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Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 19.06.2009
Aktenzeichen: 2 Sa 551/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 613 a
BGB § 622 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Sächsisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes URTEIL

Az.: 2 Sa 551/08

Verkündet am 19. Juni 2009

In dem Rechtsstreit

hat das Sächsische Landesarbeitsgericht - Kammer 2 - durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Herrn ... und Herrn ... auf die mündliche Verhandlung vom 19.06.2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 25.06.2008 - 6 Ca 4699/07 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Revision ist nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob das sie verbindende Arbeitsverhältnis über den 31.12.2007 hinaus bis 29.02.2008 fortbestanden hat.

Der am ...1978 geborene Kläger absolvierte im Zeitraum vom 01.08.1996 bis 31.07.1999 in der Bäckerei des ..., dem Vater des Beklagten, seine Berufsausbildung zum Bäcker. Im Anschluss an die Berufsausbildung war der Kläger zunächst arbeitslos, bis er ab dem 01.10.1999 von ... für die Bäckerei als Bäcker eingestellt wurde.

... war Inhaber der von ihm in der ...straße ... in ... betriebenen gleichnamigen Bäckerei, Konditorei und des Cafes. Er stellte seine Tätigkeit zum 31.12.2004 ein. Zuvor hatte er mit Schreiben vom 15.12.2004 das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31.12.2004 gekündigt, gegen welche Kündigung der Kläger nichts unternommen hat.

Am 30.12.2004 schlossen der Kläger und der Beklagte einen Arbeitsvertrag, wonach der Kläger beginnend ab 01.01.2005 bei dem Beklagten als Bäcker eingestellt wurde. Zum selben Zeitpunkt begann der Beklagte seine Unternehmenstätigkeit als Bäcker. Der Beklagte hat hierzu sowohl das Anlage- als auch das Umlagevermögen des Betriebs seines Vaters käuflich erworben. Der Beklagte betreibt seit diesem Zeitpunkt an derselben Adresse die Konditorei, Bäckerei und das Cafe ...

Mit Schreiben vom 28.11.2007, dem Kläger zugegangen am 29.11.2007, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31.12.2007. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte der Beklagte neben dem Kläger drei Vollzeitarbeitskräfte sowie einen Fahrer mit einer werktäglichen Arbeitszeit von 2,5 bis drei Stunden.

Mit Schreiben vom 22.02.2008 kündigte der Beklagte "rein vorsorglich, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin".

Mit seiner am 20.12.2007 bei dem Arbeitsgericht Dresden eingegangenen und dem Beklagten am 03.01.2008 zugestellten Klage machte der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung sowie den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend. Zuletzt hat er sich auf die Nichteinhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist bezogen, weil seine Beschäftigungszeit ab dem 01.10.1999 anzurechnen sei.

Die weitergehende Klage hat er ebenso zurückgenommen wie die auf die Folgekündigung bezogene Klagerweiterung.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass sich für ihn die verlängerte Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB ergebe. Bei der Berechnung seiner Beschäftigungsdauer seien entgegen der Regelung in § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB Zeiten, die vor Vollendung seines 25. Lebensjahres liegen, zu berücksichtigen. Die Norm sei nicht mit EU-Recht konform.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 31.12.2007 bis 29.02.2008 fortbestanden hat.

Der Beklagte hat

Klageabweisung beantragt.

Der Beklagte hat sich auf die Dauer des rechtlichen Bestandes des Arbeitsverhältnisses der Parteien berufen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen und dabei § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB unangewendet gelassen.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 30.07.2008 zugestellte Urteil am 29.08.2008 Berufung eingelegt und begründet.

Der Beklagte verteidigt die Einhaltung der Kündigungsfrist. Das Arbeitsgericht hätte nicht einfach § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB unangewendet lassen dürfen. Der Beklagte verweist erneut darauf, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien zum Zeitpunkt der Kündigung erst seit 01.01.2005 bestanden habe.

Der Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Dresden vom 25.06.2008 - 6 Ca 4699/07 - abzuweisen.

Hilfsweise das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften folgende Fragen zur Vorabentscheidung gemäß Art. 234 EGV vorzulegen:

1. a) Verstößt eine nationale Gesetzesregelung, nach der sich die vom Arbeitgeber einzuhaltenden Kündigungsfristen mit zunehmender Dauer der Beschäftigung stufenweise verlängern, vor Vollendung des 25. Lebensjahres liegende Beschäftigungszeiten des Arbeitnehmers jedoch unberücksichtigt bleiben, gegen das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung, namentlich gegen Primärrecht der EG oder gegen die Richtlinie 2000/78/EG vom 25.11.2000?

1. b) Kann ein Rechtfertigungsgrund dafür, dass der Arbeitgeber bei der Kündigung von jüngeren Arbeitnehmern nur eine Grundkündigungsfrist einzuhalten hat, darin gesehen werden, dass dem Arbeitgeber ein - durch längere Kündigungsfrist beeinträchtigtes - betriebliches Interesse an personalwirtschaftlicher Flexibilität zugestanden wird und jüngeren Arbeitnehmern nicht der (durch längere Kündigungsfristen den älteren Arbeitnehmern vermittelte) Bestands- und Dispositionsschutz zugestanden wird, z. B. weil ihnen im Hinblick auf ihr Alter und/oder geringere soziale, familiäre und private Verpflichtungen eine höhere berufliche und persönliche Flexibilität und Mobilität zugemutet wird?

2. Wenn die Frage zu 1. a bejaht und die Frage zu 1. b verneint wird:

Hat das Gericht eines Mitgliedstaates in einem Rechtsstreit unter Privaten die dem Gemeinschaftsrecht explizit entgegenstehende Gesetzesregelung unangewendet zu lassen oder ist in dem Vertrauen, das die Normunterworfenen in die Anwendung geltender innerstaatlicher Gesetze setzen, dahin Rechnung zu tragen, dass die Unanwendbarkeitsfolge erst nach Vorliegen einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs oder die inkriminierte oder eine im Wesentlichen ähnliche Regelung eintritt?

Der Kläger beantragt

die Zurückweisung der Berufung.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Er bezieht sich darauf, dass ein Übergang des Betriebes des Vaters auf seinen beklagten Sohn vorgekommen sei. Übergegangen sei damit auch das mit dem Vater begründete Arbeitsverhältnis, dessen Dauer anzurechnen sei. § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB sei aus Gründen des Europarechts nicht zu seinen Lasten anzuwenden.

Wegen der Einzelheiten des tatsächlichen Vorbringens beider Parteien sowie ihrer umfangreichen Rechtsausführungen wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung ist begründet. Denn es ist nicht festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 31.12.2007 bis 29.02.2008 fortbestanden hat. Dieses wurde vielmehr durch die dem Kläger am 29.11.2007 zugegangene Kündigung des Beklagten mit Schreiben vom 28.11.2007 unter Wahrung der Kündigungsfrist von einem Kalendermonat des § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB zum Ablauf des 31.12.2007 beendet.

Die im Rahmen der Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 2 BGB zu berücksichtigende Beschäftigungsdauer des Klägers bei dem Beklagten rechnet erst seit Beginn des Arbeitsverhältnisses der Parteien seit dem 01.01.2005. Damit ist nach § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB maßgebend die Kündigungsfrist von einem Monat zum Ende eines Kalendermonats, die aber wiederum mit der am 29.11.2007 zugegangenen und zum 31.12.2007 - dem Kündigungstermin - erklärten Kündigung des Beklagten gewahrt ist.

Die Frage, ob nach § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahres des Klägers liegen, nicht berücksichtigt werden, stellt sich damit nicht.

Maßgebend für die Bestimmung der Dauer des Arbeitsverhältnisses ist dessen rechtlicher Bestand zwischen den Parteien (allg. Ansicht, vgl. nur Erman/Belling BGB § 622 Rdnr. 6), so nicht aus Rechtsgründen Vorbeschäftigungszeiten bei einem dritten Arbeitgeber anzurechnen wären. Letzteres hat beispielsweise und insbesondere im Falle eines - hier möglicherweise anzunehmenden - Betriebsüberganges zu geschehen (vgl. m. N. KR-Spilger § 622 BGB Rdnr. 62).

Auf die Beschäftigungszeiten bei dem Vater des Beklagten kann sich der Kläger aber hier nicht berufen. Denn er hat die von seinem früheren Arbeitgeber im Jahre 2004 zum 31.12.2004 erklärte Kündigung nicht angegriffen, obzwar hierzu seit 01.01.2004 nach dem Ersten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes auch in Kleinbetrieben Veranlassung bestand. Rechtsfolge der unterlassenen Klage gegen die Kündigung ist deren Wirksamkeit, was zum Abbruch des früheren Beschäftigungsverhältnisses des Klägers bei dem Vater des Beklagten geführt hat. Dabei ist unmaßgeblich, aus welchem Grund dem Kläger die frühere Kündigung erklärt worden ist. Unmaßgeblich ist es insbesondere auch, ob sie - wenn auch aus Rechtsgründen unzulässigerweise - wegen Betriebsüberganges erklärt worden wäre. Denn diesen Mangel konnte der Kläger nach Ablauf der Klagefrist von drei Wochen gegenüber seinem früheren Arbeitgeber nicht geltend machen.

Geltend machen kann er den Umstand auch nicht gegenüber dem Beklagten, mit dem er einen neuen Arbeitsvertrag abgeschlossen hat.

Selbst wenn es sich bei der Kündigung seines früheren Arbeitgebers um den Versuch einer Umgehung der Rechtsfolgen des § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB gehandelt haben sollte, hätte der Kläger auch dies nur durch fristgerechte Klage gegenüber seinem früheren Arbeitgeber geltend machen können.

Der alte Vertrag setzt sich auch nicht etwa wegen stillschweigender Verlängerung nach § 625 BGB fort. Denn selbst wenn die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sein sollten, hätte der Kläger zwar möglicherweise nach Ablauf der durch die Kündigung seines früheren Arbeitgebers in Lauf gesetzten Kündigungsfrist ein fortbestehendes Arbeitsverhältnis mit seinem früheren Arbeitgeber, dem Vater des Beklagten. Regelungsgehalt des § 625 BGB ist jedoch nicht die Neubegründung des Arbeitsverhältnisses mit einem Dritten, hier dem Beklagten.

Die Neubegründung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien stellt auch keine Umgehung des § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB dar und ist nicht deshalb nichtig. Richtig ist zwar, dass Abreden von Arbeitsvertragsparteien, die - etwa im Rahmen von Aufhebungsverträgen - entgegen § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB auf das Unterlaufen der danach angeordneten Kontinuität abzielen, wegen Gesetzesumgehung unwirksam sein können (vgl. Nachw. d. Rspr. bei KR-Spilger AufhebungsV Rdnr. 38). Für ein Vorliegen dieser Voraussetzungen ist hier aber weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich. Denn der Kläger hat nicht etwa unter Beteiligung seines früheren Arbeitgebers und dem Beklagten einen dreiseitigen Aufhebungsvertrag geschlossen, sondern - wie gesagt: nach wirksamer Kündigung - ein neues Arbeitsverhältnis begründet.

In dem neuen Arbeitsvertrag haben die Parteien auch nicht abgemacht, dass die bisherigen Beschäftigungszeiten des Klägers bei dem Vater des Beklagten anzurechnen wären.

Unmaßgeblich ist auch, dass nach § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB auf die Beschäftigung in einem "Betrieb oder Unternehmen" abgestellt wird, denn die rechtliche Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses ist grundsätzlich auch für die Berechnung der Dauer der Kündigungsfrist zu beachten (vgl. zu den Einzelheiten etwa KR-Spilger § 622 BGB Rdnrn. 58 ff. m. N.). Wechselt jedoch - wie hier - der Arbeitgeber und ist das Arbeitsverhältnis zum früheren Arbeitgeber (zur Unmaßgeblichkeit von Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses zum kündigenden Arbeitgeber s. KR-Spilger a. a. O.) - wie ebenfalls hier - rechtswirksam abgebrochen worden, bedürfte es besonderer vertraglicher Abmachung oder gesetzlicher Anordnung der Berücksichtigung von Vorbeschäftigungszeiten. Auch für den Fall einer Gesamtrechtsnachfolge oder einer Anordnung des Übergangs des Arbeitsverhältnisses nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB ist lediglich ein rechtlich noch bestehendes Vertragsverhältnis zum Zeitpunkt der Nachfolge/des Übergangs übergangsfähig, woran es hier aus den vorstehenden Gründen aber fehlt.

Im Übrigen dienen die Begriffe "Betrieb oder Unternehmen" in § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB lediglich dazu, den Haushalt und die Haushaltsangestellten von der Regelung über die verlängerten Kündigungsfristen des § 622 Abs. 2 BGB auszunehmen (vgl. KR-Spilger § 622 BGB Rdnr. 55 und Rdnr. 65 m. w. N.).

II.

Der Kläger trägt nach § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits, soweit er unterlegen ist. Soweit seine Klagerücknahme im ersten Rechtszug reicht, ergibt sich diese Kostenfolge aus § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

Mangels Relevanz der Regelung des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB in dieser Sache kommt es auf deren Vereinbarkeit mit europarechtlichen Vorgaben (hierzu die umfassende Darstellung des Meinungsstandes in Rechtsprechung und Literatur in dem Beschluss der 3. Kammer des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 18.11.2008 - 1 BvL 4/08 - dok. in JURIS) nicht an, weshalb auch eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof unterbleibt.

Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil es an Gründen hierfür fehlt.

Ende der Entscheidung

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