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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 26.04.2006
Aktenzeichen: 2 LB 41/05
Rechtsgebiete: AO, KAG SH


Vorschriften:

AO § 191
KAG SH § 6
Es steht dem Satzungsgeber nicht frei, Haftungstatbestände selbst zu schaffen. Er bedarf hierzu einer gesetzlichen Ermächtigung.
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 2 LB 41/05

verkündet am 26.04.2006

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Abfallgebühr - Berufungsverfahren -

hat der 2. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht ..., den Richter am Oberverwaltungsgericht ..., die Richterin am Verwaltungsgericht ... sowie die ehrenamtlichen Richter ... und ... für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Einzelrichter der 4. Kammer - vom 14. Juli 2004 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger ist Eigentümer eines im Außenbereich der Gemeinde ... gelegenen Grundstücks, das mit einem Wohnhaus und mit Nebengebäuden bebaut ist. Er hatte dieses Grundstück 1984 verpachtet. Nach einem langjährigen Rechtsstreit wurde dieses Grundstück vom Pächter im Jahre 2003 geräumt. Der Pächter hatte auf dem Grundstück eine Fülle von Gegenständen gelagert (Fahrzeuge, Autoreifen, Motoren, Autoteile, Möbel, Möbelteile, Fässer, Waschmaschinen, Holz, Bauschutt, Batterien, Dachpappe, Metallteile, Lattenroste von Betten, Eternitplatten, Kunststoffplatten, Fensterreste, Aluprofile und anderes). Nachdem der Pächter Ordnungsverfügungen des Kreises nicht nachgekommen war, ließ dieser das Grundstück am 19. und am 20. Januar 1998 durch den Beklagten räumen. Mit Bescheid vom 19. Februar 1998 setzte der Beklagte dem Kläger gegenüber Abfallgebühren in Höhe von 71.506,90 DM fest. Auf den Widerspruch des Klägers reduzierte der Beklagte den Betrag um die Landesabfallabgabe auf 67.634,30 DM und wies den Widerspruch im Übrigen zurück.

Der Kläger hat am 08. Januar 2004 Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben.

Der Kläger hat vorgetragen, er habe das Grundstück verpachtet und mit dem Abfall nichts zu tun. Der Kreis habe an ihn - den Kläger - keine Duldungsverfügung gerichtet. Er habe von der bevorstehenden Räumung des Grundstücks auch nichts gewusst. Ansonsten hätte er sich selbst um eine preisgünstigere Lösung bemüht.

Der Anspruch des Beklagten sei auch verwirkt. Er habe davon ausgehen dürfen, dass die Angelegenheit anderweitig erledigt sei, zumal der Pächter ihm mehrfach erklärt habe, er wolle die Angelegenheit in Ordnung bringen. Der Pächter sei inzwischen insolvent.

Es habe keine willentliche Inanspruchnahme der Abfallbeseitigungseinrichtung vorgelegen.

Der Kläger hat beantragt,

den Abfallgebührenbescheid vom 19. Februar 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2003 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, der Kläger sei als Eigentümer des Grundstücks, von dem er die Abfälle entsorgt habe, dem Grunde und der Höhe nach gebührenpflichtig. Der Anspruch sei nicht verwirkt, da der Kläger noch im Dezember 2000 aufgefordert worden sei, seinen Widerspruch zu begründen.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Einzelrichterurteil vom 14. Juli 2004 stattgegeben. Der Kläger habe die Abfallbeseitigungseinrichtung des Beklagten nicht willentlich in Anspruch genommen. Zwar habe das generelle Einverständnis des Klägers als Grundstückseigentümer vorgelegen, dass auf seinem Grundstück abfallrechtlich ordnungsgemäße Zustände hergestellt würden; dies schließe gebührenrechtlich die erforderliche Willentlichkeit der Inanspruchnahme für die hier streitige Maßnahme jedoch nicht ein.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte am 24. August 2004 einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, dem der Senat mit Beschluss vom 06. Juli 2005 entsprochen hat.

Der Beklagte trägt vor, dass von einer willentlichen Inanspruchnahme der Abfallbeseitigungseinrichtung auszugehen sei. Des Erlasses einer Duldungsverfügung gegenüber dem Kläger habe es nicht bedurft, da der Kreis ... mit den Ordnungsverfügungen, die letztlich zu der gebührenpflichtigen Leistung des Beklagten führten, lediglich das vollzogen habe, wozu der Kläger den Kreis über lange Jahre hinweg und immer wieder gedrängt habe.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, dass er die Abfallbeseitigungseinrichtung des Beklagten nicht willentlich in Anspruch genommen habe.

Die Verwaltungsvorgänge des Beklagten haben dem Gericht bei Beratung und Entscheidung vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden; wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Akteninhalt sowie auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Gebührenbescheid vom 19. Februar 1998 und den Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 2003 zu Recht aufgehoben.

Angesichts des dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhalts hätte es ohnehin nahe gelegen, dass der Beklagte die Beseitigung der von dem Grundstück des Klägers entfernten Abfälle dem Kreis ... in Rechnung gestellt und dieser sich diesen Betrag von Herrn S. hätte erstatten lassen. Der vom Kreis ... gegen Herrn S. erlassene Bescheid war nämlich vollstreckbar geworden und wurde auch vollstreckt. Im Rahmen dieser Vollstreckung hatte der Kreis ... entschieden - was angesichts der Vorgeschichte auch allein tunlich erscheint -, das Entfernungsverlangen im Wege der Ersatzvornahme zu vollstrecken, und mit der Vornahme der Ersatzvornahme den Beklagten beauftragt. Dies berechtigt den Kreis ... gem. § 249 Abs. 1 und Abs. 2 LVwG i.V.m. §§ 238, 229 Abs. 1 Nr. 1 LVwG u.a., das vom Beklagten geforderte Entgelt als Auslagenersatz von Herrn S. zu verlangen. Dass der Kreis ... so nicht verfahren ist, liegt offenkundig daran, dass Herr S. nicht solvent ist. Der Kläger kann jedoch weder vom Kreis ... noch vom Beklagten zu den Kosten herangezogen werden.

Der Gebührenbescheid und der Widerspruchsbescheid sind rechtswidrig, weil der Kläger auch nicht gebührenpflichtig ist. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 der Gebührensatzung zur Satzung über die Entsorgung von Abfällen im Kreis ... ist bei der Abfallentsorgung im Bring- und Holsystem zwar grundsätzlich der Eigentümer des angeschlossenen Grundstücks gebührenpflichtig. Hiervon abweichend regelt § 2 Abs. 2 der Gebührensatzung, dass bei der Beseitigung von Abfällen von Gewerbe-, Industrie- sowie sonstigen Betrieben, die auf dem angeschlossenen Grundstück ausschließlich betrieben werden, der Besitzer der Abfälle "anstelle des Eigentümers" gebührenpflichtig ist. Danach wäre nicht der Kläger, sondern Herr S. gebührenpflichtig.

Soweit der Beklagte im vorbereitenden Schriftsatz zur mündlichen Verhandlung am 26.04.2006 vorgetragen hat, Herr S. habe sich nicht gewerblich betätigt, sondern habe aus Hobby gelegentlich an Autos gebastelt, so steht diese Ansicht im krassen Widerspruch zum Akteninhalt und auch zu seinem bisherigen Vortrag. Die Art und vor allem der Umfang der beseitigten Abfälle deuten überdeutlich auf eine gewerbliche Betätigung hin.

Zwar bestimmt § 2 Abs. 2 Satz 2 der Gebührensatzung, dass neben dem Gewerbetreibenden und deshalb gebührenpflichtigen Abfallbesitzer der Eigentümer des angeschlossenen Grundstücks für die Gebührenschuld haftet. Diese Vorschrift ist jedoch unwirksam.

Es steht dem Satzungsgeber nicht frei, Haftungstatbestände selbst zu schaffen. Er bedarf hierzu einer entsprechenden gesetzlichen Ermächtigung (vgl. Thiem/Böttcher, Rn 533 zu § 6 KAG), die jedoch nicht ersichtlich ist.

Einen solchen Haftungsbescheid hat der Beklagte im Übrigen auch nicht erlassen. Angesichts des eindeutigen Wortlautes und der Begründungen der an den Kläger gerichteten Bescheide sollte ein Gebührenbescheid erlassen werden.

Eine Umdeutung des Gebührenbescheides in einen Haftungsbescheid käme schließlich auch nicht in Betracht. Da die Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners im Ermessen des Abgabengläubigers liegt (vgl. Wortlaut des § 191 Abs. 1 Satz 1 AO; Thiem/Böttcher, Rdnr. 102 zu § 11 KAG), steht der Umdeutung die Bestimmung des § 115 a LVwG entgegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Nebenentscheidungen der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe im Sinne des § 133 Abs. 2 VwGO nicht bestehen.

Ende der Entscheidung

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