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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 20.02.2004
Aktenzeichen: 3 MB 27/04
Rechtsgebiete: SchulG SH


Vorschriften:

SchulG SH § 45 Abs. 2
SchulG SH § 82 Abs. 2 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

Az.: 3 MB 27/04

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Schulrecht - Ordnungsmaßnahme gem. § 45 SchulG

hat der 3. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts in Schleswig am 20. Februar 2004 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 9. Kammer - vom 13. Februar 2004 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf

4.000,-- Euro

festgesetzt.

Gründe:

Mit Beschluss vom 13. Februar 2004, auf dessen Inhalt wegen der Gründe verwiesen wird, hat das Verwaltungsgericht die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ordnungsmaßnahme gegen den Antragsteller vom 26. Januar 2004, wie sie durch die Verfügung des Antragsgegners vom 09. Februar 2004 vorgenommen worden ist, aufgehoben.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat keinen Erfolg.

Zwar dürfte - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - der Schulleiter befugt gewesen sein, in Ergänzung des Beschlusses der Lehrerkonferenz vom 30. Januar 2004 die sofortige Vollziehung der Ordnungsmaßnahme anzuordnen. Gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung u.a. von der Behörde vorzunehmen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Behörde in diesem Sinne ist der Antragsgegner. Wer für den Antragsgegner zu handeln hat, ist im Schulgesetz im Einzelnen geregelt. Der Klassenkonferenz sind durch § 94 Abs. 3 SchulG der Lehrerkonferenz nach § 93 Abs. 3 SchulG bestimmte Entscheidungen zugewiesen. Wenn nach der Bestimmung des § 94 Abs. 3 Nr. 6 SchulG die Klassenkonferenz über einen schriftlichen Verweis und über den Ausschluss auf Zeit von Schulveranstaltungen außerhalb des Unterrichts, den Ausschluss vom Unterricht bis zur Dauer von zwei Wochen und der Überweisung in eine andere Klasse beraten und beschließen kann, dürfte es auch nicht zu beanstanden sein, wenn die Lehrerkonferenz - als Annexkompetenz - auch befugt wäre, über die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Ordnungsmaßnahme zu beschließen. Wenn dies allerdings - wie hier - unterbleibt, ist aber auch der Schulleiter, der die Schule gemäß § 82 Abs. 2 Satz 2 SchulG nach außen vertritt und dementsprechend den Beschluss der Lehrerkonferenz in einen Verwaltungsakt umzusetzen hat, nicht gehindert, selbst über die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu entscheiden. Das gilt zumindest dann, wenn - wie hier - der Konferenzbeschluss allein so verstanden werden kann, dass der (zeitweilige) Ausschluss des Schülers vom Unterricht angestrebt wird und - wie hier - der Suspensiveffekt der Anfechtungsklage die Maßnahme weitgehend hinfällig machen würde (vgl. Beschl. des Senats v. 20.03.1995 - 3 M 31/95 -).

Die Beschwerde hat aber deshalb keinen Erfolg, weil im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung, bei der auch der voraussichtliche Ausgang des Verfahrens zur Hauptsache zu berücksichtigen ist, bereits jetzt festgestellt werden kann, dass der in Rede stehende Verwaltungsakt rechtwidrig ist. An der Vollziehung eines rechtwidrigen Verwaltungsaktes besteht grundsätzlich kein öffentliches Interesse.

Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist § 45 Abs. 2 SchulG. Danach können, soweit Maßnahmen nach § 45 Abs. 1 Satz 3 SchulG nicht ausreichen, Ordnungsmaßnahmen getroffen werden. Zuständig für die Entscheidung sind die Klassenkonferenz (§ 94 SchulG) bzw. Lehrerkonferenz (§ 93 SchulG). Ausgeführt wird die Maßnahme vom Schulleiter.

Der Wortlaut des Gesetzes ("... können ... getroffen werden ...") kennzeichnet die getroffenen Regelung als Vorschrift, die die Entscheidung über das Ob und die Art der festzusetzenden Ordnungsmaßnahmen in das pflichtgemäße Ermessen der zuständigen Konferenz stellt. Dies hat zur Folge, dass die Entscheidung der Klassenkonferenz (vor Erlass des Ausgangsbescheides) bzw. der Lehrerkonferenz (vor Erlass des Widerspruchsbescheides) in Gestalt der darauf beruhenden Bescheide des Antragsgegners lediglich darauf hin überprüft werden kann, ob vom richtigen Sachverhalt ausgegangen, die einzuhaltenden Verfahrensbestimmungen und der Gleichheitssatz beachtet worden sind und die Entscheidungsträger sich von sachgerechten, am Sinn der eingeräumten ermessensorientierten Erwägungen haben leiten lassen. Bei - wie im vorliegenden Fall - der Verhängung von Ordnungsmaßnahmen müssen die zuständige Konferenz bzw. der Schulleiter zwei Entscheidungen treffen. Sie müssen entscheiden, ob überhaupt eine Ordnungsmaßnahme angewandt werden soll (sog. Entschließungsermessen), und sie müssen darüber befinden, welche der zur Verfügung stehenden Ordnungsmaßnahmen verhängt werden sollen (sog. Auswahlermessen).

Diese Ermessensentscheidungen sind gerichtlich zwar nur beschränkt überprüfbar. Das Gericht kann jedoch prüfen, ob die Konferenz oder der Schulleiter erkannt haben, dass ihnen ein Ermessens zusteht und ob sie die verschiedenen Handlungsmöglichkeiten erörtert haben.

Bei summarischer Prüfung hält der Senat (zumindest) den neben dem schriftlichen Verweis ausgesprochenen Ausschluss vom Unterricht für die Dauer von zwei Wochen und die Androhung der Überweisung an eine andere Schule wegen des Fehlens hinreichender, auf diese Maßnahmen bezogener Begründungserwägungen für ungenügend fundiert. Weder den Protokollen der Konferenzen vom 26. Januar und vom 30. Januar 2004 noch den ihr jeweils am gleichen Tage nachfolgenden Bescheiden lassen sich Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass den Konferenzteilnehmern und dem Schulleiter bewusst gewesen ist, dass sie eine Ermessensentscheidung zu treffen hatten. In dem Protokoll der Klassenkonferenz vom 26. Januar 2004 ist lediglich die Rede von "eingehender Beratung". Abgesehen davon, dass sich keine weiteren Ausführungen zu dieser "Beratung" in dem Protokoll befinden, bezieht sich die "Beratung" offensichtlich (auch nur) auf die Überzeugungsbildung der Konferenzteilnehmer bzw. den von der Konferenz nach Auswertung des Sachverhalts gezogenen Schluss, dass der Antragsteller für die gegen ihn erhobenen Vorfälle verantwortlich ist. Aus dem Protokoll der Klassenkonferenz (und auch aus dem Protokoll der Lehrerkonferenz und dem Inhalt der nachfolgenden Bescheide) lässt sich nicht entnehmen, dass irgendwelche Überlegungen angestellt worden wären, warum Erziehungsmaßnahmen nach § 45 Abs. 1 SchulG nicht mehr in Betracht kommen und überhaupt Ordnungsmaßnahmen nach dessen Abs. 2 verhängt werden müssen und warum neben dem ausgesprochenen schriftlichen Verweis (§ 45 Abs. 3 Nr. 1 SchulG) noch die hier in Rede stehende Maßnahmen verhängt werden mussten. Solche Erwägungen hätte es insbesondere deshalb bedurft, weil es sich bei den hier in Rede stehenden Maßnahmen nach ihrem Gewicht - nach der tatsächlichen Überweisung an eine andere Schule - um die schwersten zulässigen Maßnahmen überhaupt handelt. Da die Anforderungen an die Darlegungen nachvollziehbarer Gründe für eine ausgesprochene Sanktion mit deren Schwere korrespondieren, hätten die Protokolle bzw. die Bescheide - wenigstens im groben Umriss - erkennen lassen müssen, dass die Konferenzteilnehmer und der Schulleiter nicht nur die rechtserheblichen Tatsachen ermittelt und gewürdigt, sondern im Rahmen des ihnen zustehenden Ermessens eine abgewogene Entscheidung getroffen haben. Daran fehlt es jedoch.

Da die Beschwerde bereits aus den oben angeführten Gründen keinen Erfolg hat, bedurfte es weder einer Auseinandersetzung mit den im Erwiderungsschriftsatz des Antragstellers vom 19. Februar 2004 enthaltenen weiteren Rügen noch war der Senat gehalten, sich im Rahmen der summarischen Prüfung mit der Behauptung des Antragstellers zu befassen, er habe die ihm vorgeworfenen Taten überhaupt nicht begangen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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