Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 15.01.2003
Aktenzeichen: 9 B 100/02
Rechtsgebiete: VwGO, BauGB, AO


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs 5
VwGO § 80 Abs 2 Nr 1
BauGB § 134 Abs 1 S 1
AO § 191
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES VERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

Az.: 9 B 100/02

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen; Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht - 9. Kammer - am 15. Januar 2003 beschlossen:

Tenor:

Die aufschiebende Wirkung der am 25. September 2002 zum AZ.: 9 A 353/02 erhobenen Klage, mit der sich die Antragstellerin gegen die Festsetzung von Erschließungsbeiträgen in Höhe von 12.377,29 € durch den Bescheid der Antragsgegnerin vom 23. Juli 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. August 2002 wendet, wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 3.094,32 € festgesetzt.

Gründe:

Der gemäß § 80 Abs. 5, Abs. 2 Ziffer 1, Abs. 6 Satz 1 VwGO zulässige Antrag ist in Anwendung des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO begründet.

Der angefochtene Verwaltungsakt, durch den die Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin als (Mit-) Eigentümerin einen Erschließungsbeitrag für die erstmalige endgültige Herstellung der Erschließungsanlage in der ...straße in Höhe von 12.377,29 € festgesetzt hat, erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtswidrig. Gemäß § 80 Abs. 4 Satz 3, erste Alternative VwGO soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Da das hier der Fall ist, fällt die im Rahmen von § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Sach- und Rechtslage, die endgültig erst im Hauptsacheverfahren zu klären wäre, hier zu Gunsten der Antragstellerin aus.

Ungeachtet der zwischen den Beteiligten strittigen Frage, ob für das ... 19/Ecke ...straße, Flur 16, Flurstück 12/28 im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin die sachliche Beitragspflicht im Sinne von § 133 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB entstanden ist, bestehen ernstliche Zweifel an der persönlichen Beitragspflicht der Antragstellerin. Gemäß § 134 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist derjenige beitragspflichtig, der im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides Eigentümer des Grundstücks ist; gemäß § 134 Abs. 1 Satz 4, erster Halbsatz BauGB haften mehrere Beitragspflichtige als Gesamtschuldner. Die Antragstellerin ist weder Allein- noch Miteigentümerin des streitbefangenen Grundstücks. Eigentümerin ist vielmehr eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (im Folgenden GbR) (vgl. zur Rechtsfähigkeit der GbR und Gesellschaftsschuld: BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 - II ZR 331/00, NJW 2001, 1056 ff.; OVG Münster, Urteil vom 7. Mai 2002 - 15 A 5299/00, DB 2002, 1545 bis 1547; Stuttmann, Hinweise zur Festsetzung von Kommunalabgaben gegen Gesellschaften bürgerlichen Rechts nach dem Urteil des BGH vom 29.1.2001, KStZ 2002, Seite 50 ff.)). Laut Eintragung im Grundbuch von ..., Blatt 0986 Erste Abteilung ist unter der laufenden Nummer 3 als Eigentümer eingetragen:

"a) ... geb. ... in ....., geboren am ..... 19..,

b) ... geb. ... in ..., geboren am ....19.., in BGB-Gesellschaft."

Da allein die BGB-Gesellschaft - nicht hingegen die Gesellschafterinnen - Eigentümerin des Grundstücks ist, steht es der Antragsgegnerin nicht frei, eine der Gesellschafterinnen - d.h. die Antragstellerin oder Frau ... - oder die GbR in Anspruch zu nehmen. Eine Inanspruchnahme der Antragstellerin als Gesellschafterin käme nur im Wege eines Haftungsbescheides nach §§ 11, 20 KAG i.V.m. § 191 Abs. 1 Satz 1 AO in Betracht, was allerdings zwingend voraussetzte, dass ein Beitragsbescheid an die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ergangen ist (vgl. § 191 Abs. 5 Nr. 1 AO; OVG Münster, Urteil vom 07. Mai 2002 aaO); denn die persönliche Haftung der Antragstellerin als Gesellschafterin ist akzessorisch, hängt also vom Bestand der Gesellschaftsschuld ab (vgl. BGH, Urteil vom 29.01.2001, aaO, Seite 1061).

Nichts anderes ergibt sich unter Berücksichtigung der von der Antragsgegnerin zitierten neuesten Kommentierung von Palandt/Sprau, BGB, 62. Auflage, 2003, § 714, Rn11 ff, in der es unter Rn 12 heißt:

"Akzessorische Haftung für Ansprüche Dritter. Grundsätzlich gelten die zur Haftung des OHG-Gters entwickelten Grds (HGB 128, 129) entspr. Das bedeutet, dass der GGläub für eine von der G geschuldete Leistung den Gter persönl (d.h. mit seinem ges. Verm) unbeschr (s aber Rn. 18) unmittelbar, primär (d. h. nicht nur nachrangig zu G) und auf die ges Leistg (nicht nur den auf den Gter im InnenVerh entfallenden Antl) in Anspr nehmen kann."

Auch danach haftet der Gesellschafter lediglich für eine von der Gesellschaft geschuldete Leistung. Die GbR schuldet einen Erschließungsbeitrag aber erst, wenn die Beitragsforderung ihr gegenüber konkretisiert wurde durch Bekanntgabe des Beitragsbescheids (vgl. § 134 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Denn mit dem Entstehen der sachlichen Beitragspflichten mit Blick auf das betroffene Grundstück ist lediglich die Beitragsforderung "derartig voll als Anspruch ausgestaltet, dass sie das Beitragsschuldverhältnis in bezug auf das Grundstück und gegenüber dem .... Beitragspflichtigen begründet", doch bedarf das solchermaßen begründete, zunächst nur abstrakte Schuldverhältnis neben der Festsetzung des Geldwerts der Beitragsforderung vor allem noch einer Konkretisierung des Schuldners, d.h. der Bestimmung des persönlich Beitragspflichtigen (Driehaus in Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 6. Auflage 2001, § 24 Rn. 1 unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 05.09.1975 - IV CB 75.73 - DÖV 76,96). Daran fehlt es hier aber mangels an die GbR adressierten Bescheids.

Im Hinblick auf die von der Antragstellerin geltend gemachten Einwendungen zur sachlichen Beitragspflicht weist das Gericht darauf hin, dass bei summarischer Prüfung weder erkennbar ist, dass ein Anspruch der Antragsgegnerin auf Festsetzung von Erschließungsbeiträgen verwirkt wäre, noch ernstliche Zweifel am Erschlossensein des streitbefangenen Grundstücks durch die ...straße bestehen. Es wird insoweit auf die Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 15. Februar 2002 - 2 L 259/01 hingewiesen, die im Verfahren der Mitgesellschafterin Frau ...ssels, die zunächst von der Antragsgegnerin auf Zahlung von Erschließungsbeiträgen für das streitbefangene Grundstück in Anspruch genommen worden war, ergangen ist.

Darin heißt es :

" Mit dem Vortrag, die Gemeinde ... habe im Zusammenhang mit dem Abschluss des Grundstücksüberlassungsvertrages vom 30. Oktober 1959 gegenüber dem Rechtsvorgänger der Klägerin auf Anliegerbeiträge und Straßenbaukosten verzichtet, kann die Klägerin das Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Urteils nicht in Frage stellen. Der unterbreitete Sachverhalt und die mit der Zulassungsantragsschrift in Ablichtung beigefügten Unterlagen lassen einen Schluss auf einen solchen Verzicht bereits nicht zu. Die Ablichtung der Notariatsurkunde Nr. 2714 (Bl. 155 bis 163 der Gerichtsakte) enthält in § 1 das Angebot der Gemeinde ..., den namentlich genannten Anliegern eine näher bestimmte vor den Grundstücken belegene Straßenfläche unentgeltlich zu übertragen. Die Anlieger hatten sich gemäß § 2 zu verpflichten, die erworbene Grundstücksfläche gärtnerisch auszustatten und gegebenenfalls eine Straßeneinfriedigung herzustellen. Ein Verzicht auf damals bestehende oder künftig entstehende Beitragsansprüche ist aus alledem nicht zu erschließen. Er lässt sich auch nicht § 6 des Schenkungsvertrages entnehmen ("Eine Gegenleistung wird nicht gewährt"), da damit lediglich die Unentgeltlichkeit der privatrechtlichen Grundstücksübereignung, nicht aber der Verzicht auf öffentlich-rechtliche Verpflichtungen gemeint ist, die durch den Vertrag begünstigt sein sollten."

Ferner heißt es in der vorgenannten Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts:

"Schließlich ist unerheblich, dass das Grundstück der Klägerin durch eine entsprechende gärtnerische Bepflanzung und bauliche Gestaltung von der Straße abgegrenzt ist; dies berührt das Erschlossensein und damit das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht nicht."

Dem folgt das erkennende Gericht.

Bei summarischer Prüfung gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass tatsächliche oder rechtliche Hindernisse bestehen, die ein Heranfahrenkönnen an das Grundstück von der ...straße aus unmöglich machen.

Die Kostentscheidung zu Lasten der Antragsgegnerin folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf dem §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1, Abs. 2 GKG (1/4 des im Hauptsacheverfahren festzusetzenden Wertes).

Ende der Entscheidung

Zurück