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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 30.04.2003
Aktenzeichen: 2 Sa 515/02
Rechtsgebiete: BGB, InsO


Vorschriften:

BGB § 613 a Abs. 1 Satz 1
InsO § 53
Die Haftungsbeschränkung des Betriebserwerbers für Insolvenzforderungen gilt nicht für Masseverbindlichkeiten
Sächsisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes URTEIL

Az.: 2 Sa 515/02

Verkündet am 30. April 2003

In dem Rechtsstreit

hat das Sächsische Landesarbeitsgericht - Kammer 2 - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Herrn ... und Herrn ... auf die mündliche Verhandlung vom 30.04.2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 25.04.2002 - 9 Ca 9753/01 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Revisionszulassung: keine.

Die Parteien streiten auch im Zweiten Rechtszug weiter darüber, ob der Klägerin gegen die Beklagte Vergütung für den Monat Juli 2001 in Höhe von 1.205,67 DM, ausgedrückt in Euro 616,45, nebst einem Zinsanspruch zusteht.

Von der erneuten Darstellung des Tatbestands kann aufgrund der Regelung in § 69 Abs. 2 ArbGG n. F. abgesehen werden. Das streiterhebliche Vorbringen ergibt sich im wesentlichen aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils, auf den gemäß § 69 Abs. 3 Satz 2 ArbGG n. F. Bezug genommen wird.

Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte rückwirkend zum 01.08.2001 gegründet wurde.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Denn die - ihrerseits zulässige - Klage ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf die streitgegenständliche Vergütung gegen die Beklagte. Deshalb besteht auch der ausgeurteilte Zinsanspruch.

1.

Der Vergütungsanspruch ist dadurch entstanden, dass die Klägerin nach Insolvenzeröffnung auch im Monat Juli 2001 unverändert in dem Hotel der Insolvenzschuldnerin, der Fa. ... KG, tätig geblieben ist. Dadurch sind "sonstige" Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 InsO begründet worden.

2.

In die sich daraus ergebende Zahlungspflicht ist aufgrund der Regelung in § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB die Beklagte eingetreten.

Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt nach dieser Regelung der Erwerber in die Rechte und Pflichten aus dem im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnis ein.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor:

a) Das Arbeitsverhältnis der Klägerin bestand über den 31.07.2001 hinaus bis zum 31.08.2001. Das war der sich aufgrund der Kündigung durch den Insolvenzverwalter ergebende Kündigungstermin.

b) Im Zeitraum nach dem 31.07.2001, zum 01.08.2001 und mithin während des (noch) bestehenden Arbeitsverhältnisses, ist es zu einem Betriebsinhaberwechsel gekommen. Inhaberin des Hotelbetriebes ist nunmehr die Beklagte.

Maßgebendes "Rechtsgeschäft" i. S. des § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB ist der rückwirkend zum 01.08.2001 abgeschlossene Pachtvertrag. Das Hotel wird auch durch die Beklagte fortbetrieben.

Daran ändert sich nichts dadurch, dass die Beklagte rückwirkend gegründet und auch der Pachtvertrag rückwirkend geschlossen wurde. Ein Betriebserwerb i. S. des § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB liegt vor, sobald der Betriebserwerber aufgrund rechtsgeschäftlicher Übereinkunft in die Lage versetzt worden ist, die Leitungsmacht im Betrieb mit dem Ziel der Betriebsfortführung auszuüben. Es ist nicht entscheidend, dass die Betriebsleitungsmacht zu diesem Zeitpunkt bereits tatsächlich ausgeübt worden ist (BAG vom 26.03.1996 - 3 AZR 965/94 -, AP Nr. 148 zu § 613 a BGB).

c) Richtig ist, dass das Bundesarbeitsgericht einem Betriebserwerber im Konkurs Haftungsbeschränkung gewährt. Richtig ist auch, dass das Bundesarbeitsgericht daran unter der Geltung der Insolvenzordnung festhält (BAG vom 20.06.2002 - 8 AZR 459/01 -, AP Nr. 10 zu § 113 InsO m. w. N.).

Damit hat es folgende Bewandtnis:

Unter der Geltung der Konkursordnung ist die haftungsrechtliche Regelung des § 613 a BGB nur modifiziert zur Anwendung gekommen. Ist der Betriebsübergang nach der Eröffnung des Konkursverfahrens erfolgt, haftet der Betriebserwerber nach § 613 a BGB für solche Ansprüche nicht, die vor der Eröffnung des Konkursverfahrens entstanden sind. Begründet wurde diese Rechtsprechung mit dem das Konkursrecht prägenden Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung. Würde die vom Betriebserwerber übernommene Belegschaft einen neuen zahlungskräftigen Haftungsschuldner für bereits entstandene Ansprüche erhalten, wäre sie im Verhältnis zu anderen Konkursgläubigern unangemessen bevorzugt. Dieser Vorteil müsste von den übrigen Konkursgläubigern finanziert werden, weil der Betriebserwerber den an die Masse zu zahlenden Kaufpreis mit Rücksicht auf die übernommene Haftung mindern würde. Die Verteilungsgrundsätze des Konkursverfahrens seien daher vorrangig. § 613 a BGB sei insoweit teleologisch zu reduzieren (BAG vom 20.06.2002, a. a. O.).

Bezogen auf den Streitfall kommt es damit hier nicht zu einer Haftungsbeschränkung. Denn der streitgegenständliche Anspruch ist nicht vor, sondern nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden. Insoweit kommt der vom Bundesarbeitsgericht angezogene Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Konkurs- bzw. Insolvenzgläubiger nicht zum Tragen. Denn nach § 53 InsO sind aus der Insolvenzmasse u. a. die "sonstigen" Masseverbindlichkeiten, um die es hier aber geht, vorweg zu berichtigen. Dies stellt auch keine Bevorzugung der Klägerin gegenüber Insolvenzgläubigern dar. Anders als diese hat sie noch nach Insolvenzeröffnung eine Leistung (ihre Arbeitsleistung) zur Masse erbracht, wozu sie aufgrund des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses sogar verpflichtet war. Die vom Bundesarbeitsgericht im Wege einer beschränkenden Auslegung gewonnene Haftungsbeschränkung des Betriebserwerbers für Insolvenzforderungen gilt deshalb für Masseverbindlichkeiten konsequenterweise nicht.

II.

Die Beklagte hat aufgrund der Regelung in § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer ohne Erfolg gebliebenen Berufung zu tragen.

Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Die Revision ist nicht zuzulassen. Es wird darauf hingewiesen, dass die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht ihrerseits durch Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde) angefochten werden kann. Möglich ist dies unter den in § 72 a ArbGG genannten Voraussetzungen.

Ende der Entscheidung

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