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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 27.09.2001
Aktenzeichen: 21 A 22/01
Rechtsgebiete: ArchlngKG


Vorschriften:

ArchlngKG § 21
Eine teilweise rechtswidrige Warngeldfestsetzung führt zur Aufhebung des Bescheides insgesamt, da nicht verändernd in die Entscheidung des Ausschusses eingegriffen werden darf.
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES VERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 21 A 22/01

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Warnungsgeld

hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht - 21. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 27. September 2001 durch den Richter am Oberverwaltungsgericht als Einzelrichter für Recht erkannt:

Tenor:

Der Beschluss des Ehrenausschusses der Beklagten vom 11. Juli 1996 wird aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt 2/3, der Kläger 1/3 der Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen ein Warnungsgeld, das ihm in einem Ehrenverfahren auferlegt worden ist.

Er ist freischaffender Architekt in . Von der Gemeinde war er beauftragt worden, das " " zu planen; dafür erstellte er im Juni 1987 eine Kostenermittlung in Höhe von ca. 2,8 Mio. DM. In der Folgezeit ergaben sich aufgrund von Berechnungen der Gemeinde Streitigkeiten über die Höhe der Kosten, die bis Ende 1989 - mehrfach - nach oben, zuletzt auf ca. 6,9 Mio. DM ermittelt wurden. Am 14.09.1989 kündigte die Gemeinde den Vertrag mit dem Kläger "mit sofortiger Wirkung". Die Gemeinde beauftragte anschließend den mit weiteren Arbeiten im Zusammenhang mit dem Bauprojekt.

Mit Schreiben vom 04. Oktober 1991 stellte der Kläger Strafanzeige gegen Herrn wegen eines "Rechtsverstoßes" und wegen "Erstattung eines betrügerischen Zwecken dienenden Gefälligkeitsgutachtens". Mit Schreiben vom selben Tag zeigte der Kläger ein "standeswidriges Verhalten" des Herrn bei der Beklagten an und verwies wegen der "Vorwürfe" auf einen beigefügten "Feststellungsbericht". In diesem - nicht vom Kläger erarbeiteten - Bericht wird ein Gutachten des Herrn als eine "bestellte, täuschende Zusammenstellung von Zahlen, welche Straftaten der zuständigen Gemeindefunktionäre von Kampen verschleiern oder unterdrücken können" bezeichnet; "insoweit" könne ein "Betrugsverdacht gegeben sein". Alle Verteuerungen habe der Kläger nicht zu vertreten oder zu verantworten und auch nicht beeinflussen können.

Am 15. November 1991 übersandte der Kläger der Beklagten eine "detaillierte Stellungnahme" zu seiner Anzeige, in der er Verstöße des Herrn gegen die Berufsordnung, gegen Rechtsvorschriften sowie den Verdacht auf Mitwirkung beim Betrug, auf Urkundenfälschung und auf Mitwirkung "bei der Unterdrückung von Straftaten" geltend machte. Der Kläger führte darin aus, Herr habe "mitgewirkt, die Allgemeinheit durch falsche Zahlen und Informationen" über seine - des Klägers - Tätigkeit im Rahmen des Bauprojektes " " zu täuschen. Weiter habe sich Herr , obwohl ihm dies standesrechtlich untersagt sei, in seinen "Vertrag mit der Gemeinde hineingedrängt und zu diesem Zweck auch das ... Gutachten gefertigt und verwendet".

Mit Schreiben vom 09.12.1991 ergänzte der Kläger seine Strafanzeige dahingehend, dass Herr an strafbaren Handlungen der Gemeinde mitgewirkt habe und verbotene Baumaßnahmen der Gemeinde ohne Baugenehmigung und entgegen den Bedingungen des Zuschussbescheides für eine Förderung mit öffentlichen Mitteln durchgeführt habe.

Mit Schreiben vom 20.01.1992 erstattete der Kläger Strafanzeige gegen Herrn wegen falscher und unberechtigter Führung eines akademischen Titels, weil Herr den Titel "Diplom Ingenieur" ohne den Zusatz "(FH)" führe.

In einem Bericht der Lokalzeitung " Tagesspiegel" Nr. 45/1991 heißt es:

"Den Beweis tritt der von beauftragte Revisor mit einem Schreiben ... vom 21. Juni 1990 an, ... Der Revisor kommt zu dem Ergebnis, dass es sich beim Gutachten von als beratender Ingenieur in Sachen um eine "bestellte, täuschende Zusammenstellung von Zahlen, welche Straftaten der zuständigen Gemeindefunktionäre von verschleiern oder unterdrücken können" handelt. Es bestehe "Betrugsverdacht oder eine Mitwirkung am Betrug". Da mit dem Nachfolgeauftrag nach Kündigung betraut gewesen sei, gelte in der Funktion als Gutachter für das Bauwesen als befangen, heißt es bei ..."

Die Staatsanwaltschaft stellte ihre Ermittlungen gegen Herrn am 12. April 1994 ein.

Auf Empfehlung des Berufsordnungsausschusses teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 08. August 1994 mit, dass über die Einleitung eines Ehrenverfahrens entschieden werden solle. Nach Stellungnahmen des Klägers hierzu beschloss der Vorstand der Beklagten die Einleitung des Verfahrens am 04. Oktober 1994; das Verfahren wurde durch Verfügung des Vorsitzenden des Ehrenausschusses vom 19. Juni 1996 eröffnet. Der Kläger nahm zu den ihm mit dem Schreiben vom 08. August 1994 bekannt gegebenen Anschuldigungen im Schreiben vom 10. Juli 1996 (nochmals) Stellung.

Mit Beschluss vom 11. Juli 1996 legte der Ehrenausschuss der Beklagten dem Kläger ein Warnungsgeld in Höhe von 7.000,00 DM auf. Zur Begründung wird ausgeführt, es komme nicht darauf an, ob die Kündigung des Architektenvertrages des Klägers mit der Gemeinde zu Recht oder zu Unrecht erfolgt sei. Maßgeblich sei allein, ob das Vorgehen des Klägers gegen Herrn ein Standesverstoss sei. Dies sei zu bejahen, weil unsachliche Anzeigen und nicht erweislich wahre Behauptungen gegenüber der Staatsanwaltschaft nicht mehr als die Wahrnehmung berechtigter Interessen angesehen werden könnten und der eingeschlagene Weg unkollegial und nutzlos sei. Die Herabsetzung in der öffentlichen Äußerung im " Tagesspiegel" mache einen verheerenden Eindruck auf die Öffentlichkeit. Da die Verfahren gegen Herrn eingestellt worden seien, sei der Wahrheitsbeweis nicht zu führen. Die Behauptung nicht erweislich wahrer Tatsachen, die einen anderen verächtlich zu machen geeignet seien, sei strafbare Verleumdung und - unter Kollegen - ein Standesverstoss. Ein zivilgerichtliches Verfahren sei nicht vorgreiflich. Es lägen besonders schwere Verstöße des Klägers gegen das Gebot der Kollegialität vor; er habe das Ansehen der Architekten und der Ingenieure allgemein schwer geschädigt. Zum schlechten Ansehen der Architekten auf habe die in der Öffentlichkeit ausgetragene Auseinandersetzung des Klägers beigetragen. Insofern sei ein fühlbares Warngeld zu verhängen, das mit 7.000,00 DM schuld- und tatangemessen sei.

Gegen den am 07.08.1996 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 29. August 1996 Klage erhoben. Er macht geltend, im Zusammenhang mit der unberechtigten Kündigung seines Vertrages mit der Gemeinde sei gegen ihn eine Rufmordkampagne gestartet worden, wodurch laufende Aufträge ruiniert und die Akquisition neuer Aufträge zerschlagen worden sei. Derart "angeprangert", habe er sich veranlasst gesehen, gegen Herrn mit allen rechtsstaatlichen Mitteln vorzugehen. Aus der Aufarbeitung des Revisors Dr. gehe hervor, dass er - der Kläger - seine Arbeiten korrekt ausgeführt habe. Im " Tagesspiegel" werde nur Dr. zitiert. Eine Verleumdung liege mangels Vorsatzes nicht vor, ebenso kein berufsunwürdiges Verhalten. Der angefochtene Beschluss weise erhebliche Ermessensfehler auf.

Der Kläger beantragt,

den Beschluss der Beklagten vom 11. Juli 1996 aufzuheben und das Ehrenverfahren gegen ihn einzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie erwidert: An den Vorstandsbeschlüssen zum vorliegenden Verfahren habe Herr nicht mitgewirkt. In verfahrensrechtlicher Hinsicht sei der Beschluss vom 11.07.1996 rechtmäßig zustande gekommen. Das Warngeld sei rechtmäßig. Mit dem Artikel im " Tagesspiegel" habe der Kläger sich identifiziert und sich diesen zu eigen gemacht. Der Kläger habe gegen §§ 2 Satz 2, 4 Satz 1 und 8 der Berufsordnung verstoßen. Er habe erheblich zum Ansehensverlust der Architekten und Ingenieure auf beigetragen und damit das Ansehen der Architekten und Ingenieure allgemein schwer geschädigt. Das Warngeld sei angemessen und Ermessensfehler nicht ersichtlich.

Einen Antrag des Klägers auf Beiziehung der Prozessakten des Zivilrechtsstreits 5 O 39/92 beim Landgericht Flensburg hat das Gericht in der mündlichen Verhandlung abgelehnt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Über die Klage konnte gemäß § 6 Abs. 1 VwGO der Einzelrichter entscheiden (Beschluss der Kammer vom 04. September 2001).

Die gemäß § 22 Abs. 3 ArchIngKG ohne Durchführung eines Vorverfahrens zulässige Klage ist hinsichtlich der Anfechtung des Bescheides der Beklagten vom 11. Juli 1996 begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Der Beschluss über die Auferlegung eines Warngeldes ist - zwar - verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden (unten a)), dagegen ist er hinsichtlich der festgestellten berufsunwürdigen Handlungen i. S. d. § 21 Abs. 1 des Architekten- und Ingenieurkammergesetzes .- ArchIngKG - in der (hier maßgeblichen) Fassung vom 12.07.1995 (GVOBl. SH S. 275; jetzt i.d.F. vom 09.08.2001, GVOBl. SH S. 115) durchgreifenden Einwänden ausgesetzt (unten b)). Diese führen dazu, dass der Bescheid insgesamt aufzuheben ist und nicht etwa nur in einer - hinsichtlich des Warnungsgeldes - verminderten Höhe aufrecht erhalten bleiben kann (unten d)).

a) Durchgreifende Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen nicht. Eine - unzulässige - Mitwirkung des Vorstandsmitgliedes bei den dem Bescheid bzw. dem Ehrenverfahren zuzuordnenden Entscheidungen der Beklagten ist nicht festzustellen. Soweit der Kläger im Vorverfahren keine Akteneinsicht erhalten hat, ist auch insoweit kein Verfahrensfehler gegeben, da - wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat - seinerzeit ein schriftlicher Vollmachtsnachweis seines Rechtsanwalts nicht vorlag. Dem Kläger ist auch hinreichend rechtliches Gehör gewährt worden, bevor der angefochtene Bescheid vom 11. Juli 1996 ergangen ist.

b) Nach den Gründen des angefochtenen Bescheides vom 11. Juli 1996 werden dem Kläger "besonders schwere Verstöße" gegen das Gebot der Kollegialität (§ 4 der Berufsordnung i. V. m. § 20 Abs. 1 Nr. 8 ArchIngKG) sowie gegen die Verpflichtung, das Ansehen des Berufes in jeder Hinsicht zu fördern (§ 2 der Berufsordnung) vorgeworfen. In tatsächlicher Hinsicht beziehen sich die Entscheidungsgründe auf die Anzeigen des Klägers gegenüber der Staatsanwaltschaft, eine öffentliche Äußerung im " Tagesspiegel" sowie - allgemein - darauf, dass der Kläger durch "die in der Öffentlichkeit ausgetragene Auseinandersetzung" zum schlechten Ansehen der Architekten auf beigetragen habe. Soweit - darüber hinaus - die im Tatbestand des Beschlusses vom 11. Juli 1996 genannten Vorgänge mit berücksichtigt werden, geht es um die Behauptung des Klägers, Herr habe sich in seinen Vertrag mit der Gemeinde "hineingedrängt", weiter um die Anzeige vom 04.10.1991, in der Herrn ein "zu betrügerischen Zwecken dienendes Gefälligkeitsgutachten" vorgeworfen worden ist sowie die Durchführung von "verbotenen Baumaßnahmen der Gemeinde ohne Baugenehmigung".

Der berufsrechtlichen Ahndung der genannten Vorgänge steht gem. § 22 ArchIngKG nicht eine bereits eingetretene Verjährung entgegen. Diese beträgt drei Jahre ab Beendigung der Tat und wird durch die Bekanntgabe über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens unterbrochen, was zur Folge hat, dass sie dann von neuem beginnt (§§ 78 a S. 1, 78 c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1 StGB). Verjährungsbeginn war danach frühestens der 04.10.1991 (Schreiben des Klägers an die Staatsanwaltschaft); die Unterbrechung erfolgte durch das Schreiben der Beklagten vom 08.08.1994, durch das der Kläger zur beabsichtigten Einleitung eines Ehrenverfahrens angehört wurde.

Auf der Grundlage der - somit "unverjährten" - Vorgänge läßt sich nur teilweise ein berufsunwürdiges Verhalten des Klägers i. S. d. § 21 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 20 ArchIngKG feststellen.

(1) Was - zunächst - die Anzeigen des Klägers bei der Staatsanwaltschaft anbetrifft, gilt folgendes: Dem angefochtenen Beschluss ist zu folgen, soweit die Anzeige den Vorwurf des verbotenen Führens eines akademischen Titels ("Dipl. Ing.") betraf. Das Gericht folgt insoweit dem angefochtenen Beschluss: Es ist unkollegial, insoweit sogleich Strafanzeige zu erstatten, ohne zuvor dem betroffenen Kollegen oder - jedenfalls - die Beklagte um Aufklärung gebeten zu haben. Kollegialität verpflichtet dazu, auf die berechtigten Interessen der Kollegen die gebotene Rücksicht zu nehmen. Es kann zwar kein berechtigtes Interesse eines Kollegen in dem Sinne bestehen, dass die Führung eines "falschen" akademischen Titels geduldet wird, wohl aber darin, auf (angenommene) Fehler hingewiesen zu werden, bevor andere Maßnahmen - hier eine Strafanzeige - ergriffen werden. Eine dahingehende berechtigte Erwartung ist - zumindest - bei kleineren Verstößen der vorliegend angenommenen Art begründet. Dagegen hat der Kläger, wie im angefochtenen Beschluss zu Recht festgestellt worden ist, verstoßen.

(2) Bei der am 04.10.1991 erstatteten Anzeige gegen Herrn Volquardsen wegen Beihilfe zum Betrug ging es - demgegenüber - nicht nur um einen "kleineren" Verstoß. Unter dem Aspekt des Kollegialitätsgebotes kann insoweit grundsätzlich kein berufsunwürdiges Verhalten i. S. d. § 21 Abs. 1 Satz 2 ArchIngKG begründet werden. Die - erlaubte - Erstattung einer Strafanzeige ist, wie der angefochtene Beschluss im Ausgangspunkt zu Recht feststellt, erst dann unkollegial i. S. d. Berufsrechts, wenn die Anzeige unsachlich oder unter Umständen, die sich ehrschädigend auswirken, erstattet wird. Dabei ist - einschränkend - zu berücksichtigen, dass es juristischen Laien nicht immer (in wünschenswertem Maße) gelingt, in Strafanzeigen die Ebene der Mitteilung eines strafrechtlich möglicherweise relevanten Sachverhaltes zu trennen von der Ebene einer (strafrechtlichen) Bewertung der mitgeteilten Tatsachen. Im Schreiben des Klägers vom 04.10.1991 an die Staatsanwaltschaft gehen beide "Ebenen" ineinander über.

Dem angefochtenen Beschluss ist auch zu diesem Punkt - im Ergebnis - darin zu folgen, dass sich der Kläger im Zusammenhang mit der Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Kiel vom 04.10.1991 berufsunwürdig verhalten hat. Er hat seiner Anzeige - zwar - einen "Feststellungsbericht" (der von einem Herrn Dr. Trautmann erstellt worden war) beigefügt, es dabei aber nicht belassen: Er hat die (vorab) verurteilenden Passagen im "Feststellungsbericht" durch die Formulierung in seiner Strafanzeige ("betrügerischen Zwecken", "Gefälligkeitsgutachten") gleichsam verstärkt. Insoweit geht die Anzeigenerstattung über die bloße Mitteilung von Fakten, deren Prüfung - sodann - den Strafverfolgungsbehörden überantwortet wird, hinaus; sie ist unsachlich und verletzt das Gebot kollegialer Rücksichtnahme auch dann noch, wenn - grundsätzlich -das Recht eines jeden Architekten anerkannt wird, strafrechtlich relevante Sachverhalte (auch) von Kollegen den Strafverfolgungsbehörden mitzuteilen.

(3) Die weiteren, im angefochtenen Beschluss vom 11. Juli 1996 enthaltenen Vorwürfe sind demgegenüber für die Feststellung eines berufsunwürdigen Verhaltens nicht ergiebig.

(3.1) Die Presseberichterstattung im " Spiegel" 45/1991 ist nach dem Wortlaut der Pressemeldung dem Kläger nicht zuzurechnen. Soweit es dazu im Tatbestand des angefochtenen Beschlusses (S. 2, 2. Absatz) heißt, der Kläger habe einer Reporterin etwas erklärt, ist dies aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang der Presseveröffentlichung nicht abzulesen. Die Presseveröffentlichung zitiert vielmehr ausschließlich aus dem von einem Herrn Dr. , der als "Revisor" bezeichnet wird, erstellten Gutachten, wie es der Kläger seiner Anzeige an die Staatsanwaltschaft vom 04.10.1991 beigefügt hatte. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger sich dieses Gutachten so, wie es im " Spiegel" wiedergegeben worden ist, öffentlich zu eigen gemacht hätte, bestehen nicht.

(3.2) Soweit dem Kläger (im Tatbestand des angefochtenen Beschlusses) weiter angelastet wird, Herrn die Durchführung verbotener Baumaßnahmen der Gemeinde ohne Baugenehmigung vorgeworfen zu haben, bezieht sich dies auf ein Schreiben an die Staatsanwaltschaft vom 09.12.1991. Die betreffende Textpassage enthält zwar diesen Vorwurf, dieser wird aber - als solcher - keiner weiteren Wertung zugeführt. Ob "ungesetzliche" Baumaßnahmen durchgeführt worden sind, war auf Grundlage der Anzeige von der Staatsanwaltschaft auf Straf- oder Bußgeldrelevanz zu untersuchen.

(3.3) Was - schließlich - den vom Kläger an Herrn gerichteten Vorwurf des "Hineindrängens" in einen Vertrag mit der Gemeinde anbetrifft, wird darauf in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Beschlusses nicht (mehr) ausdrücklich Bezug genommen (vgl. Tatbestand, 1. Absatz). Der Kläger hat diesen Vorwurf nur in seinem Schreiben vom 15.11.1991 (Ziffer 1.9) an die Beklagte, nicht aber (auch) gegenüber der Staatsanwaltschaft erhoben. Soweit - demnach - die Bewertung der Beklagten zutrifft, wonach der Kläger insoweit die gebotene Sachlichkeit verlassen habe, wäre dies nur (kammerintern) geblieben.

(4) Zusammenfassend ergibt sich damit, dass hinsichtlich der Anzeigen des Klägers an die Staatsanwaltschaft vom 04.10.1991 und 20.01.1992 ein berufsunwürdiges Verhalten festgestellt werden kann. Hinsichtlich der Veröffentlichung im " Spiegel" ist dies nicht der Fall. Was das Schreiben vom 09.12.1991 an die Staatsanwaltschaft bzw. den gegen Herrn Volquardsen gerichteten Vorwurf des "Hineindrängens" in den Vertrag des Klägers anbetrifft, hat der Kläger zwar unsachliche Wertungen geäußert, die aber noch nicht ohne weiteres als unkollegial i. S. d. § 20 Nr. 8 ArchIngKG und § 4 Satz 1 der Berufsordnung der Beklagten anzusehen sind.

(5) Soweit die Beklagte im Verhalten des Klägers einen - diesem zurechenbaren - Beitrag zu einer schweren Schädigung des Ansehens der Architekten und Ingenieure auf der Insel erblickt, kann dieser Bewertung nicht gefolgt werden. Unkollegiales Verhalten mag das Ansehen des davon betroffenen (einzelnen) Kollegen schädigen, nicht aber auch - zugleich - das Ansehen des gesamten Berufsstandes in einem bestimmten örtlichen Bereich. Aus den Gründen des Beschlusses ist - zudem - nicht ersichtlich, dass und in welcher Hinsicht es gerade dem Kläger zuzurechnen ist, daß die Auseinandersetzungen um das Bauprojekt " " in die Öffentlichkeit und (besonders) die örtliche Presse hineingetragen worden sind.

c) Soweit - danach - berufsrechtlich relevante - Verstöße gegen das Gebot der Kollegialität verbleiben, ist bei ihrer Bewertung, insbesondere ihrer "Schwere" - auch auf die Umstände Rücksicht zu nehmen, die seinerzeit maßgebend waren. Dazu sind dem angefochtenen Beschluss vom 11. Juli 1996 keine hinreichende Feststellungen zu entnehmen. Aus den vorgelegten Verwaltungsvorgängen und den Anlagen zur Klageschrift ist zu entnehmen, dass die Auseinandersetzungen um die Kostenentwicklung des Bauprojektes die Berichterstattung der örtlichen Presse in besonderem Maße ausgefüllt hat. Die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung angesprochene "aufgepeitschte Stimmung" vor Ort erscheint von daher nachvollziehbar, ebenso, dass diese Auseinandersetzung für ihn, der sein Büro auf Sylt betreibt, mit der Gefahr beruflicher Einbußen verbunden war, wie dies freilich auch für Herrn der Fall gewesen sein mag. Dieser Problemkomplex findet im Beschluss bei der Würdigung der berufsrechtlich dem Kläger zur Last gelegten Verstöße bzw. ihrer Schwere keinerlei Berücksichtigung. Auch bei der Bemessung des "fühlbaren" Warnungsgeldes haben die genannten Umstände - ersichtlich - keinen Niederschlag gefunden.

d) Ist - nach alledem - nur für einen Teil der gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe ein berufsunwürdiges Verhalten i. S. d. § 21 Abs. 1 Satz 2 ArchIngKG festzustellen und - weiterhin - der angefochtene Beschluss insoweit zu beanstanden, als er die - möglicherweise mildernden - Umstände zur Tatzeit nicht berücksichtigt, ist - als "Rechtsfolge" - eine Herabsetzung des dem Kläger auferlegten Warnungsgeldes in Betracht zu ziehen. Eine solche Entscheidung ist dem Gericht indes verwehrt.

Zwar unterliegen Ehrenmaßnahmen der Beklagten der umfassenden verwaltungsgerichtlichen Überprüfung (vgl. z. B. OVG Hamburg, Urteil vom 23.09.1998, BfV 41/96, HmbJVBl 1999, 116 = JURIS), doch ist im Rahmen dieser Überprüfung zum einen zu berücksichtigen, dass die Ehrenmaßnahme durch einen Ausschuss (§ 21 Abs. 2 ArchIngKG) verhängt wird und - zum anderen - einer Ermessensentscheidung entspricht, die nach § 114 VwGO nur eingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Kontrolle zugänglich ist. Eine derartige Entscheidung kann, wenn - wie vorliegend - ihre Grundlagen einer rechtlichen Überprüfung nur teilweise standhalten, nur "kassatorisch" aufgehoben werden, nicht aber verändernd durch eine andere Entscheidung ersetzt werden (vgl. OVG Lüneburg, Urt. vom 22.06.1990, 8 OVG A 52/98, OVGE 42, 317/321 f.).

Etwas anderes käme nur nach Maßgabe von § 113 Abs. 2 VwGO aus Gründen der Prozessökonomie in Betracht. Danach kann das Verwaltungsgericht in Fällen, in denen ein Geldbetrag streitig ist, den strittigen Betrag selbst (meritorisch) neu festsetzen oder feststellen (vgl. Schoch/Schmidt/Aßmann/Gerhardt, VwGO, Kommentar, § 113 Rn. 36). Grundsätzlich ist diese Vorschrift auch auf Fälle der vorliegenden Art, in denen es um ein "disziplinarisches" Warnungsgeld geht, anzuwenden (vgl. Gerhardt, a. a. O., Rn. 37: "Ordnungsgelder"). Der Normzweck des § 113 Abs. 2 VwGO, eine endgültige Bereinigung eines einmal aufgerollten Streitfalles zu ermöglichen, greift auch in derartigen Fällen.

Allerdings ist auch im Bereich des § 113 Abs. 2 VwGO einer behördlichen Ermessensermächtigung Vorrang zu geben. Rechtmäßige "Elemente" einer Verwaltungsentscheidung müssen deshalb auch im Rahmen des § 113 Abs. 2 VwGO soweit wie möglich ihre Gültigkeit behalten. Im vorliegenden Fall ist dem angefochtenen Beschluss nicht zu entnehmen, inwieweit die Beklagte das verhängte Warngeld aus den einzelnen Vorwürfen gleichsam "summierend" ermittelt hat. Damit vermittelt die angefochtene Entscheidung für eine Neufestsetzung nach § 113 Abs. 2 VwGO keine Leitlinie.

Eine Neufestsetzung nach § 113 Abs. 2 VwGO kommt - unabhängig davon - dann nicht in Betracht, wenn diese vom Kläger nicht "begehrt" wird. Der Kläger kann, muss aber (prozessual) ein solches Begehren nicht geltend machen. Fehlt ein Antrag des Klägers nach § 113 Abs. 2 VwGO, kann eine entsprechende gerichtliche Entscheidung nicht ergehen (Gerhardt, a. a. O., Rn. 38). Das ist vorliegend der Fall: Der Kläger hat einen solchen Antrag nicht gestellt; ein entsprechendes Begehren läßt sich auch aus seinem Klagebegehren - insgesamt - nicht ableiten, denn ihm ging es um eine vollständige Aufhebung des angefochtenen Beschlusses vom 11. Juli 1996 und nicht um eine Neufestsetzung des Warnungsgeldes. Dies hat auch die mündliche Verhandlung bestätigt, in der der Kläger eine - auch nur vergleichsweise - Herabsetzung des verhängten Warnungsgeldes von vornherein abgelehnt hat.

Dementsprechend kam vorliegend nur eine vollständige Aufhebung des angefochtenen Beschlusses vom 11. Juli 1996 in Betracht.

2. Die beantragte Einstellung des gegen ihn gerichteten Ehrenverfahrens kann der Kläger nicht beanspruchen.

Nach den Ausführungen zu 1. wird die Beklagte über die Verhängung eines Warnungsgeldes hinsichtlich der - verbleibenden - berufsunwürdigen Verhaltensweisen des Klägers unter Berücksichtigung der zur Zeit ihrer Begehung maßgeblichen Umstände neu zu entscheiden haben. Insoweit dauert das Ehrenverfahren gegen den Kläger noch an. Verjährung steht dem gemäß § 22 Abs. 2 Satz 2 ArchIngKG, § 78 c Abs. 1 Nr. 8, Abs. 3 StGB nicht entgegen.

Die Beklagte wird - dementsprechend - im fortzusetzenden Ehrenverfahren über eine Neubemessung des Warnungsgeldes gegen den Kläger vorzunehmen haben. Dem kann durch das Gericht nicht vorgegriffen werden. Zur Klarstellung sei nur angemerkt, dass der in der mündlichen Verhandlung vom Gericht für ein Warnungsgeld genannte Betrag in Höhe von 2.000,00 DM als Grundlage für eine Erörterung über eine gütliche Beilegung des Rechtsstreit gedacht war. Der Betrag hat deshalb für die Entscheidung der Beklagten keinerlei Bindungs- oder Präjudizwirkung.

3. Den - in der mündlichen Verhandlung gestellten - Antrag auf Beiziehung der Akten des Zivilprozesses des Klägers gegen die Gemeinde hat das Gericht abgelehnt, weil weder die Frage, ob und ggf. inwieweit die Kostenermittlungen des Klägers für das korrekt waren, noch die Umstände der Kündigung des Vertrages des Klägers mit der Gemeinde für die vorliegende Entscheidung erheblich sein konnte. Andere Gründe für eine Beiziehung sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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