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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 21.08.2002
Aktenzeichen: 2 Sa 312/01
Rechtsgebiete: GG, TVG, ArbGG


Vorschriften:

GG Art. 9 Abs. 3
TVG § 3 Abs. 2
ArbGG § 97 Abs. 5 Satz 1
Das sog. Spezialitätsprinzip ist ein Ordnungs-, kein Rechtsprinzip. Ein Flächen- bzw. Verbandstarifvertrag (hier: mit der IG Metall) wird nicht durch einen Firmen- bzw. Haustarifvertrag verdrängt, den eine tariffähige und an den Flächen- bzw. Verbandstarifvertrag gebundene Partei mit einer dritten Koalition (hier: der CGM) schließt.
Sächsisches Landesarbeitsgericht BESCHLUß

2 Sa 312/01

Chemnitz, 21.08.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 2. Kammer des Sächsischen Landesarbeitsgerichts durch ihren Vorsitzenden, den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ..., ohne weitere mündliche Verhandlung am 21.08.2002 beschlossen:

Tenor:

1. Der Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt.

2. Das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 09.02.2001 - 7 Ca 7292/00 - ist wirkungslos.

3. Die Kosten im Ersten Rechtszug werden gegeneinander aufgehoben. Ausgenommen hiervon sind die durch die Urkunde der Notarin ... ... der Klägerin außergerichtlich sowie die durch die Vernehmung des Zeugen ... im Termin vom 09.02.2001 entstandenen Kosten, welche die Klägerin (selbst) zu tragen hat.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte. Ausgenommen hiervon sind die durch die Ladung der Zeugen ..., ..., ..., ... sowie ... zu der Berufungsverhandlung vom 06.03.2002 verursachten Kosten. Diese trägt die Klägerin.

4. Die Rechtsbeschwerde ist für beide Parteien zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien haben auf den Antrag der klagenden Gewerkschaft darüber gestritten, ob die Beklagte die Anwendung näher bezeichneter arbeitsvertraglich vereinbarter Regelungen für ihre Arbeitnehmer zu unterlassen hat. Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist jetzt noch über die prozessualen Folgen zu erkennen.

Klägerin ist die .... Die beklagte ... betrieb eine Gießerei und beschäftigte 202 Arbeitnehmer, darunter unstreitig vier Mitglieder der Klägerin sowie ein Mitglied der ....

Für die Mitglieder der Klägerin galten eine Reihe von Tarifverträgen, welche sie mit dem ..., deren Mitglied die Beklagte war, abgeschlossen hatte.

Mit Schreiben des ... vom 26.04.2000 teilte dieser der Klägerin mit, daß die Beklagte nicht mehr Mitglied ihres Verbandes sei. Nachdem die Parteien zunächst über einen Firmentarifvertrag verhandelten, der jedoch nicht zustande kam, gab die Beklagte mit Schreiben vom 31.05.2000 an alle Mitarbeiter ihres Unternehmens einen ohne Mitwirkung des Betriebsrates erstellten Vereinbarungsentwurf heraus. In diesem teilte die Beklagte zunächst mit, daß sie aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten und daher nicht mehr tarifgebunden sei. Ferner wurde jedem Arbeitnehmer der Abschluß eines Änderungsvertrages angetragen, dessen Regelungen gegen eine Arbeitsplatzgarantie für die Arbeitnehmer ungünstigere Regelungen vorsahen als die in Tarifverträgen mit dem ... enthaltenen.

Mehr als 90 % aller Arbeitnehmer waren mit der Änderung ihrer Arbeitsverträge einverstanden.

Unter dem 26.09.2000/09.10.2000 schloß die Beklagte mit der ... einen Haustarifvertrag, der im wesentlichen die Regelungen der Änderungsverträge enthält.

Die Klägerin hat bei dem Arbeitsgericht Bautzen die Unterlassung der Anwendung der in den Änderungsverträgen enthaltenen Regelungen - da tarifwidrig - erstrebt. Sie hat vorgetragen, daß sich unter den 202 beschäftigten Mitarbeitern 185 ihrer eigenen Mitglieder befänden. Diesen Anspruch hat sie im Ersten Rechtszug zuletzt auf sämtliche Beschäftigte erstreckt, soweit nicht Mitglied der .... Dem zwischen der Beklagten und der ... geschlossenen Haustarifvertrag komme gegenüber den von ihr, der Klägerin, geschlossenen Tarifverträgen keine verdrängende Wirkung zu.

Die Beklagte hat sich im wesentlichen auf die Unzulässigkeit der Verfahrensart, die - mangels Bestimmtheit - Unzulässigkeit des Unterlassungsantrages, die verdrängende Wirkung des Haustarifvertrages sowie den Umstand bezogen, daß die Arbeitnehmer mit Blick auf die Arbeitsplatzgarantie im Ergebnis nur begünstigt seien.

Nach bestandskräftig gewordener Entscheidung über die Zulässigkeit der Verfahrensart hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Bezogen auf die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer bestehe ein Unterlassungsanspruch von vornherein nicht. Im übrigen sei für die Lösung des sich aus der Existenz mehrerer Tarifverträge ergebenden Konkurrenzproblems nach der Zahl der an die konkurrierenden Tarifwerke gebundenen Personen zu entscheiden.

In Anwendung dieses Maßstabes hat das Arbeitsgericht nach Verwertung einer Urkunde der Notarin ... ... und der Vernehmung des Zeugen ... nicht feststellen können, daß die Behauptung der Klägerin zur Zahl ihrer Mitglieder im Betrieb der Beklagten zutreffe, es sich mithin bei den von ihr geschlossene Tarifverträge nicht um diejenigen handelte, an welche die größere Zahl von Arbeitnehmern im Betrieb gebunden sei.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 07.03.2001 zugestellte Urteil am 09.04.2001, einem Montag, Berufung eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Frist für die Begründung der Berufung bis 09.06.2001 am 11.06.2001, einem Montag, ausgeführt.

In der Berufungsbegründung hat die Klägerin ihren im Ersten Rechtszug abgewiesenen Schlußantrag angekündigt, ihr Vorbringen wiederholt und der ... die Gewerkschaftseigenschaft abgesprochen.

Daraufhin wurden auf ihren Antrag zu der Berufungsverhandlung vom 06.03.2002 vorsorglich die ..., der ..., der ..., der ... sowie die ... als Zeugen zu dem vorsorglichen Beweisthema "Anzahl der bei der Berufungsbeklagten, der ..., beschäftigten Mitglieder der Berufungsklägerin, der ..." geladen. Gleichzeitig wurde angeordnet, daß die Zeugen Aufzeichnungen und Unterlagen (falls vorhanden) einzusehen und zu dem Termin mitzubringen haben, soweit es die Aussage über ihre Wahrnehmungen erleichtert.

Vor der Berufungsverhandlung geschah folgendes: Nachdem die Beklagte in "..." umfirmiert hatte, übertrug sie ihren Gießereibetrieb in ... (also den, für welche Arbeitnehmer die strittigen Regelungen getroffen worden waren) durch Vertrag vom 20.08.2001 im Wege der Ausgliederung auf die ..., die seither Arbeitgeberin der Beschäftigten ist, um deren arbeitsvertragliche Regelungen es hier geht. Die Beklagte selbst wurde nach der genannten zwischenzeitlichen Umfirmierung im Dezember 2001 auf die ... verschmolzen und ist hierdurch erloschen.

Zu der Berufungsverhandlung vom 06.03.2002 sind sämtliche geladene Zeugen erschienen.

Die Klägerin hat sodann den angekündigten Antrag gestellt, jedoch mit der Maßgabe, daß dieser sich auf ihre Mitglieder beschränke.

Daraufhin wurden sämtliche Zeugen unvernommen entlassen.

Danach kam es zu einer weiteren Beschränkung auf die im Betrieb ... beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, nicht aber zu einer durch die Beklagte angeregten Umstellung der Klage auf die ....

Nach einem der Klägerin zum Ende der Berufungsverhandlung nachgelassenen Schriftsatzrecht erklärte diese den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, weil die Arbeitnehmer auf die nicht tarifgebundene ... übergegangen seien. Dem hat die Beklagte - ebenfalls schriftsätzlich - zugestimmt. Dabei haben beide Seiten gegensätzliche Kostenanträge gestellt.

Danach hat die Klägerin eine Berichtigung des Passivrubrums auf die ... beantragt, auch dieser gegenüber Erledigungserklärung abgegeben, dies aber nach gerichtlichem Hinweis sowie gegensätzlicher Stellungnahme der Beklagten fallen lassen.

Wegen der Einzelheiten des tatsächlichen Vorbringens beider Parteien sowie der von ihnen geäußerten Rechtsansichten wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Dieser Beschluß ist von dem Vorsitzenden aufgrund der Regelung in § 64 Abs. 7 i. V. m. § 53 Abs. 1 Satz 1 ArbGG allein zu erlassen. Denn die hier getroffene Entscheidung ergeht nicht aufgrund der durchgeführten Berufungsverhandlung, und es ist auch keine weitere mündliche Verhandlung vorgeschrieben (vgl. § 91 a Abs. 1 Satz 2 ZPO in der aufgrund § 26 Nr. 5 EGZPO anwendbaren - jetzt nicht mehr existenten - Fassung, nachdem die mündliche Verhandlung, auf die das angefochtene Urteil erging, vor dem 01.01.2002 geschlossen worden ist). Für erledigt erklärt worden ist der Rechtsstreit schriftsätzlich erst nach der Berufungsverhandlung. In dieser selbst hatten noch keine korrespondierenden Erledigungserklärungen vorgelegen.

Das Verfahren ist auch nicht aufgrund der Regelung in § 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG deshalb auszusetzen, weil neuerdings die Frage der Tariffähigkeit (der Gewerkschaftseigenschaft) der ... (wieder) in Streit steht und hierzu ein Beschlußverfahren anhängig ist. Denn Voraussetzung für eine Aussetzung wäre, daß die Entscheidung des Rechtsstreits von der Tariffähigkeit der ... abhinge. Zu einer Entscheidung des Rechtsstreits kommt es jedoch nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen im Rahmen einer Kostenent-scheidung nach § 91 a ZPO nicht mehr. Außerdem wären - wie aus den nachstehenden Gründen ersichtlich ist - die zwischen der Klägerin und dem ... geschlossenen Tarifverträge von einem Haustarifvertrag zwischen der Beklagten und der ... auch dann nicht verdrängt worden, wenn diese tariffähig wäre.

1.

Mit Blick auf die übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien ist festzustellen, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.

2.

Des weiteren ist entsprechend der nach § 26 Nr. 5 EGZPO hier weiter (entsprechend) anwendbaren Regelung in § 269 Abs. 3 ZPO a. F. auszusprechen, daß das angefochtene Urteil wirkungslos ist.

3.

Weiter ist die aus Ziffer 3 des Tenors dieses Beschlusses ersichtliche Kostenentscheidung zu treffen:

Haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen (durch Beschluß), vgl. die - durch die Zivilprozeßreform unverändert gebliebene Regelung - in § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Danach gilt hier folgendes:

a) Die Sach- und Rechtslage ist zugunsten der Klägerin dadurch geprägt, daß das Bundesarbeitsgericht Unterlassungsansprüche einer Koalition der geltend gemachten Art anerkennt (BAG vom 20.04.1999 - 1 ABR 72/98 -, AP Nr. 89 zu Art. 9 GG). Auch hat die Klägerin mit dem Urteilsverfahren die zulässige Verfahrensart gewählt. Das Bundesarbeitsgericht hält das Beschlußverfahren für die zulässige Verfahrensart nur dann, wenn der Betriebsrat an tarifvertragswidrigen Regelungen in irgendeiner Weise beteiligt war (vgl. BAG vom 20.04.1999, a. a. O., vom 13.03.2001 - 1 AZB 19/00 -, AP Nr. 17 zu § 2 a ArbGG 1979). Hier hat sich jedoch der für den Betrieb der Beklagten errichtete Betriebsrat einer Beteiligung enthalten. Darüber hinaus hat hier das Arbeitsgericht mit bestandskräftigem Beschluß das Urteilsverfahren für die zulässige Verfahrensart erklärt. Auch sind die angekündigten und verhandelten Anträge jeweils hinreichend bestimmt gewesen. Sie geben inhaltlich nur das wieder, was die Beklagte ihren Arbeitnehmern selbst angesonnen hat. Mit der Untersagung einer Anwendung bestimmter Regelungen steht sie nicht anders da, als wäre ein von ihr herrührender Antrag (im rechtsgeschäftlichen Sinne) abgelehnt worden. Auch dann hätte sie gewußt, was sich nicht realisieren läßt. Ein kongruenter Unterlassungsbefehl macht gerade dies nur noch einmal deutlich und ist damit bestimmt.

Zur Sache gilt des weiteren, daß im Rahmen eines Günstigkeitsvergleichs die Arbeitsplatzgarantie keine Berücksichtigung finden können soll (so BAG vom 20.04.1999, a. a. O.). Damit waren hier andere abweichende Abmachungen von den Tarifverträgen nicht zulässig (vgl. § 4 Abs. 3 TVG).

Ebenfalls zur Sache und zugunsten der Klägerin gilt, daß der zwischen der Beklagten und der ... geschlossene Haustarifvertrag die zwischen der Klägerin und dem ... geschlossenen Tarifverträge nicht verdrängen (und damit die bereits zuvor eingetretene tarifwidrige Situation heilen) konnte. Es ist zwar richtig, daß nach der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts Firmentarifverträge (damit auch sog. Haustarifverträge) gegenüber Verbandstarifverträgen "stets" die speziellere Regelung darstellen sollen (BAG vom 22.04.1999 - 1 AZR 631/98 -, AP Nr. 12 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt; vom 20.03.1991 - 4 AZR 455/90 -, AP Nr. 20 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; vom 24.01.2001 - 4 AZR 655/99 -, AP Nr. 173 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie; vom 04.04.2001 - 4 AZR 273/00 -, JURIS). Richtig ist auch, daß nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Firmentarifvertrag einem Flächentarifvertrag (bzw. einem Verbandstarifvertrag) auch dann vorgeht, wenn er Regelungen des Flächentarifvertrages zu Lasten der Arbeitnehmer verdrängt (BAG vom 24.01.2001, a. a. O.). Diese Entscheidungen sind jedoch auf den vorliegenden Streitfall nicht übertragbar. Denn nach den zugrunde liegenden Sachverhalten waren die betroffenen Arbeitnehmer entweder Mitglieder der Gewerkschaft, die auch den Verbandstarifvertrag abgeschlossen hatte (BAG vom 20.04.1999, a. a. O., vom 24.01.2001, a. a. O., vom 04.04.2001, a. a. O.) oder es war an dem Firmentarifvertrag wenigstens die Gewerkschaft beteiligt, die auch den Verbandstarifvertrag mit abgeschlossen hatte (BAG vom 20.03.1991, a. a. O.). Weder das eine noch das andere ist hier der Fall. Gegen die Übertragbarkeit streiten auch neuere Äußerungen des Bundesarbeitsgerichts selbst. So heißt es im Urteil vom 04.04.2001 (a. a. O.) beispielsweise, daß auch kritische Stimmen zum Spezialitätsprinzip einräumten, daß dieser Grundsatz in Betracht komme, wenn die Tarifkonkurrenz auf der Existenz eines Verbands- und Firmentarifvertrages einer (Unterstreichung durch das Gericht) Gewerkschaft in einem Betrieb beruhe. Ein anderes Verständnis ist in der Tat aus Rechtsgründen nicht möglich. Bei dem Spezialitätsprinzip handelt es sich bestenfalls um ein Ordnungs-, nicht aber um ein Rechtsprinzip. Auch Tarifverträge sind - wie schon der Name sagt - Verträge. Sie verändern sich schon aus Gründen des Vertragsrechts nicht deshalb, weil eine tariffähige tarifgebundene Partei mit einer Dritten andere (weitere, abweichende) Tarifverträge schließt, zumal nachträglich und dann - wie hier -, um günstigere Tarifbedingungen zu erlangen. Nicht ein Verbandstarifvertragsschluß würde im übrigen noch Sinn machen, wenn Verbandsmitglieder mit Dritten ungehindert abweichende Tarifverträge schließen könnten, die das Ergebnis des Verbandstarifvertrages konterkarieren und dessen sich aus allein ihm selbst sowie den Bestimmungen des Tarifvertragsgesetzes ergebende Geltungsdauer verändern. Eine derartige Sichtweise stünde weder im Einklang mit der durch Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes gestützten positiven Koalitionsfreiheit der Klägerin noch mit der durch eben jene Bestimmung ebenfalls garantierten positiven individuellen Koalitionsfreiheit ihrer Mitglieder. Solche wurden auch nach den drei jüngsten der zitierten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts dem Firmentarifvertrag nur unterworfen, wenn (man muß hinzufügen: weil) sie Mitglied der vertragschließenden Gewerkschaft waren. Bei fehlender Mitgliedschaft können auch danach Arbeitnehmer keinen Tarifverträgen einer "fremden" Gewerkschaft unterworfen werden. Ebensowenig werden sie allerdings von den für sie abgeschlossenen Verbandstarifverträgen "entkleidet", nur weil die Beklagte mit einer dritten Gewerkschaft für deren Mitglieder auf Hausebene kontrahiert. Daraus ergibt sich bestenfalls die unterschiedliche Verpflichtung aus mehreren Tarifverträgen, nicht aber ein - wie immer man ihn wortschöpferisch bezeichnen mag und wie auch immer zu lösender - Rechtsanwendungskonflikt. Ein solcher würde sich nur einstellen, wenn die Beklagte zum selben Regelungssubstrat (etwa Lohn, Arbeitszeit) mit demselben Vertragspartner, dem sie auch nach Verbandsaustritt aus § 3 Abs. 2 TVG noch verpflichtet ist, unterschiedliche Abmachungen getroffen hätte.

Nach dem Vorstehenden hatte die Klage hohe Erfolgsaussichten. Das erledigende Ereignis ist ausschließlich aus der gesellschaftsrechtlichen Sphäre der Beklagten gesetzt worden.

b) Allerdings sind bei der Kostenverteilung Billigkeitsgesichtspunkte zu berücksichtigen:

(1) Die Kosten des ersten Rechtszugs sind gegeneinander aufzuheben. Dies gilt nach § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO dann, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt.

Hier hatte die Klägerin noch einen Globalantrag gestellt, der auch die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer mit einschloß. Zwar soll dies nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20.04.1999 (a. a. O.) möglich sein, jedoch nur dann, wenn der Arbeitgeber nach seiner Zielvorgabe entsprechende Vereinbarungen keinesfalls allein mit den Tarifaußenseitern treffen wollte, sondern nur zu einer Regelung bereit war, die sich unabhängig von der Tarifbindung auf die gesamte Belegschaft oder bestimmte Teile derselben erstreckt.

Derartiges nachzuweisen ist der Klägerin nach dem Ergebnis des erstinstanzlichen Urteils und den diesbezüglichen Entscheidungsgründen, auf die Bezug genommen wird, nicht gelungen. Der Beweisantritt durch notarielle Erklärung war zwar zulässig (BAG vom 25.03.1992 - 7 ABR 65/90 -, AP Nr. 4 zu § 2 BetrVG 1972). Das Gericht konnte den Inhalt der Erklärung hier jedoch ebenso würdigen, wie es dies auch mit der Aussage des Zeugen ... getan hat.

Da die Zahl der Mitglieder der Klägerin im Betrieb der Beklagten strittig geblieben bzw. nicht festgestellt worden ist, rechtfertigt sich eine kostenaufhebende Quotelung.

Ergänzend sind zu Lasten der Klägerin die Kosten der notariellen Urkunde sowie der Zeugenvernehmung ... auszusondern. Dies folgt dem Gedanken des § 96 ZPO, wonach die Kosten eines ohne Erfolg gebliebenen Angriffs- oder Verteidigungsmittels der das Mittel geltend machenden Partei selbst dann auferlegt werden können, wenn sie in der Hauptsache obsiegt.

(2) Im Berufungsverfahren hätte die Klägerin nach der Einschränkung des ursprünglichen Globalantrages auf ihre Mitglieder, von denen es unstreitig vier gibt, jedenfalls insoweit obsiegt, weswegen die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen gehabt hätte (§ 91 Abs. 1 ZPO).

Auszusondern hiervon sind allerdings wieder ebenfalls aufgrund des Rechtsgedankens des § 96 ZPO die durch die Ladung der im Tenor bezeichneten vier Zeugen entstandenen Kosten. Deren Ladung war nur erforderlich geworden, weil die Klägerin bis zur Berufungsverhandlung noch an dem Globalantrag festgehalten hatte. Für die Frage der Begründetheit des Unterlassungsanspruchs hingegen hätte es nicht der Feststellung eines besonderen Gewichts der Klägerin im Betrieb der Beklagten bedurft. Denn die Beklagte war, wie sich aus dem Angebot an sämtliche Arbeitnehmer ergibt, bestrebt, einheitliche Vertragsänderungen betriebsweit und ohne Rücksicht auf geltende Tarifnormen durchzusetzen. Aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zum Unterlassungsanspruch (vom 20.04.1999) ergibt sich kein Hinweis darauf, von welcher Zahl betroffener tarifgebundener Arbeitnehmer die Annahme eines Eingriffs in die Tarifautonomie abhängen soll. Im Ergebnis überantwortet das Bundesarbeitsgericht die Feststellung des Verstoßes gegen das Unterlassungsgebot dem Vollstreckungsverfahren, wo die Gewerkschaft die vertragswidrig einbezogenen Arbeitnehmer benennen müsse. Vorher ist für die Annahme eines Eingriffs nur ein Verdrängen der kollektiven Ordnung vorausgesetzt. Dies kann aber auch bei nur vier Mitgliedern eintreten, die sich durch betrieblichen Druck dazu veranlaßt sehen, auf die angebotenen Änderungsverträge einzugehen.

c) Kosten können auch der erloschenen Beklagten auferlegt werden. Denn im Falle übereinstimmender Erledigterklärung - wie hier - kann zum Zwecke der Kostenentscheidung (und nur hierfür) vom fingierten Fortbestand der Partei ausgegangen werden, weil auch sie eine Erledigterklärung abgegeben und eine ihr günstige Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO erstrebt hat (vgl. BGH vom 29.09.1981 - VI ZR 21/80 -, NJW 1982, 236 f.). Auf die spätere und dann widerrufene Erledigterklärung gegenüber der ... kam es damit nicht an. Sie war mit Blick auf die bereits erfolgte Erledigung, die nicht mehr durch einseitigen Widerruf der hierauf gerichteten früheren Erklärung beseitigt werden konnte, im übrigen auch ohne Substrat. Soweit es der Sache nach um eine vollstreckbare Ausfertigung des Kostentitels gegen die Rechtsnachfolgerin der Beklagten gehen sollte, ist dies ggf. einem Vollstreckungsverfahren vorbehalten.

4.

Gegen diesen Beschluß ist für beide Parteien die Rechtsbeschwerde statthaft. Die Beschwerdefähigkeit beurteilt sich aufgrund der Regelung in § 26 Nr. 10 EGZPO nach den seit 01.01.2002 geltenden Vorschriften. Statthaft ist danach die Rechtsbeschwerde neuen Rechts, die nach § 78 Satz 2 ArbGG n. F. allerdings der Zulassung entsprechend § 72 Abs. 2 ArbGG bedarf. Gründe für eine derartige Zulassung liegen hier vor. Zum einen hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, weil zahlreiche Rechtsfragen im Zusammenhang mit Unterlassungsansprüchen der vorliegenden Art ungeklärt sind. Jedenfalls ist nicht auszuschließen, daß das Gericht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Spezialitätsprinzip mißinterpretiert und deshalb von den angezogenen Entscheidungen in entscheidungserheblichem Punkt divergiert.

Die nachfolgende Rechtsmittelbelehrung belehrt über das Rechtsmittel und das Gericht, bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist, die Anschrift des Gerichts und die einzuhaltende Frist und Form.

Ende der Entscheidung

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