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Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 24.08.2009
Aktenzeichen: 2 O 28/09
Rechtsgebiete: SGB VIII, VwGO
Vorschriften:
SGB VIII § 92 | |
SGB VIII § 94 | |
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 |
2. Für die Berücksichtigung anderweitiger Unterhaltspflichten des Kostenbeitragspflichtigen nach § 94 Abs. 2 SGB VIII ist ungeachtet des Bestehens einer Unterhaltspflicht gegenüber dem untergebrachten Kind von der Rangfolge des § 1609 BGB auszugehen.
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS
Az.: 2 MB 12/09 und 2 O 28/09
In der Verwaltungsrechtssache
Streitgegenstand: Kinder- und Jugendhilfe- sowie Jugendförderungsrecht - Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung sowie Prozesskostenhilfeantrag -
hat der 2. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts in Schleswig am 24. August 2009 beschlossen:
Tenor:
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt und der Beschluss des Verwaltungsgerichts - 15. Kammer - vom 16. Juni 2009 für unwirksam erklärt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.
Für das erstinstanzliche Verfahren bleibt die Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts im Beschluss vom 16. Juni 2009 aufrecht erhalten.
Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller mit Ausnahme der Kosten, die durch die Beschwerde gegen die Ablehnung ihres Prozesskostenhilfeantrages für die erste Instanz entstanden sind; diese Kosten sind nicht erstattungsfähig.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Kostenbeitragsbescheides für die stationäre Unterbringung der am 8. November 1991 geborenen Tochter des Antragstellers, ..., in einer betreuten Wohnform gem. §§ 27, 34 SGB VIII für die Zeit vom 3. November 2008 bis 28. Februar 2009.
Der Kläger war gemäß dem Urteil des Amtsgerichts Reinbek vom 23. Februar 2009 auch im vorliegend streitgegenständlichen Zeitraum unterhaltsverpflichtet gegenüber seinem 11-jährigen Sohn ... sowie gegenüber seiner seit Anfang 2008 von ihm getrennt lebenden Ehefrau. Für seine Tochter ... hingegen war er nach diesem Urteil seit November 2008 nicht unterhaltsverpflichtet, da ihr nur bis Oktober 2008 eine Orientierungsphase zuzubilligen gewesen sei und sie sich danach weder um einen Ausbildungsplatz noch um die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bemüht habe; die Darlegungen der im Unterhaltsprozess klagenden Kindesmutter ließen einen Unterhaltsanspruch der Tochter wegen der in der betreuten Einrichtung durchgeführten Kurse und Praktika nicht erkennen. Das Amtsgericht führt in dem Urteil zudem aus, dass ein solcher Unterhaltsanspruch auf den Träger der staatlichen Jugendhilfeleistung übergegangen sein dürfe.
Mit Bescheid vom 23. Februar 2009 wurde der Kläger zu einem Kostenbeitrag für die Jugendhilfemaßnahme ab dem 3. November 2008 in Höhe von mtl. 575 € herangezogen; für den Zeitraum ab 1. März 2009 erging am 8. April 2009 ein gesonderter Bescheid, der nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist.
In seinem Widerspruch vom 4. März 2009, den er mit einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Kostenbeitragsbescheides verband, vertrat der Antragsteller die Auffassung, ein Kostenbeitrag sei entsprechend den Grundsätzen des zivilrechtlichen Unterhaltsrechts zu berechnen und die vom Amtsgericht Reinbek festgestellten Unterhaltsbeträge sowie der Selbstbehalt für den Antragsteller seien von dessen bereinigtem Nettoeinkommen abzusetzen. Danach verbleibe allenfalls ein durch die Kindergeldzahlung an seine Tochter bereits abgedeckter Betrag von 100 €. Mit zwischenzeitlich aufgehobenem Widerspruchsbescheid vom 8. April 2008 reduzierte der Antragsgegner den monatlichen Kostenbeitrag aufgrund einer geänderten Einkommens- und Belastungsberechnung auf 525 € und berücksichtigte hierbei, wie im Ausgangsbescheid, lediglich die Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Sohn ... durch Rückstufung um eine Einkommensgruppe gemäß § 4 i.V.m. der Anlage zu § 1 der Kostenbeitragsverordnung.
Auf den gleichzeitig mit der hiergegen erhobenen Klage gestellten Eilantrag des Antragstellers - gerichtet auf Feststellung, hilfsweise auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Kostenbeitragsbescheid - hat die 15. Kammer des Verwaltungsgerichts mit Beschluss vom 16. Juni 2009 die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet, soweit der Antragsgegner Kostenbeiträge von mehr als 70 € für November 2008 und mehr als 425 € für Januar und Februar 2009 verlangt hat, und zu einem entsprechenden Anteil von einem Drittel des Gesamtgegenstandswertes antragsgemäß Prozesskostenhilfe bewilligt ; im Übrigen hat es den Eilantrag sowie den Prozesskostenhilfeantrag abgelehnt.
Mit Bescheid vom 23. Juni 2006 hat der Antragsgegner daraufhin seinen Widerspruchsbescheid vom 8. April 2009 aufgehoben und am selben Tage einen neuen Widerspruchsbescheid entsprechend dem Ausspruch des Eilbeschlusses erlassen. Wegen der Einzelheiten der geänderten Berechnung des Kostenbeitrages wird auf diesen vom Antragsgegner unter Hinweis auf die nach seiner Auffassung eingetretene Klaglosstellung des Antragstellers zur Akte des Hauptsacheverfahrens 15 A 95/09, Bl. 46 ff., übersandten Bescheid verwiesen.
Mit seiner ursprünglich vollumfänglich gegen den Eilbeschluss gerichteten Beschwerde vom 3. Juli 2009, die mit einem Prozesskostenhilfeantrag auch für das Beschwerdeverfahren verbunden ist, macht der Antragsteller - wie zuvor - geltend, der Klage gegen den Kostenbeitragsbescheid komme nach § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung zu, da es sich bei einem Kostenbeitrag nach §§ 90 ff. SGB VIII nicht um eine Anforderung von öffentlichen Abgaben oder Kosten nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO handele. Da der Jugendhilfeträger die bewilligte Leistung unabhängig von der Realisierbarkeit eines Kostenbeitrages zu erbringen habe, könne dieser keine planbare Finanzierungsfunktion erfüllen. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts verkenne darüber hinaus in der Sache die Grundsätze des Unterhaltsrechts. Es könne nicht angehen, dass die Unterhaltsverpflichtungen des Antragstellers gegenüber seinem Sohn und seiner Ehefrau im Rahmen des Unterhaltsprozesses anerkannt, im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung jedoch nicht bzw. nicht in vollem Umfang berücksichtigt würden. Die Unterhaltsansprüche der Ehefrau des Antragsstellers seien als vorrangig i.S.v. § 94 Abs. 2 SGB VIII bei der Berechnung des Kostenbeitrages zu berücksichtigen, weil ... nach dem Urteil des AG Reinbek im streitgegenständlichen Zeitraum gerade nicht unterhaltsberechtigt gewesen sei. Auch § 1609 BGB, der die Rangfolge mehrerer Unterhaltsberechtigter bestimme und von § 94 Abs. 2 SGB VIII materiell in Bezug genommen werde, setze voraus, dass jede dort in die Rangfolge eingeordnete Person auch tatsächlich unterhaltsberechtigt sei. Weiterhin rügt der Antragsteller, das Verwaltungsgericht habe vermögenswirksame Leistungen des Arbeitgebers des Antragstellers in Höhe von 26,59 € zu Unrecht einkommenserhöhend angerechnet.
Der Antragsteller hat das Verfahren mit Schriftsatz vom 24. Juli 2009 im Umfang der Änderungen zu seinen Gunsten durch den Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2009 für erledigt erklärt und diesen Bescheid in das Verfahren einbezogen.
II.
1. Durch die Bescheide vom 23. Juni 2009 hat der Antragsgegner dem Begehren des Antragstellers im Umfang von dessen Erfolg im erstinstanzlichen Eilverfahren - einer Reduktion der Kostenbeiträge im streitgegenständlichen Zeitraum vom 3. November 2008 bis 28. Februar 2009 um 620 € von 2.065 € auf 1.445 € - vollständig Rechnung getragen. Die Beteiligten haben das Verfahren insoweit für erledigt erklärt; eine entsprechende Erklärung des Antragsgegners ist auch für das Eilverfahren sinngemäß seinem Schriftsatz vom 24. Juni 2009 im Verfahren 15 A 95/09 zu entnehmen. Insoweit ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 2 VwGO einzustellen und der Beschluss des Verwaltungsgerichts für unwirksam zu erklären (§ 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO; s. BVerwG Beschl. v. 27.03.1997 - 1 C 5/95 -, Juris)
2. Im Übrigen ist die Beschwerde des Antragstellers gegen die Ablehnung seines Antrages auf Feststellung, hilfsweise Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage und gegen die Ablehnung seines Prozesskostenhilfeantrages für das erstinstanzliche Verfahren zulässig, jedoch nicht begründet. Auch der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt, weil die Rechtsverfolgung aus den nachstehenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
a) Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Klage des Antragstellers gegen den Kostenbeitragsbescheid nicht bereits gemäß § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung zukommt (ebenso auch ausführlich Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 20.01.2009 - 4 ME 3/09 -; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 21.05.2008 - 3 M 169/06 -; Bayerischer VGH, Beschl. v. 19.12.2007 - 12 CS 07.2895 -; a.A. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 17.12.2007 - 12 B 1214/07 -; Hessischer VGH, Beschl. v. 05.09.2006 - 10 TG 1915/06 -; alle in Juris; a.A. zur Rechtslage vor dem 1.1.2005 vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 03.03.1999 - 1 M 4/99 - NVwZ-RR 2000, 63 f.; a.A. auch Schindler, in: Münder/Wiesner, Kinder- und Jugendhilfe, 2007, S. 520; Kunkel, LPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2006, § 92 Rn. 10 sowie Anhang Verfahren Rn. 58). Die Heranziehung zu einem Kostenbeitrag stellt eine Anforderung von öffentlichen Abgaben i.S.v. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO dar. Sinn des gesetzlichen Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO ist es, den Zufluss von Einnahmen zur Finanzierung der öffentlichen Aufgabenerfüllung trotz der Einlegung von Rechtsbehelfen zu gewährleisten (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.12.1992 - 4 C 30/90 -, NVwZ 1993, 1112 ff.; Puttler, in: So-dan/Ziekow (Hrsg.), VwGO, 2. Aufl. 2006, § 80 Rn. 55). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind in diese Sofortvollzugsregelung alle Abgaben einzubeziehen, die eine Finanzierungsfunktion für die staatliche Aufgabenwahrnehmung übernehmen, auch wenn ihre Höhe nicht fest kalkulierbar ist, sie nur teilweise zur Deckung der Ausgaben beitragen und neben der Finanzierung noch ein weiterer Zweck verfolgt wird. Der Begriff der Abgaben ist weit zu verstehen und erfasst auch unabhängig von einer Einordnung als Steuern, Gebühren oder Beiträge alle Abgaben, durch die, Steuern vergleichbar, die Befriedigung des öffentlichen Finanzbedarfs sichergestellt wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.12.1992, a.a.O.). Andererseits fallen nicht alle Geldleistungspflichten gegenüber dem Staat unter den gesetzlichen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO. Der Gesetzgeber wollte sich mit diesem Ausschluss an das Steuerrecht anlehnen (vgl. den Hinweis auf die Regierungsbegründung zu § 80 VwGO im Urteil des BVerwG, v. 17.12.1992, a.a.O.). Eine Vergleichbarkeit mit Steuern besteht nur dann, wenn Geldleistungspflichten zumindest gleichrangig mit anderen Zwecken dem Zweck der Einnahmeerzielung dienen und wenn sie in einem Haushaltsplan als Einnahmen ausgewiesen sind (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl. 2008, S. 249).
Diese Voraussetzungen treffen auf den Kostenbeitrag gemäß §§ 92 SGB VIII zu. Ihm kommt ersichtlich eine in die Haushaltsplanung einzubeziehende Refinanzierungsfunktion für die Ausgaben des Jugendhilfeträgers zu. Gleichzeitig handelt es sich um eine Beitragsleistung, die in der Höhe von den konkreten Ausgaben für die zu seiner Erhebung Anlass gebende Jugendhilfemaßnahme weitgehend (bis auf die Obergrenze in § 94 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII) entkoppelt ist. Sie wird, der Steuer vergleichbar, entsprechend einem rechtnormativ festgelegten Tatbestand erhoben, in dem der Kreis der Kostenbeitragspflichtigen wie auch der Katalog beitragspflichtiger Jugendhilfemaßnahmen festgelegt ist, und richtet sich in ihrer Höhe nach pauschalierenden Beitragsstufen und Einkommensgruppen. Hierdurch unterscheidet sich der jugendhilferechtliche Kostenbeitrag von einer nach allgemeiner Rechtsprechung nicht unter § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO fallenden Heranziehung zu einem reinen Aufwendungsersatz für Kosten, die der Behörde in einem konkreten Einzelfall der Aufgabenwahrnehmung entstanden sind und für die sie lediglich für einen Schuldner in Vorlage getreten ist (vgl. etwa Senatsbeschluss v. 27.12.2000 - 2 M 13/00 - zu Kosten eines Gefahrerforschungseingriffs; Beschluss des 4. Senats v. 24.09.1996 - 4 M 73.96 - zur Heranziehung zu Abschiebungskosten; BayVGH, Beschl. v. 25.02.2009 - 2 CS 07.1702 - zu Kosten der Ersatzvornahme; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 27.11.2006 - 1 S 1925/06 - zu Kosten der Unterbringung von Tieren nach den TierSchG; Beschl. v. 09.09.1999 - 1 S 1306/99 - sowie VG München, Beschl. v. 12.02.2009 - M 12 S 08.5968 - zur Anforderung von Beerdigungskosten vom Bestattungspflichtigen; Thüringer OVG, Beschl. v. 14.02.2008 - 3 EO 838/07 - zu Aufwendungen für Einsatzmaßnahmen der Unfallhilfe der Feuerwehr; vgl. allg. zum Ersatz konkret entstandener Aufwendungen Puttler, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 80 Rn. 62). Während der Ersatz solcher im Einzelfall in Vorleistung für den Kostenpflichtigen von der Behörde getragenen Aufwendungen nicht der Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs dient und auch nicht im Haushaltsplan ausgewiesen wird, werden Einnahmen aus Kostenbeiträgen für Jugendhilfemaßnahmen im Rahmen der entsprechenden Ansätze der Haushaltsplanung prognostizierend erfasst (vgl. auch Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 20.01.2009 - 4 ME 3/09 - sowie v. 10.11.2006 - 4 ME 188/06 - Juris; vgl. auch Anlage 13 zur Gemeindehaushaltsverordnung-Kameral v. 02.05.2007, GVOBl. Schl.-H. S. 254). Ein Kostenbeitrag wird nicht unmittelbar zur Deckung der Aufwendungen der individuellen Jugendhilfemaßnahme verwendet, sondern fließt in den Haushalt des Jugendhilfeträgers ein und trägt damit zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs bei.
Durch die Neuregelung des Kostenbeitragsrechts in Gestalt des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe - KICK - vom 8. September 2005 (BGBl. I S. 2729) hat sich der Gesetzgeber infolge höherer Elternbeiträge noch eine Steigerung des Mittelzuflusses an den Jugendhilfeträger erwartet (vgl. BT-Dr. 15/3676, S. 48). Weder die stark durch individuelle Faktoren bestimmte Berechnung des Kostenbeitrages noch die Möglichkeit einer Reduktion in Härtefällen (§ 92 Abs. 5 SGB VIII) stehen der für die Anwendung des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO maßgeblichen Finanzierungsfunktion des Kostenbeitrages entgegen, zumal eine weitere Funktion dieser Geldleistung im Sinne einer Lenkung oder Sanktionierung nicht erkennbar ist (vgl. BayVGH, a.a.O.; Nds. OVG, a.a.O.). Auch die mit der Erhebung von Kostenbeiträgen realisierte Sicherung des Nachrangs der Jugendhilfe (vgl. Kunkel, SGB VIII, 3. Aufl. 2006, § 92 Rn. 1) gegenüber im Regelfall bestehenden Unterhaltsverpflichtungen dient der Zuordnung einer teilweisen Finanzierungslast; sie verfolgt keine lenkenden Zwecke. Da schließlich die Erhebung von Steuern in weitem Umfang von individuellen Berechnungsfaktoren abhängen kann, ist die Argumentation, wonach genau dieses der Anwendung des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO auf den jugendhilferechtlichen Kostenbeitrag entgegenstehen soll (vgl. OVG NRW, a.a.O.; Hess. VGH, a.a.O.), ebenfalls nicht überzeugend.
b) Die Beschwerde hat auch mit dem hilfsweise gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs und der Klage keinen Erfolg. Die Einwände des Antragstellers gegen den nunmehr mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2009 festgesetzten Kostenbeitrag begründen keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO.
Die Heranziehung des Antragstellers zu einem Kostenbeitrag wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass seine im Wege der Jugendhilfe vollstationär untergebrachte Tochter ... dem Urteil des Amtsgerichts Reinbek vom 23. Februar 2009 zufolge seit November 2008 nicht mehr unterhaltsberechtigt ist. Seit dem Inkrafttreten der durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe - KICK - zum 1. Oktober 2005 neu gefassten Vorschriften der §§ 91 ff. SGB VIII über die Heranziehung zu einem Kostenbeitrag zu Maßnahmen der Jugendhilfe ist auch von einem Elternteil, der vor Beginn der Hilfe nicht mit dem Kind zusammenlebte, unabhängig vom dem Bestehen eines zivilrechtlichen Unterhaltsanspruchs ein öffentlich-rechtlicher Kostenbeitrag zu erheben; auch ein Übergang des zivilrechtlichen Unterhaltsanspruchs auf den Jugendhilfeträger ist nicht mehr vorgesehen. Mit der systematischen Neuregelung der Heranziehung u.a. der Eltern zu den Kosten der Unterbringung wollte der Gesetzgeber eine wesentliche Vereinfachung der Kostenberechnung sowie eine Entflechtung des zuvor komplizierten Zusammenspiels unterhaltsrechtlicher und sozialrechtlicher Bestimmungen in diesem Bereich erreichen (vgl. BT-Dr. 15/3676, S. 41; Senatsurteil v. 27.04.2009 - 2 LB 7/09 -; Senatsbeschluss v. 11.08.2008 - 2 O 32/08 -). Das Verhältnis der Jugendhilfe zum zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch ist durch § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII in dem Sinne geregelt worden, dass die bedarfsdeckende Wirkung der Jugendhilfemaßnahme die Höhe des Unterhaltsanspruchs mindert, so dass bei vollstationärer Unterbringung im Regelfall kein zivilrechtlicher Unterhalt geleistet werden muss (vgl. Senatsbeschluss v. 19.09.2007 - 2 O 50/07 -; Senatsurteil v. 27.04.2009 - 2 LB 7/09 -; BT-Dr. 15/3676, S. 31). Durch die Heranziehung zu einem Kostenbeitrag sollen die Eltern als nächste Angehörige und materiell für die Erziehung des jungen Menschen Verantwortliche ungeachtet einer aufgrund der Bedarfsdeckung geminderten oder nicht mehr bestehenden Unterhaltsverpflichtung in die Pflicht genommen werden (vgl. BT-Dr. 15/3676, S. 31; Brandenburgisches OLG, Urt. v. 20.12.2007 - 10 UF 144/03 - Juris - m.w.N.). Auch die Heranziehung im Rahmen einer Hilfemaßnahme für ein nicht unterhaltsberechtigtes Kind entspricht der materiellen elterlichen Erziehungsverantwortung.
Die demzufolge gegenüber unterhaltsrechtlichen Grundsätzen eigenständige Berechnung eines öffentlich-rechtlichen Kostenbeitrages nach den §§ 92 bis 94 SGB VIII i.V.m. der Kostenbeitragsverordnung sieht eine Absetzung von Unterhaltsleistungen vom Einkommen des Kostenbeitragspflichtigen nicht vor. Nach § 94 Abs. 2 SGB VIII ist lediglich die Anzahl der Personen, die mindestens im gleichen Range wie der untergebrachte junge Mensch unterhaltsberechtigt sind, angemessen zu berücksichtigen. Ferner ist nach § 92 Abs. 4 SGB VIII die Erhebung eines Kostenbeitrages nur zulässig, soweit Unterhaltsansprüche vorrangig oder gleichrangig Berechtigter nicht geschmälert werden. In § 4 der Kostenbeitragsverordnung ist diese gesetzliche Vorgabe dahingehend umgesetzt worden, dass die kostenbeitragspflichtige Person bei Unterhaltspflichten gegenüber anderen Personen nach § 1609 BGB im mindestens gleichen Rang wie der untergebrachte junge Mensch einer je Unterhaltspflicht um (ab Einkommensgruppe 8) eine Stufe niedrigeren Einkommensgruppe zuzuordnen ist. Eine weitere Reduktion des sich hieraus ergebenden Kostenbeitrags ist vorzunehmen, wenn Unterhaltsansprüche vorrangig Berechtigter trotz dieser Rückstufung geschmälert würden; bei einer Schmälerung von Unterhaltsansprüchen gleichrangig Berechtigter ist gemäß § 92 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII wegen besonderer Härte ganz oder teilweise von der Heranziehung zu einem Kostenbeitrag abzusehen.
Diesen rechtlichen Vorgaben entsprechend sind die gegenüber dem Sohn des Antragstellers ... bestehenden und nachgewiesenermaßen regelmäßig erfüllten Unterhaltspflichten durch Rückstufung um eine Einkommensgruppe ausreichend berücksichtigt worden. Die Unterhaltsleistungen gegenüber der Ehefrau des Antragstellers dagegen mindern die Höhe des vom Antragsteller zu erhebenden Kostenbeitrages nicht, weil seine Ehefrau aufgrund der durch das Unterhaltsreformgesetz zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Neufassung des § 1609 BGB aus Sicht der §§ 92 Abs. 4, 94 Abs. 2 SGB VIII und des § 4 Kostenbeitragsverordnung weder im gleichen Range noch vorrangig gegenüber der gemeinsamen Tochter ... unterhaltsberechtigt ist. Zwar stellt § 1609 BGB für sich genommen eine Rangfolge lediglich unter Unterhaltsberechtigten auf, denen der Unterhaltsverpflichtete auch tatsächlich Unterhalt gewähren muss. Die Bezugnahme der §§ 92, 94 SGB VIII auf die zivilrechtliche Rangfolge von Unterhaltsberechtigungen ist aber entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht so zu verstehen, dass ein Unterhaltsanspruch des untergebrachten jungen Menschen tatsächlich gegeben bzw. vom Unterhaltsverpflichteten zu erfüllen sein muss, um von der in § 1609 BGB vorgesehenen Rangfolge ausgehen zu können. Denn dies würde eine zivilrechtliche Prüfung des Bestehens und Umfangs von Unterhaltsansprüchen des untergebrachten jungen Menschen im Rahmen der Ermittlung des jugendhilferechtlichen Kostenbeitrages erfordern, die mit der Neuregelung des Kostenbeitragsrechtes durch das KICK im Sinne einer Vereinfachung und Entflechtung beider Rechtsmaterien gerade abgeschafft werden sollte. Zudem bewirkt die vollstationäre Unterbringung, wie dargestellt, auch nach den Vorstellungen des Gesetzgebers im Regelfall eine vollständige Bedarfsdeckung mit der Folge gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII, dass der junge Mensch einen Unterhaltsanspruch gegenüber dem kostenbeitragspflichtigen Elternteil nicht mehr geltend machen kann (s. auch Kunkel, SGB VIII, 3. Aufl. 2006, § 10 Rn. 13b). Die Bezugnahme auf die unterhaltsrechtliche Rangfolge des § 1609 BGB in §§ 92, 94 SGB VIII i.V.m. § 4 der Kostenbeitragsverordnung liefe daher für diesen Regelfall leer, wenn sie eine tatsächlich zu erfüllende zivilrechtliche Unterhaltspflicht gegenüber dem jungen Menschen voraussetzen würde. Auch eine Differenzierung je nach einer ggf. vorliegenden familiengerichtlichen Begründung für das Nichtbestehen einer Unterhaltspflicht entspräche nicht der Zielsetzung des Gesetzgebers des KICK, zu einer Vereinfachung und weitgehenden Entkoppelung des Kostenbeitragsrechts vom Unterhaltsrecht zu kommen, zumal aufgrund der Anrechnungsregelung des § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII bei bestehender jugendhilferechtlicher Bedarfsdeckung Ausführungen des Familiengerichts zu anderweitigen Gründen, die - wie vorliegend - einer Verpflichtung zu Unterhaltsleistungen für den jungen Menschen entgegenstehen, möglicherweise nicht erfolgen.
Eine andere Auslegung der §§ 92, 94 SGB VIII ist auch nicht wegen der Tatsache geboten, dass die Nachrangigkeit der Unterhaltsberechtigung des anderen Elternteils bzw. Ehegatten oder geschiedenen Ehegatten gegenüber minderjährigen unverheirateten Kindern erst durch die nach Inkrafttreten des KICK geschaffene Neuregelung des § 1609 BGB durch das Unterhaltsreformgesetz (BGBl. 2007 I 3189 ff.) hergestellt worden ist, denn die Zielsetzung des Gesetzgebers, nur gleich- oder vorrangige Unterhaltspflichten gegenüber anderen Personen bei der Berechnung des Kostenbeitrages zu berücksichtigen, bleibt auch nach dieser Änderung des Unterhaltsrechts gewahrt, auch wenn ihre praktische Tragweite erheblich erhöht worden ist. Im Übrigen hat der Verordnungsgeber der Kostenbeitragsverordnung die später erfolgte Änderung des § 1609 BGB ausdrücklich in den Blick genommen und für mit den Wertungen der Kostenbeitragsberechnung nach dem KICK vereinbar gehalten (vgl. Begründung zum Entwurf in BR-Drs. 648/05 (neu), S. 10).
c) Die vom Antragsteller begehrte Berücksichtigung seiner Belastung aufgrund vermögenswirksam angelegter Leistungen in Höhe von mtl. 26,59 € würde sich kostenbeitragsrechtlich nicht auswirken. Sie ginge in der Differenz zwischen den vom Antragsgegner anerkannten Belastungen und der der Berechnung des Kostenbeitrages zugrunde gelegten höheren Pauschale von 25% des Nettoeinkommens gemäß § 93 Abs. 3 SGB VIII auf und ergäbe im Übrigen in beiden maßgeblichen Zeiträumen (November (tlw.) und Dezember 2008, Januar und Februar 2009) keine Zuordnung zu einer anderen Einkommensgruppe, da der Antragsteller jeweils am oberen Rand der Einkommensspanne der Anlage zu § 1 der Kostenbeitragsverordnung liegt.
Eine vom Antragsteller gerügte einkommenserhöhende Berücksichtigung des Arbeitgeberanteils an vermögenswirksamen Leistungen haben weder das Verwaltungsgericht in seinem Eilbeschluss noch der Antragsgegner in dem streitgegenständlichen Widerspruchsbescheid vorgenommen.
3. Hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils des Rechtsstreits ergibt sich die Kostenentscheidung für die erste Instanz aus § 161 Abs. 2 VwGO. Danach ist über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Da der Antragsgegner durch Abänderung seiner Bescheide den in der Sache nicht zu beanstandenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts gefolgt ist, sind ihm insoweit die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Insgesamt verbleibt es danach für die erste Instanz bei der vom Verwaltungsgericht auf § 155 Abs. 1 VwGO gestützten Kostenquote.
Bezüglich des Beschwerdeverfahrens ist in der Erledigungserklärung des Antragstellers vom 24. Juli 2009 eine verkappte Rücknahmeerklärung zu sehen, da davon auszugehen ist, dass ihm der geänderte Widerspruchsbescheid - wie auch dem Verwaltungsgericht - vor Einlegung der insgesamt gegen den Eilbeschluss gerichteten Beschwerde vom 3. Juli 2009 zugestellt worden ist und er im Übrigen insoweit bereits aufgrund der teilweisen Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage im Rahmen des erstinstanzlichen Eilbeschlusses nicht beschwert war. Insoweit beruht die Kostenentscheidung auf § 155 Abs. 2 VwGO, im Übrigen auf § 154 Abs. 2 VwGO sowie § 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 VwGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Ende der Entscheidung
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