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Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 23.04.2004
Aktenzeichen: 3 LB 97/03
Rechtsgebiete: BhV SH


Vorschriften:

BhV SH § 6 Abs. 1 Nr. 2
BhV SH § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 4
Aufwendungen für chinesische Phytotherapeutika sind nicht beihilfefähig: Sie zählen vielmehr zu Mitteln, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, ob es sich um Arzneimittel iSd Beihilferecht handelt, bleibt offen.
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT

Az.: 3 LB 97/03

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Beihilfe

hat der 3. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 23. April 2004 durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts I., den Richter am Oberverwaltungsgericht CU., den Richter am Verwaltungsgericht K. sowie die ehrenamtlichen Richter Frau W. und Frau CO.

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 11. Kammer, Einzelrichter - vom 08. Juli 2002 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für chinesische Phytotherapeutika.

Der im Jahre 1959 geborene Kläger steht als Beamter im Dienste des Landes Schleswig-Holstein. Er ist als Studienrat am Gymnasium N-stadt beschäftigt.

Mit Formularantrag vom 05. Juni 2001 beantragte er eine Beihilfe u. a. zu Aufwendungen, die ihm anlässlich der Beschaffung ärztlich verordneter chinesischer Phytotherapeutika für seine Ehefrau entstanden waren.

Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 19. Juni 2001 die Bewilligung einer Beihilfe unter Hinweis auf einen Erlass des Ministeriums für Finanzen und Energie vom 19. Juni 2000 ab, nach dem Aufwendungen für chinesische Medizin in Form von Teemischungen als Mittel zur Nahrungsergänzung den allgemeinen Lebenshaltungskosten zuzuordnen und entsprechende Aufwendungen nicht beihilfefähig seien.

Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08. November 2001 im Wesentlichen mit der Begründung zurück, dass es sich bei den der Ehefrau des Klägers verordneten Mittel nicht um anerkannte Arzneimittel handele. Die Aufwendungen für solche Mittel zur Nahrungsergänzung seien den allgemeinen Lebenshaltungskosten zuzurechnen.

Der Kläger hat am 10. Dezember 2001 den Verwaltungsrechtsweg beschritten.

Er hat im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Phytotherapeutika seiner Ehefrau von ihrem behandelnden Arzt verordnet worden seien. Es handele sich um Medikamente, die aus Mischungen medizinischer Arzneidrogen nach ärztlicher Anweisung durch einen Apotheker hergestellt bzw. zubereitet würden. Bei diesen Präparaten handele sich auch um Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes. Denn der behandelnde Arzt habe in einem ärztlichen Attest bestätigt, dass es sich aus naturwissenschaftlich-pharmako-logischer Sicht um Mittel handele, die als analgetisch, antiphlogistisch, antimikrobiell, immunmodulierend, seditativ, stoffwechsel- und kreislaufstabilisierend einzustufen seien. Ihre heilende Wirkung stehe im Vordergrund, sie seien auf Identität, Reinheit und Schadstoffe untersucht.

Im Übrigen sei seinem Vater unter dem 14. Dezember 2001 eine Beihilfe zu den von dessen behandelnden Arzt verordneten Mischungen chinesischer Arzneidrogen bewilligt worden. Unter Gleichbehandlungsgrundsätzen könne er - der Kläger - deshalb auch eine Beihilfe beanspruchen.

Der Kläger hat beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 19. Juni 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08. November 2001 den Beklagten zu verpflichten, ihm - dem Kläger - eine Beihilfe zu Aufwendungen in Höhe von 370,78 DM (= 189, 58 Euro) (Belege Nr. 1 bis 5 des Beihilfeantrages vom 05. Juni 2001) zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig gehalten und zur Begründung auf den aus seiner Sicht einschlägigen und ihn bindenden Erlass des Ministeriums für Finanzen und Energie vom 19. Juni 2000 verwiesen.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 08. Juli 2002 stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass dem Kläger gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 der Beihilfevorschriften (- BhV -) eine Beihilfe zu den von ihm geltend gemachten Aufwendungen zustehe. Nach der genannten Vorschrift seien aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig, die Aufwendungen für die vom Arzt bei ärztlichen Leistungen verbrauchten oder nach Art und Umfang schriftlich verordneten Arzneimittel und dergleichen, abzüglich eines Betrages für jedes verordnete Arzneimittel, wobei dieser Betrag in Abhängigkeit zu dem Apothekenabgabepreis stehe. Diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt, Ausschlusstatbestände lägen nicht vor. Der Ehefrau des Klägers als berücksichtigungsfähiger Angehöriger seien zur Behandlung eines chronischen Schmerzzustandes bei Dysmenorrhoe im Zusammenhang mit Uteruspolyp und einem chronischen Schmerzzustand bei Zustand nach Humerusfraktur und damit zur Behandlung einer Krankheit die streitbefangenen Substanzen verordnet worden. Bei den Mitteln handele es sich um Arzneimittel. In Anlehnung an die zum Arzneimittelbegriff ergangene Rechtsprechung sei auch im Beihilferecht davon auszugehen, dass es sich bei Arzneimitteln um die der Heilung, Besserung oder Linderung von Krankheiten dienenden Stoffe handele, die auf den menschlichen Körper außerhalb oder innerlich einwirkten, indem sie diesem durch Einnehmen, Einreibung, Einspritzung u.Ä. zugeführt würden. Die Definition des Arzneimittels in § 2 Arzneimittelgesetz gehe von der materiellen Beschaffenheit und der tatsächlichen Wirkung des Medikaments aus. Nicht erforderlich sei die arzneimittelrechtliche Zulassung; diese führe lediglich dazu, dass das Mittel als Arzneimittel gelte. Der Gesetzgeber habe nicht auf die formelle Einordnung, sondern auf den materiellen Charakter des Präparats abgestellt, so dass es ausreiche, wenn das Präparat tatsächlich die Kriterien nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG erfülle. Dies sehe das Gericht unter Berücksichtigung der Stellungnahme des behandelnden Arztes des Klägers als gegeben an. Bei den Phytotherapeutika handele es sich auch nicht um Mittel, die geeignet seien, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen und deshalb von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen seien. Angesichts des diagnostizierten Krankheitsbildes verbiete sich eine Handhabung, wie sie allgemein bei ärztlich verordneten Tees und Teemischungen angezeigt sei. Es sei zwar zutreffend, dass auch chinesische Tees, die u.a. in Apotheken bezogen werden könnten, Mittel seien, die geeignet seien, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen mit der Folge, dass die entsprechenden Aufwendungen nicht beihilfefähig seien. Allerdings handele es sich vorliegend um von einem Apotheker auf ärztliche Verordnung speziell angefertigte Arzneidrogenmischungen, die in einem pharmazeutischen Verfahren zur Wirkstoffgewinnung hergestellt würden. Sie seien nicht mit sog. "chinesischen Tees" vergleichbar. Der Erlass des Ministeriums für Finanzen und Energie vom 19. Juni 2000 stehe dem nicht entgegen. Es sei nicht ersichtlich und auch nichts dafür vorgetragen worden, dass es sich bei den hier in Streit stehenden Arzneimitteln um "unwirtschaftliche Arzneimittel" handele.

Mit seiner vom Senat durch Beschluss vom 07. Juli 2003 wegen grundsätzlicher Bedeutung (Auslegung des Arzneimittelbegriffs in § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BhV in Bezug auf chinesische Phytotherapeutika) zugelassenen Berufung macht der Beklagte im Wesentlichen geltend, dass die Auslegung des Arzneimittelbegriffs durch das Verwaltungsgericht den engen Definitionsbereich für Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne überschreite. Dieser sei wesentlich enger als der des AMG. Das Beihilferecht orientiere sich bei der Anerkennung als Arzneimittel grundsätzlich an der Zulassung bzw. Registrierung nach dem AMG und der Auflistung in verschiedenen pharmazeutischen Listen (Rote Liste, Graue Liste u.a.); allerdings führe auch eine Zulassung als Arzneimittel nach dem AMG nicht automatisch zu einer Kostenübernahme durch die Beihilfe. Bei der Bestimmung als Arzneimittel komme es nicht entscheidend auf die vom Hersteller genannte Zweckbestimmung, sondern auf die objektive Eignung des Präparates als Arzneimittel an. Besondere Bedeutung für die belegte Wirksamkeit eines bestimmten Mittels und damit seiner Arzneimitteleigenschaft sei seine wissenschaftliche Anerkennung. Gerade auf dem weiten Feld der chinesischen Medizin fehle es aber bisher an einem wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweis. Soweit das Verwaltungsgericht die verordneten Phytotherapeutika unter Berücksichtigung der sachverständigen Stellungnahme des behandelnden Arztes als beihilfefähig angesehen habe, habe es übersehen, dass ein Behandler seine Behandlungen und Verordnungen generell positiv bewerte.

Darüber hinaus seien die hier im Streit stehenden Mittel geeignet, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Die verordneten Substanzen fielen in den Bereich der Arzneidrogenmischungen und dienten dazu, Abkochungen herzustellen, die dann getrunken oder auf andere Weise eingenommen würden. Damit ersetzten sie andere Kräuter oder Kräutermischungen bzw. Tees oder teeähnliche Getränke. Auch allgemein gebräuchliche Kräuter wie Kamille, Pfefferminz oder Salbei werde eine spezifische Heilwirkung zugesprochen, obwohl die daraus hergestellten Tees auch allein als Getränk dienen könnten. Im Übrigen begegne die Argumentation des Verwaltungsgerichts, wonach sich die übliche Handhabung, wie sie allgemein bei ärztlich verordneten Tees oder Teemischungen angezeigt sei, vor dem Hintergrund des diagnostizierten Krankheitsbildes der Ehefrau des Klägers verbiete, insoweit Bedenken, als der behandelnde Arzt nicht nur der Ehefrau des Klägers, sondern auch diesem selbst und den gemeinsamen Kindern vergleichbare Rezepte mit nahezu identischen chinesischen Phytotherapeutika ausgestellt habe.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 08. Juli 2002 - 11. Kammer, Einzelrichter - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, dass das Verwaltungsgericht den beihilferechtlichen Arzneimittelbegriff nicht unzulässig weit ausgedehnt habe. Soweit der Beklagte zur Begründung eine Entscheidung des OVG Hamburg heranziehe, übersehe er, dass das Gericht sich im Wesentlichen mit der - hier nicht interessierenden - Frage beschäftigt habe, ob fiktive Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 2 AMG dem beihilferechtlichen Arzneimittelbegriff unterfielen. Auch nach der Rechtsprechung umfasse der Arzneimittelbegriff im Sinne der Beihilfevorschriften aber die unmittelbar der Wiederherstellung der Gesundheit oder der Besserung oder Linderung einer Krankheit dienenden Mittel. Diese beihilferechtliche Definition des Arzneimittelbegriffs entspreche der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG. Sowohl das Bundesverwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht Hamburg als auch das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil stellten damit auf den materiellen Charakter des Arzneimittels ab. Mithin sei erforderlich aber auch ausreichend, dass das Präparat die Kriterien des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG erfülle. Dies sei vorliegend nach den Feststellungen seines behandelnden Arztes auf Grund der Wirkungen der Inhaltsstoffe der von ihm verordneten Arzneidrogenmischungen der Fall. Soweit der Beklagte einwände, der chinesischen Medizin mangele es an einem wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweis, sei dieser Vortrag pauschal und nicht erwiderungsfähig.

Die streitbefangenen Mittel seien auch nicht geeignet, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Es handele sich um eine nach detaillierter ärztlicher Anweisung in einer Apotheke hergestellte Zubereitung pflanzlicher und mineralischer Stoffe, von denen Dekokte (Abkochungen) hergestellt würden. Sie seien nicht wohlschmeckend, würden nicht als Ersatz für Nahrungsmittel oder zur Ergänzung eines Nahrungsmittels verwendet und könnten nur nach ärztlicher Verordnung nach einem bestimmten ärztlichen Plan eingenommen werden, da andernfalls Überdosierungen schädigende Wirkungen entfalten könnten.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des Verwaltungsvorgangs des Beklagten - diese haben dem Senat vorgelegen - Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht begründet worden (§ 124 a Abs. 6 i.V.m. § 124 a Abs. 3 Satz 3 bis 5 VwGO).

Die Berufung ist auch begründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 19. Juni 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08. November 2001 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte ihm eine Beihilfe zu den Aufwendungen für die verordneten chinesischen Phytotherapeutika bewilligt.

Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist die Bestimmung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 der allgemeinen Verwaltungsvorschrift für Beihilfen in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Beihilfevorschriften - BhV -) vom 19. April 1985 (Amtsblatt S. 153) in der jeweils geltenden Fassung.

Danach sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen für die vom Arzt schriftlich verordneten Arzneimittel.

Weder in den Beihilfevorschriften selbst, noch in den dazu herausgegebenen Hinweisen ist eine beihilferechtliche Definition des Begriffs "Arzneimittel" enthalten oder ableitbar. Der Senat hat deshalb keine Bedenken, in Ermangelung einer in den Beihilfevorschriften geregelten Definition des (beihilferechtlichen) Arzneimittelbegriffs auf die allgemeine Definition in § 2 Arzneimittelgesetz ( - AMG -) in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Dezember 1998 (BGBl. I S. 3586), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 21. August 2002 (BGBl. I S. 3352) zurückzugreifen (ebenso BayVGH, Urt. v. 31.03.1993 - 3 B 92.1101 - Juris; Schröder/W./Weber, Beihilfevorschriften, Bundeskommentar, Stand :Januar 2003, § 6 Rdnr. 5; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 30. Mai 1996 - 2 C 5.95 - Juris ). Nach der Bestimmung des § 2 Abs. 1 AMG sind unter Arzneimitteln Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen zu verstehen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper u.a. Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen. Zu den Mitteln, die am Körper angewendet werden, zählen z.B. Salben, Puder, Packungen usw.; zu den Mitteln, die im Körper angewendet werden, zählen alle Präparate, die eingenommen, eingeführt, eingespritzt oder eingeatmet werden (vgl. Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Nr. 5 zu § 2 AMG). Neben den "echten" Arzneimitteln, wie sie in § 2 Abs. 1 AMG definiert sind, beschreibt das Arzneimittelrecht auch sog. "fiktive" Arzneimittel (§ 2 Abs. 2 AMG). Hierbei handelt es sich weitgehend um Gegenstände, die ein "echtes" Arzneimittel enthalten oder auf die "echtes" Arzneimittel aufgebracht ist und die dazu bestimmt sind, dauernd oder vorübergehend mit dem Körper in Berührung gebracht zu werden. Zu dieser Gruppe zählen jedoch auch Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die ohne am oder im Körper angewendet zu werden, der Erkennung von Körperzuständen und -funktionen, aber auch der Erkennung von Krankheitserregern und deren Bekämpfung dienen. Hierbei handelt es sich in der Regel um diagnostische Mittel sowie Desinfektionsmittel gegen Krankheitserreger und Parasiten (vgl. Erbs/Kohlhaas, a.a.O. Nr. 19 zu § 2 AMG). Vom Begriff des Arzneimittelgesetzes werden u.a. nicht erfasst Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel (vgl. § 2 Abs. 3 AMG).

Die Einstufung und damit die Zweckbestimmung eines Mittels als Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG unterliegt objektiven Maßstäben, d.h. es kommt nicht entscheidend auf die vom Hersteller genannte Zweckbestimmung an, sondern darauf, welchen Zweck nach wissenschaftlicher oder allgemeiner Verkehrsauffassung das Mittel zu dienen bestimmt ist (vgl. BayVGH a.a.O.). Ein Indiz dafür, dass es sich bei einem Produkt um ein Arzneimittel im medizinischen Sinne handelt, bietet z.B. seine Zulassung bzw. Registrierung, die nach § 2 Abs. 4 AMG vorgeschrieben ist. Mit dieser Zulassung bzw. Registrierung können Arzneimittel in den verschiedensten pharmazeutischen Listen (Rote Liste, Graue Liste, Grüne Liste, Novitätenliste) aufgenommen werden, die auch Informationen über Handelsname, Eigenschaften, Indikationen, Kontraindikationen, Nebenwirkungen usw. enthalten (vgl. Mildenberger, Beihilfevorschriften des Bundes und der Länder, Stand: Oktober 2000, Anm. 9 zu § 6 BhV).

Legt man diese Kriterien bei der Beurteilung der Arzneimitteleigenschaft der hier streitbefangenen Präparate zugrunde, ist aus Sicht des Senats nicht ohne Weiteres anzunehmen, dass diese dem Arzneimittelbegriff in § 2 Abs. 1 AMG unterfallen. Zwar dürften den vom Kläger bezogenen chinesischen Heilkräutern, bei denen vor Einnahme die Zubereitung als Dekokte, d.h. Abkochung erfolgt und die nach dem Abkochen abgekühlt getrunken werden, eine den im Einzelnen im verwaltungsgerichtlichen Urteil beschriebenen Krankheitszustand der Ehefrau des Klägers lindernde Wirkung beizumessen sein. Allerdings haben diese Mittel weder in Deutschland noch in der Europäischen Union eine arzneimittelrechtliche Zulassung, so dass sie - wie der Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat - auch nicht in eine der oben genannten Listen aufgenommen worden sind (vgl. insoweit Schadewitz/Röhrig, Beihilfevorschriften des Bundes und der Länder, Stand: Oktober 2003, Anm. 5.4 zu § 6, wonach entsprechende Aufwendungen bereits deshalb nicht beihilfefähig sind, auch dann nicht, wenn den Präparaten therapeutische Wirkung zukommen sollte; vgl. aber auch Mildenberger a.a.O., wonach dann, wenn ein Präparat nicht in einer der genannten Listen aufgeführt ist, die Arzneimitteleigenschaft ggf. unter Einschaltung des Amtsarztes bzw. einer für das Arzneimittelrecht zuständigen Stelle im Einzelfall zu prüfen ist).

Diese Frage bedarf jedoch nicht der abschließenden Entscheidung. Selbst wenn die hier streitbefangenen chinesischen Arzneimischungen Arzneimittel im Sinne des AMG und des Beihilferechts darstellen sollten, handelt es sich um Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Damit sind entsprechende Aufwendungen nicht beihilfefähig (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 4 BhV).

Die Frage, ob ein Mittel unter die genannte Vorschrift fällt, ist dabei nicht nach seinem konkreten Einsatz, sondern nach seiner objektiven Eignung zu entscheiden (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 17.Juni.1994 - Bf I 17/93 - ZBR 1995, 245; OVG Münster, Urt. v. 14.Juli 1988 - 12 A 1271/86 - DÖD 1989, 144, Beschl. v. 02.Juni 1992 - 6 A 919/92 - Juris; ähnlich BVerwG, Urt. v. 14.März 1991 - 2 C 23.89 - DÖD 1991, 203, 204). Mit der Bestimmung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 4 BhV werden in zulässig typisierender Weise Aufwendungen in Krankheitsfällen, derentwegen der Beihilfeberechtigte einer ergänzenden Hilfeleistung des Dienstherrn bedarf, von Kosten der allgemeinen Lebenshaltung abgegrenzt, zu deren Bestreitung grundsätzlich die amtsgemäße Besoldung bzw. Versorgung sowie allgemein zugängliche Hilfen, jedenfalls aber nicht die Beihilferegelungen vorgesehen sind (vgl. BVerwG a.a.O.).

Wie der Kläger vorgetragen und auch der behandelnde Arzt, Dr. Thede, in seiner Stellungnahme bestätigt hat, dienen die chinesischen Arzneimischungen dazu, Abkochungen, sog. Dekokte, herzustellen, die dann getrunken werden. Damit sind sie geeignet, andere Kräuter oder Kräutermischungen zu ersetzen, aus den ebenfalls Tees oder teeähnliche Getränke hergestellt werden, die anschließend getrunken werden. Solche Kräuter bzw. Kräutermischungen sind in verschiedensten Gestaltungen weit verbreitet. Dabei variiert die Herstellung der Getränke entsprechend der Eigenart der Kräuter oder Kräutermischungen vom bloßen Übergießen mit heißem Wasser über Überbrühen bis zum Kochen. Der Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass es im Ergebnis keinen Unterschied machen kann, welche Art die verwendeten Kräuter bzw. Kräutermischungen sind und welche (Wirk)Stoffe sie enthalten. Insbesondere werden auch "einfachen" Kräutern wie z.B. Kamille, Salbei oder Pfefferminze Wirkstoffe mit spezifischer Heilwirkung zugesprochen, obwohl die daraus hergestellten Tees auch allein als Getränke dienen können. Im Übrigen - darauf hat die Beklagtenvertreterin (unwidersprochen) in der mündlichen Verhandlung hingewiesen - sind in den die hier in Rede stehenden Arzneidrogenmischungen u.a. Süßholz, Salbei und Ginsengwurzel enthalten .Damit kommen sie jedenfalls chinesischen "Hausmitteln" sehr nah, die mit westeuropäischen "Hausmitteln, d.h. hiesigen Kräuter- oder Teemischungen durchaus vergleichbar sind.

Es kommt nicht darauf an, dass die Dekokte nach der Einschätzung des Klägers schlecht schmecken. Zum einen ist der Geschmack eines Getränkes kaum objektiv bewertbar. Zum anderen ist Voraussetzung des Ausschlusses nicht, dass die Dekokte selbst Güter des täglichen Bedarfs sind, sondern allein, dass sie geeignet sind, solche Güter zu ersetzen. Diese - objektive - Eignung ist unabhängig vom Geschmack.

Weiterhin ist unerheblich, dass Dekokte aus chinesischen Kräutermischungen Nebenwirkungen haben können. Auch hier gilt, dass die Dekokte nicht selbst Güter des täglichen Bedarfs sein müssen, sondern nur geeignet sind, diese zu ersetzen. Nicht maßgeblich ist ferner, dass die streitbefangenen Präparate in der Apotheke und nicht erst beim Verbraucher hergestellt werden. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang nämlich, dass auch allgemein gebräuchliche Kräutertees bzw. Teemischungen wie z.B. Blasen- und Nierentee und Bronchialtee außer in Reformhäusern auch in Apotheken hergestellt (und dort erworben) werden können.

Auch die Tatsache, dass der Kläger auch für sich und seine Kinder Rezepte über chinesische Phytotherapeutika eingereicht und deren beihilferechtliche Nichtanerkennung widersprochen hat, spricht dafür, dass es sich nicht um spezifische, nur die Erkrankung der Ehefrau des Klägers lindernde Substanzen, sondern um Güter des täglichen Bedarfs ersetzende Mittel handelt. Von daher erscheinen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, wonach die Präparate beim Krankheitsbild der Ehefrau des Klägers- ausnahmsweise - beihilfefähig seien ("...sich eine Handhabung wie sie allgemein bei ärztlich verordneten Tees und Teemischungen üblich vor dem Hintergrund des diagnostizierten Krankheitsbildes der Ehefrau verbiete..."), nicht nachvollziehbar.

Dass die Einnahme des Präparats aus der Sicht des behandelnden Arztes erforderlich und verordnet worden ist, setzt die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 4 BhV voraus, weil ohne ärztliche Verordnung ohnehin keine Beihilfe zu gewähren wäre. Die vom Kläger im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens vorgelegte ärztliche Bescheinigung des Dr. Thede ist deshalb für die Frage der Beihilfefähigkeit der strittigen Aufwendungen insoweit ohne Belang.

Auf Vertrauensschutz oder auf den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 GG) kann sich der Kläger nicht berufen. Daraus, dass die Beklagte fehlerhaft zugunsten seines Vaters Beihilfeleistungen für chinesische Arzneimischungen gewährt hat, kann er für sich keinen Anspruch auf (weitere) Gewährung solcher fehlerhaften Beihilfeleistungen herleiten.

Der Kläger kann schließlich einen Beihilfeanspruch auch nicht unmittelbar auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gründen. Wenn die Beihilfevorschriften für bestimmte Aufwendungen die Gewährung einer Beihilfe beschränken oder - wie hier - ausschließen, kann auf die allgemeinen Vorschriften über die Fürsorgepflicht insoweit allenfalls dann zurückgegriffen werden, wenn sonst die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern verletzt wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.04.1988 - 2 C 58.85 - m.w.N., Juris). Eine solche Verletzung setzt eine finanzielle Belastung voraus, die zu einer einschneidenden Beeinträchtigung der Lebensführung des Beamten führen (vgl. OVG Münster, Urt. v. 23.08.1993 - 12 A 1031/91 - Juris). Dies lässt sich hier nicht feststellen. Es ist nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht vorgetragen, dass die Aufwendungen, um die es hier geht, ihn wirtschaftlich so in Bedrängnis brächten, dass eine alimentationsgerechte Lebensführung für ihn und seine Familie nicht mehr gewährleistet wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 VwGO vorliegt.



Ende der Entscheidung

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