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Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 27.07.2006
Aktenzeichen: 3 LB 27/05
Rechtsgebiete: BURL SH, MBG SH


Vorschriften:

BURL SH Ziff. 7
MBG SH § 57
MBG SH § 59
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 3 LB 27/05

verkündet am 27.07.2006

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: dienstliche Beurteilung

hat der 3. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juli 2006 durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts ..., den Richter am Oberverwaltungsgericht ..., die Richterin am Oberverwaltungsgericht ... sowie die ehrenamtlichen Richter ... und ... für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 11. Kammer - vom 17. März 2005 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine dienstliche Beurteilung.

Der im Jahre 1947 geborene Kläger ist Amtsinspektor und bei dem Beklagten, dem Finanzamt ..., tätig.

In der dienstlichen Regelbeurteilung vom 28./30. Mai 1997 - Beurteilungsstichtag: 01. Mai 1997 - erhielt der Kläger eine Leistungsbeurteilung mit dem Zahlenwert von 130, wobei auch fast sämtliche einzelnen Leistungsmerkmale mit diesem Zahlenwert bewertet wurden (für das Merkmal "Eigenständigkeit/Initiative" erhielt der Kläger den Zahlenwert von 140). Bei der Befähigungsbewertung erhielt er zehnmal den Ausprägungsgrad "B" (stärker ausgeprägt), einmal "A" (besonders stark ausgeprägt) und zweimal "C" (normal ausgeprägt).

In der streitgegenständlichen Regelbeurteilung vom 11./12. Juli 2001 - Beurteilungsstichtag: 01. Mai 2001 - erteilte der Erstbeurteiler dem Kläger eine verbale Leistungsbewertung, wonach der Kläger Leistungen zeige, die sich oft (mehr als 50 % der zu beobachtenden Fälle) nennenswert von den Durchschnittsleistungen der Beschäftigten abheben (ein Zahlenwert wurde insoweit nicht angegeben). Bei den einzelnen Leistungsmerkmalen erhielt der Kläger von dem Erstbeurteiler durchgehend einen Zahlenwert von 110 mit Ausnahme der Merkmale "Gründlichkeit" und "Eigenständigkeit/Initiative", die mit einem Zahlenwert von 120 bewertet wurden. Bei der Befähigungsbewertung erteilte der Erstbeurteiler fünfmal den Ausprägungsgrad "B" und achtmal den Ausprägungsgrad "C". Die Zweitbeurteilerin stimmte der Erstbeurteilung sowohl im Leistungs- als auch im Befähigungsbereich zu.

In seiner hiergegen gerichteten Gegenvorstellung vom 27. Dezember 2001/05. März 2002 machte der Kläger geltend, die im Vergleich zur Vorbeurteilung erfolgte massive Herabstufung um 20 Punkte sei beurteilungsfehlerhaft erfolgt. Denn von der Vorbeurteilung seien jeweils 20 Punkte abgezogen worden, ohne dass es zu einer wirklichen Neubeurteilung gekommen sei. Diesen Punkteabzug habe der Erstbeurteiler damit gerechtfertigt, dass für ihn, den Kläger, keine Beförderungsmöglichkeiten mehr beständen und er auch keinen Wert auf einen prüfungsfreien Aufstieg legen würde, so dass sich für ihn aus dem Abzug von 20 Punkten keinerlei Nachteile ergäben. Auf die Frage, was er, der Kläger, tun müsse, um leistungsmäßig wieder auf 130 Punkte zurückzukehren, habe der Erstbeurteiler geäußert, dies könne er nicht sagen. Um eventuelle Abweichungen zwischen Erst- und Zweitbeurteiler zu vermeiden, hätten sich beide vor der Erstellung der Beurteilung durch den Erstbeurteiler verbindlich abgestimmt.

Unter dem 05. April 2002 nahm der Erstbeurteiler zur Gegenvorstellung des Klägers Stellung und wies daraufhin, dass die streitgegenständliche Beurteilung mit der Vorbeurteilung wegen geänderter Rahmenbedingungen nicht vergleichbar sei. Im Rahmen der Koordinierung hätten sich Erst- und Zweitbeurteiler darauf verständigt, den für das Beurteilungsverfahren vorgegebenen Orientierungsrahmen nach Möglichkeit bereits im Sachgebiet bis auf gegebenenfalls noch ausführlich zu besprechende Ausnahmefälle einzuhalten. Es könne nicht seine Aufgabe sein, unter Missachtung der im Rahmen der Koordinierung besprochenen Maßstäbe von dem im Quervergleich festgelegten Beurteilungsergebnis in der Beurteilung abzuweichen und so die Zweitbeurteilerin zwangsläufig zu einer Korrektur zu zwingen. Dass alle Erstbeurteiler und die Zweitbeurteilerin sich vor der abschließenden Erstellung der jeweiligen Beurteilung gemeinsam über das Ergebnis abgestimmt hätten, sei Bestandteil im Ablauf des Beurteilungsverfahrens.

Mit Bescheid vom 17. Mai 2002 wies der Beklagte die Gegenvorstellung des Klägers zurück und führte in der Begründung unter anderem aus, zur Vorbereitung der Beurteilungen fänden sowohl auf der Ebene der Oberfinanzdirektion als auch auf Amtsebene Koordinierungsgespräche statt, bei denen die Beurteilungsmaßstäbe festgelegt würden. Hieran hätten sich Erst- und Zweitbeurteiler bei den Beurteilungsbesprechungen auszurichten und im Wege der vergleichenden Beurteilung die Leistungen der zu Beurteilenden zu bewerten und einzuordnen. Anschließend werde bei der Oberfinanzdirektion ein Quervergleich durchgeführt, der insbesondere dazu diene, auf die Einhaltung der Richtwerte hinzuwirken und einen einheitlichen Beurteilungsmaßstab in den Dienststellen zu gewährleisten. Auch dies könne bei den auf Amtsebene erarbeiteten Beurteilungen nochmals zu Anpassungen führen. Im Rahmen dieser landesweit vorgeschriebenen Modalitäten hätten Erst- und Zweitbeurteiler auch seine Beurteilung - die Beurteilung des Klägers - erstellt. Für verbindliche Vorabsprachen sei schon aufgrund der geschilderten Struktur des Beurteilungsverfahrens kein Raum.

In seinem hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Kläger nochmals darauf hin, dass sich der Erstbeurteiler und die Zweitbeurteilerin (unzulässigerweise) vor der Erstellung seiner Beurteilung verbindlich auf das Beurteilungsergebnis (Zahlenwert 110) geeinigt hätten. Dass dieses Bestandteil im Ablauf des Beurteilungsverfahrens beim ... Finanzamt sei, habe der Erstbeurteiler in seiner Stellungnahme vom 05. April 2002 ausdrücklich bestätigt.

Mit Bescheid vom 09. Mai 2003 wies die Oberfinanzdirektion Kiel den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Die streitgegenständliche Beurteilung sei rechtlich nicht zu beanstanden. Der Erstbeurteiler habe der Annahme des Klägers, er, der Erstbeurteiler, habe bei Abgabe der Beurteilung Weisungen der Zweitbeurteilerin erhalten, ausdrücklich und nachvollziehbar widersprochen. Der Erstbeurteiler habe nach Kenntnis des anzuwendenden strengeren Beurteilungsmaßstabes seine Beurteilungen in eigener Verantwortung erstellt. Der Hinweis auf die Vorbeurteilung gehe fehl, weil nach den Beurteilungsrichtlinien Beurteilungen unabhängig von den vorausgehenden Beurteilungen zu erstellen seien. Nicht zu beanstanden sei die im Rahmen der Regelbeurteilung 2001 vorgenommene Steigerung der Anforderungen und damit einhergehend ein strengerer Beurteilungsmaßstab, da alle Beschäftigten gleichermaßen von der Steigerung der Anforderungen betroffen gewesen seien und sich mithin für den einzelnen Beschäftigten hierdurch keine Nachteile ergeben hätten.

Der Kläger hat am 06. Juni 2003 den Verwaltungsrechtsweg beschritten und zur Begründung seiner Klage sein bisheriges Vorbringen wiederholt und konkretisiert.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 17. Mai 2002 sowie den Widerspruchsbescheid vom 09. Mai 2003 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihn, den Kläger, nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu beurteilen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat er auf sein bisheriges Vorbringen Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, es sei nicht zu beanstanden, dass sich alle Erstbeurteilerinnen und Erstbeurteiler sowie die Zweitbeurteilerin über den anzuwendenden einheitlichen Beurteilungsmaßstab vor Erstellung der Beurteilungen im Finanzamt ... ausgetauscht hätten. Im Übrigen sei nochmals herauszustellen, dass der Erstbeurteiler bei Abgabe der Beurteilung des Klägers keine Weisungen von der Zweitbeurteilerin erhalten habe.

Mit Urteil vom 17. März 2005 hat das Verwaltungsgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, dem Kläger eine neue dienstliche Beurteilung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen. Die streitgegenständliche Beurteilung sei verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Die Erstellung der (Regel-) Beurteilungen sei unter Ziffer 7 der als Vereinbarung nach § 59 MBG erlassenen Beurteilungsrichtlinien in der Neufassung der Bekanntmachung des Innenministeriums vom 09. Februar 2000 - BURL - (Amtsbl. S. 154) verbindlich geregelt. Danach erörtere die Zweitbeurteilerin im Vorfeld der Erstellung der Regelbeurteilungen gemeinsam mit den Erstbeurteilern allgemeine Beurteilungsfragen, wobei verdeutlicht werden solle, welche Kriterien bei der Ermittlung der Anforderungen an die einzelnen Arbeitsplätze heranzuziehen seien, und wobei darauf hinzuwirken sei, dass für alle Beschäftigungsgruppen gleiche Maßstäbe angelegt würden (Ziffer 7.1 BURL). In Ziffer 7.2 BURL werde ein Orientierungsrahmen für die Leistungsbewertung festgelegt. Nach Ziffer 7.3 BURL erstellten die (Erst-) Beurteiler die Beurteilungen in eigener Verantwortung; sie seien nicht an Weisungen gebunden. Die Zweitbeurteilerin könne von der Erstbeurteilung abweichen, wenn sie dies im Interesse eines einheitlichen Beurteilungsmaßstabes oder aufgrund eigener Erkenntnisse für geboten halte. Eine abweichende Beurteilung sei von der Zweitbeurteilerin zu begründen; diese Beurteilung gebe den Ausschlag (Ziffer 7.4 BURL).

Diese Anforderungen seien bei der Erstellung der Beurteilungen für die fünf Beamten der Besoldungsgruppe "A 9 Z" bei dem Beklagten in der Beurteilungsrunde 2001 nicht beachtet worden. Ausweislich der vorliegenden Akten und Äußerungen hätten sich die Zweitbeurteilerin und die Erstbeurteiler vor Erstellung der Beurteilungen über die Beurteilungsergebnisse und die Reihenfolge der fünf Beamten verständigt. Dies ergebe sich bereits aus der Stellungnahme des Erstbeurteilers vom 05. April 2002, in der es unter anderem heiße, es könne nicht seine Aufgabe sein, unter Missachtung der im Rahmen der Koordinierung besprochenen Maßstäbe von dem im Quervergleich festgelegten Beurteilungsergebnis in der Beurteilung abzuweichen und so die Zweitbeurteilerin zwangsläufig zu einer Korrektur zu zwingen. Weiter heiße es: "Dass alle Erstbeurteiler und die Zweitbeurteilerin sich vor der abschließenden Erstellung der jeweiligen Beurteilung gemeinsam über das Ergebnis abgestimmt haben, ist Bestandteil im Ablauf des Beurteilungsverfahrens." Gerade dies treffe aber nicht zu. Vielmehr hätten die Erstbeurteiler ihre Beurteilung(en) unabhängig von anderen Erstbeurteilern und unabhängig von der Zweitbeurteilerin zu erstellen. Erst im Anschluss daran komme der Zweitbeurteilerin die Möglichkeit, aber auch die Aufgabe zu, unter den in Ziffer 7.4 BURL genannten Voraussetzungen eine abweichende Beurteilung zu erstellen, die dann den Ausschlag gebe und damit die verbindliche Beurteilung darstelle. Eine Absprache im Vorfeld oder im Laufe des Beurteilungsverfahrens sei nicht von den Beurteilungsrichtlinien gedeckt. Die streitgegenständliche Beurteilung sei mithin unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften zustande gekommen; die auf ihr beruhenden angefochtenen Bescheide seien rechtsfehlerhaft und deshalb aufzuheben.

Auf Antrag des Beklagten hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 14. November 2005 die Berufung gegen dieses Urteil zugelassen.

Der Beklagte macht zur Begründung seiner Berufung geltend, der vom Verwaltungsgericht beanstandete Verfahrensfehler liege nicht vor. Denn mit der Dienstvereinbarung zwischen dem Ministerium für Finanzen und Energie sowie dem Hauptpersonalrat bei diesem Ministerium vom 18. Oktober 2000 - Dienstvereinbarung - sei gemäß Ziffer 11 BURL mit Zustimmung des Innenministeriums eine abweichende Verfahrensweise gegenüber Ziffer 7.1 BURL - hiernach sollten im Vorfeld der Regelbeurteilung zwischen Erstbeurteilern und Zweitbeurteiler nur allgemeine Beurteilungsfragen erörtert und auf die Einhaltung des gleichen Maßstabs für alle Beschäftigungsgruppen hingewirkt werden - festgelegt worden. In der Dienstvereinbarung (§ 57 MBG) werde "Zu Nr. 7.1 BURL" ausgeführt:

"Zwischen den Vertragspartnern besteht Einvernehmen, dass eine personenbezogene Koordinierung erforderlich ist, um sicherzustellen, dass im Beurteilungsverfahren für alle Beschäftigungsgruppen gleiche Maßstäbe angelegt werden."

Im Unterschied zu den Vorgaben in Ziffer 7.1 BURL solle durch diese Regelung gerade eine die einzelnen zu beurteilenden Personen in den Blick nehmende Abstimmung zwischen Erstbeurteiler und Zweitbeurteiler ermöglicht werden. Nicht mehr und nicht weniger als diese personenbezogene Koordinierung sei im Vorfeld der Abfassung der streitgegenständlichen Beurteilung durchgeführt worden. Dies bestätige die im Vorgang befindliche Stellungnahme des Erstbeurteilers, die das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung auszugsweise zitiert habe. Die vom Verwaltungsgericht angegriffene Feststellung des Erstbeurteilers, die Tatsache, dass sich alle Erstbeurteiler und die Zweitbeurteilerin vor der abschließenden Abfassung der jeweiligen Beurteilung gemeinsam über das Ergebnis abgestimmt hätten, sei Bestandteil im Ablauf des Beurteilungsverfahrens, sei somit zutreffend. Dies ändere jedoch nichts daran, dass die Erstbeurteiler ihre Beurteilungen selbstverständlich in eigener Verantwortung abzugeben hätten, wobei sie an Weisungen nicht gebunden seien, wie sich aus Ziffer 7.3 BURL ergebe. Die im Zusammenhang mit der Abfassung der Beurteilung des Klägers praktizierte Verfahrensweise sei somit in vollem Umfang durch die Dienstvereinbarung gedeckt; die Beurteilungsrichtlinien würden in Ziffer 7.1 durch diese Regelung insoweit modifiziert, als sie eine personenbezogene Vorabstimmung über die Beurteilung nicht vorsähen.

Soweit der Erstbeurteiler in seiner Stellungnahme vom 05. April 2001 ausgeführt habe, es könne nicht seine Aufgabe sein, unter Missachtung der im Rahmen der Koordinierung besprochenen Maßstäbe von dem im Quervergleich festgelegten Beurteilungsergebnis in der Beurteilung abzuweichen und so die Zweitbeurteilerin zwangsläufig zu einer Korrektur zu zwingen, sei diese Bewertung auch im Hinblick auf Ziffer 7.3 BURL unverfänglich. Der Beurteiler habe mit dieser Formulierung nämlich lediglich zum Ausdruck gebracht, dass es in der Phase zeitlich nach Durchführung der Koordinierungsgespräche nicht (mehr) seine Aufgabe sein könne, von dem zuvor einvernehmlich festgelegten Koordinierungsergebnis abzuweichen. Das sei auch folgerichtig, denn die Koordinierungsgespräche fänden gerade zu dem Zweck statt, möglichst zu einvernehmlichen Bewertungen zu gelangen. Im Rahmen der Koordinierungsgespräche bestehe für jeden Erstbeurteiler die Möglichkeit, seine eigenen Bewertungen einzubringen und damit auf das Koordinierungsergebnis Einfluss zu nehmen. Erfahrungsgemäß werde in solchen Koordinierungsrunden zwischen den Erstbeurteilern und dem Zweitbeurteiler ein Konsens erzielt. Sollte dies im Einzelfall nicht so sein, bliebe es dem Erstbeurteiler selbstverständlich unbenommen, seine Beurteilung abweichend von dem Koordinierungsergebnis abzugeben. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass in Koordinierungsrunden nicht die Details der jeweiligen Beurteilung erörtert würden, sondern nur das jeweilige Beurteilungsergebnis im Notenquerschnitt abgestimmt werde.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 11. Kammer - vom 17. März 2005 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und nimmt auf seinen bisherigen Vortrag Bezug.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien sowie des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge des Beklagten - diese haben dem Gericht vorgelegen - verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Der Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger für den Beurteilungsstichtag 01. Mai 2001 eine neue dienstliche Beurteilung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die streitgegenständliche dienstliche Beurteilung des Klägers bei alleiniger Heranziehung von Ziffer 7 BURL als insoweit einschlägiger Maßstabnorm verfahrensfehlerhaft zustande gekommen wäre (§ 130 b Satz 2 VwGO). Dies entspricht auch der Meinung des Beklagten, der in seiner Berufungsbegründung insoweit ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass nach Ziffer 7.1 BURL "im Vorfeld der Regelbeurteilung zwischen Erstbeurteiler und Zweitbeurteiler nur allgemeine Beurteilungsfragen erörtert und auf die Einhaltung des gleichen Maßstabs für alle Beschäftigungsgruppen hingewirkt werden soll". Hieraus ergibt sich, dass auch der Beklagte (zutreffend) davon ausgeht, die später gestrichene Regelung in Ziffer 7.1 Satz 4 der Beurteilungsrichtlinien in ihrer Ursprungsfassung vom 04. Dezember 1995 (Amtsbl. S. 893, 897) - "Beurteilungen der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung einzelner Beschäftigter dürfen dabei nicht vorgenommen werden" - habe nur deklaratorischen Charakter gehabt. Daher beruft sich der Beklagte im vorliegenden Zusammenhang auch nicht auf den Ziffer 7.1 BURL - Koordinierungsgespräche - betreffenden Durchführungserlass vom 08. Februar 2000 (Amtsbl. S. 153, 154), in welchem es unter anderem heißt:

"Durch die bisherige Regelung der Nummer 7.1 Satz 4 wurde ausgeschlossen, dass es zu einer personenbezogenen Koordinierung kommt; dieses hat sich in Teilbereichen als erhebliche Erschwernis für das Beurteilungsverfahren erwiesen und die Akzeptanz der Beurteilungsergebnisse beeinträchtigt. Durch die Neuformulierung wird die personenbezogene Koordinierung ermöglicht, soweit dies erforderlich ist".

Lediglich aus Gründen der Klarstellung sei darauf hingewiesen, dass entgegen dieser Erlassregelung die "Neuformulierung" - hierbei handelt es sich (im Wesentlichen) um die Streichung der genannten deklaratorischen Teilregelung (vgl. Nr. 9 der Vereinbarung über die Änderung der Beurteilungsrichtlinien vom 08. Februar 2000, Amtsbl. S. 143, 144) - unter Berücksichtigung der vorangehenden Ausführungen gerade keine "personenbezogene Koordinierung" ermöglicht. Eine Erlassregelung vermag die als Vereinbarung nach § 59 MBG zustande gekommenen Beurteilungsrichtlinien als "zusätzliche Rechtsnormen" bzw. "besonderen öffentlich-rechtlichen Vertrag" (vgl. Fuhrmann/Neumann/Thorenz/Witt, Personalvertretungsrecht Schleswig-Holstein, 5. Aufl., § 59 MBG Rdnr. 12) ohnehin nicht zu ändern.

Dementsprechend beruft sich der Beklagte konsequenterweise allein darauf, dass die Dienstvereinbarung eine - wirksame - von Ziffer 7.1 BURL abweichende Verfahrensregelung im Sinne von Ziffer 11 BURL enthalte und das bei ihm, dem Finanzamt ..., in der Beurteilungsrunde 2001 eingeschlagene Verfahren durch diese Abweichungsregelung gedeckt sei. Dieser Einwand greift jedoch nicht durch.

Unabhängig davon, aus welchen Gründen der Beklagte die dem Verwaltungsgericht offensichtlich unbekannte Dienstvereinbarung nicht bereits in das erstinstanzliche Verfahren - spätestens in die mündliche Verhandlung vom 17. März 2005 - eingeführt hat, erscheint es fraglich, ob das Ministerium für Finanzen und Energie und der dortige Hauptpersonalrat mit dieser Dienstvereinbarung überhaupt eine von Ziffer 7.1 BURL "abweichende" Verfahrensregelung schaffen wollten. Denn die Dienstvereinbarung ist ohne Bezugnahme auf Ziffer 11 BURL lediglich "zur Anwendung der Beurteilungsrichtlinien" abgeschlossen worden. Der Senat geht jedoch deshalb von der übereinstimmenden Absicht zur Schaffung einer "abweichenden" Verfahrensregelung aus, weil jedenfalls in der entsprechenden Genehmigung des Innenministeriums vom 16. Oktober 2000 (Genehmigung des Entwurfs der Dienstvereinbarung) eine Bezugnahme auf Ziffer 11 BURL erfolgt ist.

Die Dienstvereinbarung "Zu Nr. 7.1 BURL" entfaltet im vorliegenden Zusammenhang jedoch keine rechtliche Wirkung, so dass es bei Ziffer 7.1 BURL als allein maßgeblicher Verfahrensregelung verbleibt. Das ergibt sich aus einer systematischen Zusammenschau der Regelung in Ziffer 11 BURL mit den Vorschriften der §§ 57 Abs. 1 Satz 1 und 59 Abs. 5 MBG unter Berücksichtigung allgemeiner Vertrags- und Auslegungsgrundsätze (auch bei einer Dienstvereinbarung nach § 57 MBG handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, vgl. Fuhrmann/Neumann/Thorenz/Witt, aaO, § 57 MBG Rdnr. 1, auf den nach § 129 Satz 2 LVwG die Grundsätze des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend anwendbar sind). Nach Ziffer 11 BURL können durch Dienstvereinbarung (§ 57 MBG) unter anderem insbesondere von Ziffer 7.1 BURL abweichende Verfahrensregelungen getroffen werden. Nach § 57 Abs. 1 Satz 1 MBG sind Dienstvereinbarungen zulässig, soweit unter anderem allgemeine Regelungen nach § 59 MBG nicht entgegenstehen. Darüber hinaus ist in § 59 Abs. 5 MBG bestimmt, dass Vereinbarungen nach § 59 Abs. 1 MBG - Vereinbarungen zwischen den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften und einer obersten Landesbehörde - Dienstvereinbarungen nach § 57 MBG vorgehen. Aus diesem Regelungsgefüge - insbesondere dem hieraus folgenden grundsätzlichen Vorrang der Vereinbarungen nach § 59 MBG - ergibt sich unter Beachtung allgemeiner Vertrags- und Auslegungsgrundsätze, dass die Dienstvereinbarung "Zu Nr. 7.1 BURL" nur dann als wirksame von Ziffer 7.1 BURL "abweichende Verfahrensregelung" angesehen werden kann, wenn der Inhalt der Dienstvereinbarung insoweit hinreichend bestimmt oder im Wege der Auslegung bestimmbar wäre und die Dienstvereinbarung nicht in einem (unlösbarem) Widerspruch zu den für die Steuerverwaltung im Übrigen maßgeblichen Beurteilungsregelungen stände.

Es erscheint bereits zweifelhaft, ob die Dienstvereinbarung "Zu Nr. 7.1 BURL", wonach eine personenbezogene Koordinierung zur Sicherstellung gleicher Maßstäbe erforderlich ist, dem Bestimmtheitserfordernis genügt. Gewichtige Gesichtspunkte sprechen dafür, dass der Begriff "personenbezogene Koordinierung" zu unbestimmt und dessen Inhalt auch nicht im Wege der Auslegung eindeutig zu ermitteln sein dürfte. All dies bedarf jedoch keiner abschließenden Überprüfung durch den Senat. Denn selbst wenn der Begriff "personenbezogene Koordinierung" als eindeutig in dem vom Beklagten geltend gemachten Sinne anzusehen wäre, stände die Dienstvereinbarung "Zu Nr. 7.1 BURL" in einem (unlösbaren) Widerspruch zu den für die Steuerverwaltung im Übrigen maßgeblichen Beurteilungsregelungen:

Nach dem Berufungsvorbringen des Beklagten beinhaltet die "personenbezogene Koordinierung" eine die einzelnen zu beurteilenden Personen in den Blick nehmende Abstimmung zwischen Erstbeurteiler und Zweitbeurteiler im Vorfeld der Abfassung der Beurteilungen. In den Koordinierungsgesprächen stimmten sich alle Erstbeurteiler und der Zweitbeurteiler vor der abschließenden Abfassung der jeweiligen Beurteilung gemeinsam über das Beurteilungsergebnis im Notenquerschnitt ab; die Details der jeweiligen Beurteilung würden nicht erörtert. Zweck der Koordinierungsgespräche sei es, möglichst zu einvernehmlichen Bewertungen zu gelangen. Erfahrensgemäß werde in den Koordinierungsgesprächen insoweit zwischen den Erstbeurteilern und dem Zweitbeurteiler auch ein Konsens erzielt. Es sei grundsätzlich - so der Beklagte sinngemäß weiter - nicht die Aufgabe des Erstbeurteilers, später von diesem Konsens abzuweichen. Denn die Koordinierungsgespräche fänden gerade zu dem Zweck statt, möglichst zu einvernehmlichen Bewertungen zu gelangen.

Eine in diesem Sinne verstandene "personenbezogene Koordinierung" ist mit dem Zweck der übrigen für die Steuerverwaltung insoweit maßgeblichen Beurteilungsregelungen/Verfahrensregelungen nicht vereinbar.

Das gilt zunächst deshalb, weil die Koordinierungsgespräche nach Ziffer 7.1 BURL "im Vorfeld" der Erstellung der Regelbeurteilungen stattfinden und durch die Dienstvereinbarung jedenfalls insoweit keine abweichende Verfahrensregelung aufgestellt wird. Die personenbezogene Koordinierung im dargelegten Sinne betrifft jedoch nicht nur das "Vorfeld" der Erstellung der Regelbeurteilung. Vielmehr tritt die personenbezogene Koordinierung faktisch weitgehend - jedenfalls hinsichtlich des Beurteilungsergebnisses im Notenquerschnitt - an die Stelle der Regelbeurteilung (Beurteilungsvorgang).

Darüber hinaus ist die personenbezogene Koordinierung im genannten Sinne nicht mit den Verfahrensregelungen in Ziffern 7.3 und 7.4 BURL vereinbar, die auch für den Bereich der Steuerverwaltung nicht abgeändert worden sind. Bei zutreffendem Verständnis dieser Regelungen hat der eigentliche Beurteilungsvorgang erst nach Abschluss der Koordinierungsgespräche zu erfolgen und darf nicht - auch nicht teilweise - in diesen Gesprächen bereits vorweggenommen werden. Nach Ziffer 7.3 hat zunächst der Erstbeurteiler die Beurteilung in eigener Verantwortung zu erstellen. Im Anschluss hieran erfolgt gemäß Ziffer 7.4 BURL die ausschlaggebende Beurteilung durch den Zweitbeurteiler, der im Interesse eines einheitlichen Beurteilungsmaßstabes oder auf Grund eigener Erkenntnisse von der Erstbeurteilung abweichen kann und diese Abweichung gegebenenfalls zu begründen hat. In Ziffer 5.1 BURL wird ergänzend darauf hingewiesen, dass der Zweitbeurteiler insbesondere für die Anwendung eines gleichen Beurteilungsmaßstabes verantwortlich ist. Auch hieraus ergibt sich, dass in den Koordinierungsgesprächen zwar auf gleiche Beurteilungsmaßstäbe hinzuwirken ist, die Einhaltung dieser Maßstäbe im Einzelfall zunächst dem Erstbeurteiler obliegt und sodann jedoch vor allem in die gemäß Ziffer 7.4 BURL eröffnete Zuständigkeit des Zweitbeurteilers fällt, nach der Gesamtsystematik der Regelung in Ziffer 7 BURL hingegen nicht Gegenstand der "im Vorfeld" durchzuführenden Koordinierungsgespräche ist.

Doch selbst wenn die Dienstvereinbarung "Zu Nr. 7.1 BURL" als wirksame von Ziffer 7.1 BURL abweichende Verfahrensregelung im Sinne des Beklagten anzusehen wäre, könnte sich ein Verfahrensfehler aus der Aussage des Erstbeurteilers in seiner Stellungnahme vom 05. April 2002 ergeben, wonach es nicht seine Aufgabe sein könne, unter Missachtung der im Rahmen der Koordinierung besprochenen Maßstäbe von dem im Quervergleich festgelegten Beurteilungsergebnis in der Beurteilung abzuweichen und so die Zweitbeurteilerin zwangsläufig zu einer Korrektur zu zwingen. Dem braucht mangels Entscheidungserheblichkeit jedoch nicht weiter nachgegangen zu werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollsteckbarkeit auf §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Ende der Entscheidung

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