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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 06.11.2006
Aktenzeichen: 2 LB 23/06
Rechtsgebiete: GO SH


Vorschriften:

GO SH § 22
Ein Ausschließungsgrund gemäß § 22 Abs. 1 GO ist auch für solche Tätigkeiten und Handlungen anzunehmen, die einer Entscheidung im Verfahren notwendigerweise vorausgehen und deswegen Einfluss auf das Ergebnis haben können. Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn eine antragsgemäß auf die Tagesordnung zu setzende Angelegenheit durch Beschluss der Gemeindevertretung wieder abgesetzt werden soll.
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 2 LB 23/06

verkündet am 06.11.2006

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Kommunalrecht - Berufungsverfahren -

hat der 2. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 6. November 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht ..., den Richter am Oberverwaltungsgericht ..., die Richterin am Verwaltungsgericht ... sowie die ehrenamtlichen Richterinnen ... und ... für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 6. Kammer - vom 09. März 2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass der Beschluss der Beklagten zum Tagesordnungspunkt 2 der Sitzung vom 12. April 2005 bezüglich der Behandlung der Tagesordnungspunkte 7, 8 und 9 rechtswidrig ist.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Es geht in diesem Verfahren um die Frage, ob Gemeindevertreter einem Mitwirkungsverbot in einer Sitzung der Beklagten unterlagen.

Die beklagte Gemeindevertretung besteht aus drei Fraktionen mit folgender Sitzverteilung: CDU 9 Sitze, SPD 4 Sitze, GUD (die Klägerin) 4 Sitze. Die Klägerin hält die Absetzung von drei Punkten der Tagesordnung einer Gemeindevertretersitzung für rechtswidrig.

In ihrer Sitzung vom 22. Juni 2004 fasste die Beklagte einen Aufstellungsbeschluss zur 3. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 19 der Gemeinde .... Zugleich wurde für diesen Planungsbereich eine Veränderungssperre beschlossen. Der Aufstellungsbeschluss sah inhaltlich insgesamt eine erhebliche Beschränkung der Bebaubarkeit in dem Plangebiet vor. In diesem Plangebiet haben der Gemeindevertreter Dr. ... (CDU), der zugleich Bürgermeister der Gemeinde ist, und dessen Ehefrau ebenso wie der Gemeindevertreter ... (CDU) Grundeigentum.

Am 07. Januar 2005 fasste der Planungsausschuss der Gemeinde ..., der nach der Zuständigkeitsordnung der Gemeinde ... für Bauleitplanungen außer für Gewerbeflächen zuständig ist, einen Grundsatzbeschluss hinsichtlich des gesamten Bebauungsplangebietes Nr. 19.

Am 31. März 2005 beantragte die Klägerin beim Bürgermeister der Gemeinde, verschiedene Angelegenheiten auf die Tagesordnung der nächsten Gemeindevertretersitzung zu nehmen. Unter anderem betraf das die Aufhebung der Satzung über die Veränderungssperre im Bereich der 3. Änderung für Teilflächen des Bebauungsplanes Nr. 19, die Aufhebung der Satzung über die 3. Änderung für Teilflächen des Bebauungsplanes Nr. 19 sowie den Grundsatzbeschluss zur Überplanung des Bebauungsplanes Nr. 19 durch den Planungsausschuss. Diesem Antrag entsprach der Bürgermeister der Gemeinde ... und fügte der Einladung vom 01. April 2005 für die Sitzung der Gemeindevertretung am 12. April 2005 eine Tagesordnung bei, die diese Angelegenheiten unter den Nrn. 7, 8 und 9 auswies.

In der Gemeindevertretersitzung am 12. April 2005 beantragte der Gemeindevertreter ... die Absetzung der Tagesordnungspunkte 7 bis 9. Zur Begründung trug er vor, dass der CDU-Fraktion zum Zeitpunkt ihrer Fraktionssitzung keine Unterlagen zu den diesbezüglichen Anträgen vorgelegen hätten. Nach einer Aussprache über diesen Antrag beantragte die Klägerin zu beschließen, dass Bürgermeister Dr. ... und Gemeindevertreter ... zu den Tagesordnungspunkten 7, 8 und 9 befangen seien. Dies wurde damit begründet, dass beide Grundeigentum im Bereich der 3. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 19 besäßen. Beide hätten sich bereits bei der Aufstellung dieser B-Plan-Änderung sowie bei dem Beschluss über die entsprechende Veränderungssperre selbst für befangen erklärt und den Sitzungsraum verlassen gehabt; entsprechend habe sich Dr. ... auch im Planungsausschuss verhalten, bevor die Aufstellungsbeschlüsse zur 3. bis 6. Änderung des B-Planes Nr. 19 beraten worden seien.

Daraufhin stimmte die Gemeindevertretung getrennt über die Befangenheit des Bürgermeisters Dr. ... und des Gemeindevertreters ... jeweils in Abwesenheit des anderen ab. Dabei ergab die Abstimmung jeweils 8 Ja-Stimmen und 8 Nein-Stimmen. Es wurde festgestellt, dass beide Befangenheitsanträge abgelehnt worden seien.

Sodann beschloss die Beklagte mehrheitlich unter Teilnahme des Bürgermeisters und des Gemeindevertreters ... im Rahmen des Tagesordnungspunktes 2, die Tagesordnungspunkte 7 und 8 an den Planungsausschuss zu verweisen, sowie u.a. den Tagesordnungspunkt 9 abzusetzen, da keine Beratungsunterlagen eingereicht worden seien.

Auf eine Eingabe der Klägerin bei der Kommunalaufsicht erklärte der Landrat des Kreises ... mit Schreiben vom 30. Juni 2005, die Prüfung des von der Klägerin dargestellten Sachverhalts habe zwar ergeben, dass formalrechtlich Ausschließungsgründe nach § 22 GO bei der Abstimmung über die Absetzung von Tagesordnungspunkten vorhanden gewesen seien. Dieser mögliche Verstoß führe aber nicht zu einer Eingriffsverpflichtung der Kommunalaufsichtsbehörde, weil durch die Beschlussfassung weder den Gemeindevertretern noch den möglicherweise hiervon betroffenen Einwohnerinnen und Einwohnern endgültig die Möglichkeit genommen werde, sich rechtlich gegen die Beschlüsse bzw. die aus den Beschlüssen zu entwickelnden Satzungen Rechtsmittel vor den ordentlichen Gerichten einzulegen. Die kommunalpolitischen Spannungen in der Gemeindevertretung seien nicht mit rechtlich verfügbaren Eingriffsmöglichkeiten der Kommunalaufsicht zu lösen.

Die Klägerin hat am 22. September 2005 Klage erhoben und geltend gemacht, dass sie durch den Beschluss der Beklagten vom 12. April 2005, die Tagesordnungspunkte 7, 8 und 9 abzusetzen, in ihren Rechten verletzt werde. Sie, die Klägerin, habe die Absicht, die Anträge wortgleich auf einer künftigen Gemeindevertreterversammlung einzubringen. Dabei müsse davon ausgegangen werden, dass bei Teilnahme des Bürgermeisters und des Gemeindevertreters ... erneut eine Absetzung von der Tagesordnung erfolgen werde. Darum bedürfe es einer gerichtlichen Entscheidung. Der fragliche Beschluss der Beklagten sei auch materiell rechtswidrig, weil die diesbezügliche Mehrheit nur unter Verstoß gegen § 22 Abs. 1 GO zustande gekommen sei. Im Sinne dieser Vorschrift hätten der Bürgermeister Dr. ... und der Gemeindevertreter ... nicht an der Abstimmung über die Absetzung der Tagesordnungspunkte teilnehmen dürfen. Deren Grundstücke lägen im Bereich der 3. Änderung des B-Planes Nr. 19, welche die Bebaubarkeit der Grundstücke einschränke. Von diesem Nachteil wären die beiden Gemeindevertreter befreit worden, wenn die Beklagte ohne ihre Stimmen die einschränkende 3. Änderung des B-Planes Nr. 19 wieder aufgehoben hätte.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte mit ihrem Beschluss zu TOP 2 der Gemeindevertretersitzung der Gemeinde ... vom 12. April 2005 die Kompetenzen der Antragstellerin insoweit verletzt hat, als die TOP 7, 8 und 9 von der Tagesordnung abgesetzt wurden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die Vorschrift des § 22 Abs. 1 GO der streitigen Beschlussfassung nicht entgegengestanden habe. Bürgermeister Dr. ... und Gemeindevertreter ... hätten durch die streitige Entscheidung keinen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil erlangt. Anträge zur Geschäftsordnung beträfen nur die Verfahrensregelungen und nicht den sachlichen Inhalt des Beratungsgegenstandes. Allein aus der Entscheidung, ob eine Sache erörtert werde oder nicht, könne sich zwar bei einer nachfolgenden sachlichen Erörterung der betreffenden Angelegenheit ein Vor- oder Nachteil für den Betroffenen ergeben. Dieser sei jedoch im Vorfeld bei einem Geschäftsordnungsantrag nicht unmittelbar kausal für einen Sachantrag bzw. eine sachliche Erörterung der Angelegenheit. Somit könnten bei der Absetzung oder Verweisung von Tagesordnungspunkten generell keine Ausschließungsgründe nach § 22 GO vorliegen.

Im Übrigen sei der Befangenheitsvorwurf auch materiell nicht nachvollziehbar. Die Ausschließungsgründe seien nicht dazu gedacht, dass Gemeindevertreter daran gehindert würden, sich einen Nachteil zu verschaffen oder für sich einen Vorteil zu verhindern. Die beiden CDU-Gemeindevertreter hätten im weiteren Sinne nur daran mitgewirkt, dass die drohenden und für sie eindeutig nachteiligen Beschränkungen der Bebauungsmöglichkeiten erhalten blieben. Des weiteren sei bedeutsam, dass für Aufstellungsbeschlüsse seit dem Beschluss der Gemeindevertretung zur Änderung der Hauptsatzung und der Zuständigkeitsverordnung vom 07. Dezember 2004 der Planungsausschuss zuständig sei. Demnach wäre der Aufstellungsbeschluss, wenn überhaupt, auch nur noch vom Planungsausschuss aufzuheben gewesen.

Mit Urteil vom 09. März 2006 hat das Verwaltungsgericht dem Begehren der Klägerin entsprochen und festgestellt, dass die Beklagte mit ihrem Beschluss zu TOP 2 der Gemeindevertretersitzung der Gemeinde ... vom 12. April 2005 die Rechte der Klägerin insoweit verletzt habe, als die TOP 7, 8 und 9 von der Tagesordnung abgesetzt wurden. Die Klage sei gemäß § 43 Abs. 1 VwGO zulässig. Die Klägerin sei als Kommunalverfassungsorgan klagebefugt und habe an der alsbaldigen Feststellung des in Rede stehenden Rechtsverhältnisses ein berechtigtes Interesse. Sie könne ihre Rechte auch nicht durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen.

Die zulässige Feststellungsklage sei auch begründet. Der gemäß § 39 Abs. 1 GO gefasste Beschluss der Beklagten, die ursprünglich vorgesehenen Tagesordnungspunkte 7, 8 und 9 von der Tagesordnung abzusetzen, sei rechtswidrig. An der diesbezüglichen Abstimmung hätten nämlich zwei Gemeindevertreter mitgewirkt, die einem Mitwirkungsverbot unterlegen hätten, wobei die Mitwirkung dieser beiden Gemeindevertreter für das Abstimmungsergebnis ausschlaggebend gewesen sei. Dem aus § 22 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GO folgenden Mitwirkungsverbot hätten die Gemeindevertreter Dr. ... und ... unterlegen, weil die ursprünglichen von der Klägerin beantragten Tagesordnungspunkte 7 bis 9 Angelegenheiten betroffen hätten, die Bürgermeister Dr. ..., dessen Ehefrau und dem Gemeindevertreter ... einen persönlichen Nachteil hätten bringen können. Dies sei vor dem Hintergrund zu sehen, dass alle drei Personen Eigentümer von Grundstücken des Plangebietes der 3. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 19 seien.

Zu Unrecht halte die Beklagte dem entgegen, dass eine Beschlussfassung im Sinne der von den Klägern unter TOP 7 bis 9 gefassten Anträge für die vorgenannten Personen nur einen rechtlichen Vorteil hätte bringen können, nämlich eine erweiterte Bebauungsmöglichkeit auf ihren Grundstücken. Ein Sonderinteresse im Sinne von § 22 GO müsse nicht rechtlicher Natur sein; vielmehr sei es ausreichend, wenn ein immaterieller Vorteil oder Nachteil möglich sei. Ein solcher immaterieller Nachteil könne bei Beschlussfassung im Sinne der Vorlage der Klägerin von den vorgenannten Grundeigentümern darin gesehen werden, dass sie sich durch eine zusätzliche Bebauungsverdichtung in ihrer Nachbarschaft in ihrer Wohnqualität beeinträchtigt sehen könnten. Dabei sei es wiederum unerheblich, ob Bürgermeister Dr. ..., seine Ehefrau und Gemeindevertreter ... eine zusätzliche Bebauungsverdichtung tatsächlich als nachteilhaft empfinden würden. Entscheidend sei vielmehr die bloße Möglichkeit eines solchen subjektiven Empfindens. Dies werde aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 22 GO verständlich. Die Vorschrift wolle verhindern, dass selbst der Anschein einer unsachgemäßen, von Eigeninteressen beeinflussten Wahrnehmung der ehrenamtlichen Tätigkeit entstehe. Auf diese Weise solle der gute Ruf der Kommunalverwaltung als objektiver Wahrer der Bürgerinteressen gewahrt werden.

Der beschriebene "Nachteil" wirke auch auf die betroffenen Gemeindevertreter "unmittelbar" im Sinne von § 22 Abs. 1 GO. Insoweit sei zunächst hervorzuheben, dass eine Beschlussfassung im Sinne der streitigen Anträge der Klägerin die Sonderinteressen der grundstücksmäßig getroffenen Gemeindevertreter unmittelbar berührt hätte. Da nämlich Bebauungspläne unmittelbar rechtsgestaltend wirkten, gelte dies auch bereits für einen entsprechenden Aufstellungsbeschluss, eine diesbezügliche Veränderungssperre und auch für einen Grundsatzbeschluss, der das gesamte B-Plangebiet umfasse.

Diese Unmittelbarkeit eines Nachteils, den die betroffenen Gemeindevertreter durch die von der Klägerin angestrebten Beschlussfassung haben würden, liege auch bereits bei einem Abstimmungsverfahren darüber vor, ob ein solcher Antrag von der Tagesordnung genommen werden solle. Bei dieser Betrachtung sei wiederum ausschlaggebend, dass der Gesetzgeber bereits den "bösen Schein" einer Interessenkollision zwischen den vom Gemeindevertreter uneigennützig zu verfolgenden Wohl der Allgemeinheit und der Verfolgung von Sonderinteressen vermeiden wolle. In diesem Lichte setze das Merkmal der Unmittelbarkeit eines Vor- oder Nachteils nicht voraus, dass die fragliche Entscheidung Wirkungen dieser Art ohne Hinzutreten eines weiteren Umstandes auslöse; eine direkte Kausalität sei nicht zu fordern. Entsprechend sei ein unmittelbarer Vor- oder Nachteil im Sinne des § 22 Abs. 1 GO bereits dann gegeben, wenn ein Gemeindevertreter auf Grund persönlicher Beziehungen zu dem Gegenstand der Beratung oder Beschlussfassung ein individuelles Sonderinteresse habe, das zu einer Interessenkollision führen könne und die Besorgnis rechtfertige, dass der Betreffende nicht mehr uneigennützig und nur zum Wohle der Allgemeinheit handele.

Dass ein Gemeindevertreter durch die Beschlussfassung über die Absetzung von Tagesordnungspunkten den gleichen unmittelbaren Vor- oder Nachteil erlangen könne, wie es bei einer Sachbehandlung dieser Tagesordnungspunkte der Fall wäre, bestätige sich im vorliegenden Rechtsstreit besonders augenfällig: Unter Mitwirkung der Gemeindevertreter Dr. ... und ... könne die Mehrheitsfraktion der CDU die Behandlung gleich lautender Anträge der Klägerin hinsichtlich der 3. Änderung des B-Planes Nr. 19 für die gesamte Legislaturperiode durch Anträge auf Absetzung der entsprechenden Tagesordnungspunkte dauerhaft verhindern. Der "böse Schein" einer Interessenkollision würde damit offenbar werden.

Bei der rechtlichen Würdigung der streitigen Abstimmung über die Behandlung der TOP 7 bis 9 spiele es auch keine Rolle, dass letztlich nur TOP 9 von der Tagesordnung abgesetzt worden sei und TOP 7 und 8 an den Planungsausschuss verwiesen worden seien. Insoweit könne es dahingestellt bleiben, ob die Beklagte aus Rechtsgründen gar nicht anders habe handeln können. Zur Vermeidung des bösen Scheins habe insoweit die Sachdiskussion und Abstimmung ebenfalls ohne Bürgermeister Dr. ... und Gemeindevertreter .. erfolgen müssen.

Nur auf Grund dieser Mitwirkung sei es zu dem Abstimmungsergebnis von 9 Ja-Stimmen und 8 Nein-Stimmen gekommen. Es sei deshalb unwahrscheinlich, dass bei Abwesenheit der beiden Gemeindevertreter wegen der gegebenen politischen Mehrheitsverhältnisse der Beklagten das Abstimmungsergebnis umgekehrt ausgefallen wäre. Diesem Rechtsergebnis könne auch nicht entgegengehalten werden, dass mit der Befangenheit der betroffenen Gemeindevertreter eine Veränderung des Kräfteverhältnisses in der Gemeindevertretung herbeigeführt werde. Diese Auswirkung der Befangenheitsvorschrift habe der Landesgesetzgeber bewusst in Kauf genommen und sich für den Vorrang der Unparteilichkeit der Entscheidungsfindung sowie der Sauberkeit der Kommunalverwaltung entscheiden.

Auf Antrag der Beklagten hat der Senat durch Beschluss vom 26. Juli 2006 die Berufung zugelassen.

Mit ihrer am 02. August 2006 eingegangenen Berufungsbegründung macht die Beklagte geltend, dass die vom Verwaltungsgericht beanstandete Handlungsweise keine eigenen Rechte der Klägerin verletzt habe.

Die vom Verwaltungsgericht vertretene Auffassung führe zu einer extensiven Anwendung des Mitwirkungsverbotes gemäß § 22 GO mit unterstellten Ergebnissen von noch nicht getroffenen Sachentscheidungen der Beklagten mit der unerwünschten Konsequenz, einer übermäßigen Veränderung der politischen, von den Bürgerinnen und Bürgern gewollten Mehrheitsverhältnisse. Nach zutreffender Auffassung reiche es für ein Mitwirkungsverbot bei der Beschlussfassung aus, wenn die reale Möglichkeit im Sinne einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines unmittelbaren Sondervor- oder Sondernachteiles vorliege. Für das maßgebliche Abgrenzungskriterium der "Unmittelbarkeit" des in Frage stehenden Vor- oder Nachteils komme es dabei nicht auf eine direkte Kausalität der zu treffenden Entscheidung an, sondern darauf, ob und inwieweit eine vorhergehende Entscheidung die nachfolgende festlege oder steuere. Das Korrektiv der Unmittelbarkeit diene dazu, Mitwirkungsverbote nicht zum Schaden der demokratischen Legitimation der Beschlussgremien ausufern zu lassen. Auf der einen Seite sollten Entscheidungen in eigener Sache verhindert werden, auf der anderen Seite solle das Mitwirkungsverbot gerade in Fällen einer vielschichtigen und differenzierten Interessenlage im Hinblick auf den weiten Kreis der möglichen Betroffenen im Interesse der Funktionsfähigkeit der Gemeindevertretung und der demokratischen Teilhabe nicht ausufern. Deswegen sei z.B. auch die Mitwirkung von befangenen Gemeindevertretern an den dem Satzungsbeschluss vorausgehenden sonstigen Beschlüssen im Planaufstellungsverfahren im Ergebnis unbeachtlich. Immer dann, wenn solche Personen unter Verstoß gegen § 22 GO an den vorbereitenden Beschlüssen mitwirkten, so dass diese Beschlüsse rechtswidrig wären, seien solche Verfahrensfehler gemäß § 214 Abs. 1 BauGB unbeachtlich, weil vorbereitende Beschlüsse weder bundes- noch landesrechtlich für die Wirksamkeit eines Bebauungsplanes zwingend erforderlich seien.

Entsprechendes gelte dann erst recht auch für reine Geschäftsordnungsanträge in diesem Zusammenhang.

Nach der Gemeindeordnung genüge es für das wirksame Zustandekommen des Bebauungsplanes als gemeindliche Satzung, dass die Gemeindevertretung als einzigen den Satzungsbeschluss fasse. Auch bundesrechtlich seien weder ein Aufstellungs- noch ein Offenlegungsbeschluss noch ein eigenständiger Beschluss über die von den Bürgern vorgebrachten Anregungen erforderlich. Auch für die Durchführung der frühzeitigen Bürgerbeteiligung nach § 3 Abs. 1 BauGB sei kein ausdrücklicher Beschluss der Gemeindevertretung notwendig.

Weiter macht die Beklagte geltend, dass der von der Klägerin beantragte Tagesordnungspunkt 7 sich mit der Beendigung einer Veränderungssperre habe befassen sollen, die u.a. auch zwei CDU-Gemeindevertreter mit Eigentum im Plangebiet betreffe. Es sei gerade in deren Sinn gewesen, sich den Beschränkungen, die sich aus dieser Veränderungssperre ergäben, zu entziehen. Angeblich hätten sie aber eine solche zu ihren Gunsten gehende Beschlussfassung verhindert. Wenn es aber darum gegangen wäre, sich einen Vorteil zu verschaffen oder einen Nachteil zu vermeiden, dann wäre es im Sinn der beiden CDU-Gemeindevertreter gewesen, schon beim Beschluss über den streitigen Tagesordnungspunkt nicht mitzuwirken. Der Befangenheitsvorwurf sei deshalb nicht nachvollziehbar.

Der Beschlussvorschlag zu dem Tagesordnungspunkt 8 habe die Aufhebung eines Bebauungsplanaufstellungsbeschlusses beinhaltet, für den seit Änderung der Hauptsatzung und Zuständigkeitsverordnung der Planungsausschuss zuständig sei. Demnach hätte allenfalls der Planungsausschuss diesen Aufstellungsbeschluss aufheben können. Bei der Absetzung des Tagesordnungspunktes 9 sei ebenfalls zu berücksichtigen gewesen, dass der Planungsausschuss nach der Zuständigkeitsordnung für die Aufstellungsbeschlüsse zuständig sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil der 6. Kammer des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 09. März 2006 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, festzustellen, dass der Beschluss der Beklagten zu Tagesordnungspunkt 2 der Sitzung vom 12. April 2005 bezüglich der Behandlung der Tagesordnungspunkte 7, 8 und 9 rechtswidrig ist.

Nach Ansicht der Klägerin verkennt die Beklagte mit ihrer Argumentation den Regelungsgegenstand des Mitwirkungsverbotes. Abzustellen sei darauf, ob der Gemeindevertreter auf Grund besonderer persönlicher Beziehungen zum Gegenstand der Beschlussfassung ein individuelles Sonderinteresse an der Entscheidung habe, das zu einer Interessenkollision führen könne und die Besorgnis einer beeinflussten Stimmabgabe rechtfertige und nicht darauf, ob sich der Gemeindevertreter tatsächlich einen Vorteil zuschanze oder nicht. Überspitzt ausgedrückt diene § 22 GO nicht dazu, dass sich der Gemeindevertreter in "gesetzestreuer Verhaltensweise" selbst Nachteile zufüge, sondern solle die Entscheidungen der Gemeindevertretung gänzlich von individuellen Sonderinteressen freihalten. Der Gemeindevertreter solle nicht gegen mögliche eigene Vorteile stimmen, sondern sich gar nicht an der Entscheidungsfindung beteiligen.

Richtig sei sodann, dass der Beschlussvorschlag zu TOP 8 die Aufhebung eines Bebauungsplanaufstellungsbeschlusses der Gemeindevertretung vom 22. Juni 2004 zum Gegenstand gehabt habe. Falsch sei, dass auf Grund der Zuständigkeitsverordnung vom 07. Dezember 2004 der Planungsausschuss zuständig gewesen wäre. Beschlüsse der Gemeindevertretung könnten, trotz geänderter Zuständigkeiten, auch nur von der Gemeindevertretung aufgehoben werden. Im Übrigen sei dieser Gesichtspunkt in der Gemeindevertreterversammlung von der CDU-Fraktion nicht ansatzweise als Grund für die Absetzung angeführt worden. Eine TOP-Vorlage könne auch nicht ernsthaft als Argument für eine TOP-Absetzung dienen, weil die Beschlussvorlage naturgemäß der Diskussion und Veränderung im Zuge der Erörterung durch die Gemeindevertreterversammlung unterliege. Der Beschlussvorschlag zu TOP 9 greife bewusst nicht in die Befugnis des Planungsausschusses ein, sondern formuliere lediglich entsprechende Bedenken. Dies sei ausreichend. Indessen werde es darauf für die Entscheidungsfindung nicht ankommen, weil die von der Beklagten vorgebrachten Gesichtspunkte bei der Absetzung weder eine Rolle gespielt hätten noch im Zusammenhang mit der zu entscheidenden Frage stünden, ob die Gemeindevertreter bei der Abstimmung befangen gewesen seien oder nicht und deshalb eine Mitwirkung ausgeschlossen gewesen sei.

Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten haben vorgelegen; auf sie und die Schriftsätze der Beteiligten wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Deren Beschluss zum Tagesordnungspunkt 2 der Sitzung vom 12. April 2005 ist bezüglich der Behandlung der Tagesordnungspunkte 7, 8 und 9 rechtswidrig. Dem ist im Entscheidungsausspruch Rechnung zu tragen; die vom Verwaltungsgericht festgestellte Verletzung von Rechten der Klägerin ist nur ein Teilaspekt des festzustellenden Rechtsverhältnisses.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Zulässigkeit der Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO angenommen. Streitigkeiten zwischen Organen der Gemeinde oder innerhalb ihrer Mitglieder werden als "Kommunalverfassungsstreitigkeiten" im Verwaltungsgerichtsverfahren ausgetragen. Die einzelnen Organe und Organteile sowie die Fraktionen und Parteien einschließlich der Wählergruppen haben zur Wahrung ihrer Rechte Parteifähigkeit. Die Bezeichnung des Prozesses als Organstreitigkeit führt aber nicht dazu, ihn deshalb einer Klageart zuzurechnen, die in der Verwaltungsgerichtsordnung nicht aufgeführt ist (HessVGH, Urt. v. 07.06.1977 - II OE 95/75 -, DVBl. 1978, 821). Nach dem gestellten Klageantrag ist das Klagebegehren in eine Feststellungsklage einzuordnen (§ 43 Abs. 1 VwGO).

Nach dem die VwGO beherrschenden Prinzip des subjektiven Rechtsschutzes ist auch im Kommunalverfassungsstreit die verwaltungsgerichtliche Klage in entsprechender Anwendung von § 42 Abs. 2 VwGO nur zulässig, wenn der Kläger geltend machen kann, durch ein anderes Organ oder Organteil einer Rechtsverletzung erfahren zu haben oder durch ein bevorstehendes Handeln oder Unterlassen in seinen Rechten verletzt zu werden (Senatsbeschl. v. 11.04.2006 - 2 MB 6/06 -; siehe auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 04.11.1993 - 1 S 953/93 -, VBlBW 1994, 99). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

Ausdrücklich ist das Verfahren der Absetzung von Tagesordnungspunkten in der Gemeindeordnung ebenso wenig geregelt wie der Anspruch einer Fraktion auf sachliche Behandlung eines auf ihre Veranlassung auf die Tagesordnung gesetzten Beratungsgegenstandes. § 34 Abs. 4 Satz 3 GO sieht zwar ein Initiativrecht u.a. einer Fraktion und damit auch der Klägerin vor, eine Angelegenheit auf die Tagesordnung einer Gemeindevertretersitzung setzen zu lassen. Hierin erschöpft sich aber auch insoweit das Initiativrecht einer Fraktion; insbesondere ergibt sich aus ihm kein Anspruch darauf, dass sich die Gemeindevertretung mit einer Angelegenheit auch in der Sache befasst. Vielmehr ist die Gemeindevertretung berechtigt, die sachliche Auseinandersetzung mit einem Tagesordnungspunkt dadurch zu verhindern, dass sie diesen durch einfachen Mehrheitsbeschluss von der Tagesordnung absetzt (Senatsurt. v. 27.06.1995 - 2 L 257/93 -, Die Gemeinde 1996, 19). Voraussetzung dafür ist aber die Rechtmäßigkeit eines solchen Beschlusses. Die Absetzung eines von der Klägerin eingebrachten Tagesordnungspunktes durch rechtswidrigen Beschluss der Beklagten verletzte das Initiativrecht der Klägerin.

Das Verwaltungsgericht hat weiterhin zu Recht ein nach § 43 Abs. 1 VwGO erforderliches Feststellungsinteresse der Klägerin angenommen. Sie müsste bei erneuter Einbringung der fraglichen Tagesordnungspunkte befürchten, dass die Beklagte damit in gleicher Wiese verfahren würde.

Die Feststellungsklage ist auch begründet. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird gemäß § 130 b Satz 2 VwGO auf die Gründe des angefochtenen Urteils verwiesen. Unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens ist ergänzend hinzuzufügen:

Wie bereits im Beschluss über die Zulassung der Berufung ausgeführt, ist bei Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Angelegenheit Ehrenbeamtinnen und -beamten oder ehrenamtlich tätigen Bürgerinnen und Bürgern einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann und sie deswegen gemäß § 22 Abs. 1 GO in dieser Angelegenheit nicht ehrenamtlich tätig werden dürfen, das gesetzgeberische Ziel zu beachten, die Entscheidungen der Gemeindevertretung von individuellen Sonderinteressen freizuhalten und auf diese Weise das Vertrauen in eine unvoreingenommene öffentliche Verwaltung zu stärken. Der Senat hat hierzu im Urteil vom 20. März 2002 zum Verfahren 2 K 10/99 (Die Gemeinde 2002, 159 = NordÖR 2003, 37 = SchlHA 2002, 217) weiter folgendes ausgeführt:

"§ 22 GO beruht - wie auch die Parallelvorschriften der anderen Bundesländer - auf einer Übernahme des Wortlauts des § 25 der Deutschen Gemeindeordnung (DGO) vom 30.01.1935 (RGBI S. 49). Zu dieser Vorschrift war allgemein anerkannt, dass sie "die Vettern- und Cliquenwirtschaft von vornherein unmöglich" machen sollte (vgl. Surèn/Loschelder, Die Deutsche Gemeindeordnung, Anm. 3 zu § 25; Kerrl-Weidemann, DGO, Vorb. § 25, jeweils unter Hinweis auf die amtliche Begründung) und dementsprechend weit auszulegen war. Das Merkmal der Unmittelbarkeit wurde demnach nicht im Sinne direkter Kausalität gedeutet; maßgeblich wurde auf das individuelle Sonderinteresse (im Gegensatz zum Gruppen- und Allgemeininteresse) abgestellt (Surèn/Loschelder, a.a.O.). Mit "unmittelbar" war nämlich die "unmittelbare persönliche Beteiligung" gemeint; an ihr sollte es dann fehlen, wenn der Mitwirkende lediglich als Angehöriger einer bestimmten Personengruppe, eines weiteren Kreises, also "mittelbar" betroffen war (vgl. Borchmann, NVwZ 1982 17, 18 m.w.N.).

Gestützt wird diese Auffassung durch eine objektiv-teleologische Auslegung. Der Zweck des Mitwirkungsverbotes ist u.a. die Erhaltung bzw. Festigung des Vertrauens der Bürger in die Objektivität der Verwaltungsführung. Um diesem Gesetzeszweck gerecht zu werden, genügt es nicht, die in Frage kommenden Sachverhalte unter eine schematisierende, nicht abgeleitete, sondern gegriffene Kausalitätsformel zu subsumieren. Die Norm liefe bei ihrer konsequenten Anwendung leer, da so gut wie alle Beschlüsse einer Gemeindevertretung eines Ausführungsaktes durch die Gemeindeverwaltung bedürfen (§ 50 Abs. 1 bzw. § 55 Abs. 1 S. 4 Nr. 2 GO, § 3 Abs. 1 S. 1 AmtsO)."

Daraus ist ohne weiteres abzuleiten, dass ein Gemeindevertreter von der Mitwirkung einer Beschlussfassung über einen Bebauungsplan regelmäßig ausgeschlossen ist, wenn dieser Gemeindevertreter Eigentümer eines im Plangebiet liegenden Grundstückes ist (vgl. dazu Borchert, KVR SH, GO § 22 Rdnr. 14 ff m.w.N.). Das gilt gleichermaßen für Beschlüsse über eine Veränderungssperre im Sinne von § 16 BauGB. Unbeschadet der Frage, welche Folgen sich für die Wirksamkeit eines Bebauungsplanes aus der Mitwirkung ausgeschlossener Gemeindevertreter an vorbereitenden Beschlüssen und Beratungen ergeben (vgl. dazu OVG Schleswig, Urt. v. 10.08.1994 - 1 K 2/94 -; OVG NRW, Urt. v. 24.02.1995 - 10 A NE 40/90 -, NVwZ-RR 1996, 220; OVG Lüneburg, Urt. v. 27.08.1981 - 1 OVG C 50 -, Die Gemeinde 1981, 398), erstreckt sich der Ausschluss eines Gemeindevertreters wegen Befangenheit auf das gesamte Planverfahren und nicht nur auf den abschließenden Satzungsbeschluss (OVG Lüneburg, Urt. v. 16.07.1980 - 1 A 65/78 -, Die Gemeinde 1980, 434). An dieser - zu § 22 Abs. 1 GO in der Fassung vom 06. April 1973 (GVOBl. S. 90) vertretenen - Auffassung ist auch im Hinblick auf die jetzt geltende Fassung des Gesetzes festzuhalten. In Fortentwicklung dieser Rechtsprechung ist ein Ausschließungsgrund gemäß § 22 Abs. 1 GO auch für solche Tätigkeiten und Handlungen anzunehmen, die einer Entscheidung im Verfahren notwendigerweise vorausgehen und deswegen Einfluss auf das Ergebnis haben können. Das ist z.B. nicht der Fall, wenn ein von der Angelegenheit betroffener Vorsitzender der Gemeindevertretung diese Angelegenheit auf Verlangen einer Fraktion auf die Tagesordnung setzt. § 22 GO soll verhindern, dass der betreffende Funktionsträger auf gemeindepolitische Entscheidungen, die ihm einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen können, Einfluss nehmen kann. Daraus folgt, dass das Mitwirkungsverbot nur für solche Amtshandlungen Geltung beanspruchen kann, die auch einer Einflussnahme - sei es durch argumentative Beteiligung, sei es durch ein bestimmtes Abstimmungsverhalten - zugänglich sind (Senatsurt. v. 20.03.2002, a.a.O.).

Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn eine nach § 34 Abs. 4 Satz 3 GO zwingend auf die Tagesordnung zu setzende Angelegenheit unter Mitwirkung von Funktionsträgern im Sinne von § 22 Abs. 1 GO wieder abgesetzt wird. Anderenfalls könnten solche Funktionsträger maßgeblich dazu beitragen, dass etwa eine beabsichtigte Planung nicht vorangebracht wird oder aber eine gegebene Beschlusslage im Interesse eines davon in besonderer Weise betroffenen Personenkreises unverändert bleibt. So liegt es auch hier. Die Absetzung der Tagesordnungspunkte 7 (Aufhebung der Satzung über die Veränderungssperre im Bereich der 3. Änderung des Bebauungsplanes 19), 8 (Aufhebung des Aufstellungsbeschlusses zur 3. Änderung für Teilflächen des Bebauungsplanes 19) und 9 (Grundsatzbeschluss zur Überplanung des Gebietes B-Plan 19) von der Tagesordnung kann den Gemeindevertretern Dr. ... und ... als Eigentümern von Grundstücken im Gebiet dieses Bebauungsplanes im Sinne von § 22 Abs. 1 GO einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen. Die Nichtbefassung der Gemeindevertretung mit diesen Angelegenheiten sichert die Aufrechterhaltung des Status quo. Dabei kann es entgegen der Auffassung der Beklagten dahinstehen, ob die von der Klägerin beabsichtigte Aufhebung der Satzung über die Veränderungssperre (TOP 7) für die Gemeindevertreter Dr. ... und ... lediglich vorteilhaft gewesen wäre. Die Klägerin hält dem zu Recht entgegen, dass der Zweck des § 22 GO darin besteht, die Entscheidungen der Gemeindevertretung von individuellen Sonderinteressen freizuhalten und der Gemeindevertreter nicht gegen mögliche eigene Vorteile stimmen, sondern sich gar nicht an der Entscheidungsfindung beteiligen soll.

Ebenso kann die Frage offen bleiben, ob die Tagesordnungspunkte 8 und 9 wegen veränderter Zuständigkeiten zwingend an den Planungsausschuss zu verweisen waren, denn auch insoweit waren die zu treffenden Entscheidungen von der Gemeindevertretung unbeeinflusst von der Mitwirkung der Gemeindevertreter Dr. ... und ... zu treffen. Darauf hat das Verwaltungsgericht ebenso hingewiesen wie auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 Nr. 1 GO. Danach kann ein Verstoß gegen die Abs. 1, 2 und 4 nicht geltend gemacht werden, wenn im Falle einer Abstimmung die Mitwirkung der unter die Ausschließungsgründe fallenden Person für das Abstimmungsergebnis nicht entscheidend war. Hier wurde der Beschluss über die Absetzung bzw. Verweisung der Tagesordnungspunkte mit 9 zu 8 Stimmen gefasst.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Nebenentscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,-- Euro festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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