zur Aufnahme des innerörtlichen Durchgangsverkehrs bestimmt sind, Ortsteile verbinden, den Verkehr in Richtung eines anderen Ortsbereichs sammeln und deshalb die Erschließungsfunktion für die anliegenden Grundstücke stark zurücktreten lassen (Habermann a.a.O. Rdnr. 336 m.w.N.).

Die danach festzustellenden Verkehrsverhältnisse speziell im Bereich der Hertzstraße zwischen Helenen- und Georgstraße, auf die die Beklagte beim Straßenbau und bei der Klassifizierung zu reagieren hat, gehen über den Bereich des baugebietsbezogenen Anliegerverkehrs hinaus. Dem Senat erscheint es keineswegs konstruiert oder gar willkürlich, den ausgebauten Teil der Hertzstraße als Innerortsstraße und den übrigen Bereich als Anliegerstraße einzuordnen. Als Ausschnitt der Strecke Georgstraße - Hertzstraße - Heikendorfer Weg hat gerade das ausgebaute Teilstück der Hertzstraße neben dem Anliegerverkehr insbesondere den Verkehr zum Ostuferhafen und damit auch innerörtlichen Durchgangsverkehr aufzunehmen, der auf der übrigen Hertzstraße nicht stattfindet. Entsprechendes gilt für die Helenen- und die Georgstraße, die deshalb ebenfalls als Innerortsstraßen klassifiziert sind. Ursächlich für diese Verkehrsverhältnisse ist vor allem der aus Norden kommende Verkehr mit Fahrziel Ostuferhafen, der sich durch den Ortsteil D. über die Verbindung Langer Rehm - Georgstraße - Hertzstraße - Heikendorfer Weg bewegt. Speziell der Lkw-Verkehr muss dabei die Georgstraße und sodann das ausgebaute Teilstück der Hertzstraße passieren, da die parallel zur Georgstraße verlaufende Helenenstraße für den Lkw-Verkehr gesperrt ist und die ebenfalls parallel verlaufende Hermannstraße als Einbahnstraße in dieser Richtung generell nicht befahren werden darf. Auch wenn die vorgetragenen Ergebnisse der Verkehrszählung aus 1999 einen Vergleich mit dem Schwerverkehr auf Zufahrtstraßen zu Kaianlagen nicht erlauben, weil der hier festzustellende Schwerverkehr überwiegend den dem Personennahverkehr dienenden 114 Bussen zuzuschreiben ist, belegt der Anteil von täglich 66 Lkw pro Richtung aber dennoch, dass diese Strecke anders als die Anliegerstraßen des Ortsteils D. frequentiert wird. Auf diesen Umstand hat die Beklagte reagiert und das hier in Rede stehende, ortsteilübergreifend bedeutsame Teilstück der Hertzstraße anlässlich der Kanalbauarbeiten in einer anderen Bauklasse erneuert als sonst bei Anliegerstraßen üblich. Dies wiederum rechtfertigt konsequenterweise auch die Klassifizierung als Innerortsstraße, die - zugunsten der Anlieger - zu einem höheren Gemeindeanteil von 40 bzw. 50 % führt.

Nach § 8 Abs. 1 KAG können Beiträge nur zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung, den Ausbau und Umbau sowie die Erneuerung der notwendigen Einrichtungen erhoben werden. Auch wenn hier nicht von notwendigen Maßnahmen die Rede ist, können Beiträge für die genannten Maßnahmen an öffentlichen Straßen nur erhoben werden, wenn diese Maßnahmen und die Aufwendungen ihrerseits notwendig sind. Hinsichtlich der Beurteilung dessen, was notwendig ist, steht der Gemeinde ein weites Ermessen zu (Senatsurt. v. 24.02.1999 - 2 L 146/96 - NordÖR 1999, 311; Böttcher a.a.O. Rdnr. 448). Sie bestimmt im Rahmen dieses Ermessens auch die räumliche Ausdehnung und den Umfang der Maßnahme. Das diesbezügliche Bauprogramm bedarf keiner förmlichen Festsetzung durch Satzung oder Beschluss (Habermann a.a.O. Rdnr. 292). Zweifel an der Notwendigkeit des Ausbaus der Hertzstraße sind nicht geltend gemacht und für den Senat auch nicht veranlasst. Welche Gründe (hier: Kanalsanierung, Vollausbau der Georgstraße) konkreter Anlass für die Straßenbaumaßnahme waren, ist unerheblich. Entscheidend ist allein, dass die Hertzstraße zwischen Helenen- und Georgstraße erneuerungsbedürftig war. Die alte Fahrbahn war mit Großpflaster befestigt und an zahlreichen Stellen mit einer Schwarzdecke ausgebessert. Der Gehweg wies an zahlreichen Stellen Versackungen und Unebenheiten auf, die westliche Seite war komplett unbefestigt. Erneuerungsbedürftig ist eine Straße im Übrigen dann, wenn ihre übliche Nutzungsdauer abgelaufen ist. Dies wird im Allgemeinen nach 25 Jahren angenommen (Senatsurt. v. 24.02.1999 a.a.O.; Habermann a.a.O. Rdnr. 147a m.w.N.) und ist vorliegend für die Beleuchtung, die 27 Jahre alt ist, explizit vorgetragen.

Als Miteigentümerin eines unmittelbar an dem betroffenen Teilstück der Hertzstraße liegenden Grundstückes wird der Klägerin durch die erfolgte Baumaßnahme an Fahrbahn nebst neu angelegtem Parkstreifen und Gehweg nebst Beleuchtung ein maßnahmebedingter und grundstücksbezogener Vorteil vermittelt. Nach den vorliegenden Fotos ist das Grundstück allerdings nicht von der Hertzstraße, sondern nur von der ...straße aus erschlossen, d.h. mit einem Fahrzeug befahrbar. Eine im Straßenbaubeitragsrecht vorteilsrelevante Inanspruchnahmemöglichkeit der ausgebauten Straße besteht jedoch schon dann, wenn das Grundstück in einer räumlich engen Beziehung zur Verkehrseinrichtung steht (Senatsurt. v. 28.10.1997 a.a.O.). Insoweit reicht es aus, dass auf der Fahrbahn bis in Höhe des Grundstücks herangefahren und dieses über einen Gehweg betreten werden kann, also zumindest ein fußläufiger Zugang besteht. Dass dem Grundstück ein solcher Vorteil zugleich von einer anderen Straße vermittelt wird, ist unerheblich (Driehaus a.a.O. § 35 Rdnr. 9-12, 21 m.w.N.). Etwaige selbst geschaffene und ausräumbare Zugangshindernisse auf dem Grundstück, deren Fortbestand allein vom Willen des Grundstückseigentümers abhängt - wie hier z.B. eine Hecke - schließen die Beitragspflichtigkeit nicht aus (Habermann a.a.O. Rdnr. 181 f.). Im Übrigen versetzt die abgerechnete Baumaßnahme die Hertzstraße zwischen Helenen- und Georgstraße in einen Zustand, der auf längere Zeit den voraussichtlichen Anforderungen des Verkehrs genügt und damit ihre Nutzungsdauer verlängert. Die darin liegende Erneuerung der Straße nebst Zubehör erfüllte nach ständiger Rechtsprechung des Senats als - nochmalige - Herstellung bereits vor Änderung des § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG durch Gesetz vom 30. November 2003 (GVOBl. S. 614) den Beitragstatbestand. Eine Maßnahme, die - wie hier - eine Straße hinsichtlich mehrerer wesentlicher Teileinrichtungen grundlegend saniert und sie in einen heutigen Verkehrsanforderungen genügenden Zustand versetzt, geht über eine laufende Unterhaltung bzw. Instandsetzung hinaus, die lediglich der Erhaltung der Gebrauchsfähigkeit dient und in der Ausbesserung schadhafter Stellen sowie der Beseitigung von Mängeln besteht (Habermann a.a.O. Rdnr. 148; Urt. des Senats v. 24.02.1999 - 2 L 146/96 - NordÖR 1999, 311; Beschl. v. 29.06.2006 - 2 MB 4/06 - m.w.N.).

Der Vorteil erstreckt sich auch auf die Teileinrichtung Beleuchtung. Der Tatbestand der Erneuerung setzt nicht voraus, dass die jeweiligen Teileinrichtungen in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden. Der Vorteil der Erneuerung besteht vielmehr darin, dass die verschlissene und abgängige Teileinrichtung durch eine neue ersetzt wird. Zusätzlicher Vorteile im Vergleich zum Zeitpunkt der erstmaligen Herstellung bedarf es nicht. Hieraus folgt, dass sich die Frage nach kompensationsfähigen Nachteilen - wie hier hinsichtlich der abgängigen Beleuchtung - bei einer Erneuerung nicht stellt (Urt. des Senats v. 24.02.1999 a.a.O.; Habermann a.a.O. Rdnr. 150, 167a).

Auf die vom Verwaltungsgericht behandelte Frage der Beitragsfähigkeit der Erneuerung nur eines Teilstückes einer mehr als doppelt so langen Einrichtung kommt es aufgrund der vom Senat vorgenommenen Einteilung der Einrichtungen nicht an. Zutreffend wird aber darauf hingewiesen, dass es bei der Abgrenzung von beitragspflichtigen Erneuerungsmaßnahmen gegenüber beitragsfreien Instandhaltungs- oder Unterhaltungsmaßnahmen nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats nicht auf die Quantität, sondern allein auf die Qualität der Maßnahme ankäme (Senatsurt. v. 25.06.2003 - 2 LB 55/02 - Die Gemeinde 2003, 268 und v. 13.05.2003 - 2 LB 78/03 -; Beschl. v. 20.08.2003 - 2 MB 80/03 - Die Gemeinde 2003, 270 und v. 29.06.2006 - 2 MB 4/06 -). Entgegen der Auffassung der Klägerin stellt sich bezüglich der hier festzustellenden selbstständigen Einrichtung mit einer Länge von ca. 80 m auch nicht die Frage nach einer "Mindestausbaulänge", ab der ein beitragsfähiger Sondervorteil erst anzunehmen wäre. Entsprechende Anforderungen werden vom Senat nicht gestellt. Vielmehr sind im Ausbaubeitragsrecht selbst Stichstraßen von unter 100 m im Verhältnis zum Hauptzug als selbstständige Einrichtungen anzuerkennen, solange ihre Funktion über die einer Zufahrt hinausgeht (Senatsurt. v. 30.04.2003 - 2 LB 118/02 -).

Die Klägerin ist auch die richtige Adressatin des angefochtenen Bescheides; als Miteigentümerin zum Zeitpunkt der Bekanntgabe ist sie als Gesamtschuldnerin beitragspflichtig i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 ABS (§ 8 Abs. 5 Satz 1 und 3 KAG). Einer Benennung der übrigen Gesamtschuldner und einer schriftlichen Begründung der Ermessensentscheidung bedarf es allenfalls in Ausnahmefällen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.01.1993 - 8 C 57/91 -NJW 1993, 1667 ff.; Stuttmann, "Der Miteigentümer im Verwaltungsprozess", NVwZ 2004, 805 f.), ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Entstanden ist die Beitragspflicht nach § 8 Abs. 4 Satz 2 KAG (in der hier anzuwendenden Fassung bis zum 31.12.2003, jetzt § 8 Abs. 4 Satz 3 KAG) mit Abschluss der Maßnahme; lt. § 5 Abs. 1 ABS allerdings erst, wenn die Kosten feststehen. Das ist lt. Satzung frühestens der Zeitpunkt des Eingangs der letzten Unternehmerrechnung, bei Beanstandungen der Rechnung der Zeitpunkt, an dem die Beanstandungen behoben sind. Ob diese ergänzende Satzungsbestimmung mit § 8 Abs. 4 Satz 2 KAG a.F. bzw. § 8 Abs. 4 Satz 3 KAG n.F. vereinbar ist (ablehnend Böttcher a.a.O. § 8 Rdnr. 240 ff.; Habermann a.a.O. § 8 Rdnr. 294), kann dahinstehen, weil die Beitragspflicht bei Erlass des Bescheides am 31. Juli 2003 nach jeder der hierzu vertretenen Auffassung entstanden war. Während die Abnahme im September 1999 stattfand und die letzte Rechnung im Januar 2000 einging, wurde die letzte Beanstandung einer Rechnung ausweislich der vorliegenden Abrechnungsunterlagen im Mai 2003 behoben. Entsprechend ist auch eine Festsetzungsverjährung nach § 15 Satz 1 KAG nach keiner Variante eingetreten.

Ausgehend von der Verkehrseinrichtung Hertzstraße von der Helenenstraße bis zur Georgstraße ist der angefochtene Bescheid auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Relevante Bedenken gegen die Aufwandsermittlung sind nicht erhoben. Da auch die eigenständige Teileinrichtung Beleuchtung vorteilhaft ist, sind die dafür aufgewandten Kosten in voller Höhe beitragsfähig. Der maßgebliche Anliegeranteil für die Erneuerung von Fahrbahn, Gehweg, Parkfläche und Beleuchtung einer Innerortsstraße beträgt 40 bzw. 50 % (§ 2 Abs. 2 ABS). Dies hat die Beklagte bei der Beitragsberechnung auch zugrunde gelegt. Anhaltspunkte für etwaige Fehler im Rahmen der Beitragsberechnung sind im Übrigen weder ersichtlich noch geltend gemacht, so dass der Bescheid rechtmäßig und Klage insgesamt abzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Nebenentscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe hierfür nicht vorliegen, § 132 Abs. 2 VwGO.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 4.728,65 Euro festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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