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Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 08.11.2001
Aktenzeichen: 9 B 106/01
Rechtsgebiete: VwGO, SchulG SH


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 80 Abs. 3 S. 1
SchulG SH § 45 Abs. 3 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES VERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

Az.: 9 B 106/01

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Schulrecht - § 80 Abs. 5 VwGO -

hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht - 9. Kammer - am 8. November 2001 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 8.000,-- DM festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag des Antragstellers, gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, Zweite Alternative VwGO die aufschiebende Wirkung seiner Klage (9 A 404/01) gegen den Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 2001 und den mit Sofortvollzug (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) versehenen Widerspruchsbescheid vom 06. November 2001 wiederherzustellen, ist zulässig, aber nicht begründet.

Durch den angefochtenen Bescheid vom 18. Oktober 2001 wurde der 1984 geborene Antragsteller, der zur Zeit die Klasse 10 a der Realschule der Antragsgegnerin besucht, aufgrund des Beschlusses der Klassenkonferenz der Klasse 10 a vom 15. Oktober 2001 für die Zeit vom Mittwoch, 07. November 2001 bis Dienstag, 20. November 2001 einschließlich (zwei Wochen) vom Unterricht ausgeschlossen (§ 45 Abs. 3 Nr. 3 SchulG SH). Weiter wurde ihm aufgegeben, den versäumten Stoff nachzuarbeiten; Versäumnisse aus der Zeit des Unterrichtsausschlusses würden zu seinen Lasten gehen. Der Antragsteller habe während der genannten Zeit Hausverbot. Das Hausverbot erstrecke sich auf das gesamte Schulgelände des Schulzentrums .... Gleichzeitig werde die Überweisung in eine andere Schule mit gleichem Bildungsabschluss (§ 45 Abs. 3 Nr. 5 SchulG SH) bei weiteren Verstößen gegen die Hausordnung angedroht.

Zusätzlich wurde es dem Antragsteller zur Pflicht gemacht, die Drogenberatungsstelle in Ahrensburg aufzusuchen und einen Nachweis zu erbringen, dass er sich dort habe beraten lassen. Darüber hinaus empfehle die Klassenkonferenz einen Schulwechsel, damit der Antragsteller aus seinem jetzigen Umfeld herauskomme und nicht Gefahr laufe, abermals für andere "Stoff" zu besorgen.

Zur Begründung hieß es unter Berufung auf die eigenen Angaben des Antragstellers wie auch auf Zeugenaussagen von Klassenkameraden im Wesentlichen, der Antragsteller habe während der in der Zeit vom 01. Oktober 2001 bis 05. Oktober 2001 durchgeführten Klassenfahrt nach Prag Haschisch geraucht, eine sogenannte "Wasserpfeife" für diesen Zweck vor der Klassenfahrt besorgt gehabt und sie bewußt mitgenommen und - ebenfalls vor der Klassenfahrt - Haschisch für sich und andere Klassenkameraden in deren Auftrag besorgt.

Aufgrund der - in der Verfügung im Einzelnen dargelegten - von der Klassenkonferenz vorgenommenen Abwägung sei diese zu dem Ergebnis gelangt, das Fehlverhalten des Antragstellers sei so schwerwiegend, dass der Ausschluss aus der Klassengemeinschaft für eine begrenzte Zeit erforderlich und angemessen sei. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verfügung vom 18. Oktober 2001 verwiesen.

Aufgrund des Widerspruchs des Antragstellers, in dem dieser im Wesentlichen geltend machte, die gegen ihn getroffene Maßnahme sei unverhältnismäßig, trat am 05. November 2001 die Lehrerkonferenz an der Realschule der Antragsgegnerin zusammen und beschloss, den Widerspruch des Antragstellers zurückzuweisen. Dabei wurde die Zeit des Unterrichtsausschlusses verlegt auf Donnerstag, den 08. November 2001 bis einschließlich Mittwoch, den 21. November 2001, um dem Antragsteller die Möglichkeit einzuräumen, vorläufigen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht geltend zu machen. In der Begründung des Widerspruchsbescheides befaßte sich die Antragsgegnerin mit den im Widerspruch vom Antragsteller geltend gemachten Einwänden und stellte heraus, aus welchen Gründen am Ausschluss vom Unterricht für die Dauer von zwei Wochen weiterhin festgehalten werde. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die Begründung im Widerspruchsbescheid vom 06. November 2001 Bezug genommen.

Die vom Antragsteller in seiner Antragsschrift auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vom 07. November 2001 im Einzelnen aufgeführten Einwände, die im Wesentlichen eine Wiederholung und Vertiefung der bereits im Widerspruchsschreiben dargelegten Aspekte darstellen, greifen nicht durch.

Die Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO ergeht auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung des privaten Aufschubinteresses einerseits und des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung der angeordneten Maßnahme andererseits. Hierbei können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit der angefochtenen Grundverfügung einfließen. Erweist sich die behördliche Entscheidung schon im einstweiligen Rechtsschutzverfahren als überwiegend rechtmäßig, wird regelmäßig das private Aufschubinteresse hinter dem öffentlichen Vollzugsinteresse zurücktreten müssen. Hingegen besteht in der Regel an der sofortigen Vollziehbarkeit einer offensichtlich rechtswidrigen Grundverfügung kein überwiegendes öffentliches Interesse. Läßt sich eine überwiegend anzunehmende Rechtmäßigkeits- bzw. Rechtswidrigkeitsentscheidung zum Verwaltungsakt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht vornehmen, ist die Rechtslage mithin als offen anzusehen, so sind im Rahmen der dann vorzunehmenden Interessenabwägung die Folgen der Vollzugsaussetzung bei einer gleichwohl sich später als rechtmäßig erweisenden Grundverfügung einerseits den Auswirkungen der sofortigen Vollziehung einer letztlich rechtswidrigen Verfügung andererseits gegenüberzustellen.

Im Falle des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Aus dem Zweck der Begründungspflicht, zum einen den Betroffenen in die Lage zu versetzen, durch Kenntnis der Gründe, die die Behörde zur Vollziehungsanordnung veranlaßt haben, seine Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels abzuschätzen, und zum anderen der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen zu führen und sie zu veranlassen, mit besonderer Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes Vollzugsinteresse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert, ergibt sich, dass die maßgeblichen Gründe konkret darzulegen sind, wobei die Begründung ausnahmsweise auf die Begründung des zu vollziehenden Verwaltungsaktes Bezug nehmen kann, wenn aus dieser bereits die besondere Dringlichkeit auch der Regelung im Sinne des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO hervorgeht und die von der Behörde getroffene Interessenabwägung klar erkennbar ist. Insofern kann sich die Behörde in solchen Fällen kurz fassen (vgl. Finkelnburg/Janck, Vorläufiger Rechtsschutz in Verwaltungsstreitverfahren, 4. Auflage Rn. 1200; Kopp/Schenke, VwGO-Kommentar, 12. Auflage, § 80 Rn. 84, 85). Diese Mindestanforderungen hinsichtlich der nach § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO erforderlichen Begründung des besonderen öffentlichen Vollzugsinteresses sind im vorliegenden Fall erfüllt.

Die Antragsgegnerin hat in ihrer Begründung zur Anordnung des Sofortvollzuges, wie sie im Widerspruchsbescheid vom 06. November 2001 vorgenommen worden ist, als maßgeblich darauf abgestellt, das öffentliche Interesse, dass die übrigen Schüler der Schule und deren Eltern erkennen könnten, dass Drogenkonsum während einer Klassenfahrt und bewußte Vorbereitungen dafür trotz eindeutigen Verbots nicht hingenommen würden, habe stärkeres Gewicht als das Recht auf Unterricht eines einzelnen Schülers. Die Schule müsse, um die übrigen Schüler vor falschen Annahmen - das sei ja nicht so schlimm - zu schützen, Maßnahmen ergreifen, wenn ihr ein deutliches Fehlverhalten von einzelnen Schülern bekannt werde. Zudem müsse ein möglichst zeitnaher Zusammenhang von Tat und Maßnahme gewahrt bleiben; nur dadurch könnten Einsicht und somit Besserung bewirkt werden. Dieser Aspekt sei insbesondere nach einem groben Fehlverhalten zu berücksichtigen und begründe daher ein besonderes öffentliches Interesse an einer sofortigen Vollziehung. Die Antragsgegnerin hat somit unter Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen des betroffenen Schülers einerseits und dem öffentlichen Interesse andererseits, den der Schule obliegenden Erziehungs- und Bildungsauftrag jedem einzelnen Schüler gegenüber erfüllen zu können, eine Abwägung getroffen. Da war sie sich erkennbar des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewußt, hat diesen Aspekt mit einbezogen und letztlich auch im wohlverstandenen Interesse des Antragstellers die sofortige Vollziehung angeordnet. Hierbei handelt es sich um Aspekte, die über die Begründung für den zugrundeliegenden Verwaltungsakt (Ausschluss vom Unterricht) hinausgehen und insofern das besondere Interesse am Sofortvollzug belegen.

Bei der im Rahmen des hier anhängigen vorläufigen Rechtsschutzverfahrens gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage spricht Überwiegendes dafür, dass die zugrundeliegende schulrechtliche Ordnungsmaßnahme, deren Beginn auf den heutigen Tag festgelegt worden ist, als rechtmäßig einzustufen sein dürfte.

Hinsichtlich des auf § 45 Abs. 3 Nr. 3 SchulG SH gestützten Ausschlusses des Antragstellers vom Unterricht für zwei Wochen sind die zugrundeliegenden Fakten zwischen den Beteiligten nicht streitig. Der Antragsteller wendet sich gegen diese Ordnungsmaßnahme im Wesentlichen mit dem Argument, hier werde völlig überzogen auf einen einmaligen Vorfall reagiert, der als eine Art "dummer Jungenstreich" einzustufen sei und pädagogisch aufgearbeitet werden müßte, nicht aber als schweres Fehlverhalten (§ 45 Abs. 4 SchulG SH) gewertet und nach § 45 Abs. 3 Nr. 3 SchulG SH mit der maximalen zulässigen Dauer des Ausschlusses vom Unterricht von zwei Wochen belegt werden dürfte. Dieser Auffassung folgt die Kammer nicht.

Die Antragsgegnerin hat sich in den angefochtenen Bescheiden ausführlich - insbesondere auch im Widerspruchsbescheid - unter Berücksichtigung der vom Antragsteller im Vorverfahren bereits eingebrachten Argumente mit den hier relevanten Aspekten befaßt und die Gründe dargelegt, die für die zuständigen Gremien (Klassenkonferenz bezüglich der Ordnungsmaßnahme, § 94 Abs. 3 Nr. 6 SchulG SH; Lehrerkonferenz bezüglich des Widerspruchs gegen die Ordnungsmaßnahme, § 93 Abs. 3 Nr. 4 SchulG SH) ausschlaggebend waren. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird daher zunächst gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die zutreffenden Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden, denen die Kammer folgt, Bezug genommen.

Diese Überlegungen hat die Antragsgegnerin nochmals in ihrer Erwiderungsschrift vom heutigen Tage bestätigt und zudem ergänzende Erläuterungen zum bisherigen schulischen Verhalten des Antragstellers gemacht, auf die die Kammer im Rahmen dieses Eilverfahrens allerdings nicht als maßgeblich abstellt. Bereits die in den angefochtenen Bescheiden aufgeführte Begründung stützt sich auf jeweils sachgerechte Gesichtspunkte. Die Bewertung, das Vorgehen des Antragstellers aufgrund der Vorbereitungshandlungen für sich und andere als schweres Fehlverhalten im Sinne von § 45 Abs. 4 SchulG SH zu gewichten, ist nicht willkürlich. Ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kann im vorliegenden Falle ebenfalls nicht bejaht werden, da sich die Maßnahme insgesamt am Erziehungsauftrag der Schule orientiert, zu dem es auch gehört, gerade im Interesse aller Schüler eine rechtzeitige und deutliche Maßregelung von Fehlverhalten vorzunehmen, damit dem einzelnen wie auch der Gemeinschaft bewußt gemacht wird, welches Verhalten nicht mehr als Bagatelle angenommen und toleriert wird und damit zugleich präventiv im Hinblick auf mögliche weitere (ggf. gravierendere) Verstöße zu wirken.

Soweit in der Verfügung vom 18. Oktober 2001 zugleich die Überweisung in eine andere Schule mit gleichem Bildungsabschluss (§ 45 Abs. 3 Nr. 5 SchulG SH) bei weiteren Verstößen gegen die Hausordnung angedroht wird, wird der Antragsteller dadurch nicht in seien Rechten verletzt, da diese Androhung mangels eigenständiger Regelung keinen Verwaltungsakt im Sinne von § 106 Landesverwaltungsgesetz - LVwG - darstellt (vgl. Urteil der Kammer vom 21. Juni 2001 - 9 A 144/00 -). Die darüber hinaus ausgesprochene Empfehlung, einen Schulwechsel vorzunehmen, entfaltet ebenfalls keine bindende Rechtswirkung gegenüber dem Antragsteller. Daher bedarf es insoweit keiner rechtlichen Auseinandersetzungen im Rahmen dieses Eilverfahrens.

Die Kostenentscheidung zu Lasten des Antragstellers folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 20 Abs. 3 iVm 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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