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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 05.03.2004
Aktenzeichen: 2 Sa 625/03
Rechtsgebiete: GewO, BGB


Vorschriften:

GewO § 106 S. 1
GewO § 106 S. 2
BGB § 227 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Sächsisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes URTEIL

2 Sa 625/03

Verkündet am 05. März 2004

In dem Rechtsstreit

hat das Sächsische Landesarbeitsgericht - Kammer 2 - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Frau ... und Herrn ... auf die mündliche Verhandlung vom 05.03.2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 18. Juni 2003 - 7 Ca 7062/03 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Revisionszulassung: keine.

Tatbestand:

Die Parteien streiten auch im Zweiten Rechtszug auf die Berufung des im Ersten Rechtszug unterlegenen Klägers darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, die dem Kläger am 27.01.2003 zugegangene Abmahnung vom 24.01.2003 aus dessen Personalakte zu entfernen.

Von der erneuten Darstellung des Tatbestandes wird aufgrund der Regelung in § 69 Abs. 2 ArbGG n. F. abgesehen und stattdessen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen. Dieses gibt das tatsächliche Vorbringen der Parteien vollständig und richtig wieder. Neues tatsächliches Vorbringen im Zweiten Rechtszug - in Sonderheit des Klägers - rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Lediglich ergänzend ist Folgendes festzuhalten:

Der Kläger hat sich vor dem zum Ausspruch der Abmahnung führenden Vorgang im Vorfeld weder mit seinem direkten Vorgesetzen, dem Chefarzt..., noch mit der Krankenhausleitung, der Verwaltungsdirektorin, der Pflegedienstleiterin oder mit sonst irgendeinem Arzt abgestimmt.

Herr... ist Leitender Chefarzt. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 der Geschäftsordnung für die Betriebsleitung des Kreiskrankenhauses ist er in dieser Eigenschaft Mitglied der Betriebsleitung. Aufgabe der Betriebsleitung ist nach § 5 Abs. 4 Nr. 4 der Geschäftsordnung u. a. die grundsätzliche Ordnung der Krankenhausdienste einschließlich Aufstellung der Arbeits- und Dienstpläne sowie Dienstanweisungen für die einzelnen Bereiche. Dem Leitenden Chefarzt obliegt nach § 8 Nr. 1 der Geschäftsordnung u. a. die Regelung der medizinisch-hygienischen Angelegenheiten des Krankenhauses.

Der Kläger ist nicht Mitglied der Betriebsleitung des Krankenhauses.

In einem Protokoll der Besprechung mit der Laborleitung am 02.12.1998 unter Beteiligung u. a. des Klägers und des ... heißt es auszugsweise:

"...

4. Am 01.01.1989 tritt für die Blutzuckerbestimmungen auf der Station (verantwortlich Leitender Chefarzt, Termin 01.12.98) folgende Verfahrensweise in Kraft: Die Kapillarblutentnahmen für Blutzucker, kleines Blutbild und SBH erfolgen täglich um 6.30, 11.00 und 16.00 Uhr durch die MTA des Labors. In den Zwischenzeiten führt der Pflegedienst die Blutzuckerbestimmungen durch. Bereitstellung der Geräte, Pflege, Qualitätssicherungsmaßnahmen in Verantwortung des Laborleiters.

..."

Im Übrigen wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

1.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Arbeitnehmer die Entfernung einer nicht gerechtfertigten Abmahnung aus seiner Personalakte verlangen (vgl. BAG vom 12.01.1988 - 1 AZR 219/86 -, EzA Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 73 m. w. N.).

Mit der Abmahnung übt der Arbeitgeber sein arbeitsvertragliches Gläubigerrecht aus. Der Arbeitnehmer wird als Schuldner der Arbeitsleistung auf seine vertraglichen Pflichten hingewiesen und auf deren Verletzung aufmerksam gemacht. Zugleich wird er für die Zukunft zu einem Vertragstreuen Verhalten aufgefordert. Für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung werden individualrecht-liche Konsequenzen in Aussicht gestellt (BAG vom 31.08.1994 - 7 AZR 893/93 - EzA § 611 BGB Abmahnung Nr. 33 m. w. N.).

Für die Frage, ob eine Abmahnung zu Recht erfolgt ist, kommt es auf die subjektive Vorwerfbarkeit des Verhaltens des Arbeitnehmers i. S. eines Verschuldens nicht an. Entscheidend ist allein, ob der Vorwurf objektiv gerechtfertigt ist (BAG vom 31.08.1994, a. a. O.).

2.

Da es sich bei dem Schreiben vom 24.01.2003 zweifelsohne um eine Abmahnung im vorstehenden Sinne handelt, kommt es für die Frage, ob der Kläger zu Recht abgemahnt worden ist, allein entscheidend darauf an, ob der Kläger am 08.01.2003 gegen 22:00 Uhr den Spätschicht-Schwestern der Station 8 mitteilen durfte, dass am 09.01.2003 keine Blutzuckerbestimmungen durch die Mitarbeiterinnen des Zentrallabors durchgeführt (und die Blutzucker am 09.01.2003 durch die Mitarbeiter des Labors nicht geholt) würden und dass die Bestimmung mit den Glukometergeräten am Bett erfolge.

Das ist jedoch nicht der Fall. Nach § 106 Satz 1 der Gewerbeordnung kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Nach § 106 Satz 2 Gewerbeordnung gilt dies auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb.

Das Weisungsrecht des Arbeitgebers ist hier dahingehend ausgeübt worden, dass u. a. die Kapillarblutentnahmen für Blutzucker täglich um 06:30, 11:00 und 16:00 Uhr durch MTA des Labors erfolgen. An dieser Weisung hat der dem Kläger vorgesetzte Chefarzt ... mitgewirkt. Zwar ist der Kläger seinerseits den MTA's des Labors vorgesetzt. Nicht vorgesetzt war und ist er jedoch den Spätschicht-Schwestern der Station 8. Sein Vertragsverstoß liegt - wie auch abgemahnt - darin, gegen eine glasklare Arbeitgeberweisung verstoßen und sich seinerseits ein Weisungsrecht (gegenüber den Spätschicht-Schwestern) angemaßt zu haben. Dies stellt einen abmahnungsfähigen Vertragsverstoß dar.

Das Verhalten des Klägers war nicht gerechtfertigt. Das Gesetz bestimmt in §§ 227 ff. BGB, wann bzw. unter welchen Voraussetzungen eine Handlung nicht widerrechtlich ist. Der Sachverhalt, den der Kläger zu seinem (doppelten) Vertragsverstoß veranlasst hat, ist durch keine der anwendbaren, die Widerrechtlichkeit eines Tuns ausschließenden Bestimmungen gedeckt. Die Voraussetzungen einer zivilrechtlichen Notwehr, eines zivilrechtlichen Notstandes oder einer zivilrechtlichen Selbsthilfe lagen nicht deshalb vor, weil der Kläger einen Weg für nicht gefahrlos begehbar gehalten hat.

Auch ein strafrechtlicher Notstand lag nicht vor. Dieser bezieht sich lediglich auf eine gegenwärtige, nicht anders abwendbare Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut. Damit ist zwar die Gesundheit einer MTA aus dem Labor des Klägers erfasst. Die Gefahr war aber nicht im Rechtssinne "gegenwärtig". Der Vertragsverstoß des Klägers ist gegen 22:00 Uhr vorgekommen. Zu begehen gewesen wäre der Weg jedoch erst am nächsten Tag nach 06:00 Uhr. Die Gefahr war auch nicht unabwendbar. Der Kläger hätte sich mit einem Verantwortlichen ins Benehmen setzen oder dies wenigstens versuchen müssen.

Die im Berufungsverfahren vorgetragenen Auffassungen des Klägers zur Entbehrlichkeit der Blutzuckerbestimmung in der ihm angewiesenen Art rechtfertigen seine Vertragsverstöße nicht. Die Organisation des Krankenhauses obliegt ihm nach dessen Geschäftsordnung in der Tat ebenso wenig wie es etwa auf die Ansicht einer Operations-Krankenschwester zu einer von dem dafür allein verantwortlichen Arzt gewählten Operationsmethode ankommt.

Die streitgegenständliche Abmahnung ist auch nicht unverhältnismäßig (oder gar sachlich falsch), weil der Kläger auf den Umstand hingewiesen wird, dass die Organisation nicht Bestandteil seiner Aufgaben als Laborleiter ist und dass auch keine Aufgabenübertragung bzw. Bevollmächtigung zur Organisationsänderung an seine Person als Laborleiter erfolgt sei. Zum einen ist beides für sich betrachtet richtig. Zum anderen wird keine Organisationsänderung vorgeworfen, sondern ein konkreter Arbeitsvertragsverstoß, der sich allerdings als die Anmaßung des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts darstellt und der Sache nach eine Organisationsänderung darstellt, weil sich der Kläger im Einzelfall berechtigt zu glauben scheint, klare organisatorische Regelungen negieren zu dürfen.

Letztlich muss der Frage nicht weiter nachgegangen werden. Es ist ersichtlich, dass der Hinweis auf die Organisation dem Kläger vor Augen führen sollte, welches der Maßstab für die Abmahnung war: Seine negative Abweichung von der positiv beschriebenen Organisation.

Der Kläger hat im Berufungsverfahren damit begonnen, angebliche Verstöße Dritter gegen die Verfahrensweise bei der Blutzuckerbestimmung zu benennen. Nach dem Ergebnis der Berufungsverhandlung kann es in der Tat in der Vergangenheit zu Abweichungen gekommen sein, allerdings entweder durch die verantwortliche Ärztin selbst oder auf deren Veranlassung. An die Ärztin hat sich das Protokoll vom 22.12.1998 ausweislich seines Verteilers jedoch nicht gerichtet. Auch geht es hier nicht um die Beurteilung der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen und vor allem Verantwortlichkeiten von Ärzten für deren Anweisungen in Einzelfällen. Selbst wenn die Vorwürfe des Klägers gegenüber Dritten berechtigt wären, ändert das an seinen eigenen Vertragsverstößen nichts.

II.

Der Kläger hat aufgrund der Regelung in § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner ohne Erfolg gebliebenen Berufung zu tragen.

Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Die Revision ist nicht zuzulassen.



Ende der Entscheidung

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