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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 20.06.2002
Aktenzeichen: 9 A 88/02
Rechtsgebiete: HSG SH


Vorschriften:

HSG SH § 74
HSG SH § 75
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES VERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 9 A 88/02

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Hochschulrecht, Exmatrikulation

hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht - 9. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juni 2002 durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht ... als Einzelrichterin für Recht erkannt:

Tenor:

Der Bescheid vom 07. Januar 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2002 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen seine Exmatrikulation.

Mit Bescheid vom 07. Januar 2002 wurde der Kläger aus dem Studium der Fachhochschule ... zum Ende des Wintersemesters 2001/2002 mit Wirkung vom 28. Februar 2002 von Amts wegen exmatrikuliert. Zur Begründung hieß es im wesentlichen, er habe sich nicht innerhalb der vorgegebenen Frist zum Sommersemester 2002 durch Überweisung des Semesterbeitrages zurückgemeldet. Durch amtliche Bekanntmachung sei darauf hingewiesen worden, dass die entsprechenden Beiträge bis zum 31. Dezember 2001 fällig gewesen seien. Weiter hieß es in jenem Bescheid, wenn der Kläger sich jetzt noch zurückmelden wolle, so habe er den Semesterbeitrag sowie die Mahngebühren zu überweisen und die jeweiligen Nachweise mit einem ausgefüllten Widerspruch an das Studierendensekretariat zu senden.

Gegen jenen Bescheid legte der Kläger am 23. Januar 2002 Widerspruch ein, den die Beklagte durch Bescheid vom 18. Februar 2002 zurückwies. Zur Begründung führte sie an, der Widerspruch sei unzulässig, weil verfristet.

Die Form des Widerspruches sei auf der Rückseite des Exmatrikulationsbescheides vorgegeben gewesen. Ausdrücklich sei dort in fett gedruckten Buchstaben aufgeführt worden, dass dem Widerspruch die Nachweise sowohl des Semesterbeitrages wie auch der Mahngebühr beizufügen seien. Der Widerspruch des Klägers sei am 23. Januar 2002 unvollständig angekommen, und zwar ohne Nachweis der Überweisung der Säumnisgebühr. Jener Widerspruch sei am selben Tag an ihn zurückgesandt worden mit dem Hinweis auf die fehlende Unterlage. Erst am 15. Februar 2002 sei der vollständige Widerspruch bei ihr - der Beklagten - eingegangen. Damit sei der Widerspruch, der spätestens am 12. Februar 2002 dem Studierendensekretariat hätte vorliegen müssen, verfristet. Zwischenzeitlich sei die Zulassung der Bewerber um einen Studienplatz in den höheren Semestern vorgenommen worden. Danach sei nunmehr kein Platz für den Kläger im maßgeblichen Fachsemester (6. Fachsemester) mehr frei.

Der Kläger hat am 18. März 2002 Klage erhoben und zur Begründung im wesentlichen angeführt, er habe frühzeitig Widerspruch eingelegt und zugleich die fälligen Beträge überwiesen. Nachdem ihm seitens der Beklagten mitgeteilt worden sei, dass die Bescheinigung über die Zahlung der Mahngebühren in Höhe von 15,-- € noch fehle, sei er zu seiner Hausbank gegangen, um sich eine diesbezügliche Bestätigung geben zu lassen. Dort sei ihm mitgeteilt worden, dass es bereits seit über einem Jahr derartige Bestätigungen gar nicht mehr gebe. Dies habe er der Beklagten mitgeteilt; scheinbar habe diese das Schriftstück zu spät über den Postweg erhalten.

Ihm sei nicht verständlich, warum es der Beklagten nicht möglich gewesen sei, über ihre Buchhaltung festzustellen, dass er die fälligen Beträge rechtzeitig überwiesen gehabt habe.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Bescheid vom 07. Januar 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2002 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Unter Wiederholung und Vertiefung ihrer bereits im Widerspruchsbescheid angeführten Begründung weist sie insbesondere darauf hin, dass die Mahngebühren auf ein Konto der Landesbezirkskasse Kiel überwiesen würden, auf das sie - die Beklagte - keinen direkten Zugriff habe. Daten über Zahlungseingänge erhalte sie von der Landesbezirkskasse nicht unverzüglich. Daher sei ein Nachweis der Zahlung der Mahngebühren über den Kontoauszug unablässig, um kontrollieren zu können, ob die Zahlung angewiesen bzw. erfolgt sei.

Der Rechtsstreit ist der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der angefochtene Verwaltungsakt in der Fassung des dazu ergangenen Widerspruchsbescheides wird aufgehoben; denn er ist rechtswidrig und verletzt den Kläger dadurch in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Voraussetzungen für eine Exmatrikulation gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 2 Hochschulgesetz (idF vom 04. Mai 2000, GVOBl. Schl.-H. 2000, S. 416) - HSG - iVm § 74 Abs. 1 Satz 2 HSG, auf die die Beklagte ihre Entscheidung gestützt hat, sind nicht erfüllt.

Gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 2 HSG kann ein Student entlassen werden, wenn er, ohne beurlaubt zu sein, sich vor Beginn eines Semesters oder Studienjahres nicht ordnungsgemäß zum Weiterstudium zurückgemeldet hat. Hinsichtlich einer solchen ordnungsgemäßen Rückmeldung bestimmt § 11 Abs. 1 der auf der Grundlage der §§ 12 und 79 HSG erlassenen Zulassungsordnung der Fachhochschule ... - Einschreibordnung - vom 29. März 2001 (NBl. MBWFK Schl.-H. 2001, S. 647) folgendes:

"An der Fachhochschule ...eingeschriebene Studierende, die ihr Studium im folgenden Semester fortsetzen wollen, haben sich für das Wintersemester vom 01. bis 30. Juni bzw. für das Sommersemester vom 01. bis 31. Dezember zurückzumelden (Satz 1). Für Rückmeldungen nach Ablauf der Rückmeldefrist ist eine Verwaltungsgebühr nach Tarifstelle 20.2.7 der Landesverordnung über Verwaltungsgebühren zu entrichten (Satz 2)."

In Absatz 2 dieser Vorschrift heißt es, die Rückmeldung erfolge im entsprechenden Rückmeldezeitraum gemäß Absatz 1 durch die Überweisung der jeweils festgesetzten Beiträge an das Studentenwerk Schleswig-Holstein und an die Studierendenschaft (§ 74 Abs. 1 Satz 2 HSG). Durch den dortigen Verweis auf § 74 Abs. 1 Satz 2 HSG, der hinsichtlich der Einschreibung zum Studium als Voraussetzung hierfür festsetzt, dass der Studienbewerber die Erfüllung der Beitragspflicht zum Studentenwerk Schleswig-Holstein und zur Studierendenschaft "nachweist", wird die Verpflichtung zum Nachweis dieser Beiträge ausdrücklich für den Fall der Rückmeldung zum jeweils nächsthöheren Semester als zwingende Voraussetzung festgelegt. In § 11 Abs. 4 der Einschreibordnung der Beklagten heißt es weiter:

"Die Rückmeldung kann versagt werden, wenn die Rückmeldefrist versäumt wurde (Satz 1). Die Rückmeldung muss versagt werden, wenn die Zahlung nach Abs. 2 iVm Abs. 1 Satz 2 nicht erbracht worden ist (Satz 2)."

Diese Voraussetzungen des § 11 Abs. 4 Satz 2 Einschreibeordnung, der im Kern der Regelung in § 75 Abs. 2 Nr. 3 HSG entspricht, liegen hier nicht vor; denn der Kläger hat von der ihm im Bescheid vom 07. Januar 2002 eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, sich nachträglich zurückzumelden und er hat den Semesterbeitrag an das Studentenwerk wie auch an die Studierendenschaft und auch die Mahngebühren überwiesen; zugleich hat er Widerspruch gegen den Bescheid vom 07. Januar 2002 eingelegt. Die vorgenannten Beträge sind unstreitig bereits innerhalb der Widerspruchsfrist auf dem von der Beklagten benannten Konto der Landesbezirkskasse Kiel eingegangen. Die entsprechenden Nachweise - auch jener über die Zahlung der Mahngebühren - lagen der Beklagten bereits vor Erlass des Widerspruchsbescheides vor.

Der Ansatz der Beklagten im Widerspruchsbescheid, der Widerspruch des Klägers sei verfristet gewesen, weil dem am 23. Januar 2002 eingelegten Widerspruchsschreiben nicht der Nachweis über die Überweisung der Säumnisgebühr beigefügt gewesen sei, sondern dieser erst am 15. Februar 2002 bei ihr - der Beklagten - eingegangen sei, greift nicht durch. Eine solche Schlussfolgerung hinsichtlich eines verspätet eingelegten Widerspruchs entspricht nicht den Vorgaben des § 70 VwGO. Besondere Anforderungen an den Inhalt eines Widerspruchsschreibens bestehen nicht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO-Kommentar, 12. Aufl. § 70 Rdnr. 5). Maßgebend ist vielmehr, dass das Widerspruchsschreiben selbst innerhalb der Monatsfrist und damit fristgemäß bei der Beklagten eingelegt worden ist, da es bereits am 13. Januar 2002 bei ihr einging.

Auch über § 11 Abs. 4 Satz 1 der Einschreibeordnung lässt sich die hier getroffenen Entscheidung der Beklagten nicht halten. Zum einen ist schon nicht zu erkennen, dass die Beklagte das ihr zustehende Ermessen (die Rückmeldung kann versagt werden ....) - dazu korrespondierend § 75 Abs. 3 Nr. 2 HSG (Ein Student kann entlassen werden ...) - überhaupt ausgeübt hätte. Diesbezügliche Abwägungen sind in dem Widerspruchsbescheid nicht enthalten. Zum anderen erscheint eine Exmatrikulationsverfügung wegen der damit verbundenen Konsequenzen für den betroffenen Studenten jedenfalls dann als unverhältnismäßige Maßnahme, wenn die maßgebliche Zahlung vor Abschluss des Widerspruchsverfahrens entrichtet worden ist - so wie im vorliegenden Fall geschehen -. Da der Nachweis über die Zahlung von Mahngebühren (anders als ein solcher über die Erfüllung der Beitragspflicht zum Studentenwerk Schleswig-Holstein und zur Studierendenschaft) nicht in den diesbezüglichen Bestimmungen des HSG (§§ 75, 74) und diesen gesetzlichen Grundlagen folgend auch nicht in der Einschreibordnung der Beklagten (§§ 11, 8, 6) als zwingendes Erfordernis aufgeführt ist, berechtigt der bloße Verstoß gegen die im Bescheid vom 07. Januar 2002 nach Aussage der Beklagten auf der Rückseite angeführte Nachweispflicht auch hinsichtlich der Zahlung der Mahngebühr nicht zur Exmatrikulation eines Studenten, der die erforderlichen Zahlungen voll umfänglich erbracht hat.

Die zur Zeit offenbar bestehenden technischen Schwierigkeiten einer jederzeitigen Kontrolle der auf dem Konto der Beklagten eingegangenen Zahlungen können nicht zu Lasten des betroffenen Studenten gehen. Vielmehr sind seitens der Beklagten in Absprache mit der Landesbezirkskasse Kiel geeignete Maßnahmen zu treffen, um eine jederzeitige Einsehbarkeit des Kontostands bzw. der Kontobewegungen durch die Beklagte selbst zu ermöglichen und diese dazu in die Lage zu versetzen, u. a. inhaltliche Angaben seitens der Widerspruchsführer zu überprüfen.

Die Kostenentscheidung zu Lasten der Beklagten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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