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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 28.06.2004
Aktenzeichen: 2 O 65/04
Rechtsgebiete: BGB, SGB I, SGB X, VwGO


Vorschriften:

BGB § 389
SGB I § 51
SGB X § 31
VwGO § 42
1. Wird eine bewilligte Geldleistung nicht an den Begünstigten ausgezahlt, ist der Anspruch durch Leistungsklage zu verfolgen.

2. Die in den Gründen des Bewilligungsbescheides enthaltene Erklärung, die Hilfe werde (teilweise) an einen Dritten gezahlt, ist keine Regelung i.S.d. § 31 SGB X.

3. Zur Rechtsnatur und zum Verfahren der Aufrechnung im öffentlichen Recht


SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

Az.: 2 O 65/04

In der Verwaltungsrechtssache

hier: Prozesskostenhilfe

hat der 2. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts in Schleswig am 28. Juni 2004 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Einzelrichterin der 15. Kammer - vom 05. Mai 2004 geändert:

Der Klägerin wird für das erstinstanzliche Klagverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt ..., beigeordnet.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig.

Gründe:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung der beim Verwaltungsgericht anhängigen Klage auf Auszahlung von Wohngeld ist begründet.

Prozesskostenhilfe erhält nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO die Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dass die Klägerin persönlich nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen, hat sie durch Vorlage ihrer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse belegt. Für die Klage bestehen auch hinreichende Erfolgsaussichten.

Der Auffassung des Verwaltungsgerichts, die von der Klägerin erhobene Leistungsklage, mit der sie die Zahlung eines Betrages in Höhe von 549,-- Euro begehrt, sei unzulässig, ist nicht zu folgen. Zwar schließen auch nach Auffassung des Senats Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage für den Bereich der Hoheitsverwaltung die allgemeine Leistungsklage aus, wenn und soweit der Rechtsstreit sich auf einen Verwaltungsakt oder eine Regelung bezieht, die eine Behörde nach dem Klagebegehren durch Verwaltungsakt treffen soll. Das ist hier jedoch nicht der Fall.

Durch Bescheid vom 27. November 2002 bewilligte die Beklagte der Klägerin Wohngeld in Form eines Mietzuschusses in Höhe von 183,-- Euro monatlich für die Zeit von Oktober 2002 bis März 2003 einschließlich. In dem Bescheid ist ausgeführt, dass das Wohngeld zur Hälfte an die Klägerin und zur Hälfte an das Sozialamt der Beklagten gezahlt werde. Vorangegangen war eine Mitteilung des Sozialamtes der Beklagten über eine durch Bescheid vom 26. Juli 2002 vorgenommene Rückforderung zu Unrecht gewährter Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz. Das Amt für Wohngeld wurde ersucht, die Forderungen nach § 51 SGB I gegen den hälftigen Wohngeldanspruch bis zur Tilgung bzw. dem Ende der Leistung aufzurechnen. Aus diesem Verfahrensablauf ergibt sich kein Zulässigkeitshindernis für die Leistungsklage. Der Antrag der Klägerin auf Gewährung von Wohngeld ist durch Bescheid der Beklagten vom 27. November 2002 dahingehend beschieden worden, dass ihr in dem fraglichen Zeitraum ein Wohngeld in Höhe von 183,-- Euro monatlich zusteht. Gemäß § 28 WoGG wird das Wohngeld an den Antragberechtigten gezahlt (Wohngeldempfänger). Eine davon abweichende Regelung, die bestandskräftig geworden sei könnte, enthält der Bewilligungsbescheid nicht. Durch die Erklärung, dass das Wohngeld zur Hälfte an das Sozialamt gezahlt werde, hat die Beklagte keine Regelung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts i.S.v. § 31 SGB X getroffen. Denn durch diese Erklärung sind die in dem Bescheid festgestellten subjektiven Rechte der Klägerin von der Beklagten nicht geändert worden. Der Inhalt erschöpft sich in einer bloßen Mitteilung.

Dass die Beklagte die Aufforderung der Klägerin vom 23. Januar 2003, das Wohngeld insgesamt an sie auszuzahlen, als Widerspruch wertete, den der Landrat des Kreises Steinburg durch Bescheid vom 14. April 2003 als verfristet und damit unzulässig zurückwies, ist unerheblich. Da es im Hinblick auf den Auszahlungsempfänger an einer Regelung fehlte, stellte der Einwand der Klägerin inhaltlich keinen Widerspruch dar.

Unter diesen Umständen kann die Frage offen bleiben, ob die Beklagte berechtigt gewesen wäre, eine Aufrechnung i.S.v. § 51 SGB I in Form eines Verwaltungsaktes vorzunehmen, obwohl mit der Aufrechnung - auch im öffentlichen Recht - das Erlöschen eines Anspruchs gemäß § 389 BGB bewirkt werden soll (vgl. zum Rechtscharakter der Aufrechnung ausführlich BSG, Urt. v. 24.07.2003 - B 4 RA 60/02 R -, FEVS 55, 145; BayVGH, Beschl. v. 13.01.1997 - 12 CE 96.504 -, FEVS 47, 353; BVerwG, Urt. v. 27.10.1982 - 3 C 6.82 -, E 66, 218). Zwar reicht für die Annahme, dass ein Verwaltungsakt vorliegt, aus, dass der äußeren Erscheinungsform nach eine hoheitliche Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts getroffen worden ist, das Verwaltungshandeln seinem Inhalt nach also die Merkmale des § 31 SGB X erfüllt und erkennbar den Willen der Behörde ausdrückt, auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts einen Einzelfall verbindlich zu regeln (vgl. BSG, Urt. v. 12.07.1990 - 4 RA 47/88 -, BSGE 67, 143), doch sind diese Voraussetzungen hier - wie ausgeführt - im Hinblick auf die Auszahlungsmodalitäten nicht erfüllt.

Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand spricht Überwiegendes dafür, dass die Leistungsklage auch begründet ist. Die Klägerin trägt unwidersprochen vor, dass es an den Voraussetzungen für eine wirksame Aufrechnung schon deshalb fehle, weil der Rücknahme- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 26. Juli 2002 nicht bestandskräftig sei. Voraussetzung für die Aufrechnungsmöglichkeit nach § 51 Abs. 2 SGB I ist das Bestehen eines Erstattungsanspruchs nach § 50 SGB X. Sofern es schon daran fehlt, kann offen bleiben, ob nicht auch die Aufrechnung nach § 51 Abs. 2 SGB I - entsprechend § 388 BGB - eine entsprechende Erklärung des Berechtigten erfordert. Eine ausdrückliche Erklärung der Beklagten dazu fehlt. Lediglich im Widerspruchsbescheid wird auf ein Schreiben (des Landrats) vom 12. März 2003 verwiesen, in dem es heißt, der Bürgermeister der Stadt Kellinghusen als Sozialhilfeträger habe gemäß § 51 SGB X (gemeint: § 51 SGB I) seine offene Forderung nach dem BSHG gegenüber der Wohngeldstelle aufgerechnet.

Die Entscheidung über die Gerichtsgebührenfreiheit folgt aus § 1 Abs. 1 Satz 1 GKG; die Entscheidung hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten ergibt sich aus § 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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