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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 07.04.2004
Aktenzeichen: 2 LB 45/03
Rechtsgebiete: KAG SH


Vorschriften:

KAG SH § 8
1. Die Verlegung von Entsorgungsleitungen in neuen Baugebieten ist kein erweiternder Ausbau einer bestehenden Einrichtung, sondern Teil ihrer erstmaligen Herstellung.

2. Bei Verwendung des kombinierten Grundstücksflächen- und Vollgeschossmaßstabs ist der Ermessensspielraum des Satzungsgebers nicht schon dann überschritten, wenn der Steigerungssatz je Vollgeschloss (hier: 50 %) in baulicher Hinsicht nicht auf allen Grundstücken durch Schaffung weiterer Geschossflächen umgesetzt werden kann.

3. Eine fehlerhaft bemessene Tiefenbegrenzung führt nur dann zur Rechtswidrigkeit des Beitragssatzes, wenn sich daraus eine zu geringe Beitragsfläche ergibt.


SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT

Az.: 2 LB 45/03

Verkündet am 07.04.2004

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Anschlußbeiträge - Berufungsverfahren -

hat der 2. Senat des C-Stadt-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 07. April 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht H., den Richter am Oberverwaltungsgericht I., den Richter am Oberverwaltungsgericht CW. sowie die ehrenamtlichen Richterinnen Frau AE. und Frau BR.

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des C-Stadt-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Einzelrichterin der 9. Kammer - vom 19. September 2002 geändert und die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung des Klägers zu einem Anschlussbeitrag für die Abwasseranlage des Beklagten.

Auf der Grundlage seiner Satzung über die Abwasserbeseitigung (Abwassersatzung) betreibt der Beklagte die Abwasserbeseitigung als eine selbständige öffentliche Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung. Auf Grund seiner Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die zentrale Abwasserbeseitigung des Abwasserzweckverbandes Wirtschaftsraum ... (Beitragssatzung) vom 20. Juni 1996 in der Fassung der 1. Nachtragssatzung vom 01. Februar 2001 - BS - erhebt der Beklagte für die Herstellung der zentralen öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlagen einschließlich des jeweils ersten Grundstücksanschlusses und des Investitionskostenanteils für die Kläranlage ... Beiträge zur Abgeltung der durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme erwachsenden Vorteile. Der Abwasserbeitrag wird als nutzungsbezogener Flächenbeitrag erhoben. Bei der Ermittlung des nutzungsbezogenen Flächenbeitrags werden für das erste Vollgeschoss 1,0 und für jedes weitere Vollgeschoss 0,5 der Grundstücksfläche in Ansatz gebracht. Als Grundstücksfläche gilt bei Grundstücken, für die kein Bebauungsplan besteht und die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles liegen (§ 34 BauGB), die Gesamtfläche des Grundstückes, höchstens jedoch die Fläche, die durch eine Satzung nach § 34 Abs. 4 BauGB erfasst wird, ansonsten die Fläche zwischen der jeweiligen Straßengrenze und einer im Abstand von 40 m dazu verlaufenden Parallelen, bei Grundstücken, die nicht an eine Straße angrenzen oder nur durch einen zum Grundstück gehörenden Weg mit einer Straße verbunden sind, die im Abstand von 40 m dazu verlaufenden Parallelen.

Der Kläger ist Eigentümer des im Verbandsgebiet belegenen bebauten Grundstücks ..., Flur ..., Flurstücke ..., ... in der Gemeinde .... Das Grundstück ist durch Bebauungsplan Nr. ... der Gemeinde ... überplant, der hinsichtlich der höchstzulässigen Zahl der Vollgeschosse eine zweigeschossige Bauweise ermöglicht.

Nach Verlegung des Grundstücksanschlusses bis zum Grundstück des Klägers zog der Beklagte den Kläger durch Bescheid vom 07. September 2001 zu einem Anschlussbeitrag in Höhe von 18.941,67 DM heran. Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 27. September 2001 zurück.

Der Kläger hat am 29. Oktober 2001 Klage erhoben und im Wesentlichen geltend gemacht, für die Festsetzung des Anschlussbeitrages durch den angefochtenen Bescheid fehle es an der entsprechenden gesetzlichen bzw. satzungsmäßigen Grundlage; im Übrigen sei der beitragsfähige Aufwand nicht korrekt ermittelt.

Der Kläger hat beantragt,

den Beitragsbescheid des Beklagten vom 07. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2001 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat geltend gemacht, dass das geltende Satzungsrecht tragfähiges Ortsrecht für den angefochtenen Bescheid darstelle. Insbesondere sei die in der 1. Nachtragssatzung zur Beitragssatzung vorgesehene 50%ige Vollgeschoss-Steigerung zur Ermittlung des nutzungsbezogenen Flächenbeitrags in Anbetracht der örtlichen Verhältnisse im Verbandsgebiet vorteilsgerecht. Auch die in der einschlägigen Satzung getroffene Tiefenbegrenzungsregelung sei an den örtlichen Gegebenheiten ausgerichtet und deshalb vorteilsgerecht.

Durch Urteil vom 19. September 2002 hat das Verwaltungsgericht die Bescheide des Beklagten antragsgemäß aufgehoben. Die in § 4 Abs. 3 c) der Beitragssatzung getroffene Tiefenbegrenzungsregelung zur Ermittlung der Grundstücksfläche sowie die in § 4 Abs. 2 der Beitragssatzung vorgesehene 50%ige Vollgeschoss-Steigerung bei Ermittlung des nutzungsbezogenen Flächenbeitrags hielten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand, da sie nicht vorteilsgerecht seien. Aus dem zu den Akten gereichten Kartenmaterial ergebe sich, dass die örtlichen Gegebenheiten der dem Abwasserzweckverband zugehörigen Gemeinden strukturell nicht einheitlich seien. Nach dem vorliegenden Kartenmaterial spreche nichts dafür, dass die durchschnittliche Bebauungstiefe im Verbandgebiet auch die durchschnittliche Bebauungstiefe in den einzelnen Gemeinden widerspiegele. Jedoch nur in diesem Fall erschiene die in Rede stehende Regelung frei von Willkür. Damit sei nicht nur die vorteilswidrige Tiefenbegrenzungsregelung, sondern die Maßstabsregelung insgesamt unwirksam. Jedenfalls sei die Regelung des § 4 Abs. 2 der Beitragssatzung rechtswidrig. Der Beklagte habe mit dieser Bestimmung den ihm als Satzungsgeber zuzubilligenden weiten Ermessensspielraum überschritten. Das Oberverwaltungsgericht Schleswig habe entschieden, dass eine Zunahme der zulässigen Geschossflächen um 100% nur in dem Ausnahmefall gegeben sei, in dem trotz Ausschöpfung der zulässigen Grundfläche ein zweites Vollgeschoss ohne Überschreitung der zulässigen Geschossfläche errichtet werden dürfe. Im Erschließungs- und Straßenausbaubeitragsrecht sei daher auch anerkannt, dass ein Steigerungssatz von nur 25% für jedes weitere Vollgeschoss über das erste Vollgeschoss hinaus regelmäßig ausreichend sei, sofern die örtlichen Verhältnisse nicht einen abweichenden Satz gebieten würden. Der Vorteilsbegriff im Anschlussbeitragsrecht rechtfertige keine andere Betrachtungsweise. Dieser Entscheidung sei zu entnehmen, dass ein Abweichen vom Regelfall des Steigerungssatzes von 25% für jedes weitere Vollgeschoss erfordere, dass die örtlichen Verhältnisse dies geböten. Ferner ergebe sich daraus, dass sich das Ermessen des Satzungsgebers bei Festlegung des Steigerungssatzes an den örtlichen Gegebenheiten auszurichten habe. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass hier auf Grund der konkreten örtlichen Verhältnisse im gesamten Verbandsgebiet ein 50%iger Steigerungssatz für jedes weitere Vollgeschoss gerechtfertigt sei.

Auf Antrag des Beklagten hat der Senat die Berufung durch Beschluss vom 17. März 2003 zugelassen.

Soweit es um den Steigerungssatz je Vollgeschoss geht, meint der Beklagte, dass das Verwaltungsgericht die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts falsch interpretiert habe. In einem Normenkontrollverfahren sei ein Steigerungssatz je Vollgeschoss von 100% für unzulässig erachtet und dabei auf eine Parallele zum Straßenbaubeitragsrecht und Erschließungsbeitragsrecht verwiesen worden, wonach ein Steigerungssatz von 25% für jedes weitere Vollgeschoss über das erste Vollgeschoss hinaus regelmäßig ausreichend sei, um den beitragsrechtlich relevanten Vorteil zu erfassen. Dies stehe in Übereinstimmung mit einer früheren Entscheidung, in dem anerkannt worden sei, dass auch eine degressive Staffelung des Nutzungsfaktors zu einer vorteilsgerechten Beitragsveranlagung führen könne, weil damit dem Umstand Rechnung getragen werde, dass bei einem Gebäude mit einem zulässigen Vollgeschoss regelmäßig noch ein Dachgeschoss mit begrenzter Fläche ausgebaut werden dürfe. Das Verwaltungsgericht habe bei seiner Entscheidung nicht die ständige Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts berücksichtigt, wonach die Verwaltungsgerichte die Einhaltung der äußersten Grenzen der (orts-)gesetzgeberischen Freiheit nachzuprüfen und nicht zu überwachen hätten, ob der Satzungsgeber den zweckmäßigsten, vernünftigsten oder wahrscheinlichsten Maßstab gefunden habe.

Das gelte auch für die Beanstandung der Tiefenbegrenzungsregelung. Insoweit habe sich das Verwaltungsgericht ungefragt auf Fehlersuche begeben und die Auffassung vertreten, in verbandsangehörigen Gemeinden angeblich unterschiedlicher Struktur könne kaum je eine einheitliche Tiefenbegrenzungsregelung zum Tragen kommen. Für eine willkürliche Festlegung der Tiefenbegrenzung gebe es - anders als das Verwaltungsgericht meine - keine Anhaltspunkte. Es bleibe völlig im Dunkeln, was das Verwaltungsgericht unter "einer nicht einheitlichen Struktur der verbandsangehörigen Gemeinden" verstehe. Soweit damit städtebauliche oder städtebaurechtliche Kategorien angesprochen seien, sei es in Bezug auf die Feststellung der Bebauungstiefen unerheblich, ob beispielsweise die verbandsangehörigen Gemeinden sich jeweils in der Art der baulichen Nutzung im Gemeindegebiet voneinander unterschieden. Ebenso wenig könne es für die Bebauungstiefe von Belang sein, ob sich die verbandsangehörigen Gemeinden vom Maß ihrer baulichen Nutzung her "strukturell" unterschieden, sei es im Hinblick auf die Geschossigkeit von Wohngebäuden oder gewerblich bzw. landwirtschaftlich genutzten Gebäuden, sei es im Hinblick auf andere Maßfaktoren, die sich aus der Baunutzungsverordnung ergeben könnten. Wenn es überhaupt auf die "strukturelle" Einheitlichkeit bzw. Uneinheitlichkeit der Gemeinden im Verbandsgebiet ankomme, könne dies allenfalls hinsichtlich des städtebaulich relevanten Merkmals der jeweils überbauten Grundstücksflächen von Bedeutung sein. Das Verwaltungsgericht habe es bei der bloßen Behauptung belassen, dass die durchschnittliche Bebauungstiefe im Verbandsgebiet nicht auch die durchschnittliche Bebauungstiefe in den einzelnen Gemeinden widerspiegele, ohne jedoch das vorgelegte Kartenmaterial daraufhin zu überprüfen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Einzelrichterin der 9. Kammer - vom 19. September 2002 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Er meint, die Satzung scheitere insbesondere daran, dass die Tiefenbegrenzungsregelung von 40 m willkürlich und vorteilswidrig sei. Entgegen den Ausführungen des Beklagten habe dem Beschluss über die Festsetzung von Bebauungstiefen eine Ermittlung der durchschnittlichen Bebauungstiefen in den verbandsangehörigen Gemeinden nicht zugrunde gelegen. Die Satzungsbestimmung sei offensichtlich in der Weise zustande gekommen, dass der Beklagte sich für eine der Tiefenbegrenzungen entschieden habe, die auf Grund der Erfahrung anderer Gemeinden als zulässig angesehen worden sei. Den Verwaltungsvorgängen sei eine Ermittlung der durchschnittlichen Tiefenbegrenzungen nichts zu entnehmen.

Zu Recht habe das Verwaltungsgericht seine Entscheidung unter Berufung auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts auch darauf gestützt, dass ein Steigerungssatz von 25% für jedes weitere Vollgeschoss ausreichend sei, um den beitragsrelevanten Vorteil zu erfassen. Abweichungen von diesem Regelfall seien nur dann zulässig, wenn die örtlichen Verhältnisse dies geböten. Solche Feststellungen habe der Beklagte nicht getroffen.

Im Übrigen bleibe gemäß § 2 Abs. 2 der ursprünglichen Satzung, die insoweit immer noch in Kraft sei, die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau und Umbau zentraler öffentlicher Abwasserbeseitigungsanlagen einer besonderen Satzung vorbehalten, die bislang nicht erlassen sei. Ferner werde bezweifelt und in Abrede gestellt, dass sämtliche in der Kalkulation aufgeführten "Ansatzfähige Anschaffungs- und Herstellungskosten" bei Herstellung der Anlage angefallen und nicht zumindest teilweise für einen Aus- oder Umbau aufgewendet worden seien. Bei der Ermittlung der ansatzfähigen Kosten seien erkennbar auch Positionen berücksichtigt worden, die nicht in die Kalkulation hätten eingestellt werden dürfen.

Die Verwaltungsvorgänge des Beklagten zum Veranlagungsverfahren sowie zur Ermittlung der Satzungsgrundlagen haben vorgelegen; auf sie und die Schriftsätze der Beteiligten wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Daher ist das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die Klage abzuweisen.

Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers zu einem Abwasserbeitrag ist § 8 Abs. 1 KAG in Verbindung mit den Bestimmungen der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die zentrale Abwasserbeseitigung des Abwasserzweckverbandes Wirtschaftsraum Rendsburg (Beitragssatzung) vom 20. Juni 1996 in der Fassung der rückwirkend zum 01. Januar 1997 in Kraft getretenen 1. Nachtragssatzung vom 01. Februar 2001 (BS). Nach § 2 Abs. 1 BS erhebt der Beklagte, soweit der Aufwand nicht durch Zuschüsse, Abwassergebühren oder auf andere Weise gedeckt wird, für die Herstellung der zentralen öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlagen einschließlich des jeweils ersten Grundstücksanschlusses Abwasserbeiträge zur Abgeltung der durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme erwachsenden Vorteile. Entgegen der Auffassung des Klägers ist es hier rechtlich unerheblich, dass der Beklagte keine den Aus- und Umbau der Abwasserbeseitigungsanlagen betreffende Beitragssatzung erlassen hat, denn die angefochtenen Bescheide beziehen sich nur auf einen Beitrag für die Herstellung. Zur erstmaligen Herstellung zählen sämtliche Baumaßnahmen oder Anschaffungen, die nach Planung des Einrichtungsträgers für die Fertigstellung der Einrichtung erforderlich sind. Was Einrichtung ist, insbesondere welche Anlagenteile zur Einrichtung gehören, liegt im Organisationsermessen des Trägers. Die Verlegung von Entsorgungsleitungen in neuen Baugebieten ist demnach kein erweiternder Ausbau der bestehenden Einrichtung, sondern Teil ihrer erstmaligen Herstellung (Senatsbeschl. v. 14.10.2002 - 2 L 75/02 - m.w.N.). Somit ist nichts dafür ersichtlich, dass ein Teil der beitragsfähigen Aufwendungen einem Aus- oder Umbau der Einrichtung zuzuordnen wären. Ebenso ist die Behauptung, es seien nicht beitragsfähige Aufwendungen in die Kalkulation eingestellt worden, zu unsubstantiiert, um von Amts wegen eine eingehende Prüfung vorzunehmen. Dass Anschaffungskosten für das Störmeldesystem und das Mobilar im Pumpwerk entgegen der Auffassung des Klägers beitragsfähig sind, bedarf keiner Vertiefung.

Die der Bemessung des festgesetzten Anschlussbeitrages zugrunde liegenden Satzungsbestimmungen sind - soweit das hier zu prüfen ist - auch nicht aus anderen Gründen zu beanstanden.

Die Regelung des § 4 Abs. 2 BS, wonach bei der Ermittlung des nutzungsbezogenen Flächenbeitrags für das erste Vollgeschoss 1,0 und für jedes weitere Vollgeschoss 0,5 der Grundstücksfläche in Ansatz gebracht wird, steht im Einklang mit höherrangigem Recht. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 KAG in der hier noch anzuwendenden Fassung sind die Beiträge nach den Vorteilen zu bemessen. Der Vorteil besteht bei der Herstellung einer Abwasseranlage nach ständiger Rechtsprechung des Senats in der Inanspruchnahmemöglichkeit dieser öffentlichen Einrichtung. Bei der Maßstabsfindung ist abzuheben auf den Umfang der wahrscheinlichen Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung. Einen Aussagewert über den Umfang der wahrscheinlichen Inanspruchnahme grundstücksbezogener öffentlicher Einrichtungen bietet die Nutzbarkeit eines Grundstücks. Da eine Möglichkeit der Inanspruchnahme bei der Schmutzwasserbeseitigung dem Anschluss- und Benutzungszwang folgend nur in Verbindung mit baulichen Anlagen besteht, ist hier (allein) auf die bauliche Nutzbarkeit abzustellen, und zwar grundsätzlich auf die zulässige Nutzbarkeit (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Urt. v. 26.05.1999 - 2 K 23/97 -, Die Gemeinde 1999, 185 m.w.N.).

Der nutzungsbezogene Flächenbeitrag des § 4 Abs. 1 BS, dessen nähere Ausprägung sich aus den Absätzen 2 bis 5 ergibt, beruht auf der Vorstellung, dass mit zunehmender Größe des (Bau-) Grundstücks eine - auf die Fläche bezogene - erweiterte bauliche Nutzbarkeit und damit eine Steigerung der Inanspruchnahmemöglichkeit der öffentlichen Einrichtung einhergeht. Der kombinierte Grundstücksflächen- und Vollgeschossmaßstab, der in der Regel verkürzt als Vollgeschossmaßstab bezeichnet wird, ist in der Rechtsprechung seit langem als ein grundsätzlich geeigneter Beitragsmaßstab anerkannt (Urt. des Senats v. 26.05.1999, a.a.O., S. 186 m.w.N.). Die Modifizierung des Grundstücksflächenmaßstabs durch einen von der Zahl der Vollgeschosse abhängigen Nutzungsfaktor beruht auf dem Erfahrungssatz, dass - von Ausnahmen abgesehen - mit zunehmender Zahl der Vollgeschosse eine Steigerung der zulässigen Intensität der baulichen Nutzung und damit eine Erhöhung des Vorteils verbunden ist. Dem trägt § 4 Abs. 2 BS in nicht zu beanstandender Weise Rechnung. Mit einem Steigerungssatz von 50% für jedes weitere Vollgeschoss hat der Beklagte den ihm zuzubilligenden weiten Spielraum bei der Ausübung satzungsgeberischen Ermessens nicht überschritten. Nach der Rechtsprechung des Senats ist ein Steigerungssatz dann vorteilswidrig, wenn damit typisierend auf einen in der Regel nicht zu erreichenden Ausnahmefall abgestellt wird (Urt. v. 26.05.1999, a.a.O., S. 186). Das ist hier nicht der Fall, denn die Bestimmungen des Bauplanungsrechts, insbesondere § 17 BauNVO, stehen regelmäßig einer Erhöhung des Maßes der baulichen Nutzung um 50% je Vollgeschoss nicht entgegen. Weder den Ausführungen im angefochtenen Urteil noch dem Vorbringen des Klägers ist zu entnehmen, dass die Verhältnisse im Satzungsgebiet des Beklagten zu einer anderen Beurteilung führen müssten.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kann aus der Rechtsprechung des Senats nicht hergeleitet werden, dass im Regelfall ein Steigerungssatz von lediglich 25% für jedes weitere Vollgeschoss zulässig sei und eine Ausnahme nur dann in Betracht käme, wenn die örtlichen Verhältnisse dies erforderten. In dem bereits zitierten Urteil vom 26. Mai 1999 hat der Senat es für unzulässig gehalten, typisierend auf einen in der Regel nicht zu erreichenden Ausnahmefall der baulichen Nutzbarkeit abzustellen, im Übrigen aber den dem Satzungsgeber zuzubilligenden weiten Ermessensspielraum hervorgehoben. Das wird durch den Hinweis, wonach im Erschließungs- und Straßenausbaubeitragsrecht anerkannt sei, dass ein Steigerungssatz von nur 25% für jedes weitere Vollgeschoss über das erste Vollgeschoss hinaus regelmäßig ausreichend sei, sofern die örtlichen Verhältnisse nicht einen abweichenden Satz geböten, nicht eingeschränkt. Dieser Hinweis zeigt vielmehr, dass der Ermessensspielraum nicht schon dann überschritten ist, wenn die Steigerung der Belastung hinter der Steigerung der bebauungsrechtlich zulässigen Geschossflächen zurückbleibt. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Erschließungsbeitragsrecht (vgl. Driehaus, Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Erschließungs- und Erschließungsbeitragsrecht, 10. Aufl., Rn 488 m.w.N.). Danach ist es nicht geboten, dass sich die Steigerung der Belastung mit der Steigerung der bebauungsrechtlich zulässigen Geschossflächen deckt; die Steigerung der Vomhundertsätze braucht insbesondere nicht die in § 17 Abs. 1 BauNVO (a.F.) vorgesehene Nutzungssteigerung je Geschoss nachzuvollziehen (vgl. ebenda). Ebenso ist - im Anschlussbeitragsrecht - der Ermessensspielraum nicht schon dann überschritten, wenn der Steigerungssatz je Vollgeschoss in baulicher Hinsicht nicht durchgehend auf allen Grundstücken des Geltungsbereiches der Satzung durch Schaffung weiterer Geschossflächen umgesetzt werden kann. Maßstabregelungen müssen als abstrakt generelle Regelungen lediglich typengerecht sein (vgl. I. in: Dewenter/I./Riehl/Steenbock/F., KAG SH, § 8 Rn 481 m.w.N.) und das Verhältnis von Beitragsbelastung und baulicher Nutzbarkeit im Abrechnungsgebiet annähernd widerspiegeln (vgl. I., a.a.O., Rn 257).

Ein fehlerhafter Beitragssatz ergibt sich ferner nicht aus der in § 4 Abs. 3 Buchstabe c) BS vorgesehenen Tiefenbegrenzung bei Grundstücken, für die kein Bebauungsplan besteht und die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles liegen. Die Tiefenbegrenzung trägt den Schwierigkeiten Rechnung, die sich aus der im Anschlussbeitragsrecht bestehenden Notwendigkeit ergeben, in unbeplanten Gebieten den Übergang eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils (§ 34 BauGB) in den Außenbereich (§ 35 BauGB) metrisch festzulegen. Die Tiefenbegrenzung begründet die - widerlegliche -Vermutung, dass die Teilflächen unbeplanter Grundstücke, die jenseits der Tiefengrenze liegen, dem bevorteilten Bauland (§ 34 BauGB) nicht mehr zuzurechnen sind. Die Regelung soll im Interesse der Rechtssicherheit und Verwaltungspraktikabilität ausschließen, in jedem Einzelfall prüfen zu müssen, bis zu welcher Tiefe ein Grundstück Baulandqualität besitzt. Das ist nicht nur für die Heranziehung der Beitragspflichtigen bedeutsam, sondern grundsätzlich auch für die Beitragskalkulation, die eine Ermittlung der Gesamt-Beitragsfläche erfordert, also auf metrische Festlegung angewiesen ist. Obwohl die Festlegung einer Tiefenbegrenzung für Grundstücke, die - jedenfalls teilweise - innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils (§ 34 BauGB) liegen, in § 4 Abs. 3 Buchst. c) BGS geregelt und so mit dem Beitragsmaßstab verknüpft ist, liegt darin weder eine Maßstabsmodifizierung noch eine Abweichung von dem Grundsatz, dass das sogenannte Buchgrundstück Grundlage der Beitragsbemessung ist (Urt. des Senats v. 26.05.1999, a.a.O.). Eine fehlerhaft bemessene Tiefenbegrenzung führt daher nur dann zur Rechtswidrigkeit des Beitragssatzes, wenn sich daraus eine zu geringe Beitragsfläche ergibt (Urt. des Senats v. 22.01.2003 - 2 L 170/01 -). Diese Folge kann nur dann eintreten, wenn die Regelung nicht nur in der sog. Heranziehungsphase bei der Festsetzung der Einzel-Beiträge, sondern auch bei der Ermittlung der Gesamt-Beitragsfläche angewendet wird. Letzteres ist hier nach der vom Beklagten in der Berufungsverhandlung abgegebenen Erklärung, die der Kläger nicht bestreitet, nicht der Fall. Für eine weitere Überprüfung bestand daher kein Anlass. Davon abgesehen fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass die durchschnittliche "Bebauungstiefe" im Verbandsgebiet 40 m überschreitet. Sofern wegen unterschiedlicher Verhältnisse in den Baugebieten eine Differenzierung geboten sein sollte, berührte das die Beitragsbemessung im Einzelfall, nicht aber die Kalkulation des Beitragssatzes. Der Kläger ist durch die Tiefenbegrenzung nicht unmittelbar betroffen, weil sein Grundstück im Bereich eines Bebauungsplanes liegt.

Schließlich ist die sachliche Beitragspflicht des Klägers entstanden. Der Beitragspflicht unterliegen gemäß § 3 Abs. 1 Buchstabe a) BS Grundstücke, die an eine zentrale öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage angeschlossen werden können, und für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerbliche genutzt werden dürfen. Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf das Grundstück des Klägers erfüllt. Die mit Bescheid vom 07. September 2001 vorgenommene Heranziehung des Klägers zu einem Abwasserbeitrag entspricht dem Satzungsrecht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Nebenentscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit haben ihre Grundlage in § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO bestehen nicht.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren gemäß § 13 Abs. 2 GKG auf 9.684,72 Euro festgesetzt.



Ende der Entscheidung

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