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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 14.10.2002
Aktenzeichen: 4 L 200/02
Rechtsgebiete: AsylVfG, VwGO


Vorschriften:

AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 3
VwGO § 138 Nr. 3
Die Ablehnung eines Antrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage des Vorliegens einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) mit der Begründung, es handele sich um eine Ausforschung, verletzt auch dann nicht unbedingt den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn eine solche Störung in einer ärztlichen Bescheinigung diagnostiziert wird. Das Gericht darf vielmehr auch in einer solchen Situation aus dem bisherigen Verfahrensablauf Schlüsse ziehen und auf Grund einer Würdigung der Gesamtumstände annehmen, dass für das Vorliegen einer PTBS keine für eine Beweisaufnahme ausreichenden Anhaltspunkte sprechen.
4 L 200/02

Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Asyls und aufenthaltsbeendender Maßnahmen - Antrag auf Berufungszulassung -

hat der 4. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts in Schleswig am 14. Oktober 2002 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 5. Kammer - vom 29. August 2002 wird abgelehnt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten des Antragsverfahrens tragen die Kläger.

Der Gegenstandswert wird für das Antragsverfahren auf 3.900,- Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag ist nicht begründet. Die angefochtene Entscheidung verletzt nicht den Anspruch des Klägers zu 1) auf Gewährung rechtlichen Gehörs.

Eine solche Verletzung ergibt sich zunächst nicht aus dem Gesichtspunkt einer Überraschungsentscheidung. Das Verwaltungsgericht hat in keinem Stadium des Verfahrens zu erkennen gegeben, dass es an dem Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) und auch im Übrigen an der Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Klägers zu 1) keinen Zweifel hat. Damit, dass ein Gericht einen vorgetragenen Sachverhalt anders beurteilt als dies der Kläger wünscht und erwartet, muss in einem Prozess gerechnet werden; eines entsprechenden Hinweises bedarf es regelmäßig nicht.

Auch die Ablehnung des Beweisantrages verletzt den Gehörsanspruch nicht. Der vorliegende Fall gibt dem Senat keine Veranlassung, mit Allgemeingültigkeit zu klären, wann einem entsprechenden Beweisantrag nachzugehen ist. Dies hängt vielmehr von den Gegebenheiten des Einzelfalles ab. Es gibt insbesondere keinen Grundsatz dahin, dass ein Gericht die Vorlage einer Äußerung eines/einer Facharztes/ärztin bzw. Psychologen/in über das Vorliegen einer PTBS keiner kritischen Würdigung unterziehen dürfe, sondern entweder zu glauben oder zum Anlass für die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu nehmen habe. Das Gericht darf auch in einem Fall behaupteter PTBS den bisherigen Verlauf des Verfahrens und das Verhalten des angeblich Betroffenen würdigen und z.B. Schlüsse daraus ziehen, dass dieser sich in Anhörungen völlig unbefangen, ausführlich und ohne auch nur den Ansatz einer Vermeidungshaltung zu Einzelheiten der angeblich erlittenen Folter geäußert hat und erst längere Zeit nach dem angeblich traumatisierenden Erlebnis, in der Regel nach Ergehen eines Gerichtsbescheides, eines Beschlusses nach § 87 b VwGO oder der Ladung zum Termin, die Traumatisierung behauptet. Dies lässt insbesondere auch unter Beachtung der Tatsache, dass eine PTBS außerordentlich selten länger als 6 Monate nach dem traumatisierenden Ereignis auftritt (ICD 10 F 43.1, 3. Abs.), berechtigte Zweifel aufkommen. Kommen dann - wie vorliegend - noch weitere Glaubwürdigkeitszweifel hinzu, die sich auch aus den Besonderheiten einer PTBS nicht erklären lassen, und beruht das vorgelegte Gutachten ausschließlich auf Angaben des angeblich Betroffenen, ist der - nach Würdigung des gesamten Prozessstoffes gezogene - Schluss nicht zu beanstanden, der Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens entbehre einer sachlichen Grundlage und diene damit der Ausforschung.

Soweit der Vertreter der Kläger zu belegen versucht, auch andere Fachkräfte hätten unabhängig von der Psychologin S.... eine PTBS diagnostiziert, findet sich hierfür keine Grundlage. Der Amtsarzt hat lediglich eine schwerwiegende psychische Erkrankung festgestellt, ohne diese näher zu klassifizieren. Die erstmals im Zulassungsverfahren vorgelegte Stellungnahme des Dr. B... schließt sich den Schlussfolgerungen der Frau S.... und des Amtsarztes an und bleibt die Erklärung schuldig, welche dieser nicht - jedenfalls nicht völlig - übereinstimmenden Diagnosen denn nun richtig sein soll. Der Senat könnte danach nur von dem Vorliegen einer psychischen Erkrankung ausgehen, die das Verwaltungsgericht indes gar nicht in Zweifel gezogen und deren asylrechtliche Folgen es - mangels weiteren Vortrags zur Behandlungssituation in der Türkei - zutreffend beurteilt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 83 b Abs. 1 AsylVfG, § 154 Abs. 1 VwGO; die Festsetzung des Gegenstandswertes folgt aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.

Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

Ende der Entscheidung

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