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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 26.02.2004
Aktenzeichen: 3 MB 26/04
Rechtsgebiete: LBG SH


Vorschriften:

LBG SH § 76
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT

Az.: 3 MB 26/04

BESCHLUSS

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Recht der Landesbeamten - Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 76 LBG -

hat der 3. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts in Schleswig am 26. Februar 2004 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 11. Kammer - vom 17. Dezember 2003 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe:

Durch Beschluss vom 17. Dezember 2003, auf dessen Inhalt wegen der Gründe verwiesen wird, hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers abgelehnt, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 27. August 2003 wiederherzustellen.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde bleibt erfolglos.

Der Antragsteller trägt zunächst vor, dass die Verhängung des Verbotes der Führung der Dienstgeschäfte mit Bescheid vom 27. August 2003 rechtswidrig sei, weil nach § 76 Abs. 1 Satz 2 LBG nicht innerhalb der Drei-Monats-Frist, d.h. bis zum 27. November 2003, ein förmliches Disziplinarverfahren eingeleitet worden sei.

Dieser Einwand greift nicht durch.

Nach der Vorschrift des § 76 Abs. 1 LBG kann die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Behörde einer Beamtin oder einem Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung ihrer oder seiner Dienstgeschäfte verbieten. Das Verbot erlischt, sofern nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen die Beamtin oder den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist. Satz 2 dieser Bestimmung hat seine jetzige Fassung auf Grund der Nr. 11 des Art. 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Disziplinarrechts (Landesdisziplinargesetz - LDG -) vom 18. März 2003 (GVOBl. SH 2003 S. 154) erhalten. Während bis dahin Voraussetzung gewesen ist, dass innerhalb von drei Monaten (nach dem Verbot) ein förmliches Disziplinarverfahren eingeleitet werden musste, reicht es nach der jetzigen Vorschrift aus, dass ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges in § 76 Abs. 1 Satz 2 LBG genanntes Verfahren zur Beendigung des Beamtenverhältnisses eingeleitet wird.

Ein solches ist von dem Antragsgegner vorliegend durch die Aufnahme disziplinarischer Vorermittlungen am 25. Februar 2002 (soweit in der Antragserwiderung die Jahreszahl 2003 genannt ist, handelt es sich offensichtlich um ein Versehen) gemäß § 24 Abs. 1 der bis zum 18. März geltenden Landesdisziplinarordnung ( -LDO -) eingeleitet worden. Dass (auch bereits) Vorermittlungen (nach der LDO) den Beginn eines Disziplinarverfahrens darstellen, zeigt bereits der weitgefasste Wortlaut der Vorschrift ( "...ein Disziplinarverfahren..." im Gegensatz zu "...das Disziplinarverfahren..." ). Ferner ergibt sich diese Einschätzung daraus, dass die nach neuem Recht in § 17 Abs. 1 LDG geregelten Voraussetzungen für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens im Wesentlichen denen der Einleitung von Vorermittlungen im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 LDO entsprechen (Zängl in: Fürst, GKÖD Rn 45 zu dem mit § 76 vergleichbaren § 60 BBG; Schiemann in: Schütz/Schiemann, Disziplinarrecht, 4. Aufl., Juli 2002, § 85 BDG Rn 4). Die Bestimmung des § 17 Abs. 1 Satz 1 LDG ist gerade in Anlehnung an § 24 Abs. 1 Satz 1 LDO formuliert worden (vgl. LT-Drucksache 15/1767, S. 61). In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, dass der Zeitpunkt des Beginns nicht nach, sondern vor Erlass des Verbots nach § 76 LBG liegt. Denn es ist nicht ungewöhnlich, dass der Dienstherr - wie der vorliegende Fall zeigt - erst nach Abschluss disziplinarer Vorermittlungen (bzw. ggf. strafrechtlicher Ermittlungen) das gesamte Ausmaß bzw. die Schwere der dienstlichen Verfehlungen erkennt und erst zu diesem Zeitpunkt zu der Entscheidung gelangt, ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte als dienstrechtliche Maßnahme sei zwingend geboten.

Während in § 50 Abs. 1 LDG allerdings für vor Inkrafttreten des LBG eingeleitete Disziplinarverfahren eine Übergangbestimmung getroffen worden ist, wonach nach bisherigem Recht eingeleitete Disziplinarverfahren nach bisherigem Recht fortgeführt und abgeschlossen werden, fehlt eine solche Übergangsvorschrift für die im Zuge der Neuregelung des Disziplinarrechts erfolgten Änderungen anderer Gesetze wie des LBG.

Dies bedeutet, dass disziplinarrechtlich bereits eingeleitete Verfahren nach altem Recht fort und zu Ende geführt werden (es sei denn - was hier nicht vorliegt - dass der Beamte sich für die Anwendbarkeit des LDG entscheidet, § 50 Abs. 2 LDG) während - mangels Übergangsvorschrift - mit Inkrafttreten des LDG - in dienstrechtlicher Hinsicht - die Vorschrift des § 76 Abs. 1 Satz 2 LBG in der jetzigen Form Anwendung findet.

Dies ist aber mangels gegenteiliger Anhaltspunkte, insbesondere in den Gesetzesmaterialien, als vom Gesetzgeber gewollt hin zu nehmen.

Auch eine entsprechende Anwendung der Übergangsbestimmung des § 50 Abs. 1 LDG auf die Bestimmung des § 76 LBG kommt nicht in Betracht. Es ist bereits fraglich, ob vom Vorhandensein einer planwidrigen Gesetzeslücke ausgegangen werden kann. Die Materialen sprechen lediglich von einer "redaktionellen Anpassung" (vgl. LT - Drucksache a. a. O. ) des § 76 LBG. Noch problematischer ist eine Vergleichbarkeit der Regelungen des Disziplinarrechts und der geänderten dienstrechtlichen Bestimmungen. Ohne (disziplinarrechtliche) Übergangsregelung wäre unklar gewesen, wie die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des LDG nach der LDO begonnene Disziplinarverfahren zu Ende zu führen wären. Denn im Gegensatz zur LDO, die zwischen dem nichtförmlichen und dem förmlichen Disziplinarverfahren unterschieden hat, kennt das LDG eine solche "Zweispurigkeit" nicht (mehr). Nunmehr gibt es nur noch ein (einheitliches) Verfahren. Eine solche grundlegende Änderung hat das LBG nicht erfahren. Es ist den Erfordernissen des neuen Disziplinarrechts lediglich angepasst worden (vgl. LT-Drucksache a.a.O.), ohne dass dienstrechtliche Verfahren - wie das vorliegende - in verfahrensrechtlicher Hinsicht wesentlich geändert worden wären.

Diese Fragen mögen aber auf sich beruhen. Denn der Antragsteller hat zu einer entsprechenden Anwendung des § 50 Abs. 1 LDG nichts vorgetragen und insoweit das Darlegungserfordernis des § 146 Abs.4 Satz 3 VwGO nicht erfüllt.

Der übrige Vortrag des Antragstellers in seiner Beschwerdebegründung legt nicht ausreichend dar, warum die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern oder aufzuheben ist und setzt sich mit der angefochtenen Entscheidung nicht hinreichend auseinander.

Soweit der Antragsteller auf ein Schreiben des Antragsgegners vom 10. Juni 2002 verweist und dies als Beleg für seine Behauptung ins Feld führt, der Antragsgegner habe von vornherein ein dauerhaftes Verbot im Auge gehabt, erschließt sich dem Senat bereits diese Schlussfolgerung nicht. In dem Schreiben vom 10. Juni 2002, gerichtet an die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht A-Stadt, schildert der Antragsgegner lediglich, dass gegen den Antragsteller (auch) ein Disziplinarverfahren anhängig sei, welches im Hinblick auf die staatsanwaltlichen Ermittlungen ausgesetzt worden sei. Darüber hinaus bittet er die Staatsanwaltschaft um Mitteilung, wenn sich herausstellen sollte, dass der Antragsteller von dem abgehobenen Geld nicht nur Gegenstände, sondern auch Alkohol und Drogen besorgt habe. Mehr ist diesem Schreiben nicht zu entnehmen. Auch das gleichzeitig mit dem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ausgesprochene Hausverbot lässt - entgegen der Auffassung des Antragstellers - keinen Schluss darauf zu, dass der Antragsgegner von einem unbefristeten Verbot nach § 76 LBG ausgegangen ist.

Weiter macht der Antragsteller geltend, dass zwingende dienstliche Gründe für das Verbot nach § 76 LBG wegen seiner Versetzung in den Transportdienst nicht (mehr) vorgelegen hätten. Soweit darin - sinngemäß - ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz deshalb gesehen wird, weil auch ein teilweises Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ausreichend gewesen wäre, greift auch dieser Einwand nicht durch. Unabhängig von der Frage, ob ein teilweises Verbot überhaupt zulässig ist (vgl. dazu einerseits OVG Lüneburg, Beschl. v. 29.071981 - 5 B 28/81 - Juris; andererseits Plog/Wiedow/V./Lehmhöfer, BBG, § 60 Rn 12), sind damit die Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht in Frage gestellt worden. Denn das Verwaltungsgericht hat am Ende seines Beschlusses ausgeführt, dass der Antragsteller durch sein Verhalten das Dienstverhältnis zum Dienstherrn belastet habe und es ihm - dem Dienstherrn - nicht zuzumuten sei, dass der Antragsteller, der wegen seines Fehlverhaltens in Ausübung seines Amtes in der Justizvollzugsanstalt vom Amtsgericht verurteilt worden sei, den Gefangenen als Vertreter des Dienstherrn gegenübertrete. Damit hat das Verwaltungsgericht dem Grunde nach sämtliche Tätigkeiten in der Justizvollzugsanstalt für den Antragsteller ausgeschlossen. Auch der Senat vermag eine für den Antragsteller mögliche Tätigkeit, die zu keinem Vertrauensverlust der Allgemeinheit in die Integrität der Justizvollzugbeamten führt und in der der Antragsteller nicht in Kontakt zu den Gefangenen kommt, nicht zu erkennen. Die Möglichkeit eines teilweisen Verbots der Dienstgeschäfte bestand deshalb nicht. Die in diesem Zusammenhang vom Antragsteller zur weiteren Begründung der Rechtswidrigkeit des ausgesprochenen Verbotes vorgenommene pauschale Bezugnahme auf sein Widerspruchsschreiben, seine Antragsschrift und seinen Schriftsatz an das VG vom 17. November 2003 genügt nicht den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 146 Rn 41).

Schließlich folgt die Rechtswidrigkeit des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte auch nicht daraus, dass das Verwaltungsgericht auf Grund des vom Antragsteller vor dem Landgericht A-Stadt anhängig gemachten strafrechtlichen Berufungsverfahrens von einem feststehenden Sachverhalt nicht hat ausgehen dürfen. Vor einer Entscheidung über die Anordnung eines Verbots der Führung der Dienstgeschäfte ist nicht die (strafrechtliche) Klärung der Vorwürfe abzuwarten (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 16.10.2000 - 2 M 63/00 - Juris m.w.N.). Das folgt schon daraus, dass es ist in aller Regel nicht absehbar ist, wie lange die vollständige Klärung erhobener Vorwürfe dauert. Der Antragsgegner war nicht gehindert, auf der Grundlage der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung vorliegenden Tatsachen zu entscheiden. Er durfte auf Grund der Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts A-Stadt davon ausgehen, dass der Antragsteller die Tatbestände des Betruges in und der Untreue jeweils in einem besonders schweren Fall erfüllt hat. In derartigen Fällen ist es möglich, ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte zu verhängen, um eine weitere Dienstausübung mit den daraus resultierenden Folgen zu verhindern (vgl. Plog/Wiedow/V./Lemhöfer, BBG, § 60 Rdnr. 7). Die Ansehensschädigung der Justiz, die derzeitige Unmöglichkeit der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit anderen Kollegen und die Unmöglichkeit des Kontaktes zu den Strafgegangenen ist als so schwerwiegend einzustufen, dass bis zur (endgültigen) Klärung der Vorwürfe eine Tätigkeit des Antragstellers als Vollzugsbeamter die dienstlichen Interessen erheblich gefährden würde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 20 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).



Ende der Entscheidung

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