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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 04.07.2006
Aktenzeichen: 2 O 20/06
Rechtsgebiete: SGB VIII


Vorschriften:

SGB VIII § 35 a
SGB VIII § 36
Dem Jugendhilfeträger steht bei der Entscheidung über die Gewährung von Eingliederungshilfe ein Beurteilungsspielraum zu, der nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt. Bei der Entscheidung über die Notwendigkeit und Geeignetheit der Hilfe handelt es sich um das Ergebnis eines kooperativen pädagogischen Entscheidungsprozesses unter Mitwirkung des Kindes und mehrerer Fachkräfte, welches nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit erhebt.
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

Az.: 2 O 20/06

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Kinder- und Jugendhilfe sowie Jugendförderungsrecht

hier: Prozesskostenhilfe

hat der 2. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts in Schleswig am 04. Juli 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Einzelrichterin der 15. Kammer - vom 24. April 2006 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten sind nicht erstattungsfähig.

Gründe:

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 24. April 2006, mit dem sein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren - 15 A 118/05 - abgelehnt wurde, hat keinen Erfolg.

Mit seiner Klage erstrebt der Kläger die Übernahme der Kosten seiner lerntherapeutischen Förderung. Es geht dabei rechtlich gesehen um Eingliederungshilfe nach § 35 a SGB VIII, die ggf. - nach entsprechender Antragstellung - durch Verwaltungsakt zu gewähren ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.09.2000 - 5 C 29.99 -, FEVS 52, 532). Der Klageantrag ist daher gemäß § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass der Kläger unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide eine Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme der durch seine Eltern schon vor der Antragstellung eingeleiteten ambulanten Lernhilfe für die Zeit von Anfang November 2003 (Antrag vom 27. Oktober 2003) bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides (28. April 2005) anstrebt (vgl. zur zeitlichen Begrenzung des Streitgegenstandes bei der Gewährung von Jugendhilfe VGH BW, Urt. v. 31.05.2005 - 7 S 2445/05 -, juris, m.w.N.). Dafür fehlt es - wie das Verwaltungsgericht im Beschluss vom 24. April 2006 zutreffend ausgeführt hat - an den hinreichenden Erfolgsaussichten i.S.v. § 114 ZPO.

Der Senat teilt die vom Verwaltungsgericht ausführlich begründete Auffassung, dass - bezogen auf den streitgegenständlichen Zeitraum - das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 35 a SGB VIII nicht ersichtlich ist und der Kläger demnach keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die selbst beschaffte Therapie hat. Soweit mit der Beschwerde geltend gemacht wird, das Gericht werde Beweis zu der Frage erheben müssen, ob der Kläger bei Nichthilfe Analphabet geblieben wäre und könne auch den Umstand, ob eine drohende Teilhabebeeinträchtigung Folge der "Lernstörung" sei, nicht ohne weitere sachkundige Hilfe beurteilen und dürfe das Ergebnis eines einzuholenden Sachverständigengutachtens nicht antizipieren, ist darauf hinzuweisen, dass die ablehnende Entscheidung des Beklagten nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Der Gewährung von Eingliederungshilfe i.S.v. § 35 a SGB VIII hat nach § 36 SGB VIII grundsätzlich ein Hilfeplan vorauszugehen. Bei der Entscheidung über die Notwendigkeit und Geeignetheit der Hilfe handelt es sich um das Ergebnis eins kooperativen pädagogischen Entscheidungsprozesses unter Mitwirkung des Kindes und mehrerer Fachkräfte, welches nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit erhebt, jedoch eine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation enthält, die fachlich vertretbar und nachvollziehbar sein muss; die verwaltungsgerichtliche Überprüfung hat sich daher darauf zu beschränken, ob allgemein gültige fachliche Maßstäbe beachtet worden sind, ob keine sachfremden Erwägungen eingeflossen sind und die Leistungsadressaten in umfassender Weise beteiligt worden sind (BVerwG, Urt. v. 24.06.1999 - 5 C 24.98 -, E 109, 155). Dem Jugendhilfeträger steht hierbei ein Beurteilungsspielraum zu, der nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt (Bay. VGH, Beschl. v. 23.06.2005 - 12 CE 05.1128 -, FEVS 57, 128; Hess. VGH, Urt. v. 08.09.2005 - 10 UE 1847/04 - <juris>; Wiesner in: Wiesner/Mörsberger/Oberloskamp/ Struck, SGB VIII, 2. Aufl., § 36 Rdnr. 50). Unter Berücksichtigung dieses Prüfungsrahmens ist weder aus dem Vorbringen des Klägers noch aus dem sonstigen Akteninhalt zu entnehmen, dass die Ablehnung der beantragten Hilfe gerichtlich zu korrigieren wäre.

Die Beklagte hat nicht nur bei Erlass des Erstbescheides alle bis dahin erstellten fachlichen Stellungnahmen in ihre Beurteilung einbezogen, sondern auch die weitere Entwicklung bis zum Widerspruchsbescheid berücksichtigt. Im Widerspruchsbescheid wird in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, dass schulische Förderangebote grundsätzlich vorrangig in Anspruch zu nehmen seien und der Kläger eine angemessene Förderung in seinem vertrauten Klassenverband erhalten habe. Dies steht in Übereinstimmung mit der in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung, dass außerschulische Maßnahmen der Lerntherapie nur dann zu gewähren seien, wenn die schulische Förderung im Einzelfall nicht ausreiche; denn es sei in erster Linie Aufgabe der Schule, bei Schülern Lese- und Rechtschreibschwäche zu fördern (vgl. Hess. VGH, Beschl. v. 13.03.2001 - 1 TZ 2872/00 -, NVwZ-RR 2002, 126 m.w.N.; Wiesner, a.a.O., § 35 a Rdnr. 71).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO.

Die Entscheidung über die Nichterstattung der außergerichtlichen Kosten des Beklagten folgt aus § 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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