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Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 30.07.2001
Aktenzeichen: 9 B 23/01
Rechtsgebiete: VwGO, AuslG, LVwG SH


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5
AuslG § 8 Abs. 2 S. 2
LVwG SH § 116
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES VERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

Az.: 9 B 23/01

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Aufenthaltserlaubnis, § 80 Abs. 5 VwGO

hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht - 9. Kammer - am 30. Juli 2001 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 8.000,00 DM festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag, mit dem der Antragsteller die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Hinblick auf die Rücknahme einer Aufenthaltserlaubnis durch die Antragsgegnerin begehrt, hat keinen Erfolg.

Aufgrund der Heirat mit einer deutschen Staatsangehörigen im Dezember 1998 wurde dem Antragsteller eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, zuletzt am 19. Mai 2000 befristet bis zum 18. Mai 2002. Mit Bescheid vom 23. Januar 2001 nahm die Beklagte die vorgenannten Aufenthaltserlaubnis vom 19. Mai 2000 gemäß § 116 Landesverwaltungsgesetz - LVwG - rückwirkend auf den Zeitpunkt ihrer Erteilung zurück und ordnete gemäß § 80 Abs. 2 Ziffer 4 VwGO die sofortige Vollziehung der Rücknahme an. Ferner wurde unter Ziffer 3) des Bescheides die Abschiebung gemäß § 50 Abs. 1 AuslG - AuslG - angedroht und der Antragsteller unter Ziffer 4) aufgefordert, unverzüglich seinen Pass bei der Ausländerbehörde zu hinterlegen.

Dagegen legte der Antragsteller Widerspruch ein. Zugleich hat er um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht und beantragt, 1. die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs zu Ziffer 1) des Bescheides vom 23. Januar 2001 wiederherzustellen sowie 2. die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs zu Ziffer 3) und 4) jenes Bescheides anzuordnen.

Die Antragsgegnerin stützt sich im wesentlichen darauf, die Rücknahme der Aufenthaltserlaubnis sei rechtlich nicht zu beanstanden; denn die dem Antragsteller am 19. Mai 2000 erteilte Aufenthaltserlaubnis sei rechtswidrig, da sie entgegen § 8 Abs. 2 S. 2 AuslG erteilt worden sei. Der Antragsteller sei bereits durch Bescheid vom 14. August 1997 wirksam und bestandskräftig aus dem Bereich der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen worden.

Die Beteiligten streiten im wesentlichen darüber, ob jener Ausweisungsbescheid vom 14. August 1997 dem Antragsteller seinerzeit wirksam durch Niederlegung zugestellt worden ist.

Soweit der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs (gegen Ziffer 1) des angefochtenen Bescheides) bzw. die Anordnung der aufschiebenden Wirkung (hinsichtlich der Vollstreckungsmaßnahmen in Ziffer 3) und 4) des Bescheides) begehrt, ist sein Antrag zwar gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zulässig, aber nicht begründet.

Die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO ergeht auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Dabei können Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit oder die Rechtswidrigkeit des streitbefangenen Verwaltungsaktes Bedeutung erlangen. Erweist sich bei der im Eilverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung die angefochtene Verfügung als offensichtlich rechtmäßig, so führt dies regelmäßig zur Ablehnung des Antrags auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Ergibt die Prüfung, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, führt dies im Regelfall zur Stattgabe des Antrags, weil an der Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes kein überwiegendes öffentliches Interesse bestehen kann. Kann weder eine offensichtliche Rechtmäßigkeit noch eine offensichtliche Rechtswidrigkeit des streitbefangenen Verwaltungsaktes festgestellt werden, ist eine (reine) Interessenabwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers gegenüber dem öffentlichen Interesse am sofortigen Vollzug des Verwaltungsaktes vorzunehmen.

Im vorliegenden Fall spricht alles dafür, dass der streitbefangene Verwaltungsakt vom 23. Januar 2001 rechtmäßig ist, insbesondere dass die Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens der Antragsgegnerin aus den im angefochtenen Bescheid im einzelnen dargelegten Gründen, denen das Gericht folgt und auf die zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 117 Abs. 5 VwGO zunächst verwiesen wird, in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zurückgenommen worden ist.

Die vom Antragsteller bereits im Widerspruchsverfahren in den Mittelpunkt der rechtlichen Auseinandersetzung gestellte und in den im Eilverfahren eingereichten Schriftsätzen vertiefte Schlussfolgerung, es bestünden durchgreifende Zweifel an der Beweiskraft der Postzustellungsurkunde über eine ordnungsgemäße Zustellung jener Ausweisungsverfügung vom 14. August 1997, teilt das Gericht nicht.

Der Antragsteller beruft sich auf eine nicht ordnungsgemäße Zustellung der Ausweisungsverfügung als Folge von Veränderungen in der Zustellungsurkunde unter Hinweis auf Entscheidungen des VGH Kassel. Hierzu macht er geltend, mit blauem Kugelschreiber sei als Datum der Ausweisungsverfügung auf der Postzustellungsurkunde der 15. August 1997 eingetragen worden. Eine Verfügung mit diesem Datum sei aber nicht existent. Mit einem andersfarbigen Kugelschreiber sei dann das Datum auf der Zustellungsurkunde auf den 14. August 1997 geändert worden. Es sei nicht erkennbar, wann und durch wen diese Änderung vorgenommen worden sei.

Die Antragsgegnerin wendet in diesem Zusammenhang zutreffend ein, die vom Antragsteller im einzelnen benannten Entscheidungen des VGH Kassel könnten nicht mit Erfolg zur Begründung dafür herangezogen werden, dass die vorliegende Postzustellungsurkunde aufgrund eines formellen Mangels als zum Nachweis der angenommenen Zustellung ungeeignet einzustufen sei. Anders als in den vom VGH Kassel entschiedenen Fällen seien hier die notwendigen Angaben über den Empfänger sowie über den Ort und die Zeit der Zustellung weiterhin unzweifelhaft zu erkennen. Aus der Postzustellungsurkunde gehe eindeutig die Anschrift des Antragstellers hervor. Es sei die Geschäftsnummer mit 10.1.0 angegeben. Als weitere Kennzeichnung sei angeführt "Asyl, Ausweisung vom "..." August 1997". Zu der Veränderung des genauen Datums (vom 15. auf 14.) findet sich in den Verwaltungsakten der Antragsgegnerin ein Vermerk vom 26. Februar 2001, wonach der Unterzeichner des nunmehr angefochtenen Bescheides vom 23. Januar 2001 seinerzeit auf der Postzustellungsurkunde das Datum "15." eingetragen hatte. Als die Postzustellungsurkunde zur Antragsgegnerin zurück geschickt worden sei, habe sein Vorgesetzter festgestellt, dass der Ausweisungsbescheid das Datum "14" trage und daher die "5" in eine "4" umgewandelt.

Der hier zu entscheidende Fall ist nicht gleichzusetzen mit dem vom VGH Kassel im Urteil vom 12. September 1995 - 11 UE 1128/94 - (NJW 1996, S. 1075) entschiedenen Fall, in dem die Beweiskraft einer Postzustellungsurkunde als beeinträchtigt angesehen worden ist, da im Adressfeld ohne besondere Begründung Änderungen vorgenommen worden waren und danach nicht mehr zu erkennen war, wo der im Feld 7.1 jener Urkunde durch Ankreuzen beurkundete Zustellversuch unternommen worden und wo die im Feld 8.1 durch Ankreuzen beurkundete Hinterlassung einer Benachrichtigung erfolgt war. Die dort gezogene Schlussfolgerung, dass aufgrund jener vorgenannten Veränderungen im Adressfeld die Beurkundung nicht mehr ihren Zweck erfüllt habe, zweifelsfrei Beweis für den Zustellungsvorgang zu erbringen, ist nach den Gesamtumständen auf den hier vorliegenden Fall aber nicht zu übertragen; denn aus der Urkunde selbst sind alle relevanten Angaben hinsichtlich der Zustellung zu ersehen.

Der weitere Einwand des Antragstellers, es bestünden "durchgreifende Zweifel" an der Beweiskraft der Zustellungsurkunde "auch unter dem Aspekt, dass auf ihr vermerkt sei, die Benachrichtigung sei in den "Hausbriefkasten" eingelegt worden", es tatsächlich aber für den ihm zugewiesenen Container in der Asylunterkunft, in der er damals gewohnt habe, keinerlei "Hausbriefkasten" gegeben habe, führt nicht dazu, dass die Beweiskraft der Postzustellungsurkunde in Frage zu stellen wäre. Der Antragsteller hat durch das bloße Bestreiten des Vorhandenseins eines "Hausbriefkastens" an seinem damaligen Container den der Zustellungsurkunde als einer öffentlichen Urkunde zukommenden Beweiswert nicht nachhaltig erschüttert; vielmehr wertet das Gericht den diesbezüglichen Vortrag als reine Schutzbehauptung. Insbesondere hat der Antragsteller auch nicht ansatzweise dargelegt, wie er denn tatsächlich seine Post erhalten haben will. Dass ihm zu jener Zeit sehr wohl Schriftstücke/Mitteilungen zugegangen sind, belegt die Tatsache, dass ihm ausweislich einer weiteren in den Verwaltungsakten befindlichen Postzustellungsurkunde (Blatt 121 der Beiakte A) das in den Verwaltungsvorgängen (Bl. 119 der Beiakte A) befindliche Anhörungsschreiben - rechtliches Gehör - zur geplanten Ausweisung durch Niederlegung am 28. Juli 1997 zugestellt worden ist. Auch in jener Zustellungsurkunde ist - wie auch in der Zustellungsurkunde über die Niederlegung der Ausweisungsverfügung (die im übrigen auch nicht an die Antragsgegnerin zurückgeschickt worden ist) vom 21. August 1997 - in Nr. 7.1 hinsichtlich des Ortes des Zustellversuchs angekreuzt worden, ein solcher sei in der Wohnung des in der Anschrift bezeichneten Empfängers vorgenommen worden. Desgleichen findet sich unter Nr. 8.1 jener Zustellungsurkunde, die am 28. Juli 1997 niedergelegt worden war, die Angabe, eine Benachrichtigung über die vorzunehmende Niederlegung sei - wie bei gewöhnlichen Briefen üblich - in den Hausbriefkasten eingelegt worden. Jene Zustellung ist somit auf dieselbe Weise erfolgt, wie die hier im Streit stehende. Aufgrund jener Benachrichtigung, die ausweislich der Angaben des Postzustellers auch seinerzeit - wie bei gewöhnlichen Briefen üblich - in den Hausbriefkasten erfolgt war, hatte der Antragsteller jenes Schreiben vom 24. Juli 1997 (rechtliches Gehör) seinerzeit ganz offensichtlich bei der Post abgeholt; denn er hat sich schriftsätzlich unter dem 30. Juli 1997 - eingegangen bei der Antragsgegnerin am 07. August 1997 - daraufhin gegen die geplante Ausweisung ausgesprochen (Bl. 122 der Beiakte A).

Der Antragsteller hat im Rahmen dieses Eilverfahrens keinerlei Angaben dazu gemacht, wie es möglich sein konnte, dass er von jener damaligen Mitteilung, die ausweislich jener Postzustellungsurkunde in der selben Art und Weise erfolgt ist, wie nach den Angaben in der Postzustellungsurkunde über die Niederlegung der Ausweisungsverfügung, wie sie am 21. August 1997 erfolgt ist, Kenntnis erlangen konnte, dieses aber sodann bei einem weiteren Zustellversuch mittels einer ebensolchen Mitteilung ausgeschlossen gewesen sein sollte.

Da ein Nachweis, wer die Ausweisungsverfügung vom 14. August 1997 seinerzeit bei der Post abgeholt hat, heute nicht mehr anhand der Nachweishefte der Post geführt werden kann, weil diese Nachweishefte über niedergelegte Schriftstücke nach zwei Jahren jeweils vernichtet werden (so die entsprechende Mitteilung der Post, wie sie in einem Vermerk auf Blatt 209 der Beiakte B festgehalten ist), ist als maßgeblicher Anknüpfungspunkt weiterhin allein auf die Angaben in der Postzustellungsurkunde abzustellen. Aus jener Postzustellungsurkunde geht zweifelsfrei hervor, wer der Empfänger des dort angeführten Schriftstückes war, dessen Anschrift, der Ort des Zustellversuches wie auch die Art der Benachrichtigung über die vorzunehmende Niederlegung, das Datum des Zustellversuchs, der Zusteller wie auch das Datum der Niederlegung. Die Beurkundung ist nach alledem ordnungsgemäß erfolgt.

Da nach dem Vorgenannten das Antragsbegehren des Antragstellers, wie es unter Ziffer 1. seines Eilantrages geltend gemacht worden ist, keinen Erfolg hat, ist auch kein Raum für das unter Ziffer 2. seines Antrags geltend gemachte Begehren.

Die Kostenentscheidung zu Lasten des Antragstellers folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 S. 2 VwGO.

Ende der Entscheidung

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