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Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 03.02.2004
Aktenzeichen: 2 MB 153/03
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO, UVG


Vorschriften:

VwGO § 166
ZPO § 114
UVG § 1 Abs. 1 Nr. 2
UVG § 1 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

Az.: 2 MB 153/03 und 2 O 119/03

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Unterhaltsvorschuss

hat der 2. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts in Schleswig am 03. Februar 2004 beschlossen:

Tenor:

Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren und in Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 14. November 2003 - 15. Kammer - für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts ... bewilligt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten, die durch die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe entstanden sind; diese Kosten sind nicht erstattungsfähig.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe:

Den Antragstellern ist Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren und für das erstinstanzliche Verfahren zu bewilligen.

Gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Antragsteller sind nach der von ihnen abgegebenen Erklärung über ihre und die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ihrer Mutter und deren Lebenspartnerin bedürftig. Die Rechtsverfolgung hat - entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts - hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.d. § 114 ZPO.

Die Anforderungen an die Bewilligung von Prozesskostenhilfe dürfen nicht überspannt werden. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen (BVerfG, Beschl. v. 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 u.a. -, DVBl. 1990, 926). Prozesskostenhilfe darf nicht allein mit der Begründung abgelehnt werden, dass der Rechtsbehelf über den gleichzeitig entschieden wurde, nach der dort gegebenen Begründung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe (BVerfG, Beschl. v. 26.06.2003 - 1 BvR 1152/02 -, NJW 2003, 3190). Es ist zwischen hinreichender Erfolgsaussicht i.S.d. § 114 ZPO und Erfolg des Rechtsbehelfs zu unterscheiden. Auch dann wenn der Antragsteller letztlich mit seinem Hauptsachebegehren unterliegt, kann die hinreichende Erfolgsaussicht bejaht werden, wenn bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf die Erfolgsaussichten mindestens offen sind. Ein solcher Fall ist hier gegeben. Die Frage, ob das Führen einer Lebenspartnerschaft im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes nach der gegenwärtigen Gesetzeslage den Anspruch auf Unterhaltsvorschussleistungen des Kindes eines der Lebenspartner ausschließt, ist weder obergerichtlich noch höchstrichterlich geklärt; sie wird wegen der Widersprüchlichkeit von § 1 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 UVG auch nicht ohne weiteres durch das Gesetz beantwortet (vgl. hierzu DIJuF-Rechtsgutachten vom 11.01.2002, JAmt 2002, 20).

Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Ablehnung ihrer Anträge auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin zu 1) gegen die Einstellung der Unterhaltsvorschussleistungen und der Gewährung von Unterhaltsvorschussleistungen für die Antragstellerin zu 2) im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung ist nicht begründet.

Bei dem Begehren Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz zu erhalten, handelt es sich um ein Verpflichtungsbegehren (§ 42 Abs. 1, 2. Alternative, § 123 Abs. 1 VwGO). Die Einstellung der Leistungen an die Antragstellerin zu 1) im Bescheid vom 25. Februar 2003 stellt keinen Eingriff in eine durch den Bewilligungsbescheid vom 14. September 1999 eingeräumte Rechtsposition dar, sondern die Versagung noch zu bewilligender Leistungen. Unterhaltsvorschussleistungen sind keine rentengleichen Dauerleistungen. Der Unterhaltsvorschuss ist nur zu gewähren, soweit und solange die Leistungsvoraussetzungen vorliegen. Hieraus ergibt sich, dass die Behörde die für die Leistungsgewährung maßgeblichen Verhältnisse ständig überprüfen muss (vgl. VGH B-W, Beschl. v. 29.12.1992 - 6 S 760/91 -). Die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Einstellungsbescheid des Antragsgegners vom 25. Februar 2003 geht daher ins Leere. Der Antrag der Antragstellerin zu 1), die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, ist demzufolge in einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung umzudeuten.

Das Verwaltungsgericht hat einstweiligen Rechtsschutz zu Recht versagt, weil ein Anordnungsanspruch nicht gegeben ist.

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG ist Anspruchsvoraussetzung, dass das Kind bei einem seiner Elternteile lebt, der ledig, verwitwet oder geschieden ist oder von seinem Ehegatten dauernd getrennt lebt. Die Antragsteller leben bei ihrer Mutter. Da die Mutter weder verwitwet oder geschieden ist noch von ihrem Ehegatten getrennt lebt, kommt ein Anspruch nur in Betracht, wenn sie ledig ist. Dies ist zu verneinen, weil sie eine Lebenspartnerschaft führt.

"Ledig" ist ein Personenstand. Personenstand ist das familienrechtliche Verhältnis einer lebenden oder verstorbenen Person zu einer anderen in allen seiner Beziehungen (so schon RG 25, 189; 43, 403; 56, 134). Auch wenn das geltende Personenstandsgesetz den Begriff "ledig" nicht definiert, war jedenfalls bis zum Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes eine Person ledig, wenn sie nicht verheiratet oder verwitwet oder geschieden ist. Mit Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes ist ein neues familienrechtliches Verhältnis neben der Ehe und damit ein neuer Personenstand eingeführt worden (so auch BVerfG, Urt. v. 17.07.2002 - 1 BvF 1/01 u.a. -, BVerfGE 105, 313 f., B I 3 a) aa)). Nach § 11 Abs. 1 Lebenspartnerschaftsgesetz gilt ein Lebenspartner als Familienangehöriger des anderen Lebenspartners. Er ist somit nicht mehr ledig, sondern mit seinem Lebenspartner familiär verbunden. Mit der Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft hat sich somit auch der Begriff des "Ledigen" gewandelt. Dies hat Auswirkungen auf den § 1 Abs. 1 UVG, ohne dass es deshalb einer Änderung dieser Vorschrift bedarf. Dass ohne gesetzliche Änderung des § 1 Abs. 2 Nr. 2 UVG die Fälle der Beendigung der Lebenspartnerschaft, des Todes des Lebenspartners sowie der Trennung vom Lebenspartner nicht ausdrücklich geregelt sind und insoweit eine Lücke besteht, ändert an dem gewandelten Begriff des "Ledigen" mit Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft nichts. Schon aus der Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG im Zusammenhang mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz ergibt sich mithin, dass die Antragsteller keinen Anspruch auf Unterhaltsvorschuss haben.

Die Richtigkeit der Auslegung des Begriffs "ledig" im vorgenannten Sinn wird durch die Systematik der Vorschrift bestätigt. § 1 Abs. 2 UVG regelt, wann ein Getrenntleben von Ehegatten und Lebenspartnern i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG gegeben ist. § 1 Abs. 2 UVG ist im Hinblick auf das Getrenntleben Spezialnorm. Sinn macht diese Regelung nur, wenn im Falle einer eingetragenen Lebenspartnerschaft die Lebenspartner nicht ledig sind, weil es ansonsten auf die Trennung nicht ankommt. Geltendes Recht ist sinnentsprechend auszulegen, auf die Historie des Gesetzgebungsverfahrens kommt es dabei nicht an. Es kann sich allein die Frage stellen, ob im Hinblick auf § 1 Abs. 2 UVG der Abs. 1 Nr. 2 nicht ergänzend dahingehend auszulegen ist, dass auch die Trennung des maßgeblichen Elternteils vom Lebenspartner anspruchsbegründend ist. Dies bedarf im vorliegenden Fall aber keiner Entscheidung.

Auch eine Auslegung nach dem Willen des Gesetzgebers führt zu keinem anderen Ergebnis. Der Wille des Gesetzgebers manifestiert sich in der Vorschrift des § 1 Abs. 2 UVG. Diese Regelung ist vom Bundestag und Bundesrat getragen. Dass das Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz im Bundesrat gescheitert ist und deshalb die in Art. 2 § 32 vorgesehene Änderung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG nicht erfolgt ist, hat seinen Grund allein in der Ablehnung der eingetragenen Lebenspartnerschaft durch die Bundesratsmehrheit. Anhaltspunkte dafür, dass speziell die hier vorgenommene Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG dem Willen der Bundesratsmehrheit entgegensteht, nachdem in Folge der Abtrennung der zustimmungspflichtigen Teile des ursprünglichen Gesetzesvorhabens die eingetragene Lebenspartnerschaft eingeführt ist, liegen nicht vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 188 Satz 2 VwGO, § 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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