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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 12.09.2002
Aktenzeichen: 2 M 63/02
Rechtsgebiete: GO, SchulG


Vorschriften:

GO § 2 Abs. 2
GO § 16g
SchulG § 57 Abs. 2
SchulG § 57 Abs. 3
Die Entscheidungskompetenz eines Bürgerbehrens kann nicht weiter gehen als die der Gemeinde.

Besteht ein öffentliches Bedürfnis an der Errichtung einer Schule und hat die Schulaufsichtsbehörde dies festgestellt, ist der Schulträger gem. § 57 SchulG zur Errichtung dieser Schule verpflichtet. Dies bindet die Gemeinde gem. § 57 Abs. 2 SchulG und § 2 Abs. 2 GO und schließt ein Bürgerbegehren gem. § 16g Abs. 2 Nr. 1 GO aus.


2 M 63/02

Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

...

wegen

Kommunalrecht

- Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung -

hat der 2. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts in Schleswig am 12. September 2002 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 6. Kammer - vom 29. Mai 2002 geändert.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht stattgegeben. Den Antragstellern steht der geltend gemachte Anordnungsanspruch nicht zu. Es bestehen auf der Grundlage des § 16g Abs. 3 GO keine sicherungsfähigen subjektiv-öffentlichen Rechte der Antragsteller auf Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Zustandes, da ihr Antrag auf Durchführung eines Bürgerbegehrens mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit unzulässig ist.

Das Bürgerbegehren ist mit dem Ablehnungsbescheid der Kommunalaufsichtsbehörde des Kreises ... vom 18.01.2002 offenkundig zu Recht als unzulässig erklärt worden, da es sich auf eine Angelegenheit bezieht, die gem. § 16g Abs. 2 Nr. 1 GO von der Entscheidung in einem solchen Verfahren ausgeschlossen ist. Nach dieser durch Art. 1 Abs. 8 des Gesetzes zur Änderung des kommunalen Verfassungsrechts vom 22.12.1995 (GVBl. 1996, S. 33) eingefügten Bestimmung findet ein Bürgerentscheid nicht statt "über Selbstverwaltungsaufgaben, die zu erfüllen die Gemeinde nach § 2 Abs. 2 verpflichtet ist, soweit ihr nicht ein Entscheidungsspielraum zusteht".

Gem. § 2 Abs. 2 GO können die Gemeinden durch Gesetz zur Erfüllung einzelner Aufgaben verpflichtet werden. Gem. § 57 Abs. 2 SchulG ist ein Schulträger verpflichtet, eine Schule dann zu errichten und zu unterhalten, wenn ein öffentliches Bedürfnis dafür gegeben ist und die Schulaufsichtsbehörde dies festgestellt hat. Letzteres ist mit Bescheid des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein mit Bescheid vom 29.11.2001 geschehen.

Ein Bürgerentscheid tritt an die Stelle eines endgültigen Beschlusses der Gemeindevertretung (§ 16g Abs. 8 S. 1 GO). Die sachliche Entscheidungskompetenz in einem solchen Verfahren kann deshalb nicht weiter gehen als die der Gemeinde (vgl. Schliesky, Bürgerentscheid und Bürgerbegehren in ..., Rdnrn. 12 und 44 zu § 16g GO). Da der Gemeindevertretung der Gemeinde T. wegen der Bindung gem. § 57 Abs. 2 SchulG die grundsätzliche Entscheidungskompetenz über die Errichtung und Unterhaltung einer Gesamtschule entzogen ist, ist diese Frage auch einer Entscheidung im Bürgerentscheid nicht mehr zugänglich.

Soweit sich der Bürgerentscheid bei Auslegung der im Antrag vom 18.10.2001 formulierten Frage auf die verbleibenden Gestaltungsspielräume der Gemeinde T. bei der Umsetzung der gesetzlichen Verpflichtung beziehen sollte, fehlt es an dem durch § 16g Abs. 3 S. 4 GO vorgeschriebenen Kostendeckungsvorschlag. Es liegt auf der Hand, dass eine Weiterbeibehaltung aller bisherigen Schulen in der Trägerschaft der Gemeinde T. bei gleichzeitiger Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung zur Errichtung und Unterhaltung einer Gesamtschule Mehrkosten verursacht.

Gem. § 57 Abs. 2 SchulG ist ein Schulträger dann verpflichtet, eine Schule zu errichten und zu unterhalten, wenn ein öffentliches Bedürfnis dafür gegeben ist und die Schulaufsichtsbehörde dies festgestellt hat. Diese Voraussetzungen liegen vor.

Aufgrund der durchgeführten Elternbefragungen ist zu erkennen, dass in T. und Umgebung eine Nachfrage von 195 Gesamtschulplätzen zum Schuljahresbeginn 2002/2003 bestanden hat. Anhaltspunkte dafür, dass die Ermittlung dieser Daten wegen methodischer Fehler rechtlich angreifbar sind, lassen sich dem Vorbringen der Antragsteller nicht entnehmen. Dass eine solche Befragung nicht auf den räumlichen Bereich der Gemeinde T. beschränkt bleiben kann und sich auch auf die Gemeinden des Umlandbereiches ausdehnen muss, folgt aus den insoweit grenzüberschreitenden Schuleinzugsbereichen.

Die Entscheidungskompetenz der Gemeinde T. ist durch den ministeriellen Bescheid vom 29.11.2001 in zulässiger Weise gebunden worden. Der Auffassung des Verwaltungsgerichts, eine gebotene einschränkende Auslegung des § 57 Abs. 2 SchulG führe dazu, dass die Errichtung und Unterhaltung einer kooperativen Gesamtschule nach dieser Bestimmung nicht verpflichtend vorgeschrieben werden könne, ist nicht zu folgen. Auch wenn eine solche Schule - was aus den mit der Beschwerde vertieft angeführten Gründen zu bezweifeln ist - im Wesentlichen lediglich einen organisatorischen Verbund von Gymnasium, Realschule und Hauptschule ermöglichen sollte, verbleibt es dabei, dass auch die Errichtung einer kooperativen Gesamtschule die Errichtung einer Schule und damit vom Regelungsbereich des § 57 Abs. 2 SchulG erfaßt ist. In diesem Zusammenhang führt der Hinweis auf das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde in den Angelegenheiten der Schulträgerschaft nicht weiter, da dieses Selbstverwaltungsrecht durch § 57 Abs. 2 SchulG gerade eingeschränkt wird (§ 1 Abs. 3, § 2 Abs. 2 S. 1 und Abs. 2 GO).

Schließlich ist auch nicht zu erkennen, dass der ministerielle Bescheid vom 29.11.2001 nicht als Feststellung nach § 57 Abs. 2 SchulG, sondern als Genehmigung i.S.d. § 57 Abs. 3 SchulG ausgelegt werden könnte. Dem steht der ausdrückliche Wortlaut dieses Bescheides (Bl. 60/61 BA A) entgegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Dieser Beschluss ist gem. § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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