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Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 03.09.2003
Aktenzeichen: 3 LA 87/03
Rechtsgebiete: AsylVfG, VwGO, GG, AuslG


Vorschriften:

AsylVfG § 78 Abs 3 Nr 3
AsylVfG § 78 Abs 4 S 4
VwGO § 86 Abs 1
VwGO § 86 Abs 2
VwGO § 132 Abs 2 Nr 3
VwGO § 138 Nr 3
GG Art 103 Abs 1
AuslG § 53 Abs 6
Die Ablehnung eines Hilfsbeweisantrages kann nicht im Asylverfahren im Wege eines Berufungszulassungsgrundes gerügt werden
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

Az.: 3 LA 87/03

In der Verwaltungsrechtssache

hat der 3. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts in Schleswig am 03. September 2003 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 15. Kammer, Einzelrichter - vom 30.07.2003 wird abgelehnt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.

Die außergerichtlichen Kosten des Antragsverfahrens trägt der Kläger.

Der Gegenstandswert wird für das Antragsverfahren auf 1500 Euro festgesetzt (§ 83 b Abs. 2 AsylVfG).

Gründe:

Der Zulassungsantrag bleibt erfolglos. Der vom Kläger allein geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels in Gestalt der Versagung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor. Der Kläger stützt die Gehörsrüge darauf, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht seinen Beweisantrag abgelehnt habe, ein Sachverständigengutachten dafür einzuholen, dass ihm und seinen Eltern aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit (als Roma) und Behinderung (als Taubstumme) bei Rückkehr in den Kosovo eine konkrete Gefahr für Leib und Leben durch fehlende Unterhaltsfähigkeit und Anfeindungen durch Serben und Albaner drohe. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs kann sich hieraus jedoch schon deswegen nicht ergeben, weil der Kläger den entsprechenden Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ausdrücklich nur hilfsweise gestellt hat. Begibt sich ein Verfahrensbeteiligter der Möglichkeiten des § 86 Abs. 2 VwGO, wonach ein in der mündlichen Verhandlung gestellter (unbedingter) Beweisantrag nur durch einen zu begründenden Gerichtsbeschluss abgelehnt werden kann, kann er sich anschließend auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht berufen. Eine prozessordnungswidrige Ablehnung des hilfsweise gestellten Beweisantrages in den Urteilsgründen kann nur noch mit der Aufklärungsrüge angegriffen werden (HessVGH, Beschl. v. 07.02.2001, 6 UZ 695/99.A, AuAS 2001, 203 unter Bezugnahme auf BVerwG, Beschl. v. 09.05.1996, 9 B 254/96 und Beschl. v. 09.12.1997, 9 B 509/97, zitiert nach Juris). Auf eine Verletzung der Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO kann sich der Kläger in diesem Zusammenhang aber nicht berufen, da nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung die revisionsrechtlich unter bestimmten Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO rügefähige Verletzung der Aufklärungspflicht kein Verfahrensfehler im Sinne des § 138 VwGO ist (vgl. Berlit in: GK § 78 AsylVfG Rn 69 mit Nachweisen zur Rechtsprechung) und auch ansonsten im Asylverfahren die Verletzung der Aufklärungspflicht keinen Berufungszulassungsgrund darstellt (vgl. § 78 Abs. 3 AsylVfG).

Unabhängig davon gilt Folgendes: Ein hilfsweise gestellter Beweisantrag stellt der Sache nach nur eine bloße Anregung an das Gericht zur weiteren Sachverhaltsermittlung im Sinne des § 86 Abs. 1 VwGO dar, der es nur nachzugehen braucht, wenn sich die Notwendigkeit der angeregten Beweisaufnahme hätte aufdringen müssen. Dies ist aber - unabhängig davon, dass eine entsprechende Aufklärungsrüge hier schon nicht geltend gemacht werden kann - im vorliegenden Verfahren auch nicht der Fall. Vielmehr hätte das Verwaltungsgericht dem Beweisantrag auch dann nicht nachzugehen brauchen, wenn er als unbedingter gestellt worden wäre.

Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisantrages verstößt nur dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet. Dafür ist vorliegend nichts ersichtlich. Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt (UA S. 12u, 13), dass ihm die erforderlichen Erkenntnisquellen zur Situation der Roma im Kosovo bereits vorlägen und es entscheidend auf die Volkszugehörigkeit des Klägers und nicht auf seine Behinderung ankomme (UA S. 11u, 12). Dies ist nicht zu beanstanden. Einem auf Einholung eines Sachverständigengutachtens einschließlich amtlicher Auskünfte gerichteten Beweisantrag braucht das Verwaltungsgericht dann nicht nachzugehen, wenn ihm zu dem Beweisthema andere amtliche Auskünfte oder Sachverständigengutachten vorliegen, die eine hinreichend sichere Beurteilung der Beweisfrage erlauben, so dass sich die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nicht aufdrängt (vgl. BVerwGE 85, 92 <94 f.>, BVerwG, InfAuslR 1990, 99 < 101>).

Ergänzend sei auch noch darauf hingewiesen, dass die rechtliche Relevanz des Hilfsbeweisantrages vom Kläger nicht dargelegt (vgl. § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG) worden ist. Zum Einen ist bei der Prüfung von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 6 AuslG nicht allein auf die Situation im Kosovo abzustellen, da Angehörige der Volksgruppe der Roma in Serbien vor politischer Verfolgung hinreichend sicher sind (vgl. Grundsatzentscheidung des Senats vom 26. Mai 2003 - 3 L 31/98 - und Beschluss vom 23. Mai 2002 - 3 L 176/95 -). Zum Anderen verkennt der Kläger die hier anzulegenden Prüfungsmaßstäbe, wenn er darauf abstellt, dass nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichts offen geblieben sei, ob er bei einer Rückkehr in den Kosovo den nötigen Lebensunterhalt erhalten werde. Dies ist unerheblich, da im Rahmen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG vielmehr eine extreme allgemeine Gefahrenlage für Roma im Kosovo mit beachtlicher oder überwiegender Wahrscheinlichkeit hätte festgestellt werden müssen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 83 b Abs. 1 AsylVfG, § 154 Abs. 1 VwGO; die Festsetzung des Gegenstandswertes folgt aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

Ende der Entscheidung

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