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Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 03.06.2004
Aktenzeichen: 3 LA 3/04
Rechtsgebiete: AsylVfG, GFK
Vorschriften:
AsylVfG § 73 Abs. 1 S. 1 | |
GFK Art. 1 c Ziffer 5 |
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS
Az.: 3 LA 3/04
In der Verwaltungsrechtssache
Streitgegenstand: Widerruf einer Entscheidung zu § 51 I AuslG
hier: Antrag auf Zulassung der Berufung
hat der 3. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts in Schleswig am 03. Juni 2004 beschlossen:
Tenor:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 16. Kammer, Einzelrichter - vom 16. Dezember 2003 wird abgelehnt.
Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.
Die außergerichtlichen Kosten des Antragsverfahrens trägt der Kläger.
Gründe:
Der Zulassungsantrag bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) liegt nicht vor.
Der Kläger hält zunächst die Frage für grundsätzlich bedeutsam,
ob Art. 1 C Nr. 5 der Genfer Flüchtlingskonvention (GK) dazu zwingt, von einem Widerruf der Feststellung gemäß § 51 Abs. 1 AuslG abzusehen, wenn im Herkunftsland keine schutzbereite Staatsgewalt existiert.
Eine mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache begründeter Zulassungsantrag kann nur dann Erfolg haben, wenn dargelegt wird, dass die aufgeworfene Frage klärungsbedürftig ist, in dem künftigen Berufungsverfahren über den Einzelfall hinausgehende verallgemeinerungsfähige Aussagen getroffen werden können und die Frage im zu entscheidenden Fall entscheidungserheblich ist. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
Die vom Kläger aufgeworfene Frage bedarf keiner grundsätzlichen Klärung in einem Berufungsverfahren; denn sie beantwortet sich unmittelbar aus dem Gesetz bzw. der GK. Der Kläger meint, dass die GK an den Widerruf der Asyl- bzw. Flüchtlingseigenschaft höhere Anforderungen stelle als an die Gewährung der Flüchtlingseigenschaft. Es entspreche der humanitären Intention der GK, dass selbst bei grundlegenden, aber noch nicht hinreichend stabilen Veränderungen der Verhältnisse im Herkunftsland ein einmal gewährter Flüchtlingsstatus nicht entzogen werde. Nach der GK seien an die den Widerruf rechtfertigenden Verhältnisse im Heimatstaat insoweit höhere Anforderungen zu stellen, als über die Prüfung des Wegfalls der Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hinaus zusätzlich die Feststellung erforderlich sei, dass eine schutzbereite Staatsgewalt im Heimatstaat vorhanden sei.
Die so umschriebene Frage stellt sich schon deshalb nicht, weil die GK entgegen der Auffassung des Klägers keine Regelung über den Widerruf des Flüchtlingsstatus trifft und deshalb auch an den Widerruf der Eigenschaft als Asylberechtigter bzw. der Flüchtlingseigenschaft keine höheren Anforderungen stellen kann. Die GK schreibt weder vor, wie die Flüchtlingseigenschaft festzustellen ist, noch trifft sie Regelungen über den Widerruf des förmlich zuerkannten Flüchtlingsstatus. Nach den vom UNHCR herausgegebenen Erläuterungen behandelt Art. 1 C GK, der die sogenannten Beendigungsklauseln enthält, gerade nicht den Widerruf der Rechtsstellung als Flüchtling (vgl. Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gemäß dem Abkommen von 1951 und dem Protokoll von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Genf 1979, Nr. 117 - Handbuch UNHCR -; vgl. auch OVG Münster, Beschluss vom 4. Dezember 2003 - 8 A 3776/03.A - Juris). Dem gemäß widerspricht die Bestimmung des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG weder Verfassungsrecht noch der Genfer Flüchtlingskonvention, insbesondere nicht Art. 1 C Ziffer 5 GK.
Im Übrigen bestünde insoweit auch kein Klärungsbedarf. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 24. November 1992 (- 9 C 3.92 - Juris) entschieden, dass der Widerruf der Asylanerkennung grundsätzlich nur in Betracht kommt, wenn eine Wiederholung der Verfolgungsmaßnahmen wegen zwischenzeitlicher Veränderungen im Verfolgerstaat mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann, d.h. wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse dort so einschneidend und dauerhaft geändert haben, dass der Betroffene ohne Verfolgungsfurcht heimkehren kann. Dieser Prognosemaßstab gilt nicht nur für diejenigen Personen, die bereits vor ihrer Ausreise aus dem Verfolgerstaat individuelle politische Verfolgung erlitten haben, sondern auch für diejenigen, die unter dem Druck einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden Individualverfolgung ausgereist und deshalb ebenfalls als vorverfolgt anzusehen sind (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 23. Juli 1991 - C 154.90 - Juris).Damit ist jedoch geklärt, dass selbst bei Personen, die aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer verfolgten Gruppe als Asylberechtigte anerkannt bzw. bei denen die Flüchtlingseigenschaft nach § 51 Abs. 1 AuslG festgestellt wurde - wie vorliegend beim Kläger als Angehörigen der Volksgruppe der Albaner aus dem Kosovo -, ein Widerruf nur dann nach § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG in Frage kommt, wenn sie bei Rückkehr hinreichend sicher sind, wobei hinreichende Sicherheit in diesem Sinne nur anzunehmen ist, was auf der Hand liegt, wenn sich die Verhältnisse im Heimatstaat "hinreichend stabil verändert" haben. Diese Auslegung des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG steht auch in Einklang mit Art. 1 C Ziffer 5 GK. Im Handbuch des UNHCR ist insoweit erläutert, dass sich die weggefallenen "Umstände" auf grundlegende Veränderungen im Verfolgerstaat beziehen müssten; eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Flucht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend gewesen sei, aber keine wesentliche Veränderung der Umstände im Sinne dieser Klausel mit sich brächten, reiche nicht aus, um diese Bestimmung zum Tragen zu bringen (Nr.135).
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang unter Hinweis auf das Urteil der Schweizerischen Asylrekurskommission vom 5. Juli 2002 geltend macht, dass solange nicht von einer grundlegenden Veränderung im Kosovo gesprochen werden könne wie das UNO-Protektorat nötig sei und die UNMIK und die KFOR im Kosovo ihr Mandat ausübten, führt auch dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn der Widerruf der Asylgewährung nach § 73 Abs. 1 AsylVfG hat - wie ausgeführt - dann zu erfolgen, wenn der Betroffene bei einer Rückkehr in den Verfolgerststaat hinreichend sicher vor Verfolgung ist bzw. "grundlegende Veränderungen in dem Land stattgefunden haben, aufgrund derer man annehmen kann, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht mehr länger besteht" (vgl. Handbuch UNHCR aaO.). Schutz besteht dabei nur vor staatlicher Verfolgung oder Verfolgung, die dem Staat zuzurechnen ist, sei es dass Verfolgungshandlungen mit Wissen der Behörden geschehen oder wenn die Behörden sich weigern - oder sich als außer Stande erweisen - den betroffenen Personen wirksamen Schutz zu gewähren. Maßgeblich ist insoweit, ob ein albanischer Volkszugehöriger aus dem Kosovo - wie der Kläger - bei einer Rückkehr nach Serbien und Montenegro vor politischer - unmittelbarer oder mittelbarer staatlicher - Verfolgung hinreichend sicher ist. Diese Frage ist jedoch in der obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt (vgl. etwa VGH Mannheim, Urteil vom 17. März 2000 - A 14 S 1167/98 -; OVG Lüneburg, Beschluss vom 21. Februar 2002 - 8 LB 13/02 - beide Juris; Beschluss des Senats vom 15. Dezember 2003 - 3 LB 11/02 -). Danach sind albanische Volkszugehörige aus dem Kosovo gegenwärtig und auch in absehbarer Zeit im Kosovo hinreichend sicher vor politischer Verfolgung durch Serbien und Montenegro. Der Umstand, dass diese hinreichende Sicherheit durch den Vollzug der Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates begründet und durch die Übergangsverwaltung der UNMIK und die KFOR gewährleistet wird, ist dabei unerheblich. Ausschlaggebend ist allein, dass aufgrund dieser veränderten politischen Gegebenheiten von einem effektiven und dauerhaften Schutz vor erneuter Verfolgung ausgegangen werden kann. Davon, dass dieser Schutz im Kosovo gewährleistet ist, geht im Übrigen auch die von dem Kläger angeführte Schweizerische Asylrekurskommission in dem genannten Urteil aus (vgl. die Ausführungen unter 8. c. ff. und gg.).
Die von dem Kläger weiter aufgeworfene Frage, ob von einer grundlegenden, zum Widerruf des Flüchtlingsstatus berechtigenden Veränderung in der Bundesrepublik Jugoslawien gesprochen werden kann, so lange das UNO-Protektorat nötig ist und UNMIK und KFOR in Teilen des Staates ihr Mandat ausüben, rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung. Diese Frage ist im vorliegenden Verfahren schon deshalb nicht klärungsbedürftig, weil sie nicht entscheidungserheblich ist und sich deshalb in einem Berufungsverfahren nicht stellen würde. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist nicht nur geklärt, dass albanische Volkszugehörige im Kosovo vor einer politischen Verfolgung durch die Bundesrepublik Jugoslawien - dem heutigen Serbien und Montenegro, dass in völkerrechtlicher Hinsicht mit der Bundesrepublik Jugoslawien identisch ist (vgl. Lagebericht Kosovo des Auswärtigen Amtes vom 10. Februar 2004) - hinreichend sicher sind (vgl. VGH Mannheim aaO. und Beschluss des Senats aaO.). Vielmehr ist auch entschieden, dass Kosovo - Albaner nach derzeitiger Erkenntnis auf dem gesamten serbischen Staatsgebiet hinreichend sicher vor politischer Verfolgung sind (Beschluss des Senats aaO mwN.). Damit können albanische Volkszugehörige aus dem Kosovo ohne Verfolgungsfurcht auch nach Serbien und Montenegro - und damit in Machtbereich der serbisch-montenegrinischen Regierung - zurückkehren, womit sie im Wortsinne des Art. 1 C Ziffer 5 GK den Schutz des Landes in Anspruch nehmen können, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen. Allerdings könnte die alleinige Berücksichtigung des Wortlauts der genannten Vorschrift Raum für die Annahme lassen, dass eine Beendigung der Flüchtlingseigenschaft nach der GK für albanische Volkszugehörige aus dem Kosovo deshalb nicht in Betracht kommt, weil der Kosovo unter vorübergehender Verwaltung der Vereinten Nationen steht und der serbisch-montenegrinische Staat dort derzeit faktisch keine Machtbefugnisse innehat. Indes ist eine allein am Wortlaut orientierte Auslegung nur in Ausnahmefällen geeignet, den Inhalt einer Rechtsnorm sachgerecht zu bestimmen. Im vorliegenden Falle verfehlt eine Beschränkung auf die bloße Wortauslegung, ohne dass dies grundsätzlicher Erklärung in einem Berufungsverfahren bedürfte, ganz offensichtlich den sachlichen Regelungsgehalt von Art. 1 C Ziffer 5 GK. Den Erläuterungen zur Genfer Konvention (vgl. Handbuch UNHCR aaO.) lässt sich entnehmen, dass nach Rechtsauffassung des Flüchtlingskommissars, die vom Senat geteilt wird, für die Beendigung der Flüchtlingseigenschaft nacht Art. 1 C Ziffer 5 GK maßgeblich ist, dass internationaler Schutz nicht mehr gewährt werden soll, wo er nicht mehr erforderlich oder nicht mehr gerechtfertigt ist (Handbuch UNHCR Nr. 111), weil die Gründe, die dazu führten, dass jemand ein Flüchtling wurde, nicht mehr bestehen (Handbuch UNHCR Nr. 115). Nach diesem dargelegten Schutzzweck reicht es aus, dass der Flüchtling in das Land seiner Staatsangehörigkeit zurückkehren kann und dort vor der politischen Verfolgung, deretwegen er sein Heimatland verlassen, hinreichend sicher ist. Dieser Schutz muss nicht notwendigerweise gerade durch die "Regierung" seines Heimatlandes (hier des serbisch-montenegrinischen Staates) gewährt werden; vielmehr reicht es aus, wenn dieser Schutz aufgrund einer UN-Resolution für eine Übergangszeit von einer von ihr legitimierten Verwaltung gewährleistet wird. Dies gilt umso mehr, wenn die "Regierung" des Heimatstaates - wie hier - der internationalen Präsenz ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. dazu Nr. 5 der UN-Resolution 1244). Überdies ergibt sich die Richtigkeit dieser Auffassung auch durch einen Vergleich mit Ziffer 6 des Art. 1 C GK. Bei Staatenlosen wird darauf abgestellt, ob sie in der Lage sind, in das Land zurückzukehren, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Dies zeigt, dass es maßgeblich darauf ankommt, ob dem Flüchtling in dem Land seiner Herkunft Schutz gewährt wird, nicht jedoch, durch welche Schutzmacht. Eine solche Auslegung der Genfer Konvention ist umso mehr geboten, als bei Abschluss dieses Abkommen an Ausnahmefälle wie den vorliegenden, in dem Organisationen der Vereinten Nationen im Machtbereich eines Staates für diesen und mit dessen Einwilligung faktisch die Herrschaftsgewalt ausüben, nicht gedacht war (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 16. März 2004 - A 6 S 219/04 - Juris).
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
Ende der Entscheidung
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