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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 26.03.2003
Aktenzeichen: 2 Sa 466/02
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 67 Abs. 2 Satz 1
ArbGG § 67 Abs. 4 n. F.
ZPO § 139 Abs. 4
ZPO § 531 Abs. 2 n. F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Sächsisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes URTEIL

Az.: 2 Sa 466/02

Verkündet am 26. März 2003

In dem Rechtsstreit

hat das Sächsische Landesarbeitsgericht - Kammer 2 - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Frau ... und Herrn ... auf die mündliche Verhandlung vom 26.03.2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 23. Mai 2002 - 8 Ca 8008/02 - wird auf Kosten des Beklagten

zurückgewiesen.

Die Revision ist zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten auch im Zweiten Rechtszug weiter über die Rechtswirksamkeit einer Kündigung und um Prozessbeschäftigung.

Der zum Kündigungszeitpunkt 35-jährige Kläger ist seit 01.03.1991 bei der beklagten ... in deren Beratungsstelle ... als Verbraucherberater zu einem durchschnittlichen Bruttomonatslohn in Höhe von 2.367,28 € beschäftigt.

Der Beklagte beschäftigt in der Regel mehr als fünf nach § 23 Abs. 1 KSchG berücksichtigungsfähige Arbeitnehmer. Ein Betriebsrat ist errichtet.

Mit einem dem Kläger am 21.12.2001 zugegangenen Schreiben des Beklagten vom 20.12.2001 unternahm es dieser, das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30.06.2002 zu kündigen.

Bereits in dem vom Kläger als Anlage zu seiner beim Arbeitsgericht Bautzen am 08.01.2002 eingegangenen Kündigungsschutzklage beigefügten Kündigungsschreiben (Bl. 4 f. d. A.) heißt es, dass betriebsbedingt gekündigt werde, und weiter auszugsweise:

"Aufgrund unzureichender Finanzausstattung durch den Hauptzuwendungsgeber kann die ... e. V. im Jahre 2002 nur fortgeführt werden, wenn im Bereich der variablen Kosten, die zu wesentlichen Teilen die Personalkosten betreffen, erhebliche Einsparungen erfolgen. Auf Grund der getroffenen unternehmerischen Entscheidung, den Personalbestand der beschäftigen Verbraucherberaterinnen und Verbraucherberater um 6 Personen zu reduzieren, musste unter den vergleichbaren Arbeitnehmern eine soziale Auswahl getroffen werden.

... (folgen Ausführungen zur Sozialauswahl) ... gehören Sie leider neben anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zum Kreise der namentlich erfassten Personen, denen betriebsbedingt gekündigt werden muss."

Mit der Anberaumung der Güteverhandlung vor der Vorsitzenden erfolgte eine Aufforderung an den Beklagten, sich auf die Klage schriftlich zu äußern, nicht.

Ausweislich der über sie gefertigten Niederschrift vom 29.01.2002 (Bl. 14 ff. d. A.) war die Güteverhandlung erfolglos.

Neben diesem in die Niederschrift aufgenommenen Ergebnis ergibt sich weiter, dass das Gericht anschließend in Gegenwart des Geschäftsführers des Beklagten einen Beschluss auszugsweise folgenden Inhalts verkündete:

"1. Dem Beklagten wird aufgegeben, schriftsätzlich (in dreifacher Fertigung) unter Beweisantritt abschließend bis spätestens 20. Februar 2002 zur Klage Stellung zu nehmen und substantiiert vorzutragen, aus welchen Gründen die Kündigung ausgesprochen worden ist und ein Festhalten am Arbeitsverhältnis nicht möglich ist.

Dabei ist insbesondere darzustellen, durch welche dringenden inner- oder außerbetrieblichen Gründe der Arbeitsplatz der klagenden Partei in Wegfall gerät und auf Grund welcher Bedingungen welche unter-nehmerischen Entscheidungen getroffen worden sind.

Des Weiteren ist vorzutragen, ob die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung an einem anderen freien oder freiwerdenden Arbeitsplatz bestand, ggfls. unter geänderten Bedingungen.

Weiter sind die Gründe, die zu der getroffenen Sozialauswahl geführt haben, mitzuteilen; dies insbesondere unter Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit, des Lebensalters und der Unterhaltsverpflichtung der klagenden Partei und der mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmer.

Bezüglich der Betriebsratsanhörung wird der Beklagte aufgefordert, im Einzelnen unter vorsorglichem Beweisantritt vorzutragen, wann, durch wen wie (schriftlich oder mündlich) der Betriebsrat angehört wurde, was ihm genau mitgeteilt worden ist und wann er wie reagiert hat.

2. Dem Kläger wird aufgegeben, hierauf schriftsätzlich (in dreifacher Fertigung) - ggfls. unter Beweisantritt - bis spätestens 21. März 2002 zu erwidern und seine Einwendungen im Einzelnen konkret vorzutragen.

3. Die Parteien werden darauf hingewiesen,

dass Zeugenbeweis durch Angabe des vollständigen Namens des Zeugen und dessen ladungsfähiger Privatanschrift anzutreten ist

sowie

dass Angriffs- und Verteidigungsmittel, die verspätet bzw. erst nach Ablauf der gesetzten Frist vorgebracht werden, nur zuzulassen sind, wenn ihre Zulassung nach freier Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögert oder wenn die Verspätung durch die Partei ausreichend entschuldigt ist (§§ 56 Abs. 2 und 61 a Abs. 5 ArbGG).

Der Rechtsstreit kann daher allein durch Versäumung der Ausschlussfristen verloren gehen.

..."

Der Kläger hat vorgetragen, dass die Kündigung eines Grundes entbehre. Mit Nichtwissen bestritten hat er, dass der Betriebsrat vor ihrem Ausspruch ordnungsgemäß angehört worden sei.

Weiter verlangt er seine Prozessbeschäftigung zu den bisherigen Arbeitsbedingungen, die sich aus dem im folgenden wiedergegebenen Antrag zu 2. ergeben.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 20.12.2001, ihm zugegangen am 21.12.2001, zum 30.06.2002 aufgelöst wird;

2. für den Fall des Obsiegens mit dem vorgenannten Antrag den Beklagten zu verurteilen, ihn, den Kläger, zu unveränderten Arbeitsbedingungen in Anlehnung an den BAT-O und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder jeweils geltenden Fassung sowie nach den für Angestellte des Beklagten im Gebiet nach Art. 3 des Einigungsvertrages jeweils geltenden sonstigen Regelungen in einer 40-Stunden-Woche mit einer Vergütung in Anlehnung an den BAT-O nach der Vergütungsgruppe IV b bis zur Rechtskraft der Entscheidung vorläufig als Verbraucherberater weiterzubeschäftigen.

3. Hilfsweise zu Antrag zu 1. (sic) und 2 den Beklagten zu verurteilen, ihn, den Kläger ab dem 01.07.2002 als Verbraucherberater im Beratungszentrum Leipzig zu den bisherigen Arbeitsbedingungen in Anlehnung an den BAT-O und den diesen ergänzende (der Sache nach), ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder jeweils geltenden Fassung sowie nach den für Angestellte des Beklagten im Gebiet nach Art. 3 des Einigungsvertrages jeweils geltenden sonstigen Regelungen unter Anrechnung der bisherigen Betriebszugehörigkeit seit 01.03.1991 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden und einer Vergütung in Anlehnung an den BAT-O nach der Vergütungsgruppe IV b wiedereinzustellen bzw. fortzubeschäftigen.

Der Beklagte hat

Klageabweisung

beantragt.

Er hat vorgetragen, dass die von ihm betriebene Einrichtung aufgrund ihrer Neutralität und Anbieterunabhängigkeit zum größten Teil aus öffentlichen Mitteln finanziert werde und finanziert werden müsse. Aufgrund unzureichender Finanzausstattung durch den Hauptzuwendungsgeber - das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit - habe die Einrichtung im Jahre 2002 nur fortgeführt werden können, wenn im Bereich der variablen Kosten, die zu wesentlichen Teilen die Personalkosten beträfen, erhebliche Einsparungen erfolgten. Dies habe zur Folge gehabt, dass auch die Zahl der Beratungseinrichtungen habe (weiter) reduziert werden müssen. Zum 31.12.2001 seien bereits die Beratungsstellen in ... und ... geschlossen worden.

In einer unternehmerischen Entscheidung vom 12.12.2001 sei entschieden worden, dass

- die Sachbearbeiterinnen-Stelle in der Verwaltung der Geschäftsstelle auf 0,75 Planstellen reduziert wird;

- in den Beratungsstellen keine Sachbearbeiterinnen mehr beschäftigt werden;

- in den Beratungszentren alle Sachbearbeiterinnen-Stellen auf 0,75-Stellen reduziert werden;

- der Personalbestand der beschäftigten Verbraucherberaterinnen und Verbraucherberater um sechs Personen reduziert wird;

- die Beratungsstelle ... zum 30.06.2002 geschlossen wird.

In diesem Zusammenhang hat der Beklagte auf eine im Jahre 2002 bestehende Finanzierungslücke von ca. 320.000,00 DM und auf einen als Anlage beigefügten Wirtschaftsplan verwiesen. Ursache für diese Finanzierungslücke seien eine Bereitstellung einer Zuwendung im Jahre 2002 in Höhe von 4,3 Mio DM durch das Sächsische Ministerium für Wirtschaft und Arbeit statt der im Jahre 2000 beantragten ca. 5 Mio DM, die zur Zahlung der Tarifsteigerungen nach BAT-O erforderlich gewesen wären, sowie ein prognostizierter Rückgang bei den Eigeneinnahmen im Umfang von ca. 40.000,00 DM gegenüber dem Jahre 2001.

Bereits die Ausschöpfung aller Reserven im Sachkostenbereich und die Nichtbesetzung freier Planstellen habe zur Reduktion der Finanzierungslücke auf die genannten 320.000,00 DM geführt.

Nach einer Replik des Klägers hat der Beklagte den von ihm angezogenen Kündigungsgrund weiter ausgeführt.

Schließlich hat der Beklagte zur Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten und zur Betriebsratsanhörung vorgetragen.

Das Arbeitsgericht hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23.05.2002 nach den Klageanträgen zu 1. und zu 2. erkannt. Ordnungsmäßigkeit von Sozialauswahl und Betriebsratsanhörung hat das Gericht dahinstehen lassen, einen Kündigungsgrund vermisst und dies im Subsumtionsschritt wie folgt begründet:

"Der Beklagte beschränkt sich lediglich mit seinem Vortrag darauf, dass er am 12.12.2001 die unternehmerische Entscheidung getroffen habe, Strukturen zu zentralisieren und das Netz der Beratungsstellen zu verkleinern. Seine Entscheidung läuft - basierend auf der unzureichenden Finanzausstattung durch den Hauptzuwendungsgeber, was im Einzelnen vom Kläger bestritten ist - darauf hinaus, zukünftig mit weniger Personal die vorhandene Arbeit auszuführen.

Diese Unternehmensentscheidung ist jedoch hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und hinsichtlich des Begriffs 'Dauer' nicht ausreichend verdeutlicht. Es ist vom Beklagten nicht vorgetragen, in welchem Umfang die fraglichen Arbeiten zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand tatsächlich anfallen und wie diese Arbeiten von dem verbleibenden Personal - ohne überobligatorische Leistungen - erledigt werden sollen. Es ist hinsichtlich der 'Leistungsverdichtung' ebenfalls nicht deutlich gemacht, ob die verbleibenden Arbeitnehmer, denen die Arbeitsaufgaben weiterhin übertragen werden sollen, rechtlich und tatsächlich auch in der Lage sind, diese Arbeiten zu erbringen."

Der Beklagte hat gegen das ihm am 03.06.2002 zugestellte Urteil am 11.06.2002 Berufung eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Frist für die Begründung der Berufung bis 05.09.2002 am 30.08.2002 ausgeführt.

Er, der Beklagte, habe aufgrund eines Verfahrensmangels des Arbeitsgerichts seinen Vortrag nicht näher substantiiert. Sofern ein diesbezüglicher Hinweis erteilt worden wäre, wäre auch substantiiert vorgetragen worden.

Der Beklagte trägt erneut zur Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten und zur Betriebsratsanhörung vor. Vor trägt er des weiteren zum Kündigungsgrund und vertritt insoweit die Ansicht, dass das Vorbringen auch unter der Herrschaft der Neuregelungen nach dem Zivilprozessreformgesetz im Berufungsverfahren berücksichtigungsfähig sei. Denn es habe hinsichtlich seines Vorbringens im Ersten Rechtszug an einem prozessordnungsgemäßen Hinweis des Gerichts gefehlt:

Zunächst führt der Beklagte erneut und umfassend zu seinem wirtschaftlichen Hintergrund, der sich ergeben habenden Finanzierungslücke sowie weiter zum Scheitern von Tarifverhandlungen mit ..., geführt zum Zwecke der Erhaltung von Arbeitsplätzen, aus.

Die unternehmerische Entscheidung sei in der Folge dahin gegangen, die existierende Finanzierungslücke ausschließlich durch personelle Maßnahmen in Form von Umstrukturierungen zu schließen. (Weitere) Einsparungen im Sachkostenbereich hätten - wie der Beklagte im einzelnen ausführt - nicht vorgenommen werden können. Im Gegenteil hätte der Sachkostenanteil zur Erhaltung der Zukunftsfähigkeit dringend erhöht werden müssen, insbesondere um dem Stand der Technik entsprechende Hard- und Software anzuschaffen.

Beendigungs- und Änderungskündigungen seien nahezu ausschließlich für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Beratungszentren und -stellen ausgesprochen worden. In diesen werde landesweit hauptsächlich die Verbraucherberatung durchgeführt. Bei einer Verschlechterung der finanziellen Situation müsse deshalb der Umfang der Verbraucherberatung eingeschränkt werden. Damit könne auch künftig der Satzungsaufgabe "Verbraucherberatung" nachgekommen werden, wobei der Umfang der Wahrnehmung der Satzungsaufgabe in der Satzung nicht festgelegt sei. Im Gegensatz dazu arbeiteten in der Landesgeschäftsstelle in Leipzig Mitarbeiter, die Tätigkeiten nachgingen, die von den Beratungsstellen und -zentren nicht wahrgenommen würden bzw. nicht wahrgenommen werden könnten. Die Aufgaben der dort beschäftigten Personen seien in den letzten Jahren stetig gewachsen.

Im Gegensatz dazu habe sich die Verbrauchernachfrage in den letzten Jahren merklich abgeschwächt. Zum Beleg hierfür verweist der Beklagte auf die Anzahl der Kontakte, aufgeschlüsselt nach persönlicher, telefonischer und schriftlicher Beratung.

Seitens des Beklagten habe man sich dazu entschlossen, insbesondere in einzelnen Beratungsstellen den Bereich Verbraucherberatung "zu verschlanken", d. h. die vorhandene Arbeit auf "weniger Schultern zu verteilen". Im Wege der sich damit ergebenden Umstrukturierungs- und Rationalisierungsmaßnahmen sei die bislang vom Kläger ausgeübte Tätigkeit (die ihn bei einem Arbeitstag von acht Stunden mit lediglich 3,5 Stunden Verbraucherberatung auslaste) als Verbraucherberater in der Beratungsstelle ... arbeitsorganisatorisch umverteilt worden, wozu der Beklagte eine ausführliche Auflistung, getrennt nach Personen und Aufgaben, vorlegt.

Daraus ergebe sich ein dauerhafter Arbeitskräfteüberhang, ohne dass die von den jeweiligen Mitarbeitern übernommenen Tätigkeiten zu einer überobligationsmäßigen Belastung dieser Mitarbeiter führten oder eine derartige überobligationsmäßige Belastung durch die streitgegenständliche Kündigung einträte. Es handele sich vielmehr um eine Leistungsverdichtung, die unmittelbar zum Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers geführt habe.

Der Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bautzen vom 23.05.2002 - 8 Ca 8008/02 - abzuweisen.

Der Kläger beantragt

die Zurückweisung der Berufung.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Mit neuen Tatsachen könne der Beklagte im Berufungsverfahren nach den Neuregelungen des Zivilprozessreformgesetzes nicht gehört werden. Ein Verfahrensfehler sei dem Arbeitsgericht nicht unterlaufen.

Im übrigen geht der Kläger auf das Vorbringen des Beklagten im Berufungsverfahren ein und bestreitet dieses im wesentlichen.

Wegen des tatsächlichen Vorbringens beider Parteien und der von ihnen geäußerten Rechtsansichten wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen. Ausweislich der Niederschrift über die Berufungsverhandlung vom 26.03.2003 hat die Kammer folgende auf ihre Veranlassung hin erörterte Punkte aktenkundig gemacht:

- Tragen die im Ersten Rechtszug vorgetragenen Tatsachen die Kündigung?

- Gibt es im Zweiten Rechtszug neue Tatsachen, die berücksichtigungsfähig nach neuem Zivilprozessrecht sind?

- Tragen die im Zweiten Rechtszug vorgetragenen Gründe?

Entscheidungsgründe:

A.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Denn die - ihrerseits - zulässige Klage ist begründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die streitgegenständliche Kündigung nicht aufgelöst worden und der Beklagte deshalb zur Prozessbeschäftigung des Klägers im ausgeurteilten Umfang zu beschäftigen ist.

Weil auf die Anträge zu 1. und zu 2. zugunsten des Klägers erkannt ist, bedurfte es keiner Entscheidung zu dem als Hilfsantrag zu den Klageanträgen zu 1. und zu 2. formulierten Klageantrag zu 3.

I.

Die streitgegenständliche Kündigung ist nicht gerechtfertigt. Denn sie ist nicht im Rechtssinne (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG) durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers in dem Betrieb des Beklagten entgegenstehen, bedingt.

1.

Nach der ständigen Rechtsprechung des zuständigen 2. Senats des Bundesarbeitsgerichts können sich betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung i. S. von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG aus innerbetrieblichen Umständen (Unternehmerentscheidungen wie z. B. Rationalisierungsmaßnahmen, Umstellung oder Einschränkung der Produktion) oder durch außerbetriebliche Gründe (z. B. Auftragsmangel oder Umsatzrückgang) ergeben. Diese betrieblichen Erfordernisse müssen "dringend" sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebes notwendig machen. Die Kündigung muss wegen der betrieblichen Lage unvermeidbar sein. Bei Kündigungen aus innerbetrieblichen Gründen muss der Arbeitgeber darlegen, welche organisatorischen oder technischen Maßnahmen er angeordnet hat und wie sich die von ihm behaupteten Umstände unmittelbar oder mittelbar auf die Beschäftigungsmöglichkeit des gekündigten Arbeitnehmers auswirken. Von den Arbeitsgerichten ist voll nachzuprüfen, ob eine derartige unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt; eine solche unternehmerische Entscheidung ist selbst nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (vgl. aus jüngerer Zeit BAG vom 27.06.2002 - 2 AZR 489/01 -, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 119 m. w. N.).

Reduziert sich die Organisationsentscheidung der Personalreduzierung praktisch auf den Kündigungsentschluss, sind diese beiden Unternehmerentscheidungen ohne nähere Konkretisierung nicht voneinander zu unterscheiden. Deshalb sind wegen der Nähe zum bloßen Kündigungsentschluss, dessen Durchsetzung wegen § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG nicht bloß auf Unsachlichkeit oder Willkür zu überprüfen ist, die Anforderungen an den gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG vom Arbeitgeber zu erbringenden Tatsachenvortrag, der die Kündigung bedingen soll, nicht auf Null zu reduzieren. Vielmehr kann dann, wenn die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss ohne nähere Konkretisierung praktisch deckungsgleich sind, die früher vom Bundesarbeitsgericht angenommene Vermutung, die Unternehmerentscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht von vornherein greifen. In diesen Fällen muss der Arbeitgeber vielmehr darlegen, in welchem Umfang die fraglichen Arbeiten zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand anfallen, d. h. es geht um die Darlegung einer näher konkretisierten Prognose der Entwicklung aufgrund außerbetrieblicher Faktoren oder unternehmerischer Vorgaben, z. B. nur noch eine geringere Zahl von Aufträgen anzunehmen, und wie diese Arbeiten von dem verbliebenen Personal ohne überobligatorische Leistungen erledigt werden können. Der Arbeitgeber muss im Kündigungsschutzprozess konkrete Angaben dazu machen, wie sich die Verringerung der Produktion auf die Arbeitsmenge auswirkt und in welchem Umfang dadurch ein konkreter Arbeitskräfteüberhang entsteht. Erst im Wege einer abgestuften Darlegungslast ist es dann Sache des Arbeitnehmers, hierauf - soweit ihm dies, z. B. aus der bisherigen Arbeit möglich ist - zu erwidern. Dann wäre es wiederum Sache des Arbeitgebers, sich darauf weiter einzulassen. Der Arbeitgeber muss substantiiert dartun, wie sich die Umsetzung einer unternehmerischen Entscheidung auf die Beschäftigungsmöglichkeiten auswirkt. Nicht nur die durch äußere Anlässe bedingte, sondern auch die autonome, gestaltende Unternehmerentscheidung muss sich in greifbaren betrieblichen und damit objektivierbaren Formen niederschlagen. Zusammenfassend sagt das Bundesarbeitsgericht: Je näher die eigentliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss rückt, umso mehr muss der Arbeitgeber durch Tatsachenvortrag verdeutlichen, dass ein Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer entfallen ist (vgl. zum Vorstehenden insgesamt u. m. w. N. BAG vom 17.06.1999 - 2 AZR 141/99 -, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 102).

2.

Nach diesem Maßstab trägt das Vorbringen des Beklagten im Ersten Rechtszug die Kündigung nicht.

Nicht zum Kündigungsgrund erhoben und deshalb hier auch nicht zu prüfen ist, ob der Beklagte aus Anlass des Wegfalls einer Drittmittelfinanzierung von Arbeitsplätzen kündigt, weil er sich von vornherein (unternehmerisch) an den Fortbestand der Drittmittelfinanzierung gebunden hätte.

Geltend macht der Beklagte vielmehr, Personalkosten einsparen und deshalb kündigen zu müssen. Damit decken sich Organisationsentscheidungen zur Personalreduzierung und Kündigungsentschluss im wesentlichen. Die Begründung der Kündigung läuft damit darauf hinaus, kündigen zu wollen. Das hat dem Arbeitsgericht zu Recht als Kündigungsgrund nicht gereicht. Wer kündigt, weil er meint kündigen zu müssen, kann die Kündigung nicht dadurch begründen, dass er sich die im wesentlichen mit dem Kündigungsentschluss gleichlaufende Organisationsentscheidung selbst bestätigt.

Eine quantifizierte Reduktion des Arbeitsvolumens ist im Ersten Rechtszug weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Auswirkung der Schließung der Beratungsstellen in ... und ... allein ergibt für die Feststellung des vorhandenen Arbeitsvolumens für sich betrachtet nichts her, ohne dass Aussagen über die Entwicklung des Beratungsbedarfs getroffen werden. Auch erschließt sich die Auswirkung gerade auf die Beratungsstelle des Klägers in ... nicht.

Gleiches gilt für das Vorbringen zur Schließung der Beratungsstelle ... und erst recht zur Reduzierung von Sachbearbeiterstellen und der Streichung des Personalbestands bei Verbraucherberatern. Die Reduzierung bei Sachbearbeiterstellen kann sich auf den Kläger schon deshalb nicht auswirken, weil er Verbraucherberater ist. Die bloße Entscheidung, den Personalbestand auch bei den Verbraucherberatern um sechs Personen zu reduzieren, reicht nach dem Vorstehenden ohne quantifizierte Angaben zum Beschäftigungsbedarf für sich nicht aus, um eine Kündigung gegenüber irgendeinem Verbraucherberater - damit auch dem Kläger - zu begründen.

Zwar gehört die Entscheidung des Arbeitgebers, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren, zu den sog. unternehmerischen Maßnahmen, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen und damit den entsprechenden Beschäftigungsbedarf ihrerseits entfallen lassen können (vgl. BAG vom 17.06.1999, a. a. O., zusammengefasst auch in Leitsatz 1). Eben nach jener Entscheidung ist jedoch eine solche Unternehmerentscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und hinsichtlich des Begriffs "Dauer" zu verdeutlichen. Vortrag hierzu hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil zu Recht vermisst.

3.

Getragen wird die streitgegenständliche Kündigung auch nicht aufgrund des Vorbringens des Beklagten im Berufungsverfahren.

a) Der Beklagte beruft sich in dem Berufungsverfahren erstmals (auch) auf zurückgehenden Beratungsbedarf sowie eine "Leistungsverdichtung" durch Verteilung der anfallenden Arbeit auf mehrere Schultern.

Dies könnte die Kündigung (nunmehr) allerdings rechtfertigen. Wenn sich etwa erweisen sollte, dass die Beratungskräfte in Görlitz pro Arbeitstag von acht Stunden lediglich mit 3,5 Stunden mit Verbraucherberatung ausgelastet sind (Schriftsatz vom 10.03.2003, S. 23 = Bl. 332 d. A.), wäre auch die Umverteilung auf andere Beschäftigte (sowie offenbar zwei Rechtsanwälte), wie mit Berufungsbegründung vom 28.08.2002 (S. 21 bis 24 = Bl. 167 bis 170 d. A.) vorgetragen, erklärlich.

Allerdings war ausweislich Seite 18 der Berufungsbegründung (Bl. 164 d. A.) bei der schriftlichen Beratung hinsichtlich der Anzahl der Kontakte vom Jahre 2000 bis zum Jahre 2001, also dem Jahr der Kündigung, ein Anstieg von 2.500 auf 3.790 zu verzeichnen, was erklärungsbedürftig sein könnte.

b) Dem braucht jedoch nicht weiter nachgegangen zu werden. Denn diejenigen Tatsachen, die die Kündigung allein rechtfertigen könnten, sind erstmals im Berufungsverfahren vorgetragen und aufgrund der wegen des Schlusses der mündlichen Verhandlung im Ersten Rechtszug am 23.05.2002 nach Art. 26 Nr. 5 EGZPO anwendbaren Neuregelungen des Zivilprozessreformgesetzes hinsichtlich der Vorschriften über die Berufung nicht berücksichtigungsfähig.

Auf die neuen Tatsachen kommt es allerdings an. Denn Umstände, aus denen sich eine Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO n. F.), sind nicht ersichtlich. Das Arbeitsgericht hat - wie sich aus den vorstehenden Entscheidungsgründen ergibt - ausgehend von dem ihm unterbreiteten Streitstoff die Klage zu Recht abgewiesen. Bereits das Arbeitsgericht ist davon ausgegangen, dass allein die Entscheidung, die vorhandene Arbeit zukünftig mit weniger Personal auszuführen, nicht ausreiche. In Sonderheit aber hat das Arbeitsgericht im Ergebnis auch eine Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung bzw. wenigstens eine entsprechende Planung vermisst. Es hat insbesondere eine Darstellung des Umfangs der früher und künftig anfallenden Arbeiten vermisst bzw. eine Erklärung dazu, dass und wie die bisherige Arbeit ohne überobligatorische Leistungen durch "Leistungsverdichtung" zu erledigen sei.

Damit stellt sich nur die Frage, ob aufgrund anderer Tatsachen eine andere Entscheidung gerechtfertigt wäre. Dies ist aber nicht der Fall. Das Arbeitsgericht hatte keine breitere Tatsachengrundlage als diejenige, die es in seinem Subsumtionsschritt dann auch verwertet hat. Die in der Berufungsverhandlung von dem Beklagten geäußerte Auffassung, dass im Berufungsverfahren im Grunde nur eine Konkretisierung bereits im Ersten Rechtszug vorgetragener Tatsachen erfolgt sei, trifft nicht zu. Im Ersten Rechtszug war die Kündigung mit fehlender Finanzausstattung und dadurch erforderlich werdendem Personalabbau begründet. Erstmals im Zweiten Rechtszug ist die Rede von zurückgehender Verbraucherberatung und einer Umverteilung von Restaufgaben.

Demgemäß kommt es darauf an, ob diese - mithin neuen - Tatsachen im Berufungsverfahren verwertbar sind. Dies ist nicht der Fall. Nach § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO n. F. hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung neue Tatsachen nur zugrunde zu legen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist. Das ist aber hier hinsichtlich der Tatsache des Rückgangs der Beratungstätigkeit und der Leistungsverdichtung nicht der Fall.

Nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 ZPO n. F. sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel - mithin gerade auch zum Zwecke des Angriffs oder der Verteidigung vorgetragene Tatsachen (vgl. § 146 ZPO) - nur zuzulassen, wenn sie einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des Ersten Rechtszugs erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist (Nr. 1), wenn sie infolge eines Verfahrensmangels im Ersten Rechtszugs nicht geltend gemacht wurden (Nr. 2) oder wenn sie im Ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht (Nr. 3).

Die Voraussetzungen der Nrn. 1 und 3 des § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO n. F. liegen ersichtlich nicht vor. Die betroffenen Gesichtspunkte, die § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO n. F. meint, sind vom Gericht erkennbar nicht übersehen oder für unerheblich gehalten worden. Das Gericht hat gerade eine mangelhafte Quantifizierung des Rückgangs des Arbeitsvolumens ebenso angesprochen wie Fragen der Leistungsverdichtung; nicht vorgetragene Tatsachen selbst konnten vom Gericht des Ersten Rechtszugs jedenfalls schon nicht übersehen werden. Und die erstmals im Berufungsverfahren geltend gemachten neuen Tatsachen, aus denen auf Rückgang der Beratungstätigkeit und Leistungsverdichtung zu schließen sein soll, sind jedenfalls nicht erkennbar aufgrund fehlender Nachlässigkeit unterblieben. Jedenfalls ist Gegenteiliges hierzu von dem Beklagten, der sich entlasten muss ("ohne dass"), nicht vorgetragen.

Bleibt der Umstand, den auch der Beklagte zentral geltend macht: Die (vom Berufungsgericht hier für neu gehaltenen Tatsachen) seien infolge eines Verfahrensmangels im Ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden. Denn das Gericht habe seiner Hinweispflicht nicht genügt.

Dem folgt die Berufungskammer nicht. Denn das Arbeitsgericht hat zum frühest möglichen Zeitpunkt (§ 139 Abs. 4 Satz 1 ZPO n. F.; eine Aufforderung zur Klageerwiderung vor der Güteverhandlung konnte aufgrund der Regelung in § 47 Abs. 2 ArbGG unterbleiben) einen detaillierten Hinweis- und Auflagenbeschluss erlassen, der durch die Aufnahme in die Niederschrift über die Güteverhandlung Inhalt der Akten i. S. der Regelung in § 139 Abs. 4 Satz 2 ZPO n. F. geworden ist. Der erteilte Hinweis in Nr. 1 des Beschlusses ist nicht abstrakt, sondern konkret auf eine auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützte Kündigung zugeschnitten. Genannt wird genau der Maßstab, der seit mehreren Jahrzehnten "Messlatte" für betriebsbedingte Kündigungen darstellt. Auf diesen Hinweis hin hat auch der Beklagte die Kündigung inhaltlich ebenso begründet, wie bereits in dem Kündigungsschreiben ausgeführt: Notwendigkeit der Kündigung wegen des Erfordernisses der Senkung von Personalkosten wegen Finanzierungslücke bzw. partiellen Ausfalls des Hauptzuwendungsgebers.

Eines weiteren noch konkreteren Hinweises bedurfte es danach nicht, ohne dass sich das Gericht nicht der Annahme befangenheitsbegründender Umstände ausgesetzt hätte. Denn es ergab sich nach Aktenlage für das Gericht nicht der Hauch eines Ansatzpunktes dafür, dass der Beklagte noch weitere oder andere Gründe für die Kündigung haben könnte. Aus Sicht des Gerichts meinte der Beklagte wegen des von ihm vorgetragenen Sachverhalts kündigen zu können, bei dem aber weder Leistungsvolumen noch -verdichtung irgendeine Rolle gespielt haben. Fortgedacht bedeutet die vom Beklagten im Berufungsverfahren an die gerichtliche Hinweispflicht gestellte Anforderung, dass sich das Gericht bei unzureichendem Kündigungsgrund zum Berater aufschwingen und nach tragfähigen Kündigungsgründen forschen müsste.

Bei alldem ist nicht einmal gesagt, ob der Beklagte zu einer Aufgabenreduzierung oder Leistungsverdichtung vorgetragen hätte oder überhaupt hätte vortragen können, wenn in einem (oder weiteren) Hinweis(en) des Gerichts das entsprechende eine oder andere Stichwort gefallen wäre. Denn zentraler Ausgangspunkt der Kündigung war (und ist im Grunde immer noch) die wiederholt erwähnte Finanzierungslücke. Diese hat aber mit dem Auftragsvolumen nichts zu tun, sondern beruht eben auf dem Verhalten des Hauptzuwendungsgebers. Wäre in der Tat das zurückgehende Arbeitsvolumen tragender Grund für die Kündigung gewesen, hätte es nahegelegen, die Beratungsdienste entsprechend zu verkleinern und von vornherein weniger Zuwendung zu beantragen und dann zu kündigen. Wäre hier nicht hinreichend quantifiziert worden, hätte ein entsprechender (hier: ergänzender) gerichtlicher Hinweis möglicherweise nahegelegen. War der Kündigungsgrund im Ersten Rechtszug aber im rechtlichen Sinne von vornherein nicht plausibel, war mit dem Vorbringen eines im Grunde völlig neuen Kündigungsgrundes seitens des Gerichts nicht zu rechnen.

Da es nach dem Vorstehenden mithin an einem Verfahrensmangel im Ersten Rechtszug fehlt, besteht keine Möglichkeit für die Berufungskammer, die erstmals im Berufungsverfahren vorgetragenen Tatsachen zu berücksichtigen (vgl. die Formulierung im Eingangssatz in § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO n. F.: "sind" nur zuzulassen).

c) An dem Vorstehenden ändert sich auch dann nichts, wenn neuer Sachvortrag im arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahren unter den erheblich erleichterten Voraussetzungen des § 67 ArbGG n. F. zulässig wäre, was allerdings die Unanwendbarkeit des § 531 ZPO n. F. bedeutete, obzwar gerade diese Neuregelung anders als andere Neuregelungen des Zivilprozessreformgesetzes (vgl. etwa § 522 Abs. 2 und 3 ZPO n. F. über § 66 Abs. 2 Satz 3 ArbGG oder § 540 Abs. 1 ZPO n. F. über § 69 Abs. 4 Satz 1 ArbGG) nicht ausdrücklich von der Anwendbarkeit im arbeitsgerichtlichen Verfahren ausgenommen ist (vgl. zum Problemkreis Rimmelspacher, in MK-ZPO/Aktualisierungsbd. ZPO-Reform 2002, § 531 [n. F.] Rdnr. 4; Schäfer, in: Ostrowicz/Künzl/Schäfer, Arbeitsgerichtsprozess, Kap. 3 Abschn. 8/8.2 = Rdnr. 195; Vossen, in: GK-ArbGG, § 67 Rdnr. 11). Denn dann handelte es sich bei den erstmals im Berufungsverfahren zur Rechtfertigung der Kündigung vorgetragenen Tatsachen um Mittel, die entgegen der hierfür nach § 61 a Abs. 3 ArbGG gesetzten Frist nicht vorgebracht worden sind. Ihre Zulassung scheitert dann an § 67 Abs. 2 Satz 1 ArbGG n. F. Denn der Beklagte hat die Verspätung nicht entschuldigt; die arbeitsgerichtliche Aufforderung war unmissverständlich. Die Zulassung der neuen Tatsachen würde nach der Überzeugung des Landesarbeitsgerichts auch den Rechtsstreit verzögern. Kündigungsrelevant war die erstmals zwei Wochen vor der Berufungsverhandlung vom 26.03.2003 mit Schriftsatz vom 10.03.2003 vorgetragene fehlende Auslastung mit Verbraucherberatung (Bl. 328 ff. d. A.). Dies hat der Kläger mit Schriftsatz vom 19.03.2003 in Abrede gestellt (Bl. 379 f. d. A.). Die vom Beklagten zum Beweis der strittigen Tatsache benannte Zeugin ... wurde nicht in die Berufungsverhandlung gestellt. Ihre kurzfristige Ladung zur Berufungsverhandlung war aus dienstlichen Gründen ebensowenig möglich wie eine Vernehmung an dem bereits mit sieben Sachen austerminierten Sitzungstag unmöglich gewesen wäre. In Betracht wäre nur eine Terminverlegung um etwa sieben Monate oder - am 26.03.2003 - ein Beweisbeschluss mit gleicher Verzögerung gekommen. Selbst wenn das neue Vorbringen nach § 67 Abs. 2 ArbGG n. F. zulässig gewesen sein sollte, hätte es aufgrund der Regelung in § 67 Abs. 4 Satz 1 ArbGG n. F. spätestens in der Berufungsbegründung erfolgen müssen. Darum handelt es sich jedoch bei dem Schriftsatz vom 10.03.2003 nicht. Deshalb ist das Vorbringen jedenfalls nach § 67 Abs. 4 Satz 2 ArbGG n. F., dessen Voraussetzungen aus den vorstehenden Gründen ebenfalls vorliegen, nicht berücksichtigungsfähig.

II.

Es kann dahinstehen, ob die nach dem Vorstehenden mangels ausreichendem bzw. mangels verwertbarem Kündigungsgrundes unwirksame Kündigung auch wegen fehlerhafter Auswahl nach sozialen Gesichtspunkte und/oder fehlerhafter Betriebsratsanhörung unwirksam ist.

B.

Der Beklagte hat aufgrund der Regelung in § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner ohne Erfolg gebliebenen Berufung zu tragen.

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen. Werden die vom Beklagten im Zweiten Rechtszug zur Begründung der Kündigung vorgetragenen Tatsachen für ausreichend gehalten, kommt es auf deren Berücksichtigungsfähigkeit nach den Neuregelungen des Berufungsrechts nach dem Zivilprozessreformgesetz an. In diesem Zusammenhang kann streitentscheidend werden, ob gerichtliche Hinweise von Arbeitsgerichten der hier gegebenen Art für unzureichend erachtet werden, worauf sich ggf. sämtliche Gerichte für Arbeitssachen einzustellen hätten. Klärungsbedürftig ist jedenfalls das Verhältnis zwischen § 531 ZPO n. F. und § 67 ArbGG n. F.

Ende der Entscheidung

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