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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 20.02.2009
Aktenzeichen: 2 LB 24/08
Rechtsgebiete: BAföG


Vorschriften:

BAföG § 24 Abs. 3
BAföG § 47 a
1. § 47 a BAföG setzt bereits dem Wortlaut nach nicht voraus, dass das Verhalten desjenigen, der zum Ersatz herangezogen wird, einen Verwaltungsakt erwirkt hat, sondern dass das Verhalten der Leistung von Ausbildungsförderung herbeigeführt hat.

2. Eine inhaltlich fehlerhafte Begründung schadet bei gebundenen Verwaltungsakten grundsätzlich nicht. Das Gericht hat immer zu prüfen, ob der Bescheid mit einer anderen Begründung aufrecht erhalten werden kann.

3. Bei der Geltendmachung des Ersatzanspruchs aus § 47 a BAföG handelt es sich nicht um eine Ermessensentscheidung.


SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 2 LB 24/08

verkündet am 20.02.2009

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Ausbildungs- und Studienförderungsrecht - Berufungsverfahren -

hat der 2. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 20. Februar 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht ..., den Richter am Oberverwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ... sowie die ehrenamtlichen Richterinnen ... und ... für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Einzelrichter der 15. Kammer - vom 12. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine Ersatzpflicht des Klägers für an dessen Sohn geleistete Ausbildungsförderung.

Der Sohn des Klägers beantragte für den Besuch der Fachoberschule Technik an der Beruflichen Schule Meldorf am 25. September 2001 Ausbildungsförderung nach dem Bundesgesetz über die individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG -). Dabei gab der Kläger an, er sei als Selbständiger erwerbstätig. Er habe im Jahr 1999 negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gehabt. Weitere Einkünfte gab der Kläger nicht an und versicherte, dass seine Angaben richtig und vollständig seien. Die Mutter des Auszubildenden gab negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung an und legte zudem eine Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 1999 vor.

Mit Bescheid vom 29. Oktober 2001 wurde ein Förderungsbetrag in Höhe von monatlich 940,-- DM für den Bewilligungszeitraum September 2001 bis Juni 2002 festgesetzt. Die Bewilligung erfolgte unter dem Vorbehalt der Rückforderung, weil der für die Einkommensanrechnung maßgebende Steuerbescheid der Eltern des Auszubildenden für das Jahr 1999 noch nicht vorlag. Der Beklagte leistete während des Bewilligungszeitraums die Ausbildungsförderung in der genannten Höhe.

Nachdem das zuständige Finanzamt dem Beklagten u.a. mitgeteilt hatte, der Kläger habe 1999 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 123.760,00 DM erzielt, erließ der Beklagte unter dem 30. Juli 2002 einen neuen Bescheid für den Bewilligungszeitraum September 2001 bis Juni 2002, mit welchem der Bescheid vom 29. Oktober 2001 zugleich aufgehoben wurde. Ausbildungsförderung wurde nicht bewilligt, da der Betrag des anzurechnenden Einkommens und/oder Vermögens den Gesamtbedarf des Auszubildenden überstieg. In diesem an den Sohn des Klägers gerichteten Bescheid wurde ein Rückforderungsbetrag in Höhe von 4.806,10 Euro festgesetzt.

Nachdem der Beklagte davon Kenntnis erlangt hatte, dass hinsichtlich des Vermögens des Klägers im Oktober 2001 ein Insolvenzantrag gestellt worden war, regte er im Februar 2003 einen Antrag i.S.d. § 24 Abs. 3 BAföG an. Der Sohn des Klägers beantragte daraufhin im Mai 2003 für den oben genannten Bewilligungszeitraum, dass bei der Anrechnung des Einkommens seines Vaters von den Einkommensverhältnissen im Bewilligungszeitraum ausgegangen werde, weil dessen Einkommen im Bewilligungszeitraum voraussichtlich wesentlich geringer sein werde, als das Einkommen im vorletzten Kalenderjahr vor Beginn des Bewilligungszeitraums. Der Kläger teilte hierzu mit, dass er ab dem 23. November 2001 der Insolvenzverwaltung durch einen Insolvenzverwalter unterlegen habe. Er sei ab diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Lage gewesen, Verfügungen über sein Vermögen bzw. sein Einkommen zu treffen. Der Insolvenzverwalter habe mit Schreiben vom 23. Januar 2003 mitgeteilt, dass ein auszahlungsfähiges Gutachten nicht vorhanden sei, vielmehr die Einnahmen während der Insolvenz nicht ausgereicht hätten, um die Insolvenzkosten zu decken. Aus diesem Schreiben ergebe sich, dass freie Vermögensmasse während des Insolvenzverfahrens nicht bestanden habe, so dass er auch nicht in der Lage gewesen sei, etwaigen Unterhaltsverpflichtungen nachzukommen. Er sei im Januar 2001 geschieden worden. Er habe sich mit seiner früheren Ehefrau im Februar 2002 auf eine Zahlung von 150.000,-- DM geeinigt. In den Jahren 2001 und 2002 seien die Unterhaltszahlungen für seine Tochter und sein eigener Unterhalt von seiner Lebensgefährtin und seiner Mutter beglichen worden. Der Kläger legte einen Arbeitsvertrag für den Zeitraum ab 12. Oktober 2001 vor, aus dem sich ein Arbeitsentgelt von 2.200,-- DM brutto pro Monat ergab. Zudem erklärte er, dass er im Jahr 2001 keine Gewinne erwirtschaftet habe.

Mit Bescheid vom 26. September 2003 setzte der Beklagte für den Sohn des Klägers wiederum für den Förderungszeitraum September 2001 bis Juni 2002 einen monatlichen Förderungsbetrag von 480,61 Euro fest. Die Bewilligung erfolgte unter dem Vorbehalt der Rückforderung, weil sich das Einkommen des Vaters des Auszubildenden im Bewilligungszeitraum noch nicht abschließend feststellen lasse. Im November 2005 teilte das zuständige Finanzamt dem Beklagten mit, der Kläger habe im Jahr 2001 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 143.690,-- DM erzielt. Im Jahr 2002 habe er Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 60.714,-- Euro und aus nicht selbständiger Arbeit in Höhe von 29.956,-- Euro erzielt.

Mit Bescheid vom 28. Dezember 2005 erließ der Beklagte einen neuen Bescheid über die Festsetzung des monatlichen Förderungsbetrages für den oben genannten Bewilligungszeitraum, mit welchem er zugleich den Bescheid vom 26. September 2003 aufhob. Ausbildungsförderung wurde nicht bewilligt, weil der Betrag des anzurechnenden Einkommens und/oder Vermögens den Gesamtbedarf des Auszubildenden überstieg. Zugleich wurde ein Rückforderungsbetrag in Höhe von 4.806,10 Euro festgesetzt.

Mit an den Kläger gerichteten Bescheid vom 23. Mai 2006 machte der Beklagte einen Gesamtbetrag von 5.599,11 Euro geltend, der sich aus einer überzahlten Förderung des Sohnes des Klägers in Höhe von 4.806,10 Euro und einem Zinsbetrag in Höhe von 793,01 Euro zusammensetzte.

Der Kläger legte am 22. Juni 2006 Widerspruch ein, den er nicht begründete.

Im Widerspruchsverfahren holte der Beklagte eine Stellungnahme des ehemaligen vorläufigen Insolvenzverwalters ein. Dieser teilte mit Schreiben vom 09. November 2006 mit, dass das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers seinerzeit nicht zur Eröffnung gelangt sei. Der Insolvenzantrag sei im Februar 2002 zurückgenommen worden. Mit Beschluss vom 13. Februar 2002 sei daraufhin die vorläufige Insolvenzverwaltung aufgehoben worden. Die von ihm im Zuge des Insolvenzantragsverfahrens sichergestellten Geschäftsunterlagen seien dem Kläger am 19. Februar 2002 herausgegeben worden. Im Mai 2003 habe das bereits über ein Jahr zuvor aufgehobene vorläufige Insolvenzverfahren keinerlei Einfluss mehr auf die Informationsmöglichkeiten und die Auskunftsfähigkeit des Klägers gehabt haben können.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 24. November 2006 - dem Kläger zugestellt am 29. November 2006 - zurückgewiesen. In der Begründung hieß es u.a., nach § 24 Abs. 1 BAföG seien für die Anrechnung des Einkommens der Eltern die Einkommensverhältnisse im vorletzten Kalenderjahr vor Beginn des Bewilligungszeitraumes maßgebend. Aus diesem Grunde sei seinerzeit zunächst auf das Einkommen des Klägers des Kalenderjahres 1999 zurückgegriffen worden. Sei das Einkommen im Bewilligungszeitraum voraussichtlich wesentlich niedriger als in dem vorletzten Kalenderjahr vor Beginn des Bewilligungszeitraumes, so sei nach § 24 Abs. 3 BAföG auf besonderen Antrag des Auszubildenden bei der Anrechnung von den Einkommensverhältnissen im Bewilligungszeitraum auszugehen. Aufgrund der durch den Kläger gemachten Angaben zu seinen voraussichtlichen Einkommensverhältnissen in den Kalenderjahren 2001 und 2002 habe der Auszubildende glaubhaft machen können, dass das Einkommen im Bewilligungszeitraum voraussichtlich wesentlich niedriger sein werde als das im Kalenderjahr 1999. Im Zusammenhang mit der endgültigen Entscheidung über den BAföG-Antrag habe sich dann herausgestellt, dass die Angaben des Klägers zu seinen voraussichtlichen Einkommensverhältnissen falsch bzw. unvollständig gewesen seien, was dann zur Aufhebung des Bewilligungsbescheides und zur Rückforderung der gezahlten Förderungsleistungen geführt habe. Führten die Eltern oder ein Elternteil des Auszubildenden die Leistung von Ausbildungsförderung an den Auszubildenden dadurch herbei, dass vorsätzlich oder fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht würden, so sei nach § 47 a BAföG der zu Unrecht gezahlte Förderungsbetrag zu ersetzen. Der Kläger habe im Zusammenhang mit dem sogenannten Aktualisierungsantrag nach § 24 Abs. 3 BAföG u.a. angegeben, dass er in dem maßgebenden Zeitraum lediglich über Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit verfügt, jedoch keine Gewinne aus Gewerbebetrieb erwirtschaftet habe. Die Ermittlungen Ende 2005 über das Finanzamt hätten ergeben, dass entgegen bisheriger Erklärungen der Kläger doch Einkünfte aus Gewerbebetrieb in erheblicher Höhe erzielt habe. Aus der Stellungnahme des ehemaligen vorläufigen Insolvenzverwalters ergebe sich, dass dieser die sichergestellten Geschäftsunterlagen im Februar 2002 an den Kläger herausgegeben habe. Der Kläger habe folglich im Zeitpunkt des Aktualisierungsantrages im April/Mai 2003 Kenntnis über seine Einkommensverhältnisse gehabt bzw. er hätte sich solche Kenntnisse über seinen Steuerberater beschaffen können. Folglich habe der Kläger zumindest fahrlässig gehandelt, was die Erklärung über seine voraussichtlichen Einkommensverhältnisse in den Kalenderjahren 2001 und 2002 angehe, weil er die Einkünfte aus Gewerbebetrieb nicht angegeben habe. Es sei nicht glaubhaft, dass er hiervon nichts gewusst habe. Dieses fahrlässige Verhalten sei ursächlich dafür, dass seinem Sohn Ausbildungsförderungsleistungen gezahlt worden seien. In dem Widerspruchsbescheid wurde die geltend gemachte Forderung auf 5.743,30 € festgesetzt (4.806,10 € Hauptforderung zuzüglich 937,20 € Zinsen).

Der Kläger hat am 27. Dezember 2006 Klage erhoben, zu deren Begründung er u.a. vorgetragen hat, seine wirtschaftlichen Verhältnisse in den maßgeblichen Jahren 2001 und 2002 seien unvollständig und damit unrichtig wiedergegeben worden. Aufgrund eines Insolvenzverfahrens und einer Pfändung seiner damaligen Ehefrau sei er tatsächlich zahlungsunfähig gewesen. Er habe zu dem betreffenden Zeitpunkt über keine Liquidität verfügt. Vielmehr seien sämtliche Gegenstände belastet und über Darlehen finanziert gewesen. Ihm könne nicht vorgeworfen werden, dass er fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht habe.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 23. Mai 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2006 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat der Beklagte auf die angefochtenen Bescheide Bezug genommen.

Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 12. Dezember 2007 - dem Kläger zugestellt am 18. Januar 2008 - die Klage abgewiesen und zur Begründung Bezug genommen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 24. November 2006.

Der Kläger hat am 24. Januar 2008 die Zulassung der Berufung beantragt. Die Berufung ist durch Beschluss vom 16. Juni 2008 gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zugelassen worden.

Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger u.a. vor, dass die Voraussetzungen des § 47 a BAföG nicht gegeben seien und dass darüber hinaus auch die Mutter des Auszubildenden zur Leistung hätte herangezogen werden müssen. Zu berücksichtigen sei, dass er ab dem 23. November 2001 der Insolvenzverwaltung unterlegen habe. Ab diesem Zeitpunkt sei er nicht mehr in der Lage gewesen, über sein Vermögen bzw. sein Einkommen zu verfügen bzw. Erkenntnisse über seine derzeitige Vermögenslage zu erhalten. Ihm sei nicht bewusst gewesen, ob sich seine Einkommensverhältnisse geändert hätten oder gleich geblieben seien. Hieraus resultiere, dass er keine anderen Angaben bezüglich seiner Einkommensverhältnisse bei dem Aktualisierungsantrag habe anführen können. Er sei nicht in der Lage gewesen, diese einzuholen. Es sei auch nicht beachtet worden, dass Umsatz nicht gleich Gewinn sei. Dieser hätte zunächst durch den Steuerberater berechnet werden müssen, worauf er keinen Einfluss gehabt habe. Der Beklagte hätte zudem die aus der Scheidung stammenden Schulden und Lasten als außergewöhnliche Belastungen werten müssen. Er, der Kläger, sei aufgrund der Scheidung verpflichtet gewesen, 150.000,-- DM an seine geschiedene Frau zu zahlen. Auch aufgrund des Insolvenzverfahrens seien ihm Kosten in Höhe von 75.000,-- DM entstanden. Diese Kosten in Höhe von 225.000,-- DM hätte der Beklagte vom Einkommen in Abzug bringen müssen. Die geltend gemachte Erstattungsforderung des Beklagten beruhe allein auf dem Bescheid vom 29. Oktober 2001. Zu diesem Zeitpunkt habe er keine Verfügungsgewalt mehr über sein Vermögen gehabt. Auch der Beklagte gehe davon aus, dass er erst im April/Mai 2003 wieder Kenntnis über seine Vermögensverhältnisse habe erlangen können. Da er so für den Zeitraum, auf dem die Bewilligung vom 29. Oktober 2001 beruhe, keine Kenntnis bezüglich seiner Vermögensverhältnisse gehabt habe, könne ihm keine Fahrlässigkeit i.S.d. § 47 a BAföG vorgeworfen werden. Ferner hätte der Beklagte gemäß § 47 a BAföG beide Elternteile in Anspruch nehmen müssen. Die Rückforderungsleistung beruhe auf dem Bescheid vom 29. Oktober 2001. Dieser Bescheid stehe in keinerlei Zusammenhang mit dem Aktualisierungsantrag von 2003. Mithin sei die Begründung des Beklagten falsch, dass die Mutter nicht in Anspruch genommen werde, da Grundlage der Leistungen nur der Aktualisierungsantrag sei. Er habe vor Erlass des Bescheides vom 29. Oktober 2001 auch keine falschen Angaben zu seinen Einkommensverhältnissen im Jahr 1999 gemacht. Er habe diese nicht gekannt, da der Steuerbescheid noch nicht vorgelegen habe. Dass er keine Angaben zu seinem Einkommen aus Gewerbebetrieb gemacht habe, sei so zu verstehen gewesen, als ob er in der von ihm auszufüllenden Erklärung angegeben hätte, er kenne das Einkommen noch nicht. Der Beklagte hätte aufgrund seiner Angabe negativer Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung Anlass gehabt, ihn näher nach seinem Einkommen zu befragen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts (- 15 A 289/06 -) zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 23. Mai 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2006 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung wiederholt der Beklagte die Begründung des Widerspruchsbescheides und führt ergänzend u.a. aus, es sei zu keiner Zeit Umsatz als Einkommen angerechnet worden. Eine Rückforderung von der Mutter des BAföG-Leistungsempfängers komme schon deshalb nicht in Betracht, weil der Sohn des Klägers nur die Aktualisierung des klägerischen Einkommens beantragt und insoweit nur der Kläger die Voraussetzungen einer Inanspruchnahme gemäß § 47 a BAföG erfüllt habe.

Die Verwaltungsvorgänge des Beklagten haben dem Gericht bei Beratung und Entscheidung vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden; wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf den Akteninhalt sowie auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, sie ist jedoch nicht begründet. Der Bescheid vom 23. Mai 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2006 ist rechtmäßig.

Der Kläger wird von dem Beklagten zu Recht gemäß § 47a BAföG auf Ersatz der dem Sohn gewährten Ausbildungsförderung in Anspruch genommen.

Haben der Ehegatte oder die Eltern des Auszubildenden die Leistung von Ausbildungsförderung an den Auszubildenden dadurch herbeigeführt, dass sie vorsätzlich oder fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht oder eine Anzeige nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch unterlassen haben, so haben sie den Betrag, der nach § 17 Abs. 1 und 2 BAföG für den Auszubildenden als Förderungsbetrag zu Unrecht geleistet worden ist, dem Land zu ersetzen (§ 47a Satz 1 BAföG).

Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Bestimmung sind gegeben. Dabei kann hier offen bleiben, ob der Kläger - wie der Beklagte dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt hat - vor Erlass des Bescheides vom 26. September 2003 im sog. Aktualisierungsverfahren vorsätzlich oder fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht hat. Hierauf kommt es nicht an, da vorsätzlich oder fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben zu diesem Zeitpunkt die Leistung von Ausbildungsförderung an den Sohn des Klägers nicht herbeigeführt haben.

§ 47a BAföG setzt bereits dem Wortlaut nach nicht voraus, dass das Verhalten desjenigen, der zum Ersatz herangezogen wird, einen Verwaltungsakt erwirkt hat (vgl. die entsprechende Formulierung in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB X), sondern dass das Verhalten die Leistung von Ausbildungsförderung herbeigeführt hat. Die Norm spricht des Weiteren von dem Förderungsbetrag, der zu Unrecht geleistet worden ist. Maßgebend ist danach, ob eine Zahlung an den Auszubildenden herbeigeführt wurde und nicht, ob das entsprechende Verhalten Ursache für den Erlass eines Verwaltungsaktes war, der Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Zahlung ist.

Neben dem Wortlaut des § 47a BAföG spricht auch der Inhalt des dort geregelten Anspruchs dafür, auf die Zahlung an den Auszubildenden und nicht auf den Erlass eines Verwaltungsaktes zur Festsetzung des Förderungsanspruchs abzustellen. Voraussetzung für die Leistung ist ein Bewilligungsbescheid. Wird dieser aufgehoben, da die Voraussetzungen für die Leistung von Ausbildungsförderung nicht vorgelegen haben, ist der Förderungsbetrag zu erstatten, soweit - wie im Falle des Sohnes des Klägers - Ausbildungsförderung unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistet worden ist (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BAföG). Es geht bei § 47a BAföG jedoch nicht um die Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen in der Folge der Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts, wie dies in § 20 BAföG der Fall ist, sondern um Schadensersatz für Förderungsbeträge, die aufgrund schuldhaften Verhaltens des Ersatzpflichtigen zu Unrecht geleistet worden sind. Es handelt sich um einen eigenständigen Schadensersatzanspruch des öffentlichen Rechts (BVerwG, Urteil vom 25.11.1992 - 11 C 4/92 - NJW 1993, 2328; Beschluss des Senats vom 20.3.2006 - 2 LA 19/06 - ; Reifers in Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl., § 47a Anm. 2). Der Schaden ist hier bereits durch die Zahlung der Ausbildungsförderung im Zeitraum zwischen September 2001 und Juni 2002 aufgrund des Bewilligungsbescheides vom 29. Oktober 2001 eingetreten, nicht erst durch Erlass des Bescheides vom 26. September 2003. Dieser Bescheid hätte im Übrigen nicht ergehen dürfen, da nach Ende des Bewilligungszeitraums gestellte Anträge im Sinne des § 24 Abs. 3 BAföG nicht berücksichtigt werden dürfen. Seine anderslautende frühere Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht durch Urteil vom 8. Juli 2004 (- 5 C 31/03 - BVerwGE 121, 245) aufgegeben.

Obwohl danach die Begründungen des Bescheides vom 23. Mai 2006 und des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2006 mangelhaft sind, da der Beklagte in ihnen ausschließlich auf das Verhalten des Klägers im Verwaltungsverfahren zum Erlass des Bescheides vom 26. September 2003 abgestellt hat, führt dies nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides. Eine inhaltlich fehlerhafte Begründung schadet bei gebundenen Verwaltungsakten grundsätzlich nicht. Das Gericht hat immer zu prüfen, ob der Bescheid mit einer anderen Begründung aufrechterhalten werden kann. Erweist sich der Spruch eines angefochtenen Verwaltungsakts aus anderen Gründen, als sie die Verwaltungsbehörde angegeben hat, als rechtmäßig, dann ist der Verwaltungsakt im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht rechtswidrig (BVerwG, Urteil vom 27.1.1982 - 8 C 12/81 - BVerwGE 64, 356; Urteil vom 19.8.1988 - 8 C 29/87 - BVerwGE 80, 96). Bei der Geltendmachung des Ersatzanspruchs aus § 47a BAföG handelt es sich auch nicht um eine Ermessensentscheidung. Die Ansprüche aus § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BAföG und aus § 47a BAföG stehen zueinander in einem Gesamtschuldverhältnis. Der Charakter der Gesamtschuld als solcher zeigt, dass es keine Pflicht der Behörde zur Ermessensausübung im Sinne eines Auswahlermessens bei der Geltendmachung der Ansprüche gibt (Hess. VGH, Urteil vom 24.9.1991 - 9 UE 2358/88 - FamRZ 1992, 1363; Reifers, a.a.O, Anm. 11).

Durch sein Verhalten vor Erlass des Bescheides vom 29. Oktober 2001 hat der Kläger die Tatbestandsvoraussetzungen des § 47a BAföG erfüllt. Voraussetzung ist, dass der Kläger vorsätzlich oder fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht oder eine Anzeige nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I unterlassen hat. Vorsatz ist das Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolges. Zum Vorsatz gehört auch der bedingte Vorsatz, der dann vorliegt, wenn der rechtswidrige Erfolg billigend in Kauf genommen wird. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Der Kläger hat zumindest fahrlässig gehandelt, als er in seiner Erklärung vom 26. Juli 2001 falsche bzw. unvollständige Angaben gemacht hat. Der Kläger hat in dieser Erklärung lediglich angegeben, im Jahr 1999 negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt zu haben. Einkünfte aus Gewerbebetrieb hat er nicht angegeben, jedoch versichert, dass seine Angaben richtig und vollständig seien. Nach der Mitteilung des zuständigen Finanzamtes, welche dem Beklagten am 24. Juni 2002 zuging, hat der Kläger jedoch im Jahr 1999 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 123.760 DM erzielt. Dem Kläger hätte es bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt oblegen, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb in seiner Erklärung vom 26. Juli 2001 anzugeben. Auch wenn die genaue Höhe dieser Einkünfte zu diesem Zeitpunkt möglicherweise noch nicht feststand - der Einkommenssteuerbescheid erging erst unter dem 9. April 2002 - so wäre es doch möglich gewesen, die voraussichtliche Höhe - gegebenenfalls mit Hilfe des Steuerberaters - zu ermitteln. Der Kläger war zumindest zu der Angabe verpflichtet, dass er 1999 Einkünfte in bislang nicht bekannter Höhe erzielt habe. Fehlt jeglicher Hinweis auf Einkünfte aus Gewerbebetrieb, kann dies entgegen der Auffassung des Klägers nicht als die Angabe verstanden werden, der Kläger kenne das insoweit erzielte Einkommen noch nicht. Ohne einen Hinweis des Klägers auf Einkünfte aus Gewerbebetrieb bestand für den Beklagten auch kein Anlass, die Einkommensverhältnisse des Klägers weiter aufzuklären.

Der Kläger hat damit im Juli 2001 zumindest fahrlässig falsche bzw. unvollständige Angaben gemacht. Dem steht auch nicht sein Vorbringen entgegen, er sei in den Jahren 2001 und 2002 aufgrund eines Insolvenzverfahrens nicht in der Lage gewesen, Auskünfte über seine finanziellen Verhältnisse zu machen. Auf den Insolvenzantrag kommt es hier nicht an, da dieser erst im Oktober 2001 und damit nach der Abgabe der Erklärung vom 26. Juli 2001 gestellt wurde. Dass der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt seiner Erklärung nicht in der Lage gewesen sein könnte, die erforderlichen Unterlagen beizuziehen, ist nicht ersichtlich. Ohne Bedeutung ist insoweit auch das Vorbringen des Klägers hinsichtlich seiner wirtschaftlichen Verhältnisse in den Jahren 2001 und 2002, da Gegenstand der von ihm abgegebenen Erklärung das Einkommen im Jahr 1999 war.

Das Verhalten des Klägers hat die Leistung von Ausbildungsförderung an den Auszubildenden auch herbeigeführt. Für das Tatbestandsmerkmal "herbeiführen" genügt ein mitursächliches Verhalten desjenigen, auf dessen Einkommen abzustellen ist (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 3.2.1977 - VI 2097/76 - FamRZ 1978, 281; Reifers, a.a.O, Anm. 8; Ramsauer/Stallbaum/Sternal, BAföG, 4. Aufl. 2005, § 47a Rdnr. 3). Hätte der Kläger zutreffende Angaben über die Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemacht, wäre es zu der Leistung von Ausbildungsförderung nicht gekommen.

Die Voraussetzungen des § 47a Satz 1 BAföG sind damit hinsichtlich des Klägers gegeben. Der von dem Beklagten geltend gemachte Zinsanspruch beruht auf § 47a Satz 2 BAföG. Danach ist der Betrag vom Zeitpunkt der zu Unrecht erfolgten Leistung an mit 6 vom Hundert für das Jahr zu verzinsen.

Der Beklagte durfte zur Durchsetzung seiner Forderung gegen den Kläger auch den angefochtenen Bescheid erlassen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind die Ämter für Ausbildungsförderung berechtigt, einen auf § 47a BAföG gestützten Ersatzanspruch gegen die Eltern oder den Ehegatten des Auszubildenden durch Verwaltungsakt geltend zu machen (BVerwG, Beschluss vom 29.12.1981 - 5 B 18/81 - Buchholz 436.36 § 47a BAföG Nr. 1; Urteil vom 25.11.1992, a.a.O.).

Entgegen der Auffassung des Klägers war seine frühere Ehefrau, die Mutter des Auszubildenden, nicht zum Ersatz heranzuziehen. Diese hat vor Erlass des Bescheides vom 29. Oktober 2001 eine Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 1999 vorgelegt. Die von dem Finanzamt dem Beklagten im Juni 2002 übermittelten Angaben über Einkünfte der Mutter des Auszubildenden aus nichtselbständiger Arbeit im Jahr 1999 gehen nicht darüber hinaus.

Weitergehende vom Kläger vorgetragene oder von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendungen oder Aspekte stehen der Forderung des Beklagten nicht entgegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO nicht bestehen.

Ende der Entscheidung

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