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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 16.11.2007
Aktenzeichen: 2 Sa 24/07
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG, BGB, BRAO


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1
ArbGG § 12 a Abs. 1 Satz 1
BGB § 826
BRAO § 3 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Sächsisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes URTEIL

Az.: 2 Sa 24/07

Verkündet am 16. November 2007

In dem Rechtsstreit

hat das Sächsische Landesarbeitsgericht - Kammer 2 - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Herrn ... und Herrn ... auf die mündliche Verhandlung vom 16.11.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 30.11.2006 - 2 Ca 2196/06 - abgeändert:

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 1.482,94 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.10.2006 zu bezahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits insgesamt.

Revision ist nicht zugelassen.

Tatbestand:

In dem Berufungsverfahren streiten die Parteien noch darüber, ob die Beklagte dem Kläger die Kosten für die Zuziehung eines prozessbevollmächtigten Rechtsanwalts im Wege des Schadensersatzes zu erstatten hat.

Der Kläger war bei der Beklagten als Milchsammelwagen-Fahrer zu einem Stundenlohn in Höhe von 10,23 € brutto beschäftigt. Für Arbeiten in Spätschicht, Mehrarbeit, Nachtarbeit, Sonntagsarbeit sowie Feiertagsarbeit wurden Zuschläge bezahlt.

Beginnend mit August 2004 wurden lediglich noch ein Stundenlohn von 8,00 € brutto sowie gekürzte Zuschläge an den Kläger ausgezahlt. Die hiergegen erhobene Lohnklage führte beim Arbeitsgericht Bautzen zum Az. 2 Ca 2386/04 zur Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der Differenzbeträge.

Mit Schreiben der Beklagten vom 26.10.2004 erklärte diese dem Kläger zum 31.01.2005 eine Änderungskündigung mit dem Ziel der Absenkung des Stundenlohns auf 8,00 € brutto. Die dagegen gerichtete Kündigungsschutzklage hatte bei dem Arbeitsgericht Bautzen Erfolg. Die gegen dessen Urteil vom 03.02.2005 - 2 Ca 2410/04 - gerichtete Berufung der Beklagten wurde mit rechtskräftigem Urteil der erkennenden Berufungskammer vom 23.11.2005 - 2 Sa 231/05 - zurückgewiesen.

In dem Urteil ist ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur betriebsbedingten Änderungskündigung zur Entgeltreduzierung ausgeführt:

"Solche Gründe für die Reduzierung des Lohnes hat die Beklagte nicht dargetan. Es fehlt bereits an einem Plan, in Sonderheit an einem Sanierungsplan. Die Finanzlage des Betriebes und der Anteil der Personalkosten sind nicht dargestellt. Gerade Letzteres müsste möglich sein. Denn die Beklagte selbst bezieht sich auf Seite 3 ihrer Berufungsbegründung auf die Gesamtkostenstruktur, die allerdings nicht näher ausgeführt wird."

Weiter ist ausgeführt, dass die Änderungskündigung auch nicht aus Gründen der Gleichbehandlung aller Milchsammelwagen-Fahrer sozial gerechtfertigt sei, die sich nach dem Vorbringen der Beklagten - bis auf den Kläger und einen weiteren Mitarbeiter - mit der Abminderung des Stundenlohnes einverstanden erklärt hatten. Insoweit heißt es in dem Urteil:

"Dem Arbeitgeber, der mit einzelnen Arbeitnehmern einzelvertraglich eine höhere Vergütung vereinbart hat als sie dem betrieblichen Niveau entspricht, ist es verwehrt, die Vergütung unter Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz dem (niedrigeren) Entgelt der übrigen Arbeitnehmer anzupassen. Dies folgt schon aus dem Rechtssatz, dass beim Abschluss eines Arbeitsvertrages der Grundsatz der Vertragsfreiheit Vorrang vor dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz hat. Der Gleichbehandlungsgrundsatz dient allein der Begründung von Rechten, nicht aber zu deren Einschränkung (BAG vom 16.05.2002 a. a. O., m. w. N. [gemeint war eine vorstehend zitierte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zum Az. 2 AZR 292/01 - EzA § 2 KSchG Nr. 46])".

In dieser Situation stehen die Arbeitsvertragsparteien. Denn zwischen ihnen ist - nachdem die Beklagte mit anderen Milchsammelwagen-Fahrern eine niedrigere Vergütung vereinbart hat - die im Vergleich dazu höhere Vergütung vereinbart geblieben. Denn der Kläger hat sich auf die auch ihm angesonnene Reduzierung seines Lohnes nicht eingelassen. Demgegenüber ist es erklärtes Ziel der Beklagten, die Vergütung des Klägers im Wege der Änderungskündigung dem (nunmehr) niedrigeren Niveau der Vergütung der Milchsammelwagen-Fahrer anzupassen, was aber unzweifelhaft eine Einschränkung bedeutet.

Gegenteiliges lässt sich auch nicht damit begründen, dass die übrigen Milchsammelwagen-Fahrer nun wieder den höheren Lohn beanspruchen könnten, der dem Kläger für gleichwertige Tätigkeit gewährt wird. Denn zum einen ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass sie dies zu tun beabsichtigen. Zum anderen ist der Grundsatz 'gleicher Lohn für gleiche Arbeit' in der deutschen Rechtsordnung jedenfalls keine allgemeingültige Anspruchsgrundlage, sondern bedarf - wie etwa über § 612 Abs. 3 BGB erfolgt (Entgeltdifferenzierung wegen des Geschlechts) - der gesetzlichen Umsetzung (vgl. BAG vom 21.06.2000 - 5 AZR 806/98 - EzA § 242 BGB Gleichbehandlung Nr. 83). Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz kann nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten nicht verletzt sein, weil sie das Vorliegen eines sachlichen Grundes für Lohneinschränkungen (Sicherung des Arbeitsplatzes) reklamiert. Jedenfalls sind jetzt und hier (auch nur etwaige) Forderungen anderer Milchsammelwagen-Fahrer nicht im Streit.

Nach dem Vorstehenden kann im Übrigen unerörtert bleiben, ob sich auf ein Gebot zur Gleichbehandlung berufen kann, wer selbst durch Vereinbarung mit Dritten ein unterschiedliches Lohngefüge erst herbeigeführt hat."

Rechtsmittel gegen dieses Urteil hat die Beklagte nicht ergriffen.

Für die folgenden Monate musste der Kläger weitere Lohnklagen erheben, da eine freiwillige Zahlung der vereinbarten 10,23 € brutto Grundlohn nicht erfolgte.

So wurde für die Zeit von Januar 2005 bis einschließlich Dezember 2005 unter dem Az. 2 Ca 2181/05 vor dem Arbeitsgericht Bautzen prozessiert. Es erging ein Anerkenntnisurteil.

Für die Zeit von Januar 2006 bis einschließlich April 2006 erging ebenfalls ein Anerkenntnisurteil des Arbeitsgerichts Bautzen zum Az. 2 Ca 2094/06.

Letztmalig wurde Lohnklage für die Zeit ab Mai 2006 erhoben. Dies betraf die im hiesigen Ausgangsverfahren vor dem Arbeitsgericht Bautzen unter dem Az. 2 Ca 2196/06 streitgegenständlichen Lohnforderungen. Mit Datum vom 29.08.2006 sowie mit Datum vom 30.11.2006 ergingen Teil-Anerkenntnisurteile des Arbeitsgerichts zugunsten des Klägers hinsichtlich des Streitzeitraums Mai 2006 bis September 2006.

Mit dieser letztgenannten Lohnklage wurden im Ersten Rechtszug erweiternd Forderungen auf Erstattung der Anwaltskosten im Wege des Schadensersatzes geltend gemacht. Dies betraf Kosten für das Verfahren vor dem Arbeitsgericht Bautzen zum Az. 2 Ca 2094/06 in Höhe von 706,96 € sowie Anwaltskosten für die Lohnklage des Ausgangsverfahrens über 775,98 €.

Die Summe dieser Forderungen - 1.482,94 € - ist die Hauptforderung dieses Berufungsverfahrens.

Der Kläger hat vorgetragen, dass die Beklagte bewusst vollständige Zahlungen unterlassen habe, um ihn unter bewusster Ausnutzung des Ausschlusses der Kostenerstattung für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten nach § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG zu schädigen, weil er sich gegen die Lohnkürzung - auch wiederholt - zur Wehr gesetzt habe.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.482,94 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.10.2006 zu bezahlen.

Die Beklagte hat

Klageabweisung

beantragt.

Sie hat vorgebracht, ihr Verhalten sei durch nachvollziehbare betriebliche Gründe motiviert, die mit den finanziellen Verhältnissen des Klägers und seinem Budget für Anwaltskosten nicht das Geringste zu tun hätten. Im Übrigen betreibe nicht sie die Prozesse, sondern der Kläger.

Das Arbeitsgericht hat durch das mit der Berufung angefochtene Schlussurteil der Sache nach die über die Teil-Anerkenntnisurteile hinausgehende (weitergehende) Schadensersatzklage abgewiesen und den Kläger mit einem Drittel der Kosten des Rechtsstreits und die Beklagte mit dessen übrigen Kosten belastet.

Der Kläger hat gegen das ihm am 21.12.2006 zugestellte Urteil am 12.01.2007 Berufung eingelegt und ausgeführt.

Der Kläger bleibt bei seiner bereits im Ersten Rechtszug vertretenen Auffassung, wonach ihm die Beklagte die Erstattung der Anwaltskosten im Wege des Schadensersatzes schulde. Diese Kosten stellten sich für ihn als ein Schaden dar, den ihm die Beklagte durch ihr Verhalten in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich zugefügt habe.

Auf den Gang zu einer mehr als 100 km von seinem Wohnsitz entfernten Rechtsantragstelle eines Arbeitsgerichts könne er nicht verwiesen werden.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bautzen vom 30.11.2006 - 2 Ca 2196/06 - zu verurteilen, an ihn 1.482,94 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.10.2006 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt

die Zurückweisung der Berufung.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs lägen nicht vor. Insbesondere fehle es an einer sittenwidrigen Schadenszufügung. Ohne einen teilweisen Lohnverzicht der Milchsammelwagen-Fahrer wäre es zu einer Ausgliederung deren Tätigkeit gekommen. Durch die Auszahlung des reduzierten Lohns appelliere sie - die Beklagte - an die Moral des Klägers, sich nicht innerhalb der Gruppe der Milchsammelwagen-Fahrer auf Kosten der anderen besserzustellen.

Die Beklagte ist auch der Meinung, dass der Kläger keinen Rechtsanwalt hätte zuziehen müssen.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens beider Parteien und der von ihnen geäußerten Rechtsansichten wird auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung ist begründet. Denn die - ihrerseits zulässige - Schadensersatzklage ist in dem durch die Kammer ausgeurteilten Umfang ihrerseits begründet.

Der Kläger kann von der Beklagten die Erstattung der streitgegenständlichen Kosten für die Zuziehung eines prozessbevollmächtigten Rechtsanwalts im Wege des Schadensersatzes aus § 826 BGB verlangen. Deshalb besteht auch der ausgeurteilte gesetzliche Zinsanspruch.

1. Nach § 826 BGB ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den er ihm in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich zufügt.

a) Die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 826 BGB ist hier nicht aufgrund arbeitsgerichtlicher Besonderheiten über die Kostentragungspflicht ausgeschlossen.

Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO gilt, dass die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Kläger erwachsenen Kosten zu erstatten hat, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind der obsiegenden Partei u. a. und prinzipiell die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts "in allen Prozessen" zu erstatten.

Demgegenüber besteht nach § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG in Urteilsverfahren des Ersten Rechtszugs kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten.

§ 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG entfaltet nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vom 30.04.1992 - 8 AZR 288/91 - EzA § 12 a ArbGG 1979 Nr. 9) auch materiell-rechtliche Wirkung und schränkt nicht nur den prozessualen Kostenerstattungsanspruch ein. Der Annahme eines nach materiell-rechtlichen Normen ersatzfähigen Schadens in Höhe der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten steht nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (a. a. O.) § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG entgegen.

Allerdings kommt nach der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (a. a. O.) eine sog. teleologische Reduktion der genannten Vorschrift in Betracht, wenn deren Anwendung zu zweckwidrigen Ergebnissen führte. Dies wäre dann der Fall, wenn gerade der teilweise Ausschluss der Kostenerstattung der "Verbilligung" des Arbeitsrechtsstreits entgegenwirkte. Eine derartige Konstellation wäre festzustellen, wenn die Regelung des § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG bewusst missbraucht würde, um dem Gegner konkreten Schaden zuzufügen. Der Rechtsstreit müsste dazu in der Absicht geführt werden, dem Gegner die Kosten seines Prozessbevollmächtigten aufzubürden.

Maßgebend ist im Ergebnis, ob die Voraussetzungen des § 826 BGB in dieser Interpretation des Bundesarbeitsgerichts im konkreten Einzelfall vorliegen. Denn dann sind die Kosten für die Zuziehung des prozessbevollmächtigten Rechtsanwalts im Wege des Schadensausgleichs zu regulieren.

b) Hier liegen die Voraussetzungen des § 826 BGB in der durch das Bundesarbeitsgericht (a. a. O.) vorgenommenen Auslegung vor.

(1) Die Beklagte hat Passivprozesse gegen den Kläger um Lohnforderungen in Kenntnis der Tatsache geführt, dass die Rechtsordnung die einseitige Herabsetzung des Stundenlohns des Klägers nicht erlaubt.

Dies ist entschieden zu missbilligen, nachdem der Beklagten die Rechtslage durch rechtskräftiges Urteil betreffend die Änderungskündigung unter Berücksichtigung ihre sämtlichen Ziele und Motive bereits hinreichend deutlich gemacht war.

Gleichwohl zwang sie den Kläger in Lohnprozesse hinein, die sie (mit einer Ausnahme) durch Anerkenntnis der Forderung abschloss. Dieses prozessuale Verhalten zeigt, dass die Beklagte über keine rechtlich beachtenswerten Argumente verfügte, die eine fortlaufende Lohnminderung rechtfertigten. Genau genommen verlässt die Beklagte absichtlich und in Kenntnis sämtlicher Rechtsfolgen die Rechtsordnung, auf deren Einhaltung sie im Zweifel sonst - und zwar vollkommen zu Recht - pocht, wenn ihre eigenen Anliegen betroffen sind.

Damit konnte es nach Lage der Dinge der Beklagten eigentlich nur noch darum gehen, den Kläger "weichzukochen" und ihn zum Verzicht auf Lohnteile zu bringen. Dies kam einer schikanösen Maßregelung (§§ 226, 612 a BGB) gleich.

Insbesondere ist das Verhalten der Beklagten nicht deshalb zu billigen, weil diese gewisse Signale an die anderen Milchwagenfahrer senden oder den Kläger zur Einhaltung von Solidarität hat bringen wollen. Denn der Kläger weiß aufgrund rechtskräftigen Urteils, dass sich die Beklagte bewusst vertragswidrig verhält. Und gegenüber den anderen Fahrern wäre es ein Leichtes, auf den verlorenen Rechtsstreit zu verweisen.

Eine offene Missachtung der Rechtsordnung und von Gerichtsentscheidungen ist demgegenüber in diesem Zusammenhang völlig inakzeptabel.

Als Summe kann es der Beklagten überhaupt nur noch darum gegangen sein, den Kläger in kostenträchtige Prozesse zu zwingen.

(2) Der Beklagten sind die tatsächlichen Umstände, die die Sittenwidrigkeit hier begründen, auch bekannt.

Das die Änderungskündigung betreffende und rechtskräftig gewordene Berufungsurteil der Kammer wurde ihr prozessordnungsgemäß und mit Entscheidungsgründen versehen vollständig ausgefertigt zugestellt. Aus den Entscheidungsgründen konnte die Beklagte vor Aufnahme ihres schadensbegründenden Verhaltens entnehmen, dass ihr Rechtsstandpunkt unhaltbar ist. Dennoch hat sie sich weiter dieses bereits verworfenen Rechtsstandpunktes berühmt.

(3) Die Beklagte hat dem Kläger auch Schaden dadurch zugefügt, dass sie ihn in die Aufnahme von Prozessen unter Hinzuziehung eines bevollmächtigten Rechtsanwalts getrieben hat.

(4) Die Beklagte hat auch vorsätzlich gehandelt.

Schädigungsvorsatz i. S. des § 826 BGB erfordert das Bewusstsein, dass das Handeln die ernstliche Möglichkeit des schädigenden Erfolges haben werde. Der Vorsatz braucht sich zwar nicht auf den genauen Kausalverlauf und den Umfang des Schadens erstrecken, muss jedoch die gesamten Schadensfolgen sowie Richtung und Art des Schadens umfassen. Es genügt, dass der Ersatzpflichtige den entstandenen Schaden zumindest bedingt vorsätzlich zugefügt hat. Bedingter Vorsatz ist zu bejahen, wenn der Schädiger das Bewusstsein hat, dass infolge seines Tuns oder Unterlassens der andere der Gefahr eines Schadens ausgesetzt wird, und wenn er diesen möglichen Schaden für den Fall des Eintritts billigend in Kauf nimmt, mag er ihn auch nicht wünschen (vgl. BGH vom 11.11.2003 - VI ZR 371/02 - NJW 2004, 446, unter Zusammenfassung der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen).

So war dies hier. Die Beklagte wusste aus dem um die Änderungskündigung geführten Prozess darum, dass der Kläger zur Wahrung seiner arbeitsrechtlichen Angelegenheiten einen Rechtsanwalt zuzieht und auch prozessbevollmächtigt. Nicht unbekannt ist der Beklagten auch, dass rechtsanwaltliche Leistungen nicht kostenlos zu erhalten sind. Klar war ihr auch, dass der Kläger im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren im Ersten Rechtszug auf seinen Anwaltskosten sitzen bleiben würde, denn diese waren ihr in der Vergangenheit auch nicht in Rechnung gestellt worden.

Durch die Ablehnung der vollständigen Erfüllung des Lohnanspruchs hat es die Beklagte damit billigend in Kauf genommen, dass dem Kläger erneut und weiter Anwaltskosten entstehen würden.

2. Zu ersetzen ist dem Kläger sein Schaden.

Das betrifft hier den Ersatz der in rechnerischer Höhe nicht strittigen Rechtsanwaltsvergütung, mithin die Hauptforderung.

Hier führt auch nicht ein Mitverschulden des Klägers (§ 254 Abs. 1 und 2 BGB) zu einem Ausschluss oder zu einer Minderung des Schadensersatzanspruchs.

Der Kläger kann nicht darauf verwiesen werden, dass er eine von seinem Wohnort mehr als 100 km entfernte Rechtsantragstelle eines Arbeitsgerichts hätte aufsuchen müssen. Denn dazu hätte der Kläger - die Aufgabe von Repliken bei der Antragstelle eingerechnet - leicht eine ganze Arbeits- oder Urlaubswoche aufwenden müssen.

Der Kläger kann auch nicht darauf verwiesen werden, dass es nicht der Hinzuziehung eines prozessbevollmächtigten Rechtsanwalts bedurft hätte. Auch diese Auffassung der Beklagten steht mit der Rechtsordnung nicht im Einklang. § 3 Abs. 3 der Bundesrechtsanwaltsordnung bestimmt ausdrücklich, dass jedermann im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften das Recht hat, sich in Rechtsangelegenheiten aller Art durch einen Rechtsanwalt seiner Wahl beraten und vor Gerichten, Schiedsgerichten oder Behörden vertreten zu lassen. Der Kläger hat nichts anderes getan, als dieses auch ihm zustehende Recht wahrzunehmen.

Hinzu kommt, dass die Beklagte sich vor dem Arbeitsgericht sogar stets durch gleich zwei ihrer Justitiare hat vertreten lassen. Allein dieser Umstand hätte möglicherweise sogar eine Anwaltsbeiordnung durch das Gericht aufgrund der Regelung in § 11 a Abs. 1 Satz 2 ArbGG gerechtfertigt und verbietet jedenfalls, dem Kläger die Inanspruchnahme qualifizierter juristischer Hilfe seinerseits auch noch abzusprechen.

II.

Die aus diesem Urteil ersichtliche "weitere" Verurteilung rechtfertigt sich daraus, dass die Beklagte aufgrund der erstinstanzlichen beiden Anerkenntnisurteile in dieser Sache bereits zweimal verurteilt ist.

In Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils trägt die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits aufgrund der Regelung in § 91 Abs. 1 ZPO nunmehr auch insgesamt, weil sie in vollem Umfang unterlegen ist.

Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil es an Gründen hierfür fehlt.

Ende der Entscheidung

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