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Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 27.04.2009
Aktenzeichen: 2 LB 7/09
Rechtsgebiete: SGB VIII


Vorschriften:

SGB VIII § 93 Abs. 3
Berufsbedingte Fahrtkosten bestimmen sich im Rahmen des § 93 Abs. 3 SGB VIII nach den unterhaltsrechtlichen Leitlinien des Oberlandesgerichts.
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 2 LB 7/09

verkündet am 27.04.2009

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Kinder- und Jugendhilfe- sowie Jugendförderungsrecht - Berufungsverfahren -

hat der 2. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. April 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht ..., den Richter am Oberverwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ... sowie die ehrenamtlichen Richterinnen ... und ... für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Einzelrichter der 15. Kammer - vom 22. September 2008 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe eines Kostenbeitrages für den Kindern des Klägers gewährte Jugendhilfemaßnahmen.

Der Kläger ist Vater des am 31. Dezember 1990 geborenen ..., für den die Beklagte Jugendhilfe durch Übernahme der Kosten der Heimerziehung gewährte, und der am 20. Januar 1992 geborenen ..., welche Jugendhilfe durch Übernahme der Kosten der Sonderpflege im Rahmen der Eingliederungshilfe erhielt.

Mit zwei Bescheiden vom 12. Mai 2006 wurde der Kläger ab 1. April 2006 durch die Beklagte zu einem Kostenbeitrag für die im Rahmen der Jugendhilfemaßnahmen entstehenden Kosten herangezogen, und zwar für ... in Höhe von monatlich 340,00 Euro und für ... in Höhe von monatlich 205,00 Euro. Nach Einlegung des Widerspruchs änderte die Beklagte mit Bescheid vom 9. Januar 2007 die Beträge dahingehend, dass für ... ein Kostenbeitrag in Höhe von monatlich 275,00 Euro und für ... ein Kostenbeitrag in Höhe von monatlich 165,00 Euro geltend gemacht wurde. Die Widersprüche wurden im Übrigen durch Widerspruchsbescheid vom 20. März 2008 für den Zeitraum vom 1. April 2006 bis 31. Dezember 2006 zurückgewiesen, für den Zeitraum ab 1. Januar 2007 wurde eine Neuberechnung angekündigt.

Der Kläger hat am 14. April 2008 Klage erhoben, zu deren Begründung er unter anderem vorgetragen hat, die Kostenbeitragsbescheide seien rechtswidrig, soweit in dem geregelten Zeitraum ein höherer Kostenbeitrag als monatlich 250,00 Euro für ... und mehr als 100,00 Euro monatlich für ... gefordert werde. Zu Unrecht erkenne die Beklagte nur Fahrtkosten in Höhe von 447,59 Euro an. Er wohne in Ascheberg, sei jedoch als Lagerarbeiter bei der Be- und Entladung von Schiffen in Lübeck tätig. Die einfache Entfernung zwischen Wohnort und Arbeitsstätte betrage 57 km. Er arbeite an 249 Arbeitstagen, da er an 6 Arbeitstagen pro Woche arbeite. Er könne auf öffentliche Verkehrsmittel nicht verwiesen werden. Die Be- und Entladung sei nicht an feste Termine gebunden, sondern werde je nach dem Eintreffen der Schiffe geplant und durchgeführt. Hieraus resultierten unregelmäßige Arbeitszeiten, die um 6.00 Uhr beginnen und um 24.00 Uhr enden könnten. Er könne seine Arbeitsstätte zu diesen Zeiten nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen. Er sei daher auf die Nutzung des Pkw angewiesen. In diesem Zusammenhang seien für ihn Fahrtkosten in Höhe von 709,65 Euro anzuerkennen.

Nach teilweiser Rücknahme der Klage hat der Kläger beantragt,

die Bescheide der Beklagten vom 12. Mai 2006 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2008 insoweit aufzuheben, als für ... ein höherer Kostenbeitrag als 250,00 Euro und für ... ein höherer Kostenbeitrag als 100,00 Euro monatlich festgesetzt wurde.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat die Beklagte unter anderem vorgetragen, die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Kosten seien nicht nach unterhaltsrechtlichen Maßstäben zu berechnen. Es komme vielmehr entweder auf die steuerrechtliche Behandlung der Werbungskosten oder auf die Berechnung nach § 3 Abs. 6 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII an. Bei beiden Berechnungsmethoden werde der sich ergebende Betrag durch den Pauschalabzug von 25 % nach § 93 Abs. 3 SGB VIII in Höhe von 447,59 Euro gedeckt.

Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 22. September 2008 - der Beklagten zugestellt am 2. Oktober 2008 - das Verfahren eingestellt, soweit die Klage zurückgenommen worden war, und die Kostenbeitragsbescheide vom 12. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2008 aufgehoben, soweit Kostenbeiträge von mehr als 250,00 Euro monatlich für ... und von mehr als 100,00 Euro monatlich für ... für den Zeitraum 1. April 2006 bis 31. Dezember 2006 festgesetzt wurden. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht unter anderem ausgeführt, es sei für den Kläger von einem durchschnittlichen Einkommen von 1.790,35 Euro auszugehen. Hiervon sei nicht lediglich die Pauschale von 25 vom Hundert nach § 93 Abs. 3 SGB VIII in Abzug zu bringen, da der Kläger eine höhere Belastung mit Fahrtkosten nachgewiesen habe, die nach Grund und Höhe angemessen sei. Die Begründung, die der Kläger dafür gegeben habe, dass er angesichts seiner unregelmäßigen Arbeitszeiten auf ein Kraftfahrzeug angewiesen sei, sei überzeugend. Die Höhe der mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben im Sinne von § 93 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VIII sei anhand der unterhaltsrechtlichen Leitlinien des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts zu beurteilen und zwar hier für den im Jahr 2006 liegenden Heranziehungszeitraum nach Maßgabe der für das Jahr 2006 geltenden Leitlinien vom 1. Juli 2005. Danach würden für Fahrten zum Arbeitsplatz die Kosten einer Pkw-Nutzung mit einer Kilometerpauschale von 0,30 Euro pro Kilometer für die ersten 30 km, für die weitere Fahrtstrecke mit 0,20 Euro pro Kilometer berücksichtigt. Dabei werde nicht nur der einfache Entfernungskilometer, sondern sowohl der Hinweg als auch der Rückweg berücksichtigt. Es ergebe sich damit eine Belastung von monatlich 597,60 Euro, so dass sich nach Abzug der Fahrtkosten ein maßgebendes Einkommen von 1.292,75 Euro ergebe. Hieraus ergäben sich unter Berücksichtigung der Eingruppierungen nach der Kostenbeitragsverordnung die genannten Kostenbeiträge.

Die Bemessung der Fahrtkosten nach den unterhaltsrechtlichen Leitlinien des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts sei angemessen, da es auch beim Kostenbeitrag für eine Jugendhilfemaßnahme vom Grundsatz her um eine unterhaltsrechtliche Problematik gehe. Der Kostenbeitrag nach den §§ 91 ff. SGB VIII diene der teilweisen Refinanzierung der Kosten des Unterhalts und der Erziehung, die ein Jugendhilfeträger für den Unterhaltsbedarf der stationär untergebrachten Kinder und Jugendlichen aufgewendet habe. Zwar weise die Beklagte zu Recht darauf hin, dass das Kostenbeitragsrecht durch das Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz vom 08. September 2005 mit der Zielrichtung neu geordnet worden sei, die Kostenheranziehung einheitlich nach öffentlichem Recht zu regeln, um das bislang überaus komplizierte Zusammenspiel unterhaltsrechtlicher und sozialrechtlicher Bestimmungen in diesem Bereich zu entflechten. Dies bedeute jedoch nicht, dass das Unterhaltsrecht im Rahmen des neuen Kostenbeitragsrechts überhaupt keine Rolle mehr spiele. So sei in § 92 Abs. 4 SGB VIII ausdrücklich geregelt, dass ein Kostenbeitrag nur erhoben werden könne, soweit Unterhaltsansprüche vorrangig Berechtigter nicht geschmälert würden. Weiterhin sehe § 4 Abs. 2 der Kostenbeitragsverordnung eine Herabsetzung des Kostenbeitrages in den Fällen vor, in denen die Unterhaltsansprüche vorrangig Berechtigter oder Unterhaltsansprüche gleichrangig Berechtigter geschmälert würden. In solchen Fällen sei eine unterhaltsrechtliche Vergleichsberechnung durchzuführen, um Wertungswidersprüche zu vermeiden. Vor diesem Hintergrund spreche nichts dagegen, unterhaltsrechtliche Kriterien auch in dem vorliegenden Zusammenhang anzuwenden, um Wertungswidersprüche bei der Berücksichtigung der berufsbedingten Fahrtkosten zu vermeiden. Dem Bestreben nach einer Vereinfachung der Kostenbeitragsberechnung laufe dies nicht zuwider, denn die Heranziehung unterhaltsrechtlicher Pauschalen bei der Bemessung von Fahrtkosten sei nicht komplizierter als die Anwendung der von der Beklagten herangezogenen Regelwerte. Im Gegenteil spreche für die unterhaltsrechtliche Lösung der Umstand, dass in Fällen, in denen weitere gleichrangige Unterhaltsberechtigte zu berücksichtigen seien, eine unterhaltsrechtliche Vergleichsberechnung stattfinden müsse, bei der die Fahrtkosten sowieso nach unterhaltsrechtlichen Maßstäben zu bewerten seien. Die Anwendung steuerrechtlicher Maßstäbe für die Berücksichtigung von Fahrtkosten zur Arbeit erscheine für das Kostenbeitragsrecht dagegen fernliegend, da das Steuerrecht eine andere, nicht vergleichbare Materie regele. Auch die Bemessung der in Rede stehenden Belastungen nach Maßgabe des § 3 Abs. 6 Nr. 2 der Verordnung zu § 82 SGB XII - und damit nach Sozialhilferecht - sei nicht überzeugend. § 93 Abs. 3 SGB VIII enthalte anders als § 90 Abs. 4 SGB VIII keinen Verweis auf §§ 82 ff. SGB XII. § 93 SGB VIII regele das Einkommen und die vorzunehmenden Abzüge vielmehr eigenständig. Dem Kostenbeitragsrecht liege generell nicht das Konzept zugrunde, den Kostenbeitrag so zu bemessen, dass dem Kostenbeitragspflichtigen nur ein Leben auf Sozialhilfeniveau möglich sei. Die Kostenbeitragstabelle zur Kostenbeitragsverordnung sei vielmehr so gestaltet, dass dem Kostenbeitragspflichtigen mindestens ein Betrag in Höhe des Selbstbehaltes der Düsseldorfer Tabelle oder annähernd der Pfändungsfreigrenze verbleibe. Daher erscheine es konsequent, den Kostenbeitragspflichtigen bezüglich der Berücksichtigung seiner Fahrtkosten für den Arbeitsweg nicht schlechter zu stellen, als dies im Unterhaltsrecht für angemessen erachtet werde.

Die Beklagte hat am 31. Oktober 2008 die Zulassung der Berufung beantragt, welche durch Beschluss vom 4. Februar 2009 gewährt worden ist.

Zur Begründung der Berufung trägt die Beklagte unter anderem vor, die Belastungen mit Fahrtkosten seien entweder nach steuerrechtlichen Maßstäben gemäß § 9 EStG oder nach sozialhilferechtlichen Maßstäben entsprechend der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII zu bemessen. Die Anwendung der unterhaltsrechtlichen Leitlinien widerspreche eindeutig der Gesetzesintention zur Neuregelung des Kostenbeitrags im Rahmen des Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetzes. Dies ergebe sich aus der Gesetzesbegründung zu § 92 SGB VIII. Aus dieser Begründung ergebe sich, dass unterhaltsrechtliche Regelungen keine Anwendung finden sollten. Dementsprechend werde in den "Gemeinsamen Empfehlungen für die Heranziehung zu den Kosten nach §§ 90 ff. SGB VIII" der Arbeitsgemeinschaft der Jugendämter mehrerer Länder und mehrerer Landesjugendämter hinsichtlich des Abzugs höherer Belastungen nach § 93 Abs. 3 SGB VIII festgestellt, dass für die zu berücksichtigenden Werbungskosten die einkommensteuerrechtlichen Regelungen (§ 9 EStG) anzuwenden seien. Die Berechnung der Fahrtkosten nach den Unterhaltsrichtlinien laufe dem Sinn und Zweck der Gesetzesänderung, die Berechnung zu vereinfachen, zuwider. Nach den Unterhaltsrichtlinien müsse dargelegt werden, weshalb die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zumutbar sei, wenn die Fahrtkosten 15 vom Hundert des Einkommens überstiegen. Gerade diese Überprüfung solle vermieden werden. Es gehe vom Grundsatz her bei dem Kostenbeitrag nicht um eine unterhaltsrechtliche Problematik. Dass in § 92 Abs. 4 SGB VIII geregelt sei, dass nur ein Kostenbeitrag erhoben werden könne, soweit Unterhaltsansprüche vorrangig Berechtigter nicht geschmälert würden, habe keine Aussagekraft im Hinblick auf die Frage, wie der Kostenbeitrag zu berechnen sei. Eine Vergleichsberechnung nach § 4 Abs. 2 der Kostenbeitragsverordnung sei in der Praxis nur in wenigen Ausnahmefällen erforderlich. Die Ausnahmen könnten nicht als Begründung herangezogen werden, die vom Gesetzgeber gewollte Trennung zwischen öffentlich-rechtlichem Kostenbeitragsrecht und Unterhaltsrecht für den Regelfall der Berechnung aufzubrechen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger trägt vor, das Verwaltungsgericht habe zu Recht den Anspruch in Höhe der austitulierten Beträge berechnet. Die Heranziehung anderer Maßstäbe würde zu einer Ungleichbehandlung führen. Im Übrigen sei es unbillig, von ihm Unterhaltsleistungen zu erwarten, da er seit der Trennung von der Kindesmutter keinerlei Kontakt mehr mit den Kindern gehabt habe. Dieser sei von der Beklagten dadurch unterbunden worden, dass ihm keine Informationen über die Kinder gegeben worden seien.

Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten haben dem Gericht bei Beratung und Entscheidung vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden; wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf den Akteninhalt sowie auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die Bescheide vom 12. Mai 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2008 aufgehoben, soweit für den Zeitraum vom 1. April 2006 bis zum 31. Dezember 2006 Kostenbeiträge von mehr als 250,00 Euro monatlich für ... und von mehr als 100,00 Euro monatlich für ... festgesetzt wurden. Die Bescheide sind in dem Umfang, in welchem sie aufgehoben wurden, rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), da sie die berufsbedingten Fahrtkosten des Klägers nicht hinreichend berücksichtigen.

Die Heranziehung des Klägers zu einer Kostenbeteiligung beruht hinsichtlich der Kosten für ... auf §§ 91 Abs. 1 Nr. 5 lit. b), 92 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII, hinsichtlich der Kosten für ... auf §§ 91 Abs. 1 Nr. 6, 92 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII. Nach § 92 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII sind Elternteile zu den Kosten der in § 91 Abs. 1 SGB VIII genannten Maßnahmen aus ihrem Einkommen nach Maßgabe der §§ 93, 94 SGB VIII heranzuziehen.

Dabei richtet sich die Berechnung des Einkommens nach § 93 SGB VIII. Gemäß § 93 Abs. 1 SGB VIII gehören zum Einkommen insbesondere alle Einkünfte in Geld. Von dem nach § 93 Abs. 1 SGB VIII ermittelten Einkommen sind gemäß § 93 Abs. 2 SGB VIII auf das Einkommen gezahlte Steuern, Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung sowie nach Grund und Höhe angemessene Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen zur Absicherung der Risiken Alter, Krankheit, Pflegebedürftigkeit und Arbeitslosigkeit abzusetzen. Nach den von dem Kläger für den fraglichen Zeitraum vorgelegten Unterlagen ist - nach Berücksichtigung der Abzüge gemäß § 93 Abs. 2 SGB VIII - von einem durchschnittlichen monatlichen Einkommen des Klägers in Höhe von 1.790,35 Euro auszugehen.

Von dem nach § 93 Abs. 1 und 2 SGB VIII errechneten Betrag sind Belastungen der kostenbeitragspflichtigen Person abzuziehen (§ 93 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII). In Betracht kommen gemäß § 93 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII insbesondere

1. Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnliche Einrichtungen,

2. die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben,

3. Schuldverpflichtungen.

Der Abzug erfolgt durch eine Kürzung des nach den Absätzen 1 und 2 errechneten Betrages um 25 vom Hundert. Sind die Belastungen höher als der pauschale Abzug, so können sie abgezogen werden, soweit sie nach Grund und Höhe angemessen sind und die Grundsätze einer wirtschaftlichen Lebensführung nicht verletzen.

Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass das Verwaltungsgericht die Fahrtkosten des Klägers zwischen seiner Wohnung und der Arbeitsstätte als Belastungen abgezogen hat. Es handelt sich um mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben. Dies ist zwischen den Beteiligten, die allein um die Höhe der Fahrtkosten streiten, auch nicht streitig.

Nicht zu beanstanden ist ebenfalls, dass das Verwaltungsgericht zur Berechnung der Höhe der Aufwendungen auf die unterhaltsrechtlichen Leitlinien des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in der vom 1. Juli 2005 bis 30. Juni 2007 geltenden Fassung (SchlHA 2005, 189) abgestellt hat.

Der Anwendung der unterhaltsrechtlichen Leitlinien steht entgegen der Auffassung der Beklagten nicht der anlässlich der Neuordnung des Kostenbeitragsrechts geäußerte Wille des Gesetzgebers entgegen. Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder und Jugendhilfe (KICK), das zum 1. Oktober 2005 in Kraft getreten ist, wurde die Kostenbeteiligung in der Kinder- und Jugendhilfe reformiert. Vor Inkrafttreten des Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetzes bestanden als unterschiedliche Arten der Heranziehung zu einer Beteiligung an den Kosten die individuelle Heranziehung zu den Kosten teilstationärer oder stationärer Leistungen durch Kostenbeitrag, der gesetzliche Forderungsübergang für Unterhaltsansprüche eines Kindes oder Jugendlichen gegen seine Eltern, sofern es bzw. er mit diesen vor Beginn der Hilfe nicht zusammenlebte und die Überleitung von Ansprüchen gegen Dritte sowie - bei der Gewährung von Leistungen an Volljährige - gegen bürgerlich-rechtliche Unterhaltspflichtige (vgl. Wiesner / Kaufmann / Mörsberger / Oberloskamp / Struck, SGB VIII, 1995, Vor § 90 Rdnr. 3).

Ersetzt wurde diese Regelung durch die öffentlich-rechtliche Heranziehung durch einen Kostenbeitrag in allen genannten Fällen. In der Gesetzesbegründung zu der Neufassung des § 92 SGB VIII (BT-Drucksache 15/3676, S. 41) heißt es hierzu, in dieser und den nachfolgenden Vorschriften werde künftig die Heranziehung der Kostenschuldner zu den Kosten stationärer Leistungen der Jugendhilfe sowie vorläufiger Maßnahmen nach § 42 SGB VIII systematisch neu geregelt und im Hinblick auf die Kostenberechnung wesentlich vereinfacht. Die Aufteilung in drei verschiedenen Formen der Heranziehung aus dem Einkommen (öffentlich-rechtlicher Kostenbeitrag, Übergang des Unterhaltsanspruchs kraft Gesetzes und Überleitung des Unterhaltsanspruchs) werde zugunsten einer öffentlich-rechtlichen Heranziehung durch Kostenbeitrag in allen Fällen aufgegeben. Sowohl die Leistungsgewährung als auch die Heranziehung zu den Kosten der gewährten Leistungen und vorläufigen Maßnahmen würden damit ausschließlich nach öffentlichem Recht beurteilt und der Kontrolle durch die Verwaltungsgerichte unterstellt. Ziel sei die Entflechtung des bislang überaus komplizierten Zusammenspiels unterhaltsrechtlicher und sozialrechtlicher Bestimmungen in diesem Bereich.

Aus dieser Gesetzesbegründung ergibt sich als Ziel der Neuregelung neben einer Vereinfachung (insoweit zweifelnd Kunkel in LPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2006, § 93 Rdnr. 1) eine ausschließlich öffentlich-rechtliche Heranziehung zu einem Kostenbeitrag. Beide Ziele schließen eine Berechnung der Fahrtkosten nach unterhaltsrechtlichen Leitlinien nicht aus. Sowohl die Berechnung nach den unterhaltsrechtlichen Leitlinien als auch die nach den von der Beklagten herangezogenen Regelungen erfordern eine Multiplikation der Entfernung mit einem pauschalen Kostenbetrag. Insoweit bestehen hinsichtlich des angestrebten Ziels einer Vereinfachung keine erkennbaren Unterschiede. Eine Vereinfachung kann allerdings durch das weitere Ziel einer Beschränkung auf eine öffentlich-rechtliche Heranziehung erreicht werden. Die Frage, auf welchem Weg Fahrtkosten zu berechnen sind, betrifft allerdings nicht die Heranziehung. Diese bleibt - unabhängig von der Berechnungsmethode - öffentlich-rechtlich geregelt. Die Gesetzesbegründung schließt es demnach nicht aus, die Berechnung der Fahrtkosten nach Regelungen vorzunehmen, welche nicht öffentlich-rechtlicher Natur sind.

Für eine Anwendung der unterhaltsrechtlichen Leitlinien bei der Berechnung der Fahrtkosten spricht zudem eine bestehende Sachnähe zwischen dem Kostenbeitragsrecht und dem Unterhaltsrecht. Die voll- und teilstationären Angebote umfassen auch die Sicherstellung des notwendigen Unterhalts des jungen Menschen. Unterhaltsrechtlich führen diese Jugendhilfeleistungen zum Erlöschen des Unterhaltsanspruchs des untergebrachten jungen Menschen. Diese Leistungen sind daher auch mit Einsparungen für die unterhaltspflichtigen Personen verbunden. Bei vollstationärer Betreuung ist der Unterhaltsbedarf des jungen Menschen durch die Leistung der Jugendhilfe gedeckt, so dass neben dem Kostenbeitrag kein zusätzlicher Unterhalt geltend gemacht werden kann (Beschluss des Senats vom 19.9.2007 - 2 O 50/07 -; vgl. Schindler in Münder/Wiesner, Kinder- und Jugendhilferecht, 2007, S. 505; Degener in Jans/Happe/Saurbier/Maas, Kinder- und Jugendhilferecht, § 92 Rdnr. 9). Das Verwaltungsgericht weist zudem zutreffend auf eine Verknüpfung des Kostenbeitragsrechts und des Unterhaltsrechts in § 92 Abs. 4 SGB VIII und § 4 Abs. 2 Kostenbeitragsverordnung hin. Insbesondere der Umstand, dass in Fällen, in denen eine unterhaltsrechtliche Vergleichsberechnung vorzunehmen ist, die Fahrtkosten nach unterhaltsrechtlichen Maßstäben zu bewerten sind, spricht - nicht zuletzt aus Gründen der angestrebten Vereinfachung - dafür, diese Maßstäbe auch im Rahmen einer Berechnung nach § 93 SGB VIII anzuwenden. Dass - wie die Beklagte vorträgt - in vielen Fällen eine unterhaltsrechtliche Vergleichsberechnung nicht erforderlich ist, spricht nicht dagegen, eine Diskrepanz zwischen verschiedenen Berechnungsmethoden in den tatsächlich auftretenden Fällen einer Vergleichsberechnung zu vermeiden.

Der Heranziehung der unterhaltsrechtlichen Leitlinien zur Berechnung der im Rahmen von § 93 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VIII zu berücksichtigenden Fahrtkosten steht auch nicht entgegen, dass in der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII und in § 9 EStG ebenfalls Regelungen zur Berechnung von im Zusammenhang mit der Berufstätigkeit entstehenden Fahrtkosten enthalten sind.

Gegen die Anwendung des § 3 Abs. 6 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII bei der Berechnung der im Rahmen des § 93 SGB VIII zu berücksichtigenden Fahrtkosten spricht die Gesetzesgeschichte. Im Rahmen der Neuregelung durch das Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz wurde im Rahmen des § 93 SGB VIII der Verweis auf den sozialhilferechtlichen Einkommensbegriff des BSHG bzw. SGB XII aufgegeben. Stattdessen sieht die Vorschrift eine eigenständige Definition vor, "die sich zwar an den Vorschriften des Sozialhilferechts orientiert, aber eine schnellere und einfachere Berechnung des bereinigten Einkommens als Grundlage für den Kostenbeitrag ermöglicht" (BT-Drucksache 15/3676, S. 41f). Die Eigenständigkeit des Einkommensbegriffs, der nur für das SGB VIII gilt, und die unterschiedliche Berücksichtigung bestimmter Einnahmen ist durch die unterschiedlichen Zielsetzungen der Vorschriften des SGB VIII und des SGB XII begründet (vgl. Münder u.a., Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 5. Aufl. 2006, § 93 Rdnr. 1).

Auch die Gesetzessystematik spricht gegen eine Anwendung der Verordnung zu § 82 SGB XII im Rahmen des § 93 SGB VIII. Nach § 90 Abs. 4 SGB VIII, der im Rahmen der pauschalierten Kostenbeteiligung Anwendung findet, gilt u.a. § 82 SGB XII für die Feststellung der zumutbaren Belastung. Entsprechend gilt nach der Rechtsprechung des Senats für die Feststellung der zumutbaren Belastung im Rahmen der Heranziehung zu den Kosten von Kindertageseinrichtungen u.a. § 82 SGB XII, so dass sich in diesen Fällen die Berücksichtigung berufsbedingter Fahrtkosten nach § 3 Abs. 6 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII richtet (Beschlüsse des Senats vom 20.4.2006 - 2 MB 5/06 - und 12.1.2009 - 2 LA 115/08 - ). Aus dem Umstand, dass die Regelung der Kostenbeiträge gemäß §§ 91ff SGB VIII keinen entsprechenden Verweis auf die Vorschriften des SGB XII enthält, ist zu schließen, dass darauf insoweit nicht zurückgegriffen werden soll.

Entgegen der Auffassung der Beklagten spricht für eine Anwendung der Verordnung zu § 82 SGB XII auch nicht, dass die danach erforderliche Berechnung einfacher vorzunehmen ist als nach den unterhaltsrechtlichen Leitlinien. Die Beklagte hat insoweit darauf hingewiesen, dass nach den unterhaltsrechtlichen Leitlinien dargelegt werden muss, weshalb die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar ist, wenn die Fahrtkosten 15 v. H. des sich nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben ergebenden Einkommens überschreiten. Diese Prüfung der Zumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel solle vermieden werden. Die Berücksichtigung der in § 3 Abs. 6 Nr. 2 der Verordnung zu § 82 SGB XII genannten Beträge setzt nach der Verordnung allerdings auch voraus, dass ein öffentliches Verkehrsmittel nicht vorhanden oder dessen Benutzung im Einzelfall nicht zumutbar und deshalb die Benutzung eines Kraftfahrzeugs notwendig ist, so dass auch bei Anwendung dieser Verordnung die Zumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu prüfen ist.

Gegen die Anwendung von § 9 EStG im Rahmen der nach § 93 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VIII zu ermittelnden Ausgaben spricht, dass beide Normen unterschiedliche Regelungsmaterien betreffen, welche keine Sachnähe zueinander aufweisen. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind bei der Einkunftsart abzuziehende Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG auch Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Durch den Abzug von Werbungskosten sollen - entsprechend dem Grundsatz, dass Maßstab der Besteuerung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ist - nur die Nettoeinkünfte mit Einkommenssteuer belastet werden (vgl. Thürmer in Blümich, EStG, § 9 Rdnr. 10). Eine sachliche Nähe zu dem Regelungsbereich des § 93 SGB VIII ist nicht erkennbar. Hinzu kommt, dass der Betrag, von welchem gemäß § 93 SGB VIII weitere Belastungen abzuziehen sind, nicht in den Nettoeinkünften im Sinne des § 9 EStG besteht, sondern in Einkommen, von welchem u.a. auf das Einkommen gezahlte Steuern bereits abgesetzt worden sind.

Auf der Grundlage der danach anzuwendenden unterhaltsrechtlichen Leitlinien des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in der ab dem 1.7.2005 geltenden Fassung ergeben sich Fahrtkosten in Höhe von monatlich 597,60 Euro. Dieser Betrag übersteigt den pauschalen Abzug, kann jedoch gemäß § 93 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII abgezogen werden, da die Belastungen nach Grund und Höhe angemessen sind und die Grundsätze einer wirtschaftlichen Lebensführung nicht verletzen. Es ergibt sich mithin ein Einkommen des Klägers in Höhe von monatlich 1.192,75 Euro. Soweit das Verwaltungsgericht von 1.292,75 Euro ausgeht, handelt es sich offenbar um einen Rechen- oder Schreibfehler, welcher jedoch keine Auswirkungen auf das Ergebnis hat. Dieses Einkommen ist der Stufe 6 der Kostenbeitragsverordnung zuzuordnen. Da bei der Eingruppierung jeweils die Unterhaltsverpflichtungen für ein anderes (gleichrangiges) Kind zu berücksichtigen ist, ist gemäß § 4 Kostenbeitragsverordnung eine Einstufung in die Stufe 4 vorzunehmen. Hieraus ergibt sich für ... ein Kostenbeitrag von monatlich 250,00 Euro und für ... ein Kostenbeitrag von monatlich 100,00 Euro.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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