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Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 20.03.2002
Aktenzeichen: 2 Sa 474/01
Rechtsgebiete: SchulG


Vorschriften:

SchulG § 64 Abs. 1 Satz 1 a. F.
1) § 64 Abs. 1 Satz 1 des Schulgesetzes für den Freistaat Sachsen vom 3. Juli 1991 (GVBl. S. 213, geändert durch Gesetz vom 19. August 1993 [GVBl. S. 688] und durch Gesetz vom 15. Juli 1994 [GVBl. S. 143] - SchulG), wonach Schulträger mit Wirkung vom 1. August 1995 in die Rechte und Pflichten eines Arbeitgebers aus den zwischen dem Freistaat Sachsen und dem medizinisch-therapeutischen Personal an Förderschulen und Einrichtungen nach § 13 Abs. 4 und § 16 Abs. 2 und 3 SchulG, dem Personal an Internaten und Kindergärten nach § 13 Abs. 2 und 4 SchulG i.d.F. vom 3. Juli 1991 und dem sonstigen Personal nach § 16 Abs. 2 und 3 SchulG bestehenden Verträgen eingetreten sind, war nicht verfassungswidrig.

2) Korrektur einer Dienstzeitberechnung für eine Zeitspanne von mehr als zwei Jahrzehnten nur unter entsprechender Anwendung der für die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes nach § 48 VwVfG geltenden Voraussetzungen.


Sächsisches Landesarbeitsgericht IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 2 Sa 474/01

Verkündet am 20. März 2002

In dem Rechtsstreit

hat das Sächsische Landesarbeitsgericht - Kammer 2 - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Frau ... und Herrn ... auf die mündliche Verhandlung vom 20.03.2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts vom 14. Februar 2001 - 8 Ca 4653/00 - abgeändert:

Es wird festgestellt, daß der Beschäftigungsbeginn des Beschäftigungsverhältnisses der Parteien gemäß § 19 BAT-O der 04. August 1969 ist.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites.

Revisionszulassung: keine.

Die Parteien streiten auch in dem Berufungsverfahren nach der diesbezüglichen Klarstellung durch die Klägerin weiter darüber, ob als Beschäftigungsbeginn des Beschäftigungsverhältnisses der Parteien gemäß § 19 BAT-O der 4. August 1969 festzustellen ist.

Von der erneuten Darstellung des Tatbestandes kann hier aufgrund der Regelung in § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen werden. Bereits das Arbeitsgericht ... hat in seinem angefochtenen Urteil den Tatbestand vollständig und - mit Ausnahme der nachstehenden Korrektur - richtig wiedergegeben. Auch hat keine Seiten Tatbestandsrügen erhoben. Dem Berufungsgericht genügt für seine abändernde Entscheidung das unstreitige Vorbringen der Parteien.

In Abweichung von dem dritten Absatz in dem angefochtenen Urteil ist klarzustellen, daß die Klägerin in dem Zeitraum vom 01.10.1991 bis 31.07.1995 in einem Arbeitsverhältnis mit dem Freistaat Sachsen stand und seit 01. August 1995 aufgrund Schulträgerwechsels in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten steht.

Unter dem 16.09.1991 hatte das vormalige Staatliche Schulamt ... in einem Änderungsvertrag mit der Klägerin unter einem § 5 eine Nebenabrede folgenden Inhalts verabredet:

"Übernahme aller Dienstjahre als Pädagoge seit dem (es folgt ein Datum - wohl 1.9.1969 - jedoch durchgeixt) 1.1.1968 (23 Jahre) (es folgt weiter nicht leserlicher durchgeixter Text)."

Auf einen an das vormalige Staatliche Schulamt ... gerichteten Antrag der Klägerin vom 25.09.1992 stellte das vormalige Oberschulamt... des Freistaates Sachsen mit den Vermerken "sachlich und rechnerisch richtig" am 29.01.1993 u. a. fest:

"Der Beginn der Beschäftigungszeit (§ 19 BAT-O/§ 6 MTArb-O) wird auf den (und dann handschriftlich:) 4.8.69 (weiter maschinenschriftlich) festgesetzt."

In einem Nachtrag zum Arbeitsvertrag der Parteien dieses Rechtsstreits vom 16.04.1996 wurde unter § 3 bestimmt:

"Die Nebenabrede in § 5 des Arbeitsvertrages wird durch folgende Nebenabrede ersetzt/Es wird folgende Nebenabrede vereinbart: Keine.

Wortidentisch ist ein § 3 in einem weiteren Nachtrag zum Arbeitsvertrag der Parteien vom 24.01.1997.

Entscheidungsgründe:

A.

Die zulässige Berufung ist begründet. Die ihrerseits zulässige Klage (das Bundesarbeitsgericht jedenfalls hält Feststellungsklagen vorliegender Art für zulässig) ist begründet. Denn es ist festzustellen, daß der Beschäftigungsbeginn des Beschäftigungsverhältnisses der Parteien gemäß § 19 BAT-O der 04.08.1969 ist.

I.

1.

Bei der durch das vormalige Oberschulamt ... des Freistaates Sachsen getroffenen "Feststellung der Beschäftigungszeiten" handelte es sich um die Bestimmung eines Teils des Inhalts des seinerzeitigen Arbeitsverhältnisses der Klägerin mit dem Freistaat Sachsen. Mit dieser war die Klägerin einverstanden. Aufgrund der Regelung in § 151 BGB mußte sie dem Freistaat Sachsen seinerzeit ihr Einverständnis nicht noch einmal ausdrücklich erklären, zumal die Feststellung auf der Grundlage ihres weitergehenden Antrages vom 25.09.1992 erfolgt ist.

Jedenfalls hat sich die Klägerin gegen die z. T. abschlägig beschiedene beantragte Anerkennung weiterer Zeiten nicht gewehrt. Damit bestand jedenfalls seinerzeit objektiv und subjektiv Einigkeit mit dem "festgesetzten" Beginn der Beschäftigungszeit zum 04.08.1969.

Die Festsetzung ist auch "rechtlich belastbar". Es ist nicht so, daß die Klägerin oder der Freistaat Sachsen durch sein Oberschulamt ... seinerzeit ohne Rechtsbindungswillen gehandelt hätten. Dies ergibt sich schon daraus, daß die Klägerin aufgrund der Regelung in § 21 BAT-O die anrechnungsfähigen Beschäftigungszeiten innerhalb einer Ausschlußfrist von (aufgrund der Übergangsvorschrift hierzu) sechs Monaten nach Aufforderung durch den Arbeitgeber nachzuweisen hatte, um keine Rechtsnachteile zu erleiden. Rechtsbindungswille seitens des Freistaates Sachsen folgt schon daraus, daß er das Verfahren über die Feststellung von Beschäftigungszeiten wie ein auf den Erlaß eines Verwaltungsaktes angelegtes Verfahren formalisiert, betrieben und auch entsprechend abgeschlossen hat. Irgendwelche Vorbehalte, etwa für den Fall eines Irrtums oder unrichtiger Angaben, sind nicht erklärt.

2.

Entgegenstehende Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu der Frage, welcher "Verpflichtungswille" sich aus einer erfolgten Anerkennung von Beschäftigungs- bzw. Vordienstzeiten ergibt, ist nicht einschlägig. Sämtliche Entscheidungen betreffen lediglich die Frage, ob eine Anerkennung oder Bestätigung von Vordienstzeiten vor Inkrafttreten des § 19 BAT-O nach dessen Inkrafttreten wirksam sein sollte; in einem Fall war sogar ein Vorbehalt des Inhalts erklärt worden, wonach eine neue tarifvertragliche Regelung abgewartet werden solle (vgl. die von der Beklagten angezogenen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 08.04.1996 - 6 AZR 623/95 - AP Nr. 12 zu § 19 BAT-O; vom 20.02.1997 - 6 AZR 713/95 -, AP Nr. 13 zu § 19 BAT-O; vom 19.06.1997 - 6 AZR 140/96 -, dokumentiert in JURIS).

Hier ist das anders. Die durch das vormalige Oberschulamt... durchgeführte "Feststellung der Beschäftigungszeiten" ist am 29.01.1993 erfolgt. § 19 BAT-O selbst ist jedoch bereits am 01.12.1991 in Kraft getreten.

3.

Nach dem Vorstehenden kommt es nicht darauf an, ob die Voraussetzungen des § 19 BAT-O tatsächlich erfüllt sind. Auch wenn dies nicht der Fall sein sollte, würde es sich bei der durch das vormalige Oberschulamt ... im Einvernehmen mit der Klägerin getroffenen Regelung um eine nach § 4 Abs. 3 TVG zulässige "abweichende Abmachung" handeln, weil sie eine Änderung der Regelungen des BAT-O zugunsten der Klägerin enthalten würde. Daran ändert sich auch nichts dadurch, daß in der Festsetzung der Beschäftigungszeit u. a. auch § 19 BAT-O in Bezug genommen wurde. Denn die konkrete Angabe des Beschäftigungsbeginns stellt demgegenüber einen Umstand dar, aus dem die Klägerin hier schließen konnte, ihr vormaliger Arbeitgeber habe das Datum so akzeptiert, als handelte es sich um das tariflich maßgebliche (vgl. auch BAG vom 16.11.2000 - 6 AZR 377/99 -, AP Nr. 17 zu § 1 BAT-O).

II.

Die Beklagte ist aufgrund der alten Fassung des § 64 Abs. 1 Satz 1 des Schulgesetzes für den Freistaat Sachsen (vom 03.07.1991 - GVBl. S. 213, geändert durch Gesetz vom 19.08.1993 [GVBl. S. 688] und durch Gesetz vom 15.07.1994 [GVBl. S. 143] - künftig: SchulG) mit Wirkung vom 01.08.1995 in die Rechte und Pflichten eines Arbeitgebers aus den zwischen dem Freistaat Sachsen und dem medizinisch-therapeutischen Personal an Förderschulen und Einrichtungen nach § 13 Abs. 4 und § 16 Abs. 2 und 3 SchulG, dem Personal an Internaten und Kindergärten nach § 13 Abs. 2 und 4 SchulG i. d. F. vom 03.07.1991 und dem sonstigen Personal nach § 16 Abs. 2 und 3 SchulG bestehenden Verträgen eingetreten.

Über den Umstand des Schulträgerwechsels besteht kein Streit. Ebensowenig besteht Streit darüber, daß die Klägerin zu dem in der alten Fassung des § 64 Abs. 1 Satz 1 SchulG genannten Personal gehört hat.

Erstmals in der Berufungsverhandlung hat die Beklagte geltend gemacht, der Freistaat Sachsen hätte sie vermittels der Regelung in § 64 Abs. 1 Satz 1 SchulG a. F. nicht mit einer nicht im Einklang mit § 19 BAT-O stehenden Festsetzung der Beschäftigungszeit belasten dürfen.

Dem ist nicht so. § 64 Abs. 1 Satz 1 SchulG a. F. regelte zunächst u. a. den Eintritt der Beklagten in die Pflichten eines Arbeitgebers aus den zwischen dem Freistaat Sachsen und dem in der Norm bezeichneten Personal bestehenden Verträgen. Dazu gehörte hier der "festgesetzte" Beginn der Beschäftigungszeit. Denn die inhaltlichen Regelungen des Arbeitsvertrages wurden durch den gesetzlichen Übergang nicht verändert (Holfelder/Bosse/Benda/Runck, SächsSchulG, 4. [Vor-]Auflage, § 64 Einzige Anmerkung).

§ 64 Abs. 1 Satz 1 SchulG a. F. war nicht unwirksam. Landes- oder bundesverfassungsgerichtliche Kommunalverfassungsbeschwerden hat die Beklagte gegen diese Norm mit Blick auf die sich für sie aus ihr möglicherweise ergebenden Verpflichtungen ersichtlich nicht geführt. Dies ist wegen Ablaufes der hierfür geltenden Fristen auch nicht mehr möglich.

Der Rechtsstreit ist auch nicht auszusetzen und dem Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen oder dem Bundesverfassungsgericht deshalb vorzulegen, weil § 64 Abs. 1 Satz 1 SchulG a. F. verfassungswidrig gewesen wäre. Denn dem ist nicht so. Schulrecht ist nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes Ländersache. Art. 102 Abs. 5 der Verfassung des Freistaates Sachsen überantwortet Näheres (über die Abs. 1 bis 4 des Artikels hinaus) einem Gesetz. Dieses stellt das Schulgesetz dar. Es ist nicht deshalb kompetenzwidrig, weil und insoweit § 64 Abs. 1 Satz 1 SchulG a. F. auch die Sukzession arbeitsrechtlicher Art regelte und sich die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes nach Art. 74 Nr. 12 GG u. a. auf das Arbeitsrecht erstreckt. Denn aufgrund der Regelung in Art. 75 Nr. 1 GG könnte der Bund (unter den Voraussetzungen des Art. 72 GG) u. a. über die Rechtsverhältnisse der im öffentlichen Dienst der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts stehenden Personen (nur) Rahmenvorschriften erlassen. Dies hat er allerdings für die arbeitsrechtlichen Folgen eines Schulträgerwechsels innerhalb eines Bundeslandes nicht getan.

Die Regelung einer Schulträgerschaft im Rahmen der vom Staat allgemein festgelegten Ziele stellt für sich auch keinen Fall einer unzulässigen Beeinträchtigung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts dar (vgl. BVerfG vom 24.06.1969 - 2 BvR 446/64 -, BVerfGE 26, 228, 238 ff.).

III.

Die durch das vormalige Oberschulamt ... erfolgte Feststellung der Beschäftigungszeiten der Klägerin ist nicht untergegangen.

1.

Die Regelungen in den §§ 3 der Nachträge zum Arbeitsvertrag vom 16.04.1996 respektive vom 24.01.1997 konnten dies schon deshalb nicht bewirken, weil sie sich lediglich auf "§ 5 des Arbeitsvertrages" bezogen haben. Gemeint damit war § 5 des Änderungsvertrages vom 16.09.1991, der die Übernahme aller Dienstjahre als Pädagoge seit dem 01.01.1968 im Umfang von 23 Jahren vorgesehen hatte. Ein Bezug auf die "Feststellung von Beschäftigungszeiten" durch das vormalige Oberschulamt ... vom 29.01.1993 ergibt sich daraus weder ausdrücklich noch der Sache nach, zumal hier ein anderer Beschäftigungsbeginn (vom 04.08.1969 eben) festgestellt worden ist. Auch ist nicht erkennbar, warum die Klägerin mit den Nachträgen zu dem Arbeitsvertrag der Parteien ihre bereits mit der am 04.03.1996 bei dem Arbeitsgericht ... eingegangenen Klage vertretene Rechtsauffassung hätte aufgeben wollen oder sollen, wonach der Beschäftigungsbeginn eben der streitgegenständliche gewesen sei. Hierauf ist durch den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin in der Berufungsverhandlung zu Recht hingewiesen worden, ohne daß die Beklagte dem widersprochen hätte.

2.

Nicht angängig ist es auch, den Beginn der Beschäftigung des Beschäftigungsverhältnisses der Parteien nach den Grundsätzen über die sog. korrigierende Rückgruppierung anders zu datieren.

Die jener Rechtsfigur zugrundeliegende und im übrigen nicht unbedenkliche Rechtsprechung verschiedener Senate des Bundesarbeitsgerichts besagt - jedenfalls bislang - lediglich, daß dann, wenn der Arbeitgeber dem Angestellten eine übertarifliche Vergütung arbeitsvertraglich zugesagt habe, er eine korrigierende Rückgruppierung vornehmen könne (vgl. aus jüngerer Zeit beispielsweise BAG vom 16.02.2000 - 4 AZR 62/69 -, AP Nr. 3 zu § 2 NachwG).

Um die Korrektur einer mitgeteilten Vergütungsgruppe geht es der Beklagten hier nicht. Vielmehr erstrebt sie eine Neuberechnung der Beschäftigungszeit.

Unabhängig davon und selbständig tragend betrifft die vorgenannte Rechtsprechung lediglich den Fall, daß keine wissentliche (Unterstreichung durch die Kammer) Zubilligung einer übertariflichen Vergütung erfolgt ist (vgl. BAG vom 16.02.2000, a. a. O.). Darum handelt es sich bei der "Feststellung" bzw. "Anerkennung" von Beschäftigungszeiten jedenfalls dann nicht, wenn - wie hier - nach einer Art Verwaltungsverfahren ein bestimmter Beschäftigungsbeginn nach Einzelfallprüfung (partielle Anerkennung, partielle Nichtanerkennung von Zeiten) ermittelt ist (was auch noch mit Stempel und Unterschrift der dafür zuständigen Behörde als "sachlich und rechnerisch richtig" bestätigt wurde) und sogar handschriftlich (nicht formularmäßig oder vorformuliert) "festgesetzt" wird. Darauf kann auch ein Angestellter im öffentlichen Dienst vertrauen. Denn es handelt sich dabei jedenfalls hier um "besondere Umstände" (hierzu BAG vom 16.11.2000, a. a. O.), die sich mit einem Hinweis auf die möglicherweise entgegenstehende Tariflage nicht beseitigen lassen.

Einen bei einer derartigen "Anerkennung" oder "Feststellung" möglicherweise unterlaufenen Irrtum hat die Beklagte aufgrund der Regelung in § 64 Abs. 1 Satz 1 SchulG a. F. gegen sich gelten zu lassen.

3.

Soweit in der Rechtsprechung auch eine Änderung der Dienstzeitberechnung zuungunsten des Angestellten für zulässig gehalten wird (BAG vom 15.08.1979 - 4 AZR 913/77 - AP Nr. 3 zu § 20 BAT; LAG Sachsen-Anhalt vom 10.12.1996 - 8 Sa 1032/95 - in JURIS und ZTR 1997, 365 nur Leitsätze, beide Entscheidungen mit Nachweis der abweichenden Meinung), sind zivilrechtliche Anfechtungsfristen oder tarifvertragliche Ausschlußfristen (hier nach § 70 Abs. 1 BAT-O) für einen "Widerruf bzw. eine "Rücknahme", die sowohl der Freistaat Sachsen als auch die Beklagte hat verstreichen lassen, völlig aus dem Blick geraten.

Hier kann unentschieden bleiben, ob eine "Korrektur" jedenfalls mit Blick auf Ausschluß fristen allenfalls in deren Grenzen und nur für die Zukunft statthaft wäre, nicht aber rückwirkend für die hier zu beurteilende Zeitspanne. Denn eine Korrektur hätte hier aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles nur in entsprechender Anwendung der für die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes nach § 48 VwVfG geltenden Voraussetzungen (dazu vgl. BAG vom 18.09.1974 - 5 AZR 18/74 -, AP Nr. 10 zu § 9 BergmannsVersorgScheinG NRW und ausdrücklich BAG vom 15.08.1979, a. a. O.), die aber nicht vorliegen, erfolgen dürfen:

Diese Besonderheiten bestehen hier darin, daß nicht nur - wie aber in der Entscheidung BAG vom 15.08.1979 - die Berücksichtigung weniger Monate (es ging um die Anrechnung von fünf Monaten Studienurlaub auf die Kriegszeit gemäß § 20 MTA [§ 20 BAT]) in Rede steht, sondern eine Zeitspanne von mehr als zwei Jahrzehnten. Angesichts des Lebensalters der Klägerin und ihrer voraussichtlich verbleibenden Beschäftigungszeit wäre von dieser Zeitspanne, ginge sie "verloren", nur noch ein Bruchteil aufholbar. Anwartschaften und an die Dauer der Beschäftigung anknüpfende Rechtsfolgen (etwa bei Sozialauswahl, Kündigungsfristen, Abfindungsansprüche), die auf mehr als die Hälfte eines aktiven Arbeitslebens gründen, wären weitgehend entwertet. Dazu kommt, daß noch in dem Änderungsvertrag vom 16.09.1991 eine sogar um ein Jahr und mehr als sieben Monate längere Beschäftigungsdauer individuell abgemacht war und dies von dem den strittigen Beschäftigungsbeginn festsetzenden Arbeitgeber herrührte. Gemessen daran war nicht mit einer Neuberechnung der Beschäftigungszeit zu rechnen, wie sie der Klägerin aber von der Beklagten angesonnen wird.

B.

Die Beklagte hat aufgrund der Regelung in § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil sie unterlegen ist.

Ein Rechtsmittel findet gegen diese Entscheidung nicht statt. Die Revision ist auch nicht zuzulassen. Nach dem Ergebnis der Berufungsverhandlung handelt es sich bei dem Fall der Klägerin um den letzten einschlägigen Vorgang im Personalbereich der Beklagten, weswegen die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat. Es wird allerdings darauf hingewiesen, daß die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht ihrerseits durch Beschwerde (sog. Nichtzulassungsbeschwerde) angefochten werden kann. Möglich ist dies jedoch nur unter den in § 72 a ArbGG genannten Fällen.

Ende der Entscheidung

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