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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 05.03.2004
Aktenzeichen: 2 Sa 386/03
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 125
BGB § 611
ZPO § 253
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Sächsisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes URTEIL

2 Sa 386/03

Verkündet am 05. März 2004

In dem Rechtsstreit

hat das Sächsische Landesarbeitsgericht - Kammer 2 - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Frau ... und Herrn ... auf die mündliche Verhandlung vom 05.03.2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 19.02.2003 - 10 Ca 10529/02 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Revisionszulassung: keine.

Tatbestand:

Die Parteien streiten auch im Zweiten Rechtszug unverändert darüber, ob der Kläger von der Beklagten für den Zeitraum vom 29.05. bis zum 31.05.2002 die Vergütung von 39 Arbeitsstunden mit 320,97 Euro verlangen kann. Unverändert geht es im zweiten Rechtszug auch weiter darüber, ob der Kläger für die Monate Juni, Juli und August 2002 die Vergütung von Überstunden wie folgt beanspruchen kann:

- für Juni 2002 für 38,5 Stunden 316,85 Euro

- für Juli 2002 für 26,0 Stunden 213,98 Euro

- für August 2002 für 36,5 Stunden 300,40 Euro.

Hinsichtlich der vier Teilbeträge beansprucht der Kläger weiterhin die Zahlung von Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit (über die jeweiligen Teilbeträge in der aufgeführten Reihenfolge) 15.06. bzw. 15.07. bzw. 15.08. bzw. 15.09.2002.

Die Parteien hat ein unter dem 31.05.2002 unterzeichneter Arbeitsvertrag verbunden. In dessen letztem § heißt es auszugsweise:

"Aufhebung, Änderung und Ergänzung dieses Anstellungsvertrages bedürfen der Schriftform. Mündliche Vereinbarungen, auch die mündliche Vereinbarung über die Aufhebung der Schriftform, sind nichtig."

Nach dem Ergebnis der Berufungsverhandlung hat der Kläger bis 31.05.2002 Arbeitslosengeld bezogen.

Das vom Kläger angegangene Arbeitsgericht Bautzen hat durch das hier mit der Berufung der Beklagten angefochtene Urteil die streitgegenständliche Forderung ausgeurteilt. Das tatsächliche Vorbringen der Parteien ist in dem Tatbestand des angefochtenen Urteils vollständig und richtig wiedergegeben, weswegen hier von der erneuten Wiedergabe abgesehen werden kann (§ 69 Abs. 2 und 3 ArbGG n. F.).

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte weder für den Zeitraum vom 29.05. bis 31.05.2002 noch für die Monate Juni bis August 2002 Anspruch auf die streitgegenständliche Vergütung. Als Folge ist auch nichts zu verzinsen.

1.

In dem Zeitraum vom 29.05. bis 31.05.2002 hat zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis bestanden. Deswegen ist auch keine Arbeitsvergütung zu entrichten.

Ausweislich des schriftlichen Arbeitsvertrages der Parteien sollte die Tätigkeit des Klägers am 01.06.2002 beginnen. Dies ist unter dem 31.05.2002 verabredet worden. Wären die Parteien von einem Vertragsbeginn bereits am 29.05. 2002 ausgegangen, hätte es nahe gelegen, eben dies zu verabreden.

Gegen die Annahme eines vorgeschalteten mündlichen Arbeitsverhältnisses streitet die doppelte bzw. qualifizierte Schriftformklausel in dem schriftlichen Arbeitsvertrag dahingehend, dass auch mündliche Vereinbarungen - auch die mündliche Vereinbarung über die Aufhebung der Schriftform - nichtig seien.

Eine lediglich einfache Schriftformklausel, nach der Änderungen und Ergänzungen eines Vertrages der Schriftform bedürfen, verhindert mündliche Abmachungen nicht. Nach allgemeinen Grundsätzen kann eine so vereinbarte Schriftform auch ohne Einhaltung der Schriftform abbedungen werden. Das gilt sogar dann, wenn die Parteien bei Abschluss der an sich formbedürftigen Vereinbarung nicht an die Schriftform gedacht haben (BAG vom 24.06.2003 - 9 AZR 302/02 -, EzA § 125 BGB Nr. 2 m. w. N.).

Anders verhält es sich dagegen bei einer Schriftformklausel, die - wie hier -nicht nur Vertragsänderungen von der Schriftform abhängig macht, sondern auch die Änderung der Schriftformklausel ihrerseits einer besonderen Form unterwirft, indem sie die mündliche Aufhebung der Schriftformklausel ausdrücklich ausschließt. Eine so formulierte doppelte Schriftformklausel kann dann nicht durch eine die Schriftform nicht wahrende Vereinbarung abbedungen werden (BGH vom 02.06.1976-VIII ZR 97/74-, BGHZ 66, 378; BFH vom 31.07.1991 - I S 1/91 -, BFHE 165, 256; BAG vom 24.06.2003, a. a. O.). In der Verwendung gerade der doppelten Schriftformklausel wird nämlich deutlich, dass die Vertragsparteien auf die Wirksamkeit ihrer Schriftformklausel besonderen Wert legen. Ein Verstoß führt zur Unwirksamkeit einer Änderungsabrede (vgl. BAG vom 24.06.2003, a. a. O.).

Gemessen daran war es nicht nur Sache des Klägers - wie sonst auch -, gerade für die drei strittigen Tage die Abrede eines Arbeitsverhältnisses darzulegen und im Streitfall nachzuweisen. Zu seinen Gunsten spricht insoweit lediglich, dass er vorgestellt und in eine Tätigkeit eingewiesen wurde, für die er auch aufgrund des schriftlichen Arbeitsvertrages der Parteien vorgesehen war. Hier kommt aber aufgrund der doppelten Schriftformklausel in dem Arbeitsvertrag hinzu, dass der Kläger aufgrund der Regelung über die Beweiskraft von Privaturkunden nach § 416 ZPO die Unrichtigkeit des schriftlichen Arbeitsvertrages nachweisen müsste. Er müsste zumindest darlegen, warum der schriftliche Arbeitsvertrag ausdrücklich erst auf einen Beschäftigungsbeginn am 01. Juni lautet. Für die Maßgeblichkeit dieses Datums könnte streiten, dass der Kläger, der noch bis 31.05. Arbeitslosengeld bezogen hat, kein Interesse an der Anrechnung von Lohn auf sein Arbeitslosengeld gehabt haben könnte.

Aufgrund der den Kläger treffenden Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Voraussetzungen, aus denen angesichts des schriftlichen Arbeitsvertrages der Parteien zweifelsfrei auf ein früheres Zustandekommen eines Arbeitsvertrages zwischen den Parteien geschlossen werden kann, ist es unerheblich, ob sich die Beklagte im Prozess widersprüchlich auf das Klagevorbringen eingelassen hat. Dieses wird allein dadurch weder schlüssig noch gar bewiesen.

Hier liegt es nahe, für die drei Tage der Einweisung von einem sog. Einfühlungsverhältnis ohne Vergütungsanspruch und Arbeitspflicht des potentiellen Arbeitnehmers auszugehen. Unter einem Einfühlungsverhältnis versteht die arbeitsrechtliche Literatur ein ganz loses Rechtsverhältnis eigener Art, welches sich von einem Arbeitsverhältnis - insbesondere auch von dem Probearbeitsverhältnis - dadurch unterscheidet, dass der in den Betrieb aufgenommene potentielle Arbeitnehmer während der Einfühlungsphase keine Pflichten übernimmt, insbesondere keine Arbeitspflicht hat, da er nicht dem Direktions- oder Weisungsrecht des potentiellen Arbeitgebers unterliegt, sondern lediglich dem Hausrecht des Betriebsinhabers untersteht. Die Vereinbarung eines von einem Probearbeitsverhältnis rechtlich zu unterscheidenden sog. Einfühlungsverhältnisses wird von der weitaus überwiegenden Meinung in der arbeitsrechtlichen Literatur für zulässig angesehen. Zweck eines sog. Einfühlungsverhältnisses ist es im Allgemeinen, die Voraussetzungen der Zusammenarbeit für das potentielle spätere Arbeitsverhältnis zu klären, also insbesondere dem künftigen Arbeitnehmer oder Auszubildenden die Möglichkeit zu geben, die betrieblichen Gegebenheiten kennen zu lernen. Derartige Einfühlungsverhältnisse sind namentlich manchmal nach dem zweiten Weltkrieg eingegangen worden, um einem Bewerber Gelegenheit zu geben, sich wieder an berufliche Arbeit zu gewöhnen. Auch heute kann es in besonders gelagerten Fällen durchaus sachlich berechtigt sein, vor Begründung eines Arbeitsverhältnisses ein Einfühlungsverhältnis zu vereinbaren. Ein solches liegt insbesondere vor, wenn einem Auszubildenden oder einem in Aussicht genommenen Arbeitnehmer vor Eintritt in den Betrieb erst einmal Gelegenheit gegeben werden soll, sich einen Überblick zu verschaffen. Dazu gehören auch die Fälle, den Arbeitnehmern, die längere Zeit keine abhängige Arbeit geleistet haben oder fachfremd sind, auf diese Weise die Möglichkeit zu geben, sich mit den Verhältnissen eines Betriebes vertraut zu machen, um danach zu prüfen, ob ein Arbeits- oder Probearbeitsverhältnis abgeschlossen werden soll. Liegen solche besonderen Umstände vor, werden bei Abschluss eines Einfühlungsverhältnisses ohne Arbeitspflicht des potentiellen Arbeitnehmers Vorschriften zwingenden Arbeitsrechts nicht umgangen. Die Zulässigkeit der Vereinbarung eines Einfühlungsverhältnisses unter solchen Umständen folgt aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit. Dies berechtigt die Parteien, auch eine unbezahlte Einführungsphase zu vereinbaren, in der der Arbeitnehmer keine Pflichten, insbesondere keine Arbeitspflicht hat (vgl. im Einzelnen m. z. N. LAG Hamm vom 24.05.1989 - 15 Sa 18/89 -, LAGE § 611 BGB Probearbeitsverhältnis Nr. 2).

Der Gesetzgeber hatte gerade für Personen, die aus der Arbeitslosigkeit kommen, derartige Einfühlungsverhältnisse in Form von Eingliederungsverhältnissen nach dem SGB III, bei denen es sich nicht um Arbeitsverhältnisse handelte, anerkannt.

Der Kläger befand sich in der typischen Situation der Partei eines Einfühlungsverhältnisses. Er war arbeitslos und Bezieher von Lohnersatzleistungen. Der Einweisung bedurfte er, um seiner vorgesehenen vertraglichen Tätigkeit überhaupt erst entsprechen zu können. Es ging in den drei Tagen vor dem Beginn des eigentlichen Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien demgemäß nicht um die Erprobung eines für die in Aussicht genommene Tätigkeit an sich geeigneten Mitarbeiters. Vielmehr musste der Kläger durch die Einweisung erst instandgesetzt werden, die Tätigkeit auch verrichten zu können. Dafür spricht in Sonderheit, dass die Parteien erst in dem schriftlichen Arbeitsvertrag auch eine Probezeit abgemacht haben. Die Phase, um die hier gestritten wird, hat der Kläger - im Umkehrschluss - nicht im Rahmen eines Probearbeitsverhältnisses, sondern im Rahmen einer Orientierung zurückgelegt. Einfühlungsverhältnisse unterscheiden sich aber gerade von Probearbeitsverhältnissen (vgl. Erf-Komm/Preis, § 611 BGB Rdnr. 184 m. w. N.).

2.

Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Überstundenvergütung.

Der Arbeitnehmer, der im Prozess von seinem Arbeitgeber die Bezahlung von Überstunden fordert, muss beim Bestreiten der Überstunden im Einzelnen darlegen, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus tätig geworden ist. Er muss ferner eindeutig vortragen, ob die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet oder zur Erledigung der ihm obliegenden Arbeit notwendig oder vom Arbeitgeber gebilligt oder geduldet worden sind (BAG vom 15.06.1961 - 2 AZR 436/60 -, AP Nr. 7 zu § 253 ZPO).

Der Kläger hat nicht vorgetragen, wann welche zur rechtsgeschäftlichen Vertretung der Beklagten befugte Person ihm welche der streitgegenständlichen Überstunden angewiesen hat.

In Betracht kommt ein Anspruch auf die Bezahlung von Überstunden demgemäß nur dann, wenn dem Kläger Arbeit zugewiesen worden wäre, von der die Beklagte ausgehen musste, dass sie nur unter Überschreiten der üblichen Arbeitszeit geleistet werden konnte. Auch dafür ist allerdings nichts ersichtlich. Seitens des Klägers ist lediglich mitgeteilt worden, es sei festgelegt worden, dass er früh der Erste und abends der Letzte sein müsse; dies habe seine Ursache in der Notwendigkeit gehabt, morgens die Brandschutzanlage auszuschalten und am Abend wieder einzuschalten. Insoweit verweist der Kläger jedoch lediglich auf die Center-Manager ... und ... und auf die Frau .... Weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass diese Personen dem Kläger im Rahmen des Arbeitsverhältnisses der Parteien hätten irgendwelche Arbeitsanweisungen erteilen dürfen. Letztlich muss dem allerdings nicht weiter nachgegangen werden. Denn selbst wenn die Beklagte Kenntnis davon gehabt hätte, dass der Kläger als Erster kommen und als Letzter gehen musste, würde das nicht die Annahme rechtfertigen, dass auch Überstunden geleistet worden sind. Insofern ist bereits bei der eigenen Aufstellung des Klägers über die strittigen Arbeitsstunden auffällig, dass es Früh- und Spätdienste gegeben haben muss, die teilweise um mehr als vier Stunden auseinander lagen. Selbst wenn der Beklagten der Arbeitsbeginn und das Arbeitsende bekannt gewesen sein sollten, ergibt sich dadurch nicht, dass gerade die früh und gerade die spät geleistete Arbeit Überarbeit dargestellt hätte. Diese hätte genauso gut auf die Zeit unmittelbar vor und nach den mehrstündigen Unterbrechungen entfallen können. Insoweit ist aber hinsichtlich der Geltung eines bestimmten Arbeitszeitregimes nichts vorgetragen. Deshalb ist es auch nicht hilfreich, wenn der Kläger lediglich die strittige Dauer der täglichen Arbeitszeit unter Benennung von Zeiträumen (von bis) angibt, ohne mitzuteilen, welche Zeiten außerhalb der betrieblichen (oder eben zugedachten) Arbeitszeit liegen. Dass die Klage wegen der damit einhergehenden Zweifel an der hinreichenden Bestimmung des Streitgegenstandes bereits unzulässig sein könnte, wirkt sich hier nur deshalb nicht aus, weil die Klage ersichtlich als abschließende Gesamtklage gewollt ist.

II.

Der Kläger hat aufgrund der Regelung in § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil er unterlegen ist.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Denn es fehlt an Zulassungsgründen.



Ende der Entscheidung

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